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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Rolandseck

Es saß auf hoher Burg am Khein hoch über dem Stromtal ein junger Rittersmann, Roland geheißen (manche sagen Roland von Angera, Neffe Karls des Großen), der liebte ein Burgfräulein, Hildegunde, die Tochter des Burggrafen Heribert, der auf dem nahen Schloß Drachenfels saß, und wurde wiederum auch von ihr geliebt. Weil auch der alte Burggraf nichts gegen die Verbindung seiner Tochter mit Ritter Roland einzuwenden hatte, so verlobte er ihm seine geliebte Tochter herzlich gern. Da erscholl, noch bevor die Vermählung des Brautpaares erfolgen konnte, ein Aufgebot der Ritterschaft gegen Hunnen und Heidenscharen, die im Osten das Reich bedrohten, und dem Ritter Soland geboten Pflicht und Ehre, diesem Aufgebot zu folgen. Große Taten vollführte Roland gegen die Heidenschwärme, und seine tapfere Hand entschied den Kampf zugunsten des Christenheeres. Davon kam die erfreuliche Kunde bald an den Khein und auf den Drachenfels und weckte dort große Freude. Dann aber ward wieder eine Zeitlang keine Kunde vom Ritter Roland vernommen.



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Endlich kam ein heimkehrender Ritter am Siebengebirge vorüber und sprach um ein Nachtlager auf dem gastlichen Drachenfels an, der verkündete, ohne daß er wußte, wie schmerzlich für seine Wirte die Kunde sei, daß Ritter Roland in einem der letzten Kämpfe an seiner Seite den Heldentod gefunden habe. Nun entstand großes Leid und Wehklagen, und Hildegunde war so trauervoll, daß sie sogleich den Entschluß faßte, im Kloster Nonnenwerth den Schleier zu nehmen. Da der Bischof, der über dieses Kloster gebot, ihr Verwandter war, so willigte er in Hildegundens dringendes Verlangen, ihr das Probejahr zu erlassen, und ließ sie schon nach eines Monates Frist als Sonne einkleiden.

Am folgenden Tage stieg ein Gast um Drachenfels empor, ward eingelassen und sah auf allen Mienen nur Trauer. Mit Schreck und Freude erkannte Ritter Heribert in dem Fremden den geliebten Ritter Roland. Wohl war dieser für tot vom Schlachtfeld getragen worden, aber wieder genesen, wohl hatte er Botschaft gesendet, aber der Bote war nicht angelangt, und nun fragte er nach seiner Hildegund und vernahm das Donnerwort: sie ist eine Nonne!

Schrecklich war, was Roland empfand. Stumm vor Schmerz ging er vom Drachenfels herab, bestieg sein Roß, ritt nach Rolandseck hinauf — entließ seine Diener, wählte sich droben einen Felsensitz, wo er Nonnenwerth sehen konnte, und schaute herab nach der Geliebten, jeden Tag und Mond um Mond und Jahr um Jahr, lebte als Einsiedler und murmelte Gebete, wenn drunten im Tale die Klosterglocke klang. Bisweilen erblickte er die Sonne Hildgund, die aus Trauer um ihn das ewig unlösbare Gelübde tat — big er einst sie lange nicht mehr sah, big ein Leichenzug ihm sagte, daß sie geschieden aus dem irdischen Leben und zum ewigen Frieden eingegangen sei. Und bald danach Roland erblichen gefunden worden und ihr dahin nachgegangen, wo alle liebenden Seelen im Schoße der ewigen Liebe sich wieder einigen.


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