Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Die Tückebolde

Ganz Holland ist voller Spukgeister, Kobolde und Tückebolde; die stillen Flächen, die weiten Ebenen, die tiefen Gewässer, das flüsternde Röhricht, das murmelnde Wellenrauschen — aus allen brechen und sprechen die Stimmen der Satter geheimnisvoll, und des Volkes eigner Sinn gibt sich dem geisterhaften Geheimnis gern gefangen.

Im Wanslande geht ein Geist um, oer Osschaert heißt, der treibt viel mannigfaltigen Spuk, guten und schlimmen, recht nach Koboldnatur. Er macht sich groß, macht sich klein, macht sich sichtbar, macht sich unsichtbar, wandelt sich in Tiere um, wirft Trunkenbolde zur Abkühlung ihrer Saufhitze in manch kaltes Bad, äfft als Esel die menschlichen Esel, legt sich den Bezechten auf den Rücken, daß sie ihn huckepack tragen müssen, so daß sie, wenn sie es schon satt haben, es noch satter kriegen, und dabei lacht er auch so herzlich, so laut und so wunderschön, wie nur immer ein Esel lachen kann.



192 Ludwig Bechstein Märchen Flip arpa

Eines Tages ging ein alter Gärtner vom Dorfe zur nahen Stadt. Es war noch früh am Sage, aber dunkel, denn es war Winterzeit. Da sah er ein gräulich Ding auf sich loskommen und simulierte aus das möge wohl gar der Osschaert sein, wich ihm aus — sprang etwas hastig neben den Weg auf eine Wiese. Das Ding sah ihm nach und verschwand. Wie der Gärtner von der Wiese wieder auf die Heerstraße lenken wollte, fand er sich abgeschnitten und zwischen lauter Wassergräben, die in Holland das allerhäufigste sind, was dort zu finden. Nun hatte aber der gute Mann Eile, und war ihm gar nicht einerlei, daß er zwischen den Kanälen von einem zum andern irrte und doch über keinen hinwegkommen konnte, denn sie waren alle zu breit, und wie tief sie waren, das konnte man so eigentlich nicht wissen.

Da wurde dem alten Gärtner das Ding zu bunt, und er tai den Mund auf und tat einen Fluch, daß der Schnee sich erschrak, der auf den Baumästen lag und herunterfiel. Da plumpste ihm aber gleich eine schwere Last auf den Kücken und spornte ihn, wie ein Reiter sein Roß, nach den breitesten der Gräben hin und trieb ihn hinein, da half kein Zittern vor dem Froste. Und siehe, als der Mann in den breiten Graben trabte, da machte er keinen Schuh naß, denn der Graben war gar kein Graben, sondern die salztrockne Heerstraße, aber seinen Aufhuck, oh, den behielt er, und mußte ihn noch eine gute Viertelstunde tragen und Lastgaul, wo nicht esel sein, bis ihm eine Bäuerin begegnete, die eine Kiepe (Tragkorb) von Weidengeflecht trug. Da hopste der Osschaert hinein, und jenem ward es leicht, der Frau aber schwer; sie wußte gar nicht, was sie auf einmal so Schweres trug, und stand und nahm den Korb an und giekte hinein. Da flog ihr eine Fledermaus ins Gesicht aus dem Korbe, und sie tat einen Schrei, und die Fledermaus wurde so groß wie ein Mondkalb und lachte, daß es durch Mark und Bein drang,


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt