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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Schmied in Ruhla

Graf Ludwig, der die Wartburg baute, der auch Eisenach, die Stadt, mit Mauern umgab und Reinhardsbrunn, das Kloster, gründete, hinterließ einen Sohn, auch Ludwig geheißen, den machte der Kaiser zum Land grafen in Thüringen, und der war, da er noch ein Jüngling war, gar gütig und demütig gegen Edle und Unedle und von mildem Wesen; solches ward ihm von seinen Vasallen für Schwäche und Torheit ausgelegt. Er strafte nicht gern und hörte nicht gerne klagen, hatte zu allen Menschen das beste Vertrauen und wußte nicht, daß die Edeln seine Untertanen schmählich bedrückten und daß Bürger und Bauern von ihnen viel böse Gewalt erleiden mußten, zumal die, die um ihn waren, zu verhindern wußten, daß Beschwerden an den Herrn gelangten.

Da geschah es, daß der junge Landgraf eines Abends auf einem Jagd: ritt sich im Forste verirrte und in die Nähe des Ortes Kuhla kam, da sah er das helle Feuer einer Waldschmiede durch die Nacht leuchten, ging darauf zu und bat den Schmied um Herberge. Der Schmied kannte ihn nicht und fragte ihn, wer er sei.

Ich bin Eures Herrn, des Landgrafen, Jäger einer.

Pfui des Landgrafen!" rief der Schmied und spuckte aus und wischte sich. "Wer ihn nennt, muß sein Maul wischen, daß er es nicht verunreint mit dem Samen. Pfui des übelbarmherzigen Herrn! Um deines Herrn willen herberge ich dich wahrhaftig nicht! Geh, ziehe nur dein Pferd in den Schuppen, dann komme her und sitze nieder — iss und trink, was da ist, und ruhe auf dem Heu, denn Bettgewand ist hie nicht vorhanden.

Der Landgraf, verwundert ob dieser groben Rede, schwieg still, ging und brachte sein Pferd unter Dach und kam wieder in die Schmiede. Der Schmied kümmerte sich soviel als gar nicht um ihn, schürte sein Feuer, zog



382 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

den Blasebalg, hitzige und hetzte, glühte sein Eisen, löschte es, glühte wieder und hämmerte und rief bei den Schlägen fort und fort:

Landgraf Ludwig, werde hart, werde hart!

Er schlug mit dem gewichtigen Hammer, daß die Funken Soden, und erzählte alles nach der Schnur her, worüber die Untertanen klagten, und schob alle Schuld und alles Unrecht, was im Sande geschah, auf den Landgrafen und verwünschte und verfluchte ihn in die unterste Hölle. Er sang das alte Lied von den dünkelvollen Räten, die alles besser wissen, sich und ihre Weisheit für unfehlbar halten, die Fürsten glauben machen, es siehe alles gut im Sande, und hinterdrein, ist's Lug und Trug, und der Aufruhr schlägt in hellen Flammen aus, und alles Unglück, das daraus entsteht, wird hernach den Fürsten in die Schuhe geschoben.

Dem Landgrafen erschrak das Herz im Leibe, als er aus dieser harten Stimme des Schmiedes des Volkes Stimmung gegen sich vernahm, und er nahm sich vor, dem Unfug, den seine Edeln verübten, ein Ende mit Schrecken zu machen. Ganz hart geschmiedet verließ er, nachdem er kein Auge zugetan, die Kublaer Waldschmiede, und sein milder Sinn war in einen eisernen verkehrt.

Er nahm die Zügel der Regierung in die eigne Hand und zog sie so straff, daß die edeln Rosse schäumten und knirschten und sich bäumten — aber das Volk atmete freier auf und es ward ihm wohler, denn die ritterlichen Vasallen durften es nicht mehr placken und schinden.


Copyright: arpa, 2015.

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