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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Graf von Hoya

Drei Gaben sind es, die in mannigfaltiger Gestaltung die Sage durch Erd und Wassergeister, durch Zwerge und Kobolde edeln Geschlechtern insgemein verleihen läßt und an dieser Gaben Dauer der Geschlechter Fortblühen und Dauerbarkeit knüpft. Wie der Hinzelmann dem Herrn auf Hudemühlen Kreuz, Hut und Handschuh schenkte, Frau von Hahn dreierlei Stücke Goldes, der letzte Graf von Drgewiler von einer Fee ein Streichmaß, einen Trinkbecher und einen Kleinodring empfing, ingleichen auch die Frau von Ranzau durch ein Männlein oder Fräulein Rechenpfennige, einen Hering und eine Spindel zum Geschenke und Andenken von den Unterirdischen bekam und andere anderes erhielten, also geschah es auch einstmals einem Grafen von Hoya, daß in der Nacht ein kleines Männlein an ihn herantrat und ihn, da er sich entsetzte, ansprach und sagte:

"Fürchte dich nicht und höre die Werbung, so ich an dich zu tun habe, und schlage mir meine Bitte nicht ab.

"Was begehrst du?"fragte der Graf und fügte hinzu: "So ich 'a ohne meinen und der Meinen Schaden gewähren kann, sage ich dir's zu. Darauf hat das Männlein also gesprochen:

"Nächste Nacht wollen unserer etliche in dein Haus kommen, deiner Küche und deines Saales sich bedienen ohne Nachfragen und Lauschen deiner Diener, deren keiner etwas davon erfahren darf, das soll dir und deinem Geschlechte zugute kommen, und in keiner Art soll jemand geschädigt werden.

Der Graf sagte zu, den Wunsch des Zwergmännleins zu erfüllen, und trug Sorge, daß seine Leute sich alle niederlegten und ihrer keiner um



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Küche oder Saal im Wege war. Da kamen in der Nacht die kleinen Leute alle zu Hauf, wie ein reisiger Zug, und wimmelten über die Brücke hinauf in das Schloß und in die Küche und schafften und rüsteten, kochten und brieten und trugen Speisen auf in den Speisesaal, was aber sonst in diesem sich begab, ist niemand kundgeworden. Gegen Morgen kam dasselbige kleine Männlein, das den Grafen zuerst angeredet, dankte ihm höflich und brachte ihm drei Gaben dar; das waren ein Schwert, eine bunte Decke und ein güldner Ring, in dem ein roter Leu eingegraben war. Diese drei Stücke solle der Graf wohl bewahren und nicht von sich und seinem Hause lassen, so werde es Glück haben und behalten. Hernachmals hat der Graf wahrgenommen, daß der rote Löwe im Kingtchildlein jedesmal erbleichte, wenn in seinem Hause ein Sterbefall bevorstand. Nach der Zeit sind aber die Stücke doch hinweggekommen, und das Grafenhaus ist darauf erloschen; die Grafschaft Hoya ist dem Hause Hannover zugefallen.


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