Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON ISHÂK VON MOSUL UND DEM TEUFEL

Ishâk ibn Ibrahim el-Mausili erzählte: Eines Abends saß ich in meiner Behausung, und das war zur Winterszeit; die Wolken hatten sich ausgebreitet, und Regen fiel in Strömen herab wie aus den Öffnungen der Wasserschläuche. So konnte auch niemand auf den Straßen gehen und kommen, weil Regen und Schlamm dort herrschten. Mir war die Brust beengt, weil keiner meiner Freunde zu mir kam und auch ich nicht zu ihnen gehen konnte wegen des starken Schlammes und Schmutzes; deshalb sprach ich zu meinem Diener: ,Bring mir etwas, wodurch ich mich zerstreuen kann!' Da brachte er mir Speise und Trank; aber ich hatte keine Lust dazu, weil niemand bei mir war, um mir Gesellschaft zu leisten. So blickte ich denn immerfort aus den Fenstern und beobachtete die Straßen, bis es dunkel ward. Da dachte ich zufällig an die Sklavin eines der Söhne el-Mahdis', die ich liebte; die war erfahren im Gesang und im Spiel auf mancherlei Instrumenten. Und ich sagte mir: ,Wenn sie heute bei uns wäre, so wäre meine Freude vollkommen, und ich würde mir die Nacht verkürzen, so daß meine trüben Gedanken und meine Unruhe mich nicht quälen.' Gerade da pochte es an die Tür, und eine Stimme sprach: ,Soll ein Lieb eintreten, das an der Tür steht?' Ich sprach zu meiner Seele: ,Hat das Reis des Wunsches schon Frucht getragen?' Und ich eilte zur Tür, und siehe, es war meine Freundin. Sie trug einen langen, grünen Rock, den sie sich wie einen Mantel umgelegt hatte, und auf dein Kopfe ein Tuch von Brokat, um sich gegen den Regen zu schützen; bis an die Knie war sie vom Schlamm bespritzt, und alles, was sie trug, war durchnäßt von dem Geträuf



1000-und-1_Vol-04-675 Flip arpa

der Dachrinnen; kurz, sie war ein seltsam Bild. Ich sprach zu ihr: ,Meine Herrin. was hat dich bei solchem Schmutzwetter hierher geführte' Und sie gab zur Antwort: ,Dein Bote kam zu mir und schilderte mir dein Liebesverlangen und deine Sehnsucht, und da konnte ich nichts anderes tun als nachgeben und zu dir eilen.' Das überraschte mich - —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 696. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Ishâk des weiteren erzählte: ,Als die Maid an meine Tür klopfte, ging ich hinaus und sprach: ,Meine Herrin, was hat dich bei diesem Schmutzwetter hierher geführt?' Und sie gab zur Antwort: ,Dein Bote kam zu mir und schilderte mir dein Liebesverlangen und deine Sehnsucht, und da konnte ich nichts anderes tun als nachgeben und zu dir eilen.' Das überraschte mich; doch ich mochte ihr nicht sagen, daß ich niemanden zu ihr gesandt hätte, und so sprach ich: ,Preis sei Allah, daß er uns jetzt vereinigt hat, nachdem ich so lange die Pein des Wartens ertragen habe! Wenn du nur noch eine kleine Weile gezögert hättest, so wäre ich sicher zu dir gelaufen; denn ich sehnte mich nach dir, und das Verlangen nach dir erfüllte mich ganz.' Dar auf rief ich meinem Diener zu: ,Hol Wasser!' Und er brachte einen Kessel voll heißen Wassers, auf daß sie sich säubern könnte. Ich befahl ihm, ihr das Wasser über die Füße zu gießen, während ich selber es auf mich nahm, sie zu waschen. Dann ließ ich eins der prächtigsten Gewänder bringen und kleidete sie darin, nachdem sie abgelegt hatte, was sie trug. Und als wir uns gesetzt hatten, rief ich nach Speise; aber sie lehnte ab. So fragte ich sie: ,Steht dein Sinn nach Wein?' Und als sie darauf antwortete: ,Jawohl', holte ich Becher. Nun fragte sie: ,Wer soll singen?'



1000-und-1_Vol-04-676 Flip arpa

,Ich, meine Herrin!' ,Das mag ich nicht.' ,Eine von meinen Sklavinnen?' ,Auch das wünsche ich nicht.' ,So singe du selbst!' ,Nein, auch ich nicht!' ,Wer soll denn für dich singen?' fragte ich; und sie erwiderte: ,Geh hinaus und suche einen, der für mich singt!' Da ging ich denn hinaus, um ihr den Willen zu tun; überich war verzweifelt und war sicher, daß ich niemanden finden würde bei solchem Wetter. Dennoch schritt ich dahin, bis ich zur Hauptstraße kam, und dort entdeckte ich einen Blinden, der mit dem Stabe auf die Erde stoßend seinen Weg suchte und dabei rief: ,Allah lohne denen nicht mit Gutem, bei denen ich war! Wenn ich sang, so hörten sie nicht zu; und wenn ich schwieg, so achteten sie meiner nicht.' Ich fragte ihn: ,Bist du ein Sänger?' ,Ja', erwiderte er; und ich fragte weiter: ,Willst du die Nacht bei uns zubringen und uns unterhalten?' ,Wenn du willst,' antwortete er, ,so führe mich an der Hand!' Da faßte ich seine Hand und führte ihn zum Hause. Dort sprach ich zu der Maid: ,Meine Herrin, ich bringe einen blinden Sänger, an dem wir uns erfreuen können, ohne daß er uns sieht.' ,Hol ihn herein zu mir!' sagte sie; und ich führte ihn ins Gemach und lud ihn ein, zu essen. Er aß ein wenig; dann wusch er sich die Hände. Als ich ihm darauf Wein vorsetzte. trank er drei Becher. Nun fragte er mich: ,Wer bist du?' Ich antwortete: ,Ishâk ibn Ibrahîm el-Mausili.' Er fuhr fort: ,Ich habe schon von dir gehört; und jetzt freut es mich, in deiner Gesellschaft zu sein.' Ich erwiderte: ,Lieber Herr, ich freue mich über deine Freude!' Dann bat er mich: ,Sing mir etwas vor, o Ishâk!' Ich nahm die Laute zum Scherz und rief: ,Ich höre und gehorche!' Als ich mein Lied zu Ende gesungen hatte, sprach er: ,O Ishâk, du bist beinahe ein Sänger.' Da ich durch seine Worte in meinem Stolze verletzt war, so warf ich die Laute aus der Hand. Er aber sprach: ,Hast du nicht jemanden



1000-und-1_Vol-04-677 Flip arpa

bei dir, der schön singen kann?' Ich erwiderte: ,Bei mir ist eine Maid.' ,Heiße sie singen!' sagte er; und ich fragte ihn: ,Willst du auch singen, wenn du genug von ihrem Gesange gehört hast?' ,Ja', sagte er. Nachdem sie dann gesungen hatte, rief er: ,Nein, das war nichts!' Da warf sie erzürnt die Laute aus der Hand und sprach: ,Wir haben unser Bestes verschenkt. Wenn du etwas hast, so gib es uns als Almosen!' Er sprach: ,Man gebe mir eine Laute, die noch nie eine Hand berührt hat.' Ich gab dem Diener Befehl, und der brachte eine neue Laute. Der Fremde stimmte sie, und nachdem er als Vorspiel eine Weise angeschlagen hatte, die ich nicht kannte, hub er an zu singen und trug diese beiden Verse vor':

Ein Lieb kam durch die Finsternis in dunkler Nacht.
Der Zeiten eingedenk, da es zum Liebsten geht.
Fürwahr, da schreckten uns der Gruß und ihre Worte:
Gibt's Einlaß für ein Lieb, das an der Türe steht?

Da schaute die Maid mich mit einem verächtlichen Blicke an und sprach: ,Konnte ein Geheimnis, das zwischen mir und dir besteht, nicht eine Stunde in deiner Brust Platz finden? Mußtest du es denn sogleich diesem Manne da anvertrauen?' Das schwor ich ihr ab, indem ich ihr meine Unschuld beteuerte. Dann begann ich ihre Hände zu küssen und ihre Brüste zu kitzeln und ihr in die Wangen zu beißen, bis sie wieder lachte. Darauf wandte ich mich zu dem Blinden und sprach zu ihm: ,Singe, lieber Herr!' Er nahm die Laute und sang diese beiden Verse:

Wie oft hab ich die Schönen besucht! Wie oft auch hab ich
Gefärbte Fingerspitzen berührt mit meiner Hand,
Granatenfrucht der Brüste gekitzelt! Und wie oft hat
Mein Biß auf bunten Äpfeln der Wangen heiß gebrannt!

Da sagte ich zu ihr: ,Meine Herrin, wer kann ihm kundgetan haben, was wir treiben?' Sie antwortete: ,Du hast recht.' Und



1000-und-1_Vol-04-678 Flip arpa

wir rückten von ihm weg. Plötzlich sprach er: ,Ich muß Wasser lassen.' Ich rief: ,Sklave, nimm die Kerze und geh vor ihm her!' Er ging hinaus; aber er blieb lange fort. Schließlich gingen wir hinaus auf der Suche nach ihm; doch wir konnten ihn nicht finden, und wir sahen, daß die Türen verschlossen waren und daß die Schlüssel vor dem Kämmerlein staken. So wußten wir nicht, ob er zum Himmel emporgefahren oder in die Erde versunken war. Daran erkannte ich, daß er der Teufel gewesen war und daß er mir den Dienst des Kupplers geleistet hatte; und beim Zurückkehren gedachte ich der Worte des Abu Nuwâs, der diese beiden Verse sprach:

Der Teufel wundert mich mit seinem Stolz
Und seines Sinns verborgner Hurerei.
Er war zu stolz, vor Adam hinzuknien',
Und macht für Adams Stamm die Kuppelei!

Ferner wird erzählt


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt