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Kapitel 

H. C. Andersens Märchen


Herausgegeben von


Dr. Karl Martin Schiller

Mit den Abbildungen Holzschnitte nach Originalzeichnungen von


Ludwig Richter, Graf Pocci, Theodor Hosemann und Raymond de Baux und 12 Kunstblättern von Otto Speckter und Graf Pocci


Leipzig F. W. Hendel Verlag 1927


Der Springer

Der Floh, der Grashüpfer und der Springbock wollten einmal sehen, von ihnen am höchsten springen könnte, und da luden sie die ganze Welt ein, und wer sonst noch kommen wollte, die Pracht mit anzusehen, und avaren drei tüchtige Springer, die sich im Zimmer versammelten.

Ja, ich gebe meine Tochter dem, der am höchsten springt," sagte der König, "denn es wäre zu ärmlich, wenn die Personen umsonst springen sollten."

Der Floh kam zuerst vor. Er hatte solche niedliche Manieren und grüßte nach allen Seiten, denn er hatte Fräuleinblut in den Adern und war gewohnt, nur mit Menschen umzugehen, und das macht sehr viel aus.

Nun kam der Grashüpfer, der war freilich bedeutend schwerer, aber er hatte doch eine ganz gute Gestalt und trug grüne Uniform, und die war ihm angeboren Überdem behauptete die Person, daß er im Lande Ägypten eine sehr alte Familie besitze, und daß er dort hochgeschätzt sei. Er war gerade vom Felde genommen und in ein Kartenhaus von drei Stockwerken gesetzt worden, die alle aus Kartenfiguren, welche die bunte Seite einwärts kehrten, zusammm'ngesetzt waren; da waren sowohl Türen als Fenster, und zwar im Leibe der Coeurdamen, ausgeschnitten. "Ich singe so," sagte er, "daß sechzehn eingeborene Heimchen, die von klein auf gepfiffen und doch kein Kartenhaus erhalten haben, aus Arger noch dünner wurden, als sie schon waren, da sie mich hörten!"

Alle beide, der Floh und der Grashüpfer, taten so gehörig kund, wer sie waren, und daß sie glaubten, eine Prinzessin heiraten zu können.

Der Springbock sagte nichts, aber man erzählte von ihm, daß er desto mehr



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denke, und als der Hofhund ihn nur beschnüffelte, haftete er dafür, daß der Springbock von guter Familie sei. Der alte Ratsherr, der drei Orden für das Stillschweigen erhalten hatte, versicherte, daß der Springbock mit Weissagungskraft begabt sei; man könne an seinem Rücken erkennen, ob man einen milden oder einen strengen Winter bekomme, und das kann man nicht einmal auf dem Nücken dessen sehen, der den Kalender schreibt.

"Ja, ich sage gar nichts," sagte der alte König, "aber ich gehe nun immer so und denke das meine!"

Nun war es um den Sprung zu tun. Der Floh sprang so hoch, daß niemand es sehen konnte, und da behaupteten sie, daß er gar nicht gesprungen sei, und das war doch recht schiechtl

Der Grashüpfer sprang nur halb so hoch, aber er sprang dem König gerade ins Gesicht, und da sagte dieser, das sei häßlich.

Der Springbock stand lange still und bedachte sich; am Ende glaubte man, daß er gar nicht springen könne.

"Wenn ihm nur nicht unwohl geworden ist!" sagte der Hofhund, und dann beschnüffelte er ihn wieder. Rutsch! da sprang er in einem kleinen schiefen Sprung hin in den Schoß der Prinzessin, welch niedrig auf einem goldenen Schemel saß.

Da sagte der König: "Der höchste Sprung ist der, zu meiner Tochter hinaufzuspringen, denn dann liegt das Feine; aber es gehört Kopf dazu, darauf zu kommen, und der Springbock hat gezeigt, daß er Kopf hat. Er hat Grütze im Kopfe!"

Und dann erhielt er die Prinzessin.

"Ich sprang doch am höchsten!" sagte der Floh. "Aber es ist einerlei! Laß sie nur den Gänserücken mit Stock und Pech haben! Ich sprang doch am höchsten, aber es gehört in dieser Welt ein Körper dazu, damit man gesehen werden kann!"

Und dann ging der Floh in fremde .Kriegsdienste, wo er, wie man sagt, erschlagen worden sein soll.

Der Grashüpfer setzte sich draußen in den Graben und dachte darüber wie es eigentlich in der Welt zugehe, und er sagte auch: "Körper gehört dazu! Körper gehört dazu!" Und dann sang er sein eigentümlich trübseliges Lied, und daher haben wir die Geschichte erfahren, die doch erlogen sein könnte, wenn sie auch gedruckt ist.


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