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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Hatto und Willigis

Die Samen der zwei ältesten Erzbischöfe von Mainz hat die Sage des Volkes insonderheit von Mund zu Mund bis auf die späte Sachwelt getragen.

Hatto war gar ein strenger Herr, zornigen, treulosen Gemütes, ohne Furcht vor Gott und ohne Liebe zu den Menschen. Wenn Bischof Hatto eine Rede bekräftigen wollte, so soll er immerdar das Wort im Munde geführt haben: "Sollen mich die Mäuse fressen, wenn 's nicht wahr ist.

Nun trug sich 's zu, daß unter Hattos Regierung eine große Not und Teurung entstand, daß die Leute Hunde und Katzen aßen und viele Hungers starben, Und da war des Bettelns und Gabenheischens in dem Bischofhof zu Mainz kein Ende, und Hatto meinte, es sei am besten, das arme Volk käme eilend von der Welt, so hungere es nicht mehr, und er bliebe ungeplagt Ließ daher alle Armen der Stadt in eine Scheune draußen vor dem Tore entbieten, als wolle er ihnen eine Mahlzeit zurichten lassen, und als alle darinnen waren, ließ er das Scheunentor Verschließen und die Scheune an allen vier Ecken anzünden. Da nun die Eingesperrten gar ein jämmerliches Geschrei erhoben, so sagte der grausame Bischof:

Hört ihr, wie meine Kornmäuse pfeifen? Nun wird der Bettel wohl ein Ende haben, sollen mich die Mäuse fressen, wenn 's nicht wahr ist

Und siehe, da sprang eine Schar Mäuse aus dem Brand der Scheune hervor und an den Bischof hinan, die bissen ihn, und ihm graute. Als er nach Hause kam und sich zur Tafel setzte, liefen Mäuse auf der Tafel herum, fraßen von seinen Speisen, fielen in seinen Becher und bissen ihn in die Hände. Über seiner Lagerstatt und unter ihr und in ihr waren Mäuse und quälten ihn mit wütenden Bissen — da erkannte Hatto schaudernd das Gericht Gottes.



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Nun stand bei Bingen im Rheinstrom eine Wasserburg, dahin enteilte der Bischof, dort sicher zu sein, denn über das Wasser, meinte er, würden die Mäuse nicht kommen. Aber ehe er noch in das Schiff trat, waren schon die Mäuse drin, und da half kein Totschlagen, denn sie verkrochen sich, und ganze Scharen Wassermäuse kamen, die schwammen mit dem Schiff um die Wette nach der Turminsel bei Bingen. Auf einem größen Rheinfloß waren nicht so viele Menschen als Mäuse in und um Bischof Hattos Schiff. Und als er in dem Turme war, da fielen sie ihn an und bissen ihn und fraßen ihn bei lebendigem Leibe, und er litt brennende Höllenschmerzen von den zahllosen Bissen und verfluchte seine Seele zu allen Teufeln.

Die Teufel ließen nicht allzulange auf sich warten, sie kamen dahergefahren im lichterlohen Brande und nahmen seine Seele und was vom Leib die Mäuse übriggelassen hatten, und warfen es in den Schlund des Ätna. Und wo an einer Wand oder auf einer Tafel der Name des Bischofs Hatto zu lesen war, den nagten die Mäuse ab, selbst sein Gedächtnis zu vertilgen.

Seitdem heißt der Rest von Hattos Wasserburg im Rhein bei Bingen der Mäuseturm.

Erzbischof Willigis war ein gelehrter und frommer Mann und von Herzen demütig. Er war von niederer und geringer Herkunft, sein Vater war ein armer Rademacher. Das machte ihm Neid bei den adeligen Domherren, die ihre Ahnenproben ablegen mußten und beschwören, die malten ihm heimlich Räder an die Türen und Wände seines Bischschofes zu Schmach und Schimpf, und spotteten: das ist unsers Bischofs Ahnenwappen.

Willigis aber, der fromme Mann, nahm sich das mitnichten als eines Spottes an, er ließ über seine Bettstätte ein hölzernes Pflugrad aufhängen und in seine Gemächer weiße Räder in rote Wappenfelder malen und dazu einen Reim setzen, der lautete: "Willigis, Willigis, denk woher du kommen sis.

Nachher haben dem frommen Willigis zum Gedächtnis alle nach ihm



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kommenden Erzbischöfe dieses Rad als Wappenzeichen beibehalten, und Stadt und Bistum Mainz haben es angenommen und beibehalten big auf den heutigen Tag.


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