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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DES ERSTEN WACHTHAUPTMANNS

Hochansehnliche Versammlung, ich will euch etwas Wunderbares erzählen, was mir begegnet ist. Wisset, als ich in den Dienst dieses Emirs eintrat, hatte ich einen großen Ruf, und jeder Verbrecher fürchtete mich am meisten von allen Menschen; und wenn ich in der Stadt umherritt, so wies ein jeder auf mich mit den Fingern und mit den Blicken. Nun geschah es eines Tages, als ich im Gebäude der Wache saß, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, und über mich selber nachdachte, daß mir etwas in den Schoß fiel; und siehe da, es war ein Geldbeutel, zugebunden und versiegelt. Ich nahm ihn in die Hand und zählte in ihm hundert Dirhems; aber ich konnte niemanden finden, der ihn mir zugeworfen hatte. Da sprach ich: ,Preis sei Allah, dem König aller Reiche!' Danach, an einem anderen Tage, fiel wieder in gleicher Weise etwas auf mich herab und erschreckte mich; und siehe, es war ein Geldbeutel wie der erste. Ich nahm ihn und hielt das Ganze geheim, indem ich so tat, als ob ich schliefe, wiewohl ich nicht schläfrig war. Und wiederum eines anderen Tages, als ich mich schlafend stellte, fühlte ich plötzlich in meinem Schoß eine Hand, die eine von den allerfeinsten Geldbörsen hielt; ich ergriff die Hand, und siehe da, es war eine schöne Frau. Zu der sprach ich: ,Meine Herrin, wer bist du?' Sie antwortete mir: ,Laß uns von hier fortgehen, damit ich mich dir zu erkennen geben kann!'



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Da machte ich mich mit ihr auf, und sie ging ohne Säumen dahin, bis wir vor dem Tore eines hohen Hauses Halt machten. Nun fragte ich sie: ,Meine Herrin, wer bist du, die du mir eine Huld erwiesen hast? Und weshalb hast du das getan?' ,Bei Allah, o Hauptmann Mu'în,' erwiderte sie, ,ich bin ein Weib, das von Sehnsuchtsqualen verzehrt wird. Ich liebe die Tochter des Kadis Amin el-Hukm; das Schicksal führte uns zusammen. und die Liebe zu ihr hat mein Herz erfüllt. Ich habe mit ihr eine Verabredung getroffen, nach Möglichkeit und Gelegenheit; aber ihr Vater Amin el-Hukm hat sie mir fortgenommen. Und immer noch hängt mein Herz an ihr, und um ihretwillen leide ich immer größere Qualen der Sehnsucht.' Ihre Worte verwunderten mich, und ich fragte sie: ,Was wünschest du denn, daß ich tun soll?' ,O Hauptmann Mu'în,' gab sie zur Antwort, ,wisse, ich wünsche, daß du mir eine hilfreiche Hand leihest.' Da rief ich: ,Wo bin ich, und wo ist die Tochter des Kadis?' Doch sie fuhr fort: ,Ich weiß, du kannst gegen die Tochter des Kadis nichts mit Gewalt beginnen, aber ich will eine List ersinnen, um das Ziel meiner Hoffnung zu gewinnen. Danach steht mein Sehnen und Trachten: und mein Wunsch kann nur durch deine Hilfe erfüllt werden.' Dann fügte sie hinzu: ,Ich will mich heute nacht festen Herzens aufmachen. nachdem ich mir wertvolle Schmucksachen geliehen habe, und hingehen und mich auf die Straße setzen, in der Amin cl-Hukm wohnt. Wenn dann die Zeit der Nachtrunde kommt und die Menschen schlafen, so geh du mit deinen Leuten bei mir vorüber; ihr werdet mich in Schmuck und schönen Gewändern sitzen sehen und den Duft der Wohlgerüche an mir verspüren. Frage du mich, wer ich sei, und ich werde dir antworten: ,Ich komme aus der Burg', und ich gehöre zu den



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Kindern der Statthalter. Ich bin eines Geschäftes halber heruntergekommen; aber die Nacht überraschte mich unversehens, und da wurden das Zuwaila-Tor' und alle die anderen Tore vor mir geschlossen, und ich wußte nicht, wohin ich mich wenden sollte heute nacht. Da sah ich diese Straße, und weil sie so schön gebaut und so sauber ist, suchte ich Zuflucht in ihr bis morgen früh.' Wenn ich dies zu dir mit ruhiger Bestimmtheit gesagt habe, so wird der Befehlshaber der Runde keinen Verdacht auf mich haben und wird sagen: ,Wir müssen sie doch bei jemandem lassen, der sie bis zum Morgen behütet.' Sag du dann: ,Es wäre das beste, wenn sie bei Amin el-Hukm bleibt, bis die Nacht zu Ende ist, bei seinen Frauen und Kindern.' Klopfe sofort bei Amin el-Hukm an, so werde ich ohne Schwierigkeit in seinem Hause bleiben und mein Ziel erreichen. Und damit Gott befohlen!' ,Bei Allah,' erwiderte ich ihr. ,das ist ein leichtes.' Als es nun dunkle Nacht war, machten wir uns auf zur Runde, begleitet von den Männern mit blanken Schwertern, und zogen überall in der Stadt umher, bis wir zu jener Straße kamen, in der die Frau war, gerade um die Mitternacht. Da rochen wir starke Wohlgerüche und hörten das Klirren von Ringen; ich sprach zu meinen Leuten sofort: ,Mir ist, ich sehe einen Schatten dort.' Der Führer der Runde rief: ,Seht nach, wer sich aufhält an diesem Ort!' Alsbald machte ich mich auf, ging in die Gasse hinein und kam wieder heraus und sprach: ,Ich habe eine schöne Frau gesehen; die hat mir gesagt, sie sei von der Burg, und die Nacht habe sie überrascht; als sie diese Straße gesehen habe, da habe sie an ihrer Sauberkeit und an allem, was in ihr ist, erkannt, daß sie einem



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hohen Herrn gehöre und daß in ihr ein Wächter sein müsse, der sie behütet; deshalb habe sie in ihr Zuflucht gesucht.' Nun sagte der Befehlshaber der Runde zu mir: ,Nimm sie mit und führe sie in dein Haus!' ,Das verhüte Gott,' erwiderte ich, ,mein Haus ist kein Geldschrank. Diese Frau trägt Schmuck und kostbare Kleider. Bei Allah, wir können diese Frau nur bei Amin el-Hukm unterbringen, in dessen Straße sie gesessen hat, seit es dunkel ist. Laß sie bei ihm bleiben bis morgen früh!' ,Tu, was du willst und wünschest!' sagte der Befehlshaber; und nun klopfte ich an die Tür des Kadis. Einer von seinen Sklaven kam heraus, und ich sprach zu ihm: ,Werter Mann, nimm diese Frau auf und laß sie bis morgen früh bei euch bleiben; denn der Stellvertreter des Emirs 'Alam ed-Dîn hat sie gefunden, angetan mit Schmuck und kostbaren Gewändern, wie sie an der Tür eures Hauses stand; und wir fürchteten, die Verantwortung für sie könnte auf euch fallen.' Und ich fügte hinzu: ,Es wäre das beste, wenn sie bei euch übernachtet.' Da öffnete der Sklave die Tür und nahm die Frau bei sich auf. Am nächsten Morgen aber trat zuerst von allen anderen der Kadi An in el-Hukm vor den Emir, gestützt auf zwei seiner Sklaven, und schrie und fichte um Hilfe, und er sprach: ,O Emir voll Lug und Trug, du hast eine Frau meiner Obhut anvertraut, und die ist durch dich in mein Haus und in meine Gemächer gekommen, und sie hat sich darangemacht und mir die Gelder der kleinen Waisen genommen, die aus sechs großen gefüllten Beuteln bestehen; und nun werde ich erst wieder mit dir reden, wenn wir uns vor dem Sultan sehen.' Als der Präfekt diese Worte hörte, erschrak er, und er sprang auf, setzte sich wieder, zog den Kadi an seine Seite, beruhigte ihn und ermahnte ilm zur Geduld, bis er seine Worte erschöpft hatte. Dann wandte er sich an die Hauptleute und befragte sie über die Sache. Sie



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schoben alles auf mich, indem sie sagten: ,Wir wissen von dieser Sache nur durch den Hauptmann Mu'în.' Nun hielt der Kadi sich an mich und rief: ,Du hast mit der Frau gemeinsame Sache gemacht; denn sie sagte, sie käme von der Burg.' Ich senkte mein Haupt zu Boden unterdessen; denn ich hatte Sunna und Pflichtenlehre vergessen.' Und ich stand in Gedanken da, indem ich mir sagte: ,Wie konnte ich mich nur von einem liederlichen Weibe täuschen lassen!' Da sprach der Präfekt zu mir: ,Was ist es mit dir, daß du nicht antwortest?' Ich erwiderte ihm: ,Mein Gebieter, es ist eine Sitte unter dem Volke, daß der, dem etwas geschuldet wird, drei Tage zu warten hat. Wenn bis dahin der Schuldige nicht gefunden wird, so stehe ich für das Verlorene ein.' Als die Leute meine Worte vernahmen, hielten alle sie für recht und billig; und der Präfekt wandte sich an Amin el-Hukm und schwor ihm, er wolle alles tun, um das gestohlene Geld und Gut wieder herbeizuschaffen, und fügte hinzu: ,Sonst wird dieser Mann dir überliefert werden.' Da saß ich im selben Augenblick auf und begann planlos in der Welt umherzustreifen; denn ich unterstand nun dem Willen einer Frau ohne Ehre und Schamgefühl. Jenen Tag über und die ganze Nacht hindurch machte ich die Runde; aber ich fand keine Spur von der Frau. Ebenso erging es mir am zweiten Tage. Und am dritten Tage sagte ich mir: ,Du bist doch ein Irrsinniger oder ein Tor!' Denn ich zog umher auf der Suche nach einer Frau, die mich kannte, während ich sie nicht kannte; sie war nämlich in Umhang und Schleier verhüllt gewesen, und ich hatte sie nicht erkannt. Doch ich zog auch am dritten Tage umher, bis zur Zeit des Nachmittagsgebetes; da bedrückten Sorge und Gram mich immer mehr, denn ich wußte ja, daß mir vom Leben nur noch der nächste Morgen



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übrigblieb, an dem der Präfekt mich vor sich fordern würde. Endlich, gegen Sonnenuntergang, zog ich eine Straße entlang, und da sah ich eine Frau an einem Fenster stehn; ihre Tür war nur angelehnt, und sie selbst klatschte in die Hände und warf mir Blicke zu, gleich als wollte sie mir sagen: ,Komm durch die Tür herauf!' Ich ging ohne Argwohn hinauf; und als ich in ihr Zimmer trat, kam sie mir entgegen und schloß mich an ihre Brust. Ich staunte über ihr Tun; sie aber sprach zu mir: ,Ich bin die Frau, die du bei Amin el-Hukm untergebracht hattest!' ,Ach, meine Schwester,' rief ich, ,nach dir suche ich immerfort; bei Allah, du hast eine Tat getan, die man aufzeichnen wird, und du hast mich um deinetwillen in einen gewaltsamen Tod gestürzt.' Doch sie entgegnete mir: ,Kannst du, der Mannen Oberhaupt, es wagen, mir solche Worte zu sagen?' Ich erwiderte darauf: ,Wie sollte mir nicht angst sein, da ich mir solche Sorgen machen muß, und noch dazu die ganzen Tage umherziehe und des Nachts mit den Sternen wache!' ,Es wird alles gut werden,' rief sie, ,und du sollst als Sieger dastehen!' Dann trat sie an eine Truhe, holte mir aus ihr sechs Beute! voll Gold heraus und sprach zu mir: ,Wenn du willst, so gib es ihm wieder; wenn nicht, so wird das Ganze dein Eigentum werden. Und wenn du noch mehr haben willst, so wisse, ich besitze große Reichtümer. Meine Absicht war nur die, daß ich mich dir vermähle.' Darauf erhob sie sich, öffnete die anderen Truhen und holte viel Geld aus ihnen hervor. Ich aber sprach zu ihr: ,Schwester, nach alledem steht nicht mein Sinn: ich habe keinen anderen Wunsch, als aus der Not, in der ich mich befinde, herauszukommen.' Sie antwortete mir: ,Ich habe jenes Haus nicht verlassen, ohne an deine Rettung zu denken.'



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Und sie fuhr fort: ,Wenn morgen der Tag angebrochen ist und Amin el-Hukm zu dir kommt, so warte ruhig, bis er seine Rede beendet hat. Und wenn er dann schweigt, so gib ihm keine Antwort. Sobald aber der Präfekt dich fragt: ,Was ist es mit dir, daß du nicht antwortest, so erwidere ihm: ,O Herr, die beiden Worte sind nicht gleich', und wer überwunden wird, hat nur Allah den Erhabenen für sich!' Amin el-Hukm wird rufen: ,Was soll das heißen: die beiden Worte sind nicht gleich?' Dann erwidere du ihm: ,Ich habe bei dir eine Dame aus dem Hause des Sultans untergebracht. Kann nicht jemand in deinem Hause ein Verbrechen an ihr verübt haben? Kann sie nicht heimlich getötet sein? Sie trug Schmuck und Gewänder im Werte von tausend Dinaren! Hättest du deine Sklaven und Sklavinnen vernommen, so wärest du wohl auf irgendeine Spur gekommen.' Wenn er diese Worte von dir hört, so wird seine Aufregung noch wachsen, er wird völlig verwirrt sein und schwören, er müsse mit dir in sein Haus gehen. Du aber sprich zu ihm: ,Das werde ich nicht tun; denn ich bin der Angeklagte und bin noch dazu von dir verdächtigt!' Wenn er dann immer lauter zu Gott um Hilfe schreit und dich bei dem Eide der Scheidung' beschwört und sagt: ,Du mußt gewißlich kommen', so antworte du: ,Bei Allah, ich gehe nur, wenn auch der Präfekt mitkommt.' Und wenn du dann in dem Hause bist, beginne damit, die Dachterrassen zu durchsuchen; darauf durchsuche die Schatzkammern und Gemächer. Hast du dort nichts gefunden, so demütige dich, erniedrige dich und tu vor ihm, als ob du ganz gebrochen seiest. Darauf tritt an die Tür und schau suchend umher: denn dort ist ein versteckter Raum. Tritt auf ihn zu mit einem Heri.



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zen härter als Feuerstein, ergreife einen der Krüge, die dort stehen und nimm ihn von seiner Stelle fort. Darunter wirst du den Saum eines Frauenmantels finden, den zieh vor aller Augen hervor und rufe sofort nach dem Präfekten, öffentlich vor allen Anwesenden. Öffne den Mantel, und du wirst entdecken, daß er voll von ganz rotem, frischem Blute ist, und daß sich in ihm ein Paar niedrige Stiefel, eine Hose und etwas Wäsche befinden.' Nachdem sie so zu mir gesprochen hatte, erhob ich mich, um fortzugehen; aber sie fügte noch hinzu: ,Nimm diese hundert Dinare, sie werden dir von Nutzen sein; und dies ist mein Gastgeschenk an dich.' Ich nahm das Geld und ging durch die Tür hinaus. Am nächsten Morgen kam der Kadi Amin el-Hukm, mit einem Gesichte, das der Rindsaugenblüte' glich, und rief: ,Im Namen Allahs, wo ist mein Widersacher? Wo ist mein Geld?' Und er hub an zu weinen und zu schreien und sprach zum Präfekten: ,Wo ist dieser Unselige, dieser Oberdieb und Erzgauner?' Darauf wandte der Präfekt sich zu mir und fragte mich: ,Warum gibst du dem Kadi keine Antwort?' Ich erwiderte: ,O Emir, die beiden Häupter sind nicht gleich hoch, und ich habe keinen Helfer; aber wenn das Recht auf meiner Seite ist, so wird es sich zeigen.' Da ward der Kadi noch zorniger, und er rief: ,Heda, du Wicht, was für ein Recht willst du für dich ans Tageslicht kommen lassen?' Doch ich sagte: ,O unser Herr Kadi, ich habe dir ein Gut anvertraut, das war eine Frau, die wir an deiner Tür fanden und die Schmuck und kostbare Gewänder trug. Sie verschwindet, wie der gestrige Tag uns entschwunden ist, und darauf kommst du zu mir und verlangst sechstausend Dinare von mir? Bei Allah, dies ist denn doch ein gewaltiges Unrecht; an ihr hat sicher jemand in deinem Hause ein Verbrechen verübt!' Nun ergrimmte



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der Kadi noch mehr, und er schwor mit den heiligsten Eiden, daß ich mit ihm gehen und sein Haus untersuchen müsse. ,Bei Allah,' entgegnete ich, ,nur dann gehe ich mit, wenn auch der Präfekt bei uns ist. Denn wenn er und die Hauptleute bei uns sind, so wirst du es nicht wagen, mir unrecht zu tun.' Wiederum schwor der Kadi und rief: ,Bei dem Schöpfer der Mensch heit, wir wollen nur mit dem Emir gehen!' Da begaben wir uns mit dem Präfekten zum Hause des Kadis, und wir gingen hinaus und suchten, fanden aber nichts. Nun kam die Furcht über mich, und der Präfekt wandte sich zu mir mit den Worten: ,Heda, du Wicht, du hast uns vor den Leuten in Verlegenheit gebracht!' Bei alledem weinte ich, und unter strömenden Tränen suchte ich weiter nach rechts und nach links, bis es nahe daran war, daß wir durch die Tür wieder hinausgingen. Da blickte ich nach jenem Orte hin und sprach: Was ist das für ein Raum, den ich dort versteckt sehe ?' Und weiter sprach ich: ,Helft mir diesen Krug heben!' Sie taten es, und da ich ich unter dem Krug etwas herauskommen sah, sprach ich: ,Suchet und sehet nach, was unter dem Kruge ist!' Sie forschten also nach, und siehe da, sie entdeckten einen Frauenmantel und Hosen, die voll Blut waren. Als ich das sah, sank ich ohnmächtig nieder. Und wie der Präfekt das erblickte, rief er: ,Bei Allah, den Hauptmann trifft keine Schuld!' Meine Gefährten aber umringten mich und besprengten mein Gesicht mit Wasser. Dann erhob ich mich und trat Amin el-Hukm entgegen, der ganz verwirrt dastand, und sprach zu ihm: ,Du siehst, daß du dich hast täuschen lassen! Dies ist aber keine kleine Sache; denn die Sippe dieser Frau wird sich nicht über sie beruhigen.' Da erbebte dem Kadi das Herz; denn er wußte nun, daß der Verdacht sich wider ihn gewandt hatte; und seine Farbe ward gelb, und seine Glieder zitterten. Dar auf nun, nach



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diesem Erlebnis, zahlte er aus seinem eigenen Gelde noch einmal soviel, wie er verloren hatte, damit wir dieses Feuer für ihn löschten. Dann gingen wir in Frieden von ihm fort. Ich aber wartete noch drei Tage, und dann ging ich ins Badehaus und wechselte meine Kleider. Indem ich mir sagte: ,Diese Frau betrügt mich nicht', begab ich mich, eben nach Ablauf dieser drei Tage, zu ihrem Hause; aber ich fand die Tür verschlossen und schon mit Staub bedeckt. Ich fragte nach ihr; und es ward mir gesagt: ,Seit langer Zeit ist dies Haus ohne Bewohner. Aber vor drei Tagen kam eine Frau mit einem Esel hierher; und gestern abend hat sie ihre Sachen genommen und ist wieder fortgezogen.' Da kehrte ich heim verwirrten Sinnes. Später forschte ich noch lange Zeit jeden Tag nach ihr bei den Nachbarn, aber wir konnten keine Spur mehr von ihr finden. Über die Beredsamkeit ihrer Zunge und über ihre kluge Rede wundere ich mich immer noch. Und dies ist das Wunderbarste von allem, was ich erlebt und erfahren habe.'

Als el-Malik ez-Zâhir diese Rede vernommen hatte, verwunderte er sich. Dann erhob sich der zweite Hauptmann und erzählte


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