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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Teufelsweg auf Falkenstein

Auf der Höhe, oier Stunden von Frankfurt a. M., erheben sich auf fast unzulänglichem Fels die Burgtrümmer Falkenstein, die Wiege eines im Taunus und der Wetterau gar mächtigen Geschlechts, von dessen Sprossen einige sogar Erzbischöfe von Trier wurden.

Ein Ritter von Sayn minnte die Tochter eines Falkensteinerg, aber der Vater war ihm abhold und wies des Ritters Werbung mit den höhnenden Worten ab:

"Meine Tochter will ich Euch gern zum Ehegespons geben, ich verlange nur einen geringen Gegendienst. Schafft diese Felsenzacken in einer Nacht zum gang- und reitbaren Wege um — das ist mein Beding und mein Bescheid!

Unmögliches war begehrt und hätten tausend und aber tausend Hände sich zugleich zerarbeitet an dem harten Felsgestein, es wäre nicht möglich gewesen, in solch kurzer Frist das Werk zu vollenden.

Traurig zog der Ritter von Sann, Kuno geheißen, von dannen, zog nach dem heiligen Lande, focht tapfer in vielen Sarazenenfchlachten, suchte den Tod, fand ihn nicht, blieb stets eingedenk seiner Minne und kehrte endlich in die Heimat zurück. Mit schmerzlichen Gedanken umirrte er den felsumtürmten Falkenstein, hätte gerne Kunde gehabt von seiner Geliebten und starrte trübe die Felsen an, die mit ihrer Härte sein Geschick versinnbildlichten.

"Hier hilft keine menschliche Macht, nur Zauber könnte diese Felsen zum Wege bahnen!" seufzte der Ritter.

Horch da war es ihm, als höre er seinen Namen rufen — und wie er umschaut, hebt sich ein Erdmännchen in brauner Kutte, eisgrau und mit verschrumpfeltem Gesicht einer Felskluft herauf und redet ihn mit sondrer Stimme an:



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"Kuno von Sayn, was lässest du nach Silber wühlen drunten auf deinem Gebiet und störst unsre Ruhe ? Willst du diese Felsen zum Wege gebahnt sehn? Willst du die Erbtochter vom Falkenstein, die droben noch einsam um dich trauert, nach dir sich sehnt, dein nennen ? Dann gelobe nur eins und schwöre es zu halten.

Dem Ritter war es seltsam zumute bei dieser Erscheinung und Rede. Er dachte, es möchte etwa eine Versuchung des bösen Feindes, und was er geloben solle, möchte etwa seine Seele sein. Er fragte daher nicht ohne Zagen: "Was ist dein Begehr?" Da sprach das Erdmännchen:

"Versprich mir auf dein ritterlich Wort, daß du morgen des Tages alle deine Gruben, Schachte und Stollen willst zuschütten lassen, die wir ohnedies, so wir wollten, ersäufen könnten — so wollen wir in heutiger Nacht noch die Felsen ebnen, daß du, wenn du getan, was ich heische, am lichten Tag hinaufreiten und den Falkensteiner an seine Zusage mahnen kannst.

Des war der Ritter hocherfreut, er sagte gern zu, was der kleine Erdzwerg verlangte, und begab sich zur Ruhe. Sobald es Nacht geworden, regte sich's wunderbarlich um die Burg. Es krachte, es polterte, es hackte, es schaufelte — tausend kleine Berggeister allzumal, obschon sie zwerghaft gestaltet waren, mit Riesenkraft begabt, förderten das verheißne Werk. Als der Hahn den Morgen ankrähte, war 's vollbracht, und als die Sonne hinterm fernen Spessart heraufstieg, ritt schon Kuno von Sayn den neuen Weg und ließ sein Horn erschallen, daß sich der Wächter auf dem Turme des Falkenstein nicht wenig verwunderte. Noch mehr der Falkensteiner, doch freute er sich auch ob des so lang ersehnten Weges und hat sein Wort gehalten und die Liebenden vereinigt.

Der Ritter Kuno von Sayn hielt gleichermaßen auch sein Wort, das er dem Zwerg gegeben, und ließ die Schächte, darin er nach Silber gegraben, zuwerfen und eingehen. Der Felsenpfad, den die Erdgeister bahnten, heißt heute noch der Teufelsweg; er zieht unten an der westlichen Seite des Allthing, wo die Berggeister hausen, durch die Schärdter Höhle vorüber zur Bergeshöhe.


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