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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DES ZWEITEN WACHTHAUPTMANNS

Meister, vernimm, was mir früher im Wacht dienste begegnetist. Ich war einst Vorsteher im Hause des Präfekten: und dies Amt bekleidete damals Dschamâl ed-Dîn el-Atwasch el-Mudschhidi. und er war der Statthalter der beiden Provinzen esch-Seharkija und el-Gharbîja. Ich war seinem Herzen teuer, und er verbarg mir nichts von dem, was er tun wollte; und er war auch Herr seines Verstandes. Nun begab es sich eines Tages,



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daß ihm berichtet wurde, die Tochter eines Mannes, der soundso hieß, habe große Reichtümer, Kleinodien und kostbare Gewänder; aber sie sei zu jener Zeit unter dem Einflusse' eines jüdischen Mannes, und jeden Tag lade sie ihn zu sich allein, und er esse und trinke mit ihr, solange es hell sei, und ruhe des Nachts bei ihr. Der Präfekt glaubte zwar nichts von diesem Gerede; aber er ließ eines Nachts die Wächter der Straßen kommen und befragte sie über dies Gerücht. Da sagte einer von ihnen: ,O Herr, was mich betrifft, so habe ich gewißlich einen Juden eines Nachts jene Straße betreten sehen; aber ich habe nicht genau beobachtet, in welches Haus er ging.' Der Präfekt befahl ihm: ,Richte deinen Blick auf ihn von jetzt an und achte darauf, wo er eintritt!' Darauf ging der Wächter hinaus und behielt den Juden im Auge. Und während der Präfekt eines Tages in seinem Hause saß, kam plötzlich der Wächter zu ihm und sprach: ,O Herr, der jude ist in dasunddas Haus eingetreten.' Da machte der Präfekt sich selber auf und verließ sein Haus ganz allein, indem er niemanden mit sich nahm als mich. Und als wir zusammen dahinschritten, sprach er zu mir: ,Dies ist sicher ein fetter Bissen!' Und wir gingen immer weiter, bis wir zu der Tür kamen; dort blieben wir stehen, bis eine Sklavin von drinnen kam, die, wie es schien, etwas einkaufen wollte. Wir warteten, bis sie die Tür öffnete; und kaum sahen wir sie aufschlagen, so stürzten wir, ohne ein Wort zu sagen, hinein zu der Dame. Wir fanden eine Halle mit vier Estraden und darinnen Kochgeräte und Kerzen; der Jude und die Frau aber saßen beieinander. Als nun der Blick jener Dame auf den Emir fiel und sie ihn erkannte, erhob sie sich und sprach: ,Willkommen, herzlich willkommen! Bei Allah, mir ist wahrlich



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eine große Ehre widerfahren durch meinen Gebieter! Du verleihest meinem Hause hohes Ansehen.' Dann bat sie ihn, sich auf die Estrade zu bequemen und auf dem Lager Platz zu nehmen; auch brachte sie ihm Speisen und Wein und kredenzte ihm den Trunk. Darauf legte sie alles ab, was sie an Schmuck und Prachtgewändern trug, band es in ein Tuch und sprach: ,Mein Gebieter, alles dies ist dein Anteil.' Dann wandte sie sich zu dem Juden und sprach zu ihm: ,Auf, tu auch du wie ich!' Der erhob sich schnell und eilte hinaus, indem er kaum noch an seine Rettung glaubte. Als aber die Dame sicher wußte, daß er entronnen war, trat sie zu dem Tuche mit ihren Sachen. nahm es an sich und sprach: ,O Emir, besteht der Lohn für Freundlichkeit in anderem als Freundlichkeit? Du hast geruht, bei uns zu speisen; nun steh auf und verlaß uns, ohne uns ein Leids zu tun! Sonst stoße ich einen Schrei aus, daß alle Leute, die in der Straße wohnen, aus ihren Häusern kommen!' Da verließ der Emir sie, ohne daß er einen einzigen Dirhem erhalten hätte, und so rettete sie den Juden durch ihre kluge List.'

Die Versammlung bewunderte diese Erzählung, und der Präfekt und el-Malik ez-Zâhir sprachen: ,Hat wohl je einer solch eine List ersonnen?' Und auch sie verwunderten sich gar sehr. Dann erzählte der dritte Hauptmann


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