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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls



Gaul aus dem Pfuhl

Bei Dassel liegt ein Pfuhl, von dem geht die Sage wie von den Teufelskreisen auf dem Schneekopf im Thüringer Walde und vom Schwarzen Moor auf dem Rhöngebirge, daß er unergründlich sei und ein Wohnplatz und Tummelplatz des Teufels.

Zu Leuthorst saß ein Bauer, der konnte nimmer genug haben, und hatte neben dem Pfuhl einen Acker, den pflügte er an einem Sonnabend, und brachte sein Werk vor Feierabend nicht zu Ende und pflügte immer



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fort. Die Betglocke läutete, aber der Sauer hatte keine Acht darauf; er stand nicht still wie andere bei den dreimaldrei feierlichen Schlägen, tat seine Mütze nicht ab und sprach kein frommes Vaterunser, er rief vielmehr seinen Pferden zu:

"Jü bott, ihr Schindmähren! Wollt ihr in's Teufels Nanen ziehen, daß's endlich ein Ende wird?

Er hatte auch seinen Jungen bei sich, der mußte neben den Pferden her laufen und sie schlagen und antreiben, und endlich prügelte er selbst die Pferde und den Jungen wie unsinnig und wünschte sie zu allen Teufeln. Schon wurde es dämmerig, da stieg ganz langsam ein großer kohlschwarzer Gaul aus dein Moorpfuhl, und wie der Bauer den sah, freute er sich der Hilfe und rief dem Jungen zu:

"Geh hin, fange den Gaul und spanne ihn vor den Pflug in aller Teufel Namen, daß wir mit dem verfluchten Acker zu Rande kommen!

Der arme gescholtene und geprügelte Junge heulte und schrie, doch gehorchte er und holte den schwarzen Gaul als Vorspann, und nun ging es, heißa, hast du nicht gesehen. Die Schar riß Furchen in den Acker so tief wie ein Weggraben, und der Bauer konnte die Hand nicht mehr vom Pflugsterz bringen und mußte laufen. Wie er an des Ackers Ende war und wenden wollte, ließ das der Gaul nicht zu, sondern zog immer geradeaus, frisch und gewaltig, bis an den Pfuhl, und da er hineingegangen mitsamt dem Bauern, Pflug und Pferden, und keines davon wieder zum Vorschein gekommen.

Iii selbigem Teufelspfuhl liegt auch eine goldene Glocke, die stammt vom Kirchturm zu Portenhggen, und weil sie einen so wonnesamen Klang hatte, dem niemand widerstehen konnte, und alles in die Kirche gleichsam magisch zog (jetzt gibt es keine solchen Glocken mehr), da hat sie der Teufel aus Gift und Ärger geholt und in den Pfuhl geworfen. Eins wagte sich ein Taucher in den Mroorpfuhl hinab, iim vielleicht die Glocke herauszuwinden; da sah er auf grüner Wiese einen Tisch, und auf dem Tisch stand die Glocke. Aber unter dem Tisch lag der Teufel als ein schwarzer Hund, der funkelte ihn an mit feurigen Augen und streckte eine armslange



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feurige Zunge gegen ihn heraus, und daneben war auch ein grünes Meerweib, das rief:

"Noch nicht an der Zeit! Noch nicht an der Zeit!

Da eilte der Taucher, wieder hinaufzukommen, und seitdem hat niemals wieder jemand die goldene Glocke gesehen.


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