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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der blaue Dunst

Die Stadt Gera im Vogtlande und ihre Umgegend ist voll von Sagen aus der Pestzeit. Eine Menge Ortschaften wurden von der Pest ergriffen, und die Einwohner starben nur so hin, da hat sich allerlei ereignet, das noch sagenhaft fortlebt.

Zu Gera kamen zwei fremde Gesellen in ein Haus, darinnen schon etliche Personen an der Pest gestorben waren, und zechten miteinander. Da sah der eine einen seltsamen blauen Rauch, wie ein dünner Nebel, in



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einem Winkel ganz sachte aufsteigen, stieß seinen Kameraden an, der sah den blauen Dunst auch, und beide sahen, wie er sich in eine Klunze in der Wand sachte hinein verschlich. Nun schnitzte geschwind der erste Geselle zur Kurzweil einen Pflock, schlug den in die Klunze und verkeilte sie damit, und als die Gesellen ihre Zeche bezahlt, zogen sie weiter. Nach der Zeit ist niemand mehr an der Pest gestorben.

Nun geschah es ein paar Jahre später, daß der eine Geselle zufällig wieder nach Gera kam, als niemand mehr an die schlimme Seuche dachte. Er war in derselben Wirtsstube und sah von ungefähr seinen damals eingeschlagenen Pflock, der noch an dem vorigen Ort stak; lachte daher und sprach zu den andern Zechgesellen:

Schaut, vor ein paar Jahren hab' ich dahinein einen blauen Vogel gesperrt, wollen doch sehen, ob er noch darinnen ist.

Zog alsobald den Pflock heraus, da quoll hinterm Pflock her der blaue Dunst, und das war die Pest, die befiel gleich einige Leute im Haus, breitete sich in der ganzen Stadt aus und raffte noch weit mehr Leute hin denn das erstemal.


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