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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Vineta

Bei der Insel Usedom ist eine Stelle im Meere, eine halbe Meile von der Stadt gleichen Samens, da ist eine große, reiche und schöne Stadt versunken, die hieß Vineta. Sie war zu ihrer Zeit eine der grösten Städte Europas, der Mittelpunkt des Welthandels zwischen den germanischen Völkern des Südens und Westens und den slawischen Völkern des Ostens. Überaus großer Reichtum herrschte allda. Die Stadttore waren von Erz und reich an kunstvoller Bildnerei, alles gemeine Geschirr war von Silber, alles Tischgeräte von Gold. Endlich aber zerstörte bürgerliche Uneinigkeit und der Einwohner ungezügeltes Leben die Blüte der Stadt Vineta, die an Pracht und Glanz und der Lage nach das Venedig des Nordens war. Das Meer erhob sich, und die Stadt versank.

Bei Meeresstille sehen die Schiffer tief unten im Grunde noch die Gassen, die Häuser eines Teiles der Stadt in schönauer Ordnung, und der Rest Vinetas, der hier sich zeigt, ist immer noch so groß wie die Stadt Lübeck.

Die Sage geht, daß Vineta drei Monate, drei Wochen und drei Tage vor seinem Untergang auch als ein Luftgebilde erschienen sei mit allen Türmen, Palästen und Mauern, und kundige Alte sollen die Einwohner gewarnt haben, die Stadt zu verlassen, denn wenn Städte, Schiffe oder Menschen sich doppelt sehen lassen, so bedeute das vorspukend sichern Untergang und das bevorstehende Ende — jene Alten seien aber verlacht worden.



308 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

An Sonntagen bei recht stiller See hört man noch über Vineta die Glocken aus der Meerestiefe heraufklingen mit einem trauervoll summenden Ton.


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