Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Die drei Bergleute im Kuttenberg

Im Lande Böhmen liegt ein berühmtes Bergwerk, das ist im Kuttenberge; da hat sich's vorlängst zugetragen, daß drei Bergleute miteinander jahraus jahrein in einer Grube arbeiteten und ihr Brot verdienten. Sie nahmen täglich, wenn sie anfuhren, ihr Gebetbuch, ihr Grubenlicht, auf einen Tag mit Öl versehen, und ihr Brot, auch nur für einen Tag, mit in die Grube, beteten und fuhren dann vor Ort.

Da geschah es, daß sich eines, Tages ihre Grube verschüttete, und da befahlen sie sich Gott und gedachten zu sterben, denn ihr und Brot reichte nur auf einen Tag. Aber ihr Gebet, das sie gemeinsam verrichteten, das reichte viel, viel weiter, und es nahm ihr Öl nicht ab und nicht ihr Brot, und sie beteten und arbeiteten im Berge immerfort und merkten nicht, daß die Jahre dahingingen, und als eine Jahreswoche vorüber war, dünkte es sie noch keine gewöhnliche Woche zu sein; nur daran, daß Bart und Haare ihnen mächtig wuchsen, merkten sie die Flucht der Zeit.

Ihre Weiber daheim wußten, daß sie alle drei verschüttet und vergraben waren, und dachten endlich daran, andere Männer zu nehmen, wenn einer sie haben wolle.

Zu einer Zeit begannen die drei Bergleute sich doch recht herzlich aus ihrer Gruft herauszusehnen dem Lichte, gleich der Pflanze im Keller, die sehnsuchtbleiche Ranken empor zum Lichte schickt und gern ergrünen möchte, und da seufzte einer von den dreien aus tiefem Herzensgrunde:

"O nur noch einmal, einmal nur am Tageslicht mich freuen und sonnen und dann in Gottes Namen sterben!

Da seufzte der zweite:

"O nur einmal noch mit meiner lieben Frau zu Tische sitzen, nur einen Tag mich wieder droben freuen, und dann sterben in Gottes Samen!

Und der dritte seufzte:



312 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

Ach, nur ein Jahr im guten Frieden droben an der Seite meiner Frau und nimmermehr herunter dann wollt ich gerne sagen: Welt,

Da tat der Berg, als sie so gewünscht hatten, einen Donnerkracher, als wollte er initien voneinander bersten, und da pct durch eine Ritze der Echein des blauen Himmels in die tiefe Grube. Da klommen die drei hinan, und der erste krech hinaus ans Tageslicht und sog es wonneatmend ein, freute sich und sonnte sich am warmen Strahl und rief:

"O du Licht, du Licht von Gott!"

Sann sank er um und war tot.

Indem krochen die zwei andern auch heraus und wanderten in ihr Dorf, da sie wohnten, und suchten ihre Weiber, die kannten nicht, denn jeder sah aus wie ein Waldschrat, und wollten nichts mit ihnen zu tun haben. Die Männer aber heischten Bartmesser und Seife und traten bald darauf vor ihre Weiber, nachdem sie sich geschoren und gesäubert, und war jetzt jeder ein Mann, der sich gewaschen hakte und auch gekämmt, da freuten sich die Weiber, daß sie ihre Männer wiederhatten.

Die des ersten bereitete gleich ein Mahl, so gut sie es vermochte, und da aßen und tranken die beiden und freuten sich, und der Mann sprach zuletzt den Abendsegen und dankte Gott für Speis' und Trank und sank um und war tot.

Dem dritten aber ward vergönnt, ein ganzes Jahr hindurch sich noch des Erdentages zu erfreuen und fuhr nicht mehr in den Schacht; und genau, als ein Jahr vorüber war, nachdem der Bergmann wieder aus dem Kuttenberge hervorgegangen, da umfing er seine Frau und sagte zu ihr:

"Lebe wohl! Auf Wiedersehen in Gottes Himmel!

*O nimm mich lieber gleich mit!" sprach sie, und wie sie sich so lieb- Schmerzlich und treu umfangen hielten, umfing sie selbst beide der ewige Schlaf.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt