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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Geldsot

In Süddithmarschen bei Marne rinnt eine helle Quelle über die Marsch hin, die blinkt wie Silber. Sahe dabei hat ein Dorf gestanden, das verheerte erst der Krieg, nachher kam die Seuche, und da starb es ganz aus, bis auf einen einzigen Mann, das war der Hirte, und der erbte nun all das Geld und Gut, das die Verstorbenen hatten zurücklassen müssen. Er hatte seine Lust daran, alles zusammenzutragen, und versenkte dann alles hinab in den Quellbrunnen, dann starb er und hinterließ keine Erben.

Es mochte aber im Vorbeireisen doch jemand gesehen haben, was der Hirte getan hatte, denn die Sache kam unter die Leute, und der Brunnen wurde der Geldsot geheißen. Wenn einer mit einem Stocke in den Quell hineinstieß, klang es hohl, und man konnte bisweilen in der Tiefe den kleinen grauen Mann sehen, wie er, einen schwarzen Hut auf dem Kopf und ein brennendes Licht in der Hand, nachsah, ob der Schatz noch ganz vorhanden wäre. Wollte einer versuchen und hinabgreifen, so war der Hirte verschwunden.

Einstmals haben sich ihrer dreie verbunden, den Schatz zu heben, und haben die Quelle tief aufgegraben. Da sind sie auf einen großen Braukessel gestoßen, den konnten so nicht herausheben. Sie legten einen Windebaum quer über das Loch und banden Stricke an die Henkel und begannen den Kessel in die Höhe zu winden, das taten aber ganz stillschweigend, weil man beim Schatzheben ja nicht reden darf. Mit einem



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Male hörten sie Räder rollen und Achsen ächzen, und da fuhr ein Fuder Heu vorbei, das zogen sechs weiße Sause. Aber keiner von den dreien verlor ein Wort noch einen Laut, und der Kessel rückte schon merklich höher. Da kam der Mann mit dem dreieckigen Hute auf einem Schimmel geritten, der nur drei Beine hatte.

"Guten Abend!" sagte der Alte, aber die drei waren klug und antworteten nicht.

Könnt' ich wohl das Heufuder einholen?" fragte der Mann weiter, und da fuhr 's dem einen heraus:

"Den Teufel wirft du's einholen, du lahmer Krüppel auf deinem lebendigen Dreibein!"

"O weh, da brach die Winde, und der Kessel versank, und nimmermehr, soviel ihrer es auch später wieder versucht haben, vermochte einer, ihn zu heben.


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