Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Die Pferde aus der Bodenluke

Zu Köln nahe dem Eingange der Kirche zu den heil. zwölf Aposteln war ein Gemälde zu schauen, das stellte eine gar absonderliche Geschichte dar. Es war ein Bürgermeister daselbst hieß Richmuth von Andocht, dem starb sein Eheweib und ward begraben, und da man am Grabe den Sarg nochmals öffnete, wie es sonst üblich war, und über der Leiche betete, sah der Totengräber, daß die Frau einen großen goldnen King am Finger hatte, mit Edelsteinen wohl geziert. Da wurde in dem Totengräber die Gier lebendig, zur Nacht das Grab wieder zu öffnen und den Ring zu stehlen. Aber wie erdas tat, drückte die Leicht ihm die Hand zusammen, denn sie war nicht tot, sondern lebend begraben, und wollte sich aus dem Sarge helfen. Eilend entfloh voller Schreck der Totengräber, die Begrabene aber wickelte sich aus den Grabtüchern los trat aus dem Grabe und ging auf ihr Haus zu, klopfte und befahl dem Diener zu öffnen, sie sei es. Der Diener vermeinte ein Gespenst zu sehen und zu hören und lief eilend zu seinem Herrn, ihm die Begebenheit zu melden, und stammelte:

"Ach, Herr! Unsere Frau drunten vorm Hause steht sie leibhaftig und will, daß ich ihr auftue.

"Du bist ein Narr", antwortete der Bürgermeister, Herr Richmuth von Andocht. "Ebenso wahr könntest du sagen, meine Schimmel stünden droben auf dem Heuboden.



320 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

Kaum hatte er das Wort ausgeredet, so erhob sich von unten nach oben ein grausamer Tumult, und als der Diener nachsah, so standen schon die sechs Kutschpferde oben, ohne die andern, die noch nachkamen. Der Bürgermeister war ganz starr vor Schreck und glaubte nun, und die Frau ward eingelassen und ihrer mit warmen Tüchern und Arzeneien wohlgepflegt daß sie sich wieder erholte. Am andern Tage schauten zu jedermanns Verwunderung die Pferde aus den Bodenluken heraus, und man mußte große Gerüste und Maschinen anwenden, um sie nur wieder herunter in den Stall zu bringen. Darauf wurden einige Pferde ausgestopft, die mußten zum Andenken auch fürder oben herausschauen. Und die Frau lebte noch sieben Jahre lang und spann und webte einen schönen großen Vorhang von weißem innen, den sie in die Apostelkirche verehrte.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt