Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Teufel ein Fürsprech

Durch die Mark zog ein Landsknecht, der blieb in einer Stadt krank liegen und gab seinen vollen Geldbeutel, den er mit sich führte, der Wirtin, ihn zu verwahren. Dieser gelüstete nach dem Gelde, und sie ward eins mit ihrem Mann, es zu verleugnen.

Als nun der Landsknecht genesen war und weiterziehen wollte, forderte er sein Geld, Da schrie ihn das Weib an, was er sich denke, was er eigentlich wolle? Sie wisse nichts vom Gelde, habe keins von ihm empfangen und schalt ihn auf das ärgste. Er nun schalt das Weib wiederum eine untreue Diebin. Indem kam der Wirt hinzu, verteidigte sein Weib



267 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

und warf den Landsknecht zur Tür hinaus; zieht der Landsknecht vom Leder, haut in die Tür, stürmt das Haus. Schreit der Wirt: "Nachbarjo!" — es gibt gleich einen ziemlichen Zulauf, der Landsknecht wird verstrickt und in Summer Sicher gebracht, darauf Gericht über ihn gehalten und er wegen Haus- und Stadtfriedensbruch zum Schwert begnadigt".

Da kam zu dem Gefangenen der Teufel und sagte:

Willst du dich mir ergeben, so errette ich dich, willst du nicht, so kostet dich der Handel den Hals.

Der Landsknecht war keiner von den übel verschrienen, sondern ehrlich und fromm, und da er sich schuldlos wußte, antwortete er, er wolle lieber zehnmal sterben als dem Teufel seine Befreiung danken. Da ihm nun der Teufel vergebens die Schmerzen des Todes, den er erleiden sollte, schilderte und jener immer sich gleich und standhaft blieb, sagte der Teufel endlich:

Und ich will dir dennoch helfen, ohne allen Beding und ohne Zusage und Lohn von deiner Seite, damit du siehst, daß der Teufel nicht so schwarz ist, wie ihr ihn malt, und auch uneigennützig sein kann. Verlange daher, wenn du vor das Gericht gefordert wirst, um dein Urteil zu Vernehmen, einen Rechtsanwalt, einen Fürsprech zum Verteidiger, dann will ich in einem blauen Hut mit weißen Federn in der Nähe stehen, mitten unter den andern Advokaten."

Dem Landsknecht dünkte solches höfliche Anerbieten des Teufels nicht gegen Gott zu sein, nahm es an, sintemal doch einem jeden sein Hals lieb ist, und so erbat er einen Fürsprech und deutete auf den Herrn mit dem blauen Hut. Der Teufel verneigte sich sittig gegen den Gerichtshof, bat um das Wort, erhielt es und hub an zu sprechen wie nur einer. Er trug den ganzen Handel noch einmal vom Anfang an vor, wie des frommen Landsknechts Vertrauen auf das schändlichste von der falschen Wirtin getäuscht worden sei, wie der Wirt nicht von ungefähr zu dem Hader gekommen, sondern mit seiner schlechten Frau im Einverständnis gewesen sei und schon im Hinterhalt gelegen habe. Wie ferner der Wirt — der mit



268 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

seinem Weibe mit anwesend war — den Landsknecht zuerst mit tätlicher körperlicher Mißhandlung verletzt und aus dem Hause geworfen, der Landsknecht aber niemand angegriffen, sondern mit seinem Schwert bloß einige unerhebliche Ritze in die Haustür gehauen, wozu ihn gerechter Zorn über die gegen ihn begangene Untreue hingerissen, daher ihm die zur Last gelegte Gewalttat gar nicht anzurechnen sei, mindestens nicht big zur Lebensstrafe.

Nun erhob sich der Wirt und zürnte in ungeschlachter Rede gegen den Teufel: das seien alles Kniffe, Ränke und Rechtsverdrehungen; man kenne wohl das Sprichwort: Advokaten-— Teufelsbraten (Murren auf der linken, Beifall auf der rechten Seite der Zuhörer), ihn, den Wirt, aber solle gleich der Teufel bei lebendigem eibe holen, wenn er oder sein Weib je von dem Landsknecht Geld empfangen oder auch nur bei ihm gesehen, und ein weiser hoher Gerichtshof werde sich nicht in seinem nur allzu gerechten Urteile irren lassen durch einen —hier würde der Teufel noch einen ganzen Sack voll Ehrentitel an den Hals geworfen bekommen haben, wenn der Oberrichter den Wirt nicht zur Ordnung gerufen hätte. Der Fürsprech des Landsknechts lächelte, er neigte sich nochmals vor dem Gericht und bat aber ums Wort:

"Mein Klient", hub er an, "hat mir seinen Beutel nebst Inhalt also beschrieben: er ist von Wildleder, durch langen Gebrauch unsauber, an der einen Schnur, womit er zugezogen wird, hängt ein Ringlein von Messing. In dem Beutel befinden sich fünfzig und fünf kurfürstlich brandenburgische Taler mit dem Bildnis Joachimi, sechs rheinische Goldgulden, zwanzig Schreckenberger, dreizehn sächsische Gröschlein, ferner eine spanische Doppelkrone mit dem Bildnis Königs Philippi, ein Doppeldukaten Herzog Richards von Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein, und außerdem noch zwei Schaustücke, eines mit dem Bilde Kaiser Maximiliani, eines mit dem Caroli quinti, und endlich ein kupferner Schaupfennig, auf dem steht: Ehe man brech Treu und Glaub in Not, soll man willig gehn in Tod.

Alle Zuhörer erstaunten über des Fürsprechs treffliches Gedächtnis, am meisten der Landsknecht selbst, denn er hatte dem Teufel von dem Inhalt seines



269 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

Beutels kein Wort gesagt, kannte so genau gar nicht die Münzen, und was auf ihnen für Schriften geprägt waren, davon konnte er keine einzige lesen.

"Will nun ein hoher Gerichtshof", fuhr der Fürsprech weiter fort, "die Gnade haben und zwei sichere Boten in dieses unschuldigen Wirtes Haus senden, so dürfen diese nur im Hintergebäude hinter dem letzten Schornstein rechter Hand drei Ellen und eine Spanne hoch fühlen, da werden sie
die Hände voll Ruß bekommen, und unter diesem Ruß wird der Beutel meines Klienten sich finden lassen.

Die Wirtin tat einen Schrei, und dem Wirt begannen die Knie zu schloddern, beide aber wurden kreideweiß und fielen auf ihre Knie nieder. Die Boten gingen, und der Teufel sprach:

"Mit Verlaub, ihr Herren! Machen wir einmal gegen eure Gewohnheit kurzen Prozeß! Dieser Schächer Geständnis lest ihr in ihren Armesündermienen



270 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

— einen mußte ich haben, den Gast oder den Wirt — das Weib lass' ich euch, das ist mir zu gefährlich. Der Wirt hat sich mir verschworen, des seid ihr alle Zeugen!

Sprachs, packte den Wirt im Sacken, fuhr mit ihm zum Fenster hinaus und führte ihn über den Markt in den Lüften hinweg, wohin, erfuhr niemand, konnten sich 's aber schon denken. So kam der Landsknecht zu seinem Recht und auch wieder zu seinem Gelde.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt