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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DES SECHSTEN WACHTHAUPTMANNS

Höret jetzt meine Geschichte und das, was mir begegnet ist, oder eher, was dem Ehrenmanne' Soundso begegnet ist; das ist noch großartiger und seltsamer als das, was wir gehört haben. Es trug sich nämlich so zu. Er wurde eines Tages mit einer Frau ertappt, und viel Volks sammelte sich unten bei seinem Hause; auch der Präfekt kam mit seiner Mannschaft und pochte an die Tür. Nun schaute der Ehrenmann oben aus dem Hause heraus, und als er die Leute sah, rief er: ,'Was wollt ihr?' Sie antworteten ihm: ,Folge dem Rufe des Herrn Präfekten Soundso!' Er kam herunter und öffnete die Tür. Da schrieen die Leute: ,Bring die Frau heraus, die bei dir ist!' ,Schämt ihr euch nicht? Wie kann ich meine Gattin herausbringen?' ,Ist sie deine Gattin durch rechtmäßigen Vertrag oder ohne die Eheurkunde?' ,Nach dem Buche Allahs und der Verordnung Seil.



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nes Apostels!' ,Wo ist der Vertrag?' ,Ihr Vertrag ist im Hause ihrer Mutter.' ,Komm her und zeige uns den Vertrag!' ,Macht freie Bahn für sie, damit sie hinausgehen kann!' Nun hatte er, sobald er gemerkt hatte, daß die Sache ruchbar wurde, den Vertrag geschrieben, ihn auf ihren Namen ausgestellt und ihn so zur Eheurkunde seiner Frau gemacht; auch hatte er die Namen einiger seiner Freunde als Zeugen eingetragen, wie es gerade kam, hatte die Unterschrift des vollziehenden Kadis und des Vormundes daruntergesetzt und das Ganze so zu einer gesetzlichen Urkunde gemacht. Als die Frau jetzt hinausgehen wollte, gab er ihr den Vertrag, den er gefälscht hatte, und schickte den Eunuchen des Emirs mit ihr, auf daß er sie in das Haus ihres Vaters geleite. Als jener Eunuch nun mit ihr gegangen war und sie zu dem Hause gebracht hatte, und als sie selbst dort eingetreten war, sprach sie: ,Ich will nicht zu dem Streite vor dem Emir zurückkehren; laßt die ehrenwerten Zeugen kommen und meinen Vertrag in Empfang nehmen.' Wie der Eunuch zum Präfekten zurückkam und ihm, der noch immer an der Tür des Ehrenmannes stand, die Botschaft überbrachte, sprach jener: ,Das kann gestattet werden.' Und der Ehrenmann rief: ,O du Eunuch, hol uns den Zeugen Soundso!' Der war nämlich sein Freund. Und als jener, den er durch den Boten holen ließ, bei ihm ankam und er ihn sah, sprach er: ,Geh zu derundder Frau, mit der ihr mich vermählt habt, und rufe sie, und wenn sie dann zu dir' kommt, so verlange von ihr den Ehevertrag, nimm ihn ihr ab und bringe ihn uns!' Dabei machte er ihm ein Zeichen, als wollte er ihm sagen: ,Mache eine Lüge mit und schütze uns; denn sie ist eine fremde Frau, und wir fürchten uns vor dem Präfekten, der an der Tür steht; und wir bitten Allah den Erhabenen, daß er uns und euch



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beschirme vor dem Kummer der Welt, Amen!' Da ging der Mann, der als Zeuge diente, zum Präfekten, der bei den anderen Zeugen stand und sprach zu ihm: ,Gut! Ist sie nicht dieunddie, deren Ehevertrag an derunder Stätte geschlossen wurdet' Dann begab der Zeuge sich zu der Frau, die bei dem Ehrenmann gewesen war und der er den gefälschten Vertrag gegeben hatte; und als er zu ihrem Hause kam, rief er sie, und sie brachte ihm die Urkunde. Er nahm sie von ihr entgegen und ging damit zum Präfekten' zurück. Und als der gelesen hatte, was darin stand, rief der Ehrenmann dem Freunde: ,Geh zu unserem Herrn und Gebieter, dem Oberkadi, und tu ihm kund, was seinen ehrenhaften Zeugen widerfährt!' Der Freund wollte hingehen; aber der Präfekt erschrak und begann, den Ehrenmann inständigst zu bitten und ihm die Hände zu küssen, bis er ihm vergab. Dann ging der Präfekt fort, in größter Angst und Furcht. Der Ehrenmann aber brachte so alles in Ordnung und heiratete die Frau; die Fälschung gelang durch seine vortreffliche List.'

Alle verwunderten sich darob gar sehr. Und nun trat der siebente Hauptmann vor und erzählte


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