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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Die drei Auflagen

Über die Stadt Osnabrück war ein Graf von Teklenburg als Kirchenvogt gesetzt mit allerlei Rechten. Eines davon war, daß die Metzger sich von ihm mußten ihre Preise vorschreiben lassen. Diese Fleischpreise brachte stets ein kleiner Burgzwerg auf einem Esel herunter in die Stadt, und ehe er damit da war, durften die Metzger kein Fleisch verkaufen, was sie stets sehr ärgerte, denn wenn die Käufer vom Markte hinweg waren, konnten die Metzger ihr Fleisch selbst essen. Vergebens bedrohten sie den Burgzwerg, wenn er sich nicht besser eile, und endlich, als seines Zögerns kein Ende wurde, griffen sie ihn und zerhackten ihn, und legten die Stücke in des Esels Tragkörbe, und ließen diesen allein hinauf zur Teklenburg treiben. Schrecklich war der Zorn des Grafen, er befehdete die Stadt, tat ihr allen Tori an und quälte sie so lange, bis sie um Gnade bat. Der Graf von Teklenburg aber war nicht willens, Gnade zu üben, sondern sprach höhnend, er wolle Gnade üben gegen das verräterische Osnabrück, wenn die Stadt binnen Jahresfrist zwei Scheffel Wifelinghöfer einliefere, welches kleine Silberheller waren, die ein früherer Bischof aus dem Geschlechte der Grafen von Wekelinghofen hatte prägen lassen und die man nur noch selten sah, sodann zwei blaue Windhunde und zwei Rosenstöcke ohne Dornen. Da war guter Kat teuer, diese drei Bedingungen zu erfüllen. Weit und breit wurden Boten umhergesandt, schlechte Heller gab es genug, aber keine Wifelinghöfer; blauen Dunst genug, aber keine blauen Windhunde; Rosenhecken genug, aber nirgend dornenlose, denn das gemeine Sprichwort sagt ja ausdrücklich: Keine Rose ohne Dornen. Für die Münzen wurde endlich doch Kat geschafft, denn der Rat zu Osnabrück ließ verkündigen, daß er die Wifelinghofer Heller gut bezahle, strömten aus allen Nachbarlanden die Bettelleute wie Sand am Meere ins Bistum Osnabrück und lieferten Wifelinghofer ein, big der Kat genug



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hatte. Unterdessen waren ein Paar weiße Windhunde in ein Zimmer mit blauen Glasfenstern gebracht worden, blau angestrichen, die wurden von blaugefärbten und -gekleideten Wärtern gefüttert mit Blaumeisen, Blaukehlchen und gekochtem Blaukohl aus blauen Geschirren. Da bekamen die Windspiele Junge, die waren schon etwas blau angelaufen, dann wurden von diesen Jungen aber Junge erzielt, die waren blitzblau. Mittlerweile hatte der Kat ausgesonnen, Rosenschößlinge durch enge Glasröhren wachsen zu lassen, da blieben die Dornen inwendig, denn sie hatten keinen Kaum, hervorzutreiben. Und so erfüllten die Osnabrücker die drei schweren Bedingungen mit Last und Mühe und hatten fortan wieder gute Ruhe; die Metzgerzunft aber wurde bedeutet, ihre Hackekunst nicht wieder an Zwergen zu üben. Das Geschlecht der blauen Windspiele verlor sich bald wieder, aber die dornenlose Kose ward fortgepflanzt und hat sich von Osnabrück aus in alle deutschen Gärten verbreitet.


Copyright: arpa, 2015.

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