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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls



Die Schlacht auf dem Tausendteufelsdamme

König Johann von Dänemark sprach ;u dem Herzog, seinem Bruder:

"Was beginnen wir nur, daß wir das reiche freie Dithmarschenland an uns bringen ?

Da sprach der Herzog:

Wir wollen einen Boten an die sächsische Garde senden, mit deren Beistand wollen wir wohl den Dithmarschen obsiegen.



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Sie sandten einen Boten in die Marsch und kündigten dem Volke an, daß der König drei feste Schlösser haben wolle im Lande, aber das wollten die Bauern nicht leiden.

Der Bote ging zurück nach Rendsburg, wo der König lagerte und ein mastig großes Heer sammelte aus Jütland, aus Fühnen, aus Holstein und aus deutschen Landen; Goldknechte eine ganze Schar vom Rhein, aus Franken und Sachsen, die hatten sich zusammengetan und nannten sich die sächsische Garde. Als die Garde zu dem Königsheer Süess, fragte sie:

Herr König, wo liegt denn das Dithmarschen? Liegt es im Himmel droben oder auf schlichter Erde?"

Da sprach der König:

Es ist nicht mit Kloben an den Himmel geschlossen, es liegt auf Erden.

Darauf sprach die Garde wieder:

Herr König, wenn das Dithmarschenland nicht mit Kloben an den Himmel geschlossen ist, soll es bald unser werden."—

Nun ließ der König die Fahnen fliegen und die Trommeln schlagen und zog mit dem Heere von zwölftausend Mann auf das tiefe Land zu. Zuerst zog das Heer nach Windbergen, da lag es eine kleine Weile und rastete, hernach zog es weiter nach Meldorf zu und trieb allerlei Übermut und Grausamkeit. Sie steckten des Königs Banner hoch vom Turme aus und hingen ihre Schilde über die Mauer, alles den Dithmarschen zum Hohne. Die hatten nur eine kleine Schar von tausend Streitern und wichen zurück bis an die Hemmingstetter Brücke.

Dort waren noch Wälle aus der alten Sassenzeit und tiefe Gräben, schlammig, voll Wasser. Da machten die Dithmarschen in der Nacht ein Bollwerk, stopften die Lücken des alten Erdwalles mit Moos und Schlamm und Binsen, machten ein Pfahlwerk und erwarteten den Feind. Der kam im Frühstrahl herangezogen, voll Kampfesmut, und die Dithmarschen warfen ihm einen Steinhagel entgegen. Die Feinde aber suchten in Eile den Graben zu überbrücken, banden Speere zusammen, und darauf warfen sie querüber wieder Speerbündel, und nun hinüber, aber rücklings wurden sie niedergestürzt und niedergeschmettert. Viele wollten im Sprung



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die Höhe des Walles gewinnen und schwangen sich am Schaft der Lanzen hoch empor, aber sie sprangen zu kurz, und wem ja der Sprung gelang, der empfing in Kolbenstreichen auf dem Wall den sicheren Tod. Da leuchtete mancher alte Morgenstern vom Bornhövder Schlachttage wieder hell, und manche verrostete Klinge von damals schliff sich wieder blank an Feindes Helm und Panzer.

Aber siehe, plötzlich entstand ein Angst- und Schreckensruf im Kampfhaufen der Dithmarschen:

"Umgangen! weh! wir sind umgangen!

Im Rücken heran zog Feindesgewimmel, das an anderer Stelle den Wall überklettert hatte, und es drohte nun Unheil. Da trat plötzlich allen unversehens eine Dithmarschenjungfrau vor, die schwang hoch in der Hand eine Fahne.

"Mir nach!" rief "Drauf!" — und stürmte mit der Fahne und einem Schwert fliegenden Haares geradezu gegen den Feind. Es entstand ein hartes und fürchterliches Schlagen, und lange stand der Kampf, aber die Übermacht der Feinde war allzu groß.

Endlich hatte Gott Erbarmen und sandte die Flut. Die wälzte sich heran, krachte an die Schleuse, brach sie, überströmte die Felder von Hemmingstett, und wie die Bauern die Wogen daherbrausen sahen, da jauchzten sie in erneuter Kampflust. Sie nahmen wieder hinterm Tausendteufelsdamme festen Stand, wo sie sicher vor der Flut waren, und schlugen auf den Feind los, den rings die Wogen bedräuten.

Da war ein Gardenführer, sie nannten ihn den langen Jürgen, der hatte Herz im Leibe und spornte seinen Hengst, sprengte glücklich auf den Wall und rief: "Wer wagt es mit mir, der komme heran!

Doch da war ein Bauer, der hieß der Reimer von Wiernerstede, der sprang vor, schlug mit seiner Mordaxt des Junker Jürgen Speer zur Seite und hieb mit der Axt in den Panzer des Junkers ein. Die Axt saß so fest, daß er sie nicht wieder herausziehen konnte. Da riß der Reimer den Jürgen am Axtstiel nieder, trat auf das Eisen und trat es dem Junker fünf Zoll tief in den Leib hinein.



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Auch von anderen Feinden blieben zahllose Tote in dieser wilden Schlacht, außer denen, die von den Wogen verschlungen wurden. Es blieben da fünf von dein Geschlechte der Kanzau, von Ahlefeld sieben, von Wackerbarth vierzehn, der König entfloh zu Schiffe.

Lange sind noch Lieder von dieser Schlacht auf die sächsische Garde, von Jürgen Slens, von der kühnen Maid und dem Reimer von Wiemerstede im Dithmarschenlande gesungen worden.


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