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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DES VIERZEHNTEN WACHTHAUPTMANNS

Wisset, was ich zu erzählen habe, das ist noch heiterer und seltsamer, als was wir gehört haben. Das ist nämlich folgendes: Ehe ich in diesen Beruf eintrat, hatte ich einen Tuchladen, und da pflegte immer der Sklave eines Mannes zu mir zu kommen, den ich nur vom Ansehen kannte; dem pflegte ich zu geben, was er verlangte, und ich geduldete mich immer, bis er bezahlen konnte. Eines Abends nun war ich mit meinen Freunden zusammen, und wir setzten uns zu einem Gelage nieder. Da tranken wir und waren guter Dinge und spielten Tricktrack; einen von uns ernannten wir im Spiel zum Wesir, einen anderen zum Sultan und einen dritten zum Henker. Während wir so dasaßen, kam plötzlich ein Schmarotzer ungebeten zu uns; wir spielten weiter, und er begann mit uns zu spielen. Nun sprach der Sultan zum Wesir: ,Bringt den Schmarotzer, der ungebeten und ungeladen bei den Menschen eindringt, damit wir den Fall untersuchen. Dann will ich ihm den Kopf abschlagen lassen!' Da erhob sich der Henker und schleppte den Schmarotzer herbei; es war aber ein Schwert dort, das nicht einmal geronnene Milch hätte spalten können. Als der Schmarotzer vor dem Sultan stand, sprach der: ,Schlag ihm den Kopf ab!' Und da hieb er mit jenem Schwerte; aber siehe da, der Kopf flog dem Manne vom Rumpfe. Als wir das sahen, entfloh der Wein aus unserem Hirn, und wir gerieten in furchtbare Angst. Die anderen nahmen den Rumpf und trugen ihn hinaus, um sich seiner zu entledigen, während ich den Kopf aufhob und mich auf den Weg zum Flusse machte. Ich war aber noch trunken, und meine Kleider wurden von dem Blut



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besudelt. Während ich auf der Straße dahinwankte, begegnete ich einem Räuber. Als der mich sah, erkannte er mich und rief: ,Du, Soundso!' ,Ja, was denn?' fragte ich; und er fuhr fort: ,Was hast du da bei dir?' Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, und er nahm mir den Kopf ab. Als wir aber zum Flusse kamen und den Kopf gewaschen hatten, sah er ihn genauer an und rief: ,Bei Allah. das ist mein Bruder. der Sohn meines Vaters! Der pflegte bei den Leuten zu schmarotzen.' Und damit warf er den Kopf ins Wasser. Ich war in Todesängsten, aber er sprach zu mir: ,Fürchte dich nicht, sorge dich nicht; du sollst frei sein von der Schuld am Tode meines Bruders.' Darauf nahm er meine Kleider, wusch sie, trocknete sie und legte sie mir wieder an; und nun sprach er zu mir: ,Geh in dein Haus!' Ja, er ging auch noch mit mir, bis ich bei meiner Wohnung ankam. Dort sprach er zu mir: ,Allah lasse dich nie einsam werden! Ich war dein Freund, und du hast mir Gutes erwiesen; aber von jetzt ab wirst du mich nie wiedersehen!' Dann ging er seiner Wege.'

Alle die zugegen waren, staunten ob der Hochherzigkeit dieses Mannes, ob seiner Zurückhaltung und seiner vornehmen Gesinnung." — —« * * *

Der König aber sprach: »Erzähle uns noch mehr von deinen Geschichten, Schehrezâd!«»Gern«, erwiderte sie und erzählte nun einen lustigen, vergnüglichen Scherz,


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