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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Mode

Im Lauenburger Lande heißt der wilde Nachtjäger Mode, mag wohl ein Namensnachhall des Sachsenvolksgottes Wodan sein. Der Mode jagt vornehmlich, wie der wilde Jäger im Harz, Thüringer Wald und Vogtland, in der Adventszeit und in den Zwölften. Er reitet das altheilige, große, weiße Roß, und es folgen ihm vierundzwanzig Hunde. Sein Pferd hat nur drei Beine. Wenn die Wodensjagd auf Zäune stößt, krachen sie gleich zusammen, über Nacht richten sie sich von selbst wieder auf. (Dem



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Hause des Verfassers gegenüber liegt ein Garten, dessen Zaun der wilde Jäger des Nachts öfters umwirft; dieser Zaun richtet sich aber nicht von selbst wieder auf, sondern der Nachbargartenbesitzer läßt ihn allemal am Tage wiederaufrichten.) Des Moden Hunde bleiben bisweilen ermattet liegen, schnaufen, heulen und winseln. So geschah es in Wulfsdorf, in Fühlenhagen und anderswo. Tags darauf holt sie der Mode wieder. Läßt eine Frau zur wilden Jagdzeit Wäsche im Freien hängen, so wird sie von den Wodenshunden in Fetzen gerissen. Bäckt jemand zu dieser Zeit, so kann er es erleben, daß die Brotlaibe ala Jagdhunde auf und davon fliegen. Läßt jemand die Haustür unversehens offenstehen, so kann er gewärtigen, daß das Wodensheer hereinzieht und hindurch, und daß die Hunde auffressen, was sie vorfinden, absonderlich den Brotteig. Doch weiß der Mode solchen Verlust auch zu vergüten.

Einst klagte ein Bäuerlein erbärmlich, was es denn nun mit den Seinen essen und ob es keinen Schadenersatz erhalten sollte? Der Mode schrie:

"Jo, jo! Ho, ho!"

Er schmiß einen toten Hund aus der Luft herunter dem Bauer vor die Füße und rief dazu:

"Wirf's Aas durch den Schornstein!"

Der Bauer erschrak und tuts. Der tote Hund war schwer. Auf des Bauern Herd zerplatzte der Hundebalg, und es rollte die Küche voll Goldstücke.

Der Wode jagt — wie der wilde Jäger im Vogtland die Wichtel, Holzweibel und Moosleute — die kleinen Waldfrauen, die Erd- und Bergmännchen, die die Leute dort im Lauenburger Lande Unterirdische nennen. Er vertilgte sie so ziemlich von der Erde. Sein Hauptjagdweg geht um Krumesse herum über das Moor nach Beidendorf zu.

Ein Beidendorfer Bauer wollte einmal abends nach Krumesse, da kam ein ganzer Schwarm Unterirdischer dahergelaufen, waren aber dasmal gar nicht bange und riefen:

Heut kann er uns nicht kriegen, heut soll er uns wohl in Ruhe lassen, heut hat er sich nicht gewaschen!



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Als der Bauer ein Stück weitergegangen war, fuhr der Bode daher und fragte den

Was riefen sie?

Der Bauer antwortete:

Sie sprechen, du hätt'st dich heut morgen nicht gewaschen!

Gleich ließ der Bode sein Pferd halten, ließ es stallen und wusch sich damit — dann ging die Jagd los. Ehe der Bauer Krumesse erreichte, sah er den ode schon wiederkommen; der hatte ganze Bündel Unterirdische hüben und drüben am Pferde baumeln wie Krammetsvögel und hatte sie mit den Haaren aneinandergebunden.

Jetzt jagt der Bode bloß noch in der Luft, denn die Unter irdischen, meinen viele, hat er bereits alle von der Erde fortgebracht.

Auch im Mecklenburger Lande wird der wilde Jäger "der Mode" genannt und werden von ihm vielerlei ähnliche Geschichten erzählt.


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