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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Der Richter und der Teufel

In einer Stadt saß ein Mann, der hatte alle Kisten voll Gold und Gut, er selbst aber war voll aller Laster, so schlimm war es, daß es die ente schier wunders dünkte, weshalb ihn die Erde nicht verschlang. Dieser Mann war noch dazu ein Richter, das heißt ein Richter, der aller Ungerechtigkeit voll war. An einem Markttage ritt er des Morgens aus, seinen schönen Weingarten zu sehen, da traf der Teufel auf dem Heimwege ihn an, in reichen Kleidern und wie ein gar vornehmer Herr gestaltet. Da der Richter nicht wußte, iver dieser Fremdling war, und solches doch gern wissen mochte, so fragte er ihn eben nicht höflich, wer und von wannen er sei ? Der Teufel antwortete: "Euch ist besser, wenn Ihr's nicht wisset, wer und woher ich bin! —"Hoho! fuhr der Richter heraus, seid, wer Ihr wollt, so muß ich 's wissen, oder Ihr seid verloren, denn ich bin der Mann, der hier Gewalt hat, und wenn ich Euch dies und das zuleide tue, so ist niemand, der es mir wehren wird und kann. Ich nehme Euch Leib und Gut, wenn Ihr mir nicht auf meine Frage Bescheid gebt!

"Steht es so schlimm", antwortete der Arge, "so muß ich Euch wohl meinen Namen und mein Herkommen offenbaren; ich bin der Teufel.



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"Hm!'' brummte der Richter, und was ist hier deines Gewerbes, das will ich auch wissen?" — "Schau, Herr Richter", antwortete der Böse, mir ist Macht gegeben, heute in diese Stadt zu gehen und das zu nehmen, was mir in vollem Ernst gegeben wird.

Wohlan!" versetzte der Richter, tue also, aber laß mich dessen Zeuge sein, daß ich sehe, was man dir geben wird!

Fordere das nicht, dabei zu sein, wenn ich nehme, was mir beschieden wird" widerriet der Teufel dem Richter, Dieser hub an, den Fürsten der Hölle mit mächtigen Bannworten zu beschwören, und sprach: "Ich gebiete und befehle dir bei Gott und allen Gottesgeboten, bei Gottes Gewalt und Gottes Zorn, und bei allem, was dich und deine Genossen bindet, und bei dem ewigen Gerichte Gottes, daß du vor meinem Angesicht, und anders nicht, nehmest, was man dir ernstlich geben wird!

Der Teufel erschrak, daß er zitterte bei diesen fürchterlichen Worten, und machte ein ganz verdrießliches Gesicht, sprach auch: "Ei, so wollte ich, daß ich das eben nicht hätte! Du bindest mich mit einem so starken Band, daß ich kaum jemals in größerer Klemme war. Ich gebe dir aber mein Wort als Fürst der Hölle, das ich als solcher niemals breche, daß es dir nicht zum Frommen dient, wenn du auf deinem Sinn bestehst. Steh ab davon!

"Nein ich stehe nicht ab davon!" rief der Richter. "Was mir auch darum geschehe, das muß ich über mich ergehen lassen; ich will jenes nun einmal sehen, und soll es mir an das Leben gehen!

Nun gingen beide, der Richter und der Teufel, miteinander auf den Markt, wo gerade Markttag war, daher viel Volks versammelt, und überall bot man dem Richter und seinem Begleiter, von dem niemand wußte, wer er sei, volle Becher und ließ sie Bescheid tun. Der Richter tat das auch nach seiner Gewohnheit und reichte auch dem Teufel eine Kanne, der aber nahm den Trunk nicht an, weil er wohl wußte, daß es des Richters Ernst nicht war.

Nun geschah es von ungefähr, daß ein Weib ein Schwein dahertrieb, das nicht nach ihrem Willen ging, sondern die Kreuz, die Quere, da schrie



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das zornige Weib im höchsten Ärger dem Schweine zu; "Ei, geh zum Teufel, daß er dich mit Haut und Haar hole!"

"Hörst du, Geselie?" rief der Richter dem Teufel zu. "Jetzt greife hin und nimm das Schwein." Aber der Teufel antwortete: "Es ist leider der Frau nicht Ernst mit ihrem Wort. Sie würde ein ganzes Jahr lang trauern und sich grämen, nähme ich ihr Schwein. Nur was mir im Ernste gegeben wird, das darf ich nehmen."

Ähnliches geschah bald hernach mit einem Weib und einem Kind.



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Das ging auch nicht so, wie die Frau es lenken wollte, so daß sie zu schreien begann: "Hol dich der Teufel und drehe dir den Hals um! Hörst du, Geselie?" fragte da wieder der Richter. "Das Kind ist dein, hörst du nicht, daß man es dir ernstlich gibt?

"O nein, es ist auch nicht ihr Ernst!" antwortete der Teufel. "Sie würde bitterlich wehklagen, nähme ich sie beim Wort, und das Kind nicht fahren lassen."

Nun kamen die beiden recht mitten auf den Markt, wo das dichteste Volksgedränge war, da mußten sie ein wenig stilleflehn und konnten nicht durch das Gewimmel und Getümmel schreiten. Da wurde ein Weib des Richters ansichtig, das war alt und arm und krank und trug ein großes Ungemach; sie begann laut zu weinen und zu schreien und ließ vor allem Volk folgende heftige Rede vernehmen: "Weh über dich, Richter! Weh über dich, daß du reich bist und ich so arm bin; du hast mir ohne Schuld, göttliche und menschliche Barmherzigkeit verleugnend, mein einziges Kühlein genommen, das mich ernährte, von dem ich meinen ganzen Unterhalt harte. Weh über dich, der du es mir genommen hast! Ich Sehe und schreie zu Gott, daß er durch seinen Tod und bitteres Leiden, die er für die Menschheit und für uns arme Sünder trug, meine Bitte gewähre, und die ist, daß deinen Seib und deine Seele der Teufel zur Hölle führe!"Auf diese Rede tat der Richter weder Sage noch Frage, aber der Teufel fuhr ihn höhnisch an und sprach: "Siehst du, Richter, das ist Ernst, und den sollst du gleich gewahr werden!" Damit streckte der Teufel seine Krallen aus, nahm den Richter beim Schopf und fuhr mit ihm durch die Lüfte von dannen wie der Geier mit einem Huhn. wies Volk erschrak und staunte, und weise Männer sprachen die Lehre aus:

Es ein unweiser Rath,
Der mir dem Teufel umgaht,
Wer gern mit ihm umfährt,
Dem wird ein böser Lohn beschert.


Copyright: arpa, 2015.

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