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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839 ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 1

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DES VERWALTERS

Wisse, o König, ich war gestern nacht in einer Versammlung, in der man den Koran las und in der die Gelehrten sich vereinigt hatten. Als die Vorleser mit ihrem Vortrage zu Ende waren, wurde der Tisch gedeckt, und unter anderen Dingen setzte



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man uns auch ein Kümmelragout vor. Wir alle setzten uns und aßen davon; nur einer blieb zurück und weigerte sich davon zu essen. Wir beschworen ihn, zu essen, doch er schwor, er werde es nicht tun; dennoch drangen wir in ihn, bis er sagte: ,Versucht nicht, mich zu zwingen! Mir genügt, was mir einmal widerfahren ist, weil ich von solcher Speise aß'; dann sprach er den Vers:

Nimm einen Herrn auf deine Schulter und beginne den Lauf;
Wenn dir solche Schminke gefällt, so trag sie nur auf.

Als er geendet hatte, sagten wir zu ihm: ,üm Gottes willen, aus welchem Grunde weigerst du dich, von dem Kümmelragout zu essen?' Jener erwiderte: ,Wenn ich wirklich davon essen muß, so kann ich es nur tun, nachdem ich mir die Hände vierzigmal mit Seife, vierzigmal mit Pottasche und vierzigmal mit Kleie, im ganzen einhundertundzwanzigmal gewaschen habe.' Da befahl der Gastgeber seinen Dienern, Wasser zu bringen und alles, dessen er bedurfte; und jener wusch sich die Hände in der Weise, wie gesagt wurde. Dann kam der junge Mann widerwillig, setzte sich, streckte seine Hand gleichsam wie in Furcht aus, tauchte sie in das Ragout und begann zu essen, indem er sich großen Zwang antat. Wir gerieten darob in höchstes Staunen; seine Hand zitterte, und wir sahen, daß ihm der Daumen abgeschnitten war und daß er nur mit vier Fingern aß. Da sagten wir zu ihm: ,üm Gottes willen, was ist mit deinem Daumen geschehen? Ist deine Hand so von Allah geschaffen, oder ist ihr ein Unfall begegnete' ,Meine Brüder,' erwiderte er, ,es ist nicht nur mit diesem Daumen so, sondern auch mit dem andern, und ebenso ist es an meinen beiden Füßen, wie ihr sehen sollt.' Darauf zeigte er seine linke Hand, und wir sahen, daß sie wie die rechte war; desgleichen zeigte er seine Füße, die ohne große Zehen waren. Als wir ihn so sahen, da wuchs



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unser Staunen noch, und wir sagten zu ihm: ,Wir haben kaum die Geduld, auf deine Geschichte zu warten und zu hören, wie du deine Daumen verlorst und weshalb du dir die Hände einhundertundzwanzigmal wäschest.'

,Wisset denn,' erzählte er, ,mein Vater war ein Großkaufmann, und er war Ältester der Kaufmannschaft in der Stadt Baghdad, zur Zeit des Kaufen Harûn er-Raschîd. Er liebte es leidenschaftlich, Wein zu trinken und das Spiel der Laute und der anderen Instrumente zu hören; und als er starb, hinterließ er nichts. Ich begrub ihn und ließ den Koran für ihn lesen und trauerte Tage und Nächte um ihn. Danach öffnete ich seinen Laden und fand, daß er wenig Waren hinterlassen hatte, während seiner Schulden viele waren. Doch ich vereinbarte mit seinen Gläubigern eine Frist und beschwichtigte sie. Nun begann ich Handel zu treiben und machte den Gläubigem von Woche zu Woche eine Abzahlung; in dieser Weise fuhr ich eine Weile fort, bis ich die Schulden bezahlt hatte und beginnen konnte, mein Kapital zu mehren. So schaffte ich Tag und Nacht. Eines Tages aber, als ich in meinem Laden saß, erschien ganz plötzlich eine junge Dame vor mir, wie sie mein Auge noch nie schöner gesehen hatte; sie trug Schmuck und prächtige Gewänder und ritt eine Mauleselin, vor ihr her ging ein Negersklave, und ein zweiter folgte ihr. Am Eingang der Börse ließ sie das Maultier stehen und trat ein, und ihr folgte ein Eunuch, der zu ihr sagte: ,O meine Herrin, geh fort von hier und gib dich keinem zu erkennen, sonst wirst du unter uns ein Feuer entfachen!' Und er trat vor sie hin und schützte sie vor den Blicken, während sie nach den Läden der Kaufleute sah. Aber keinen Laden fand sie offen außer meinem, und so kam sie mit dem Eunuchen herbei, setzte sich in meinem Laden und grüßte mich; etwas Schöneres als ihre Rede oder Süßeres



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als ihre Stimme hatte ich noch nie gehört. Darauf entschleierte sie ihr Antlitz, und ich sah, daß es war wie der Mond. Ich aber schaute sie an mit einem Blick, der tausend Seufzer in mir aufsteigen ließ; mein Herz war gefangen in Liebe zu ihr, und ich blickte immer von neuem auf ihr Gesicht und sprach die Verse:

Sprich zu der schönen Maid im taubenfarbenen Schleier:
Fürwahr, der Tod allein befreit mich von meinem Leid!
Gewähre mir Gunst, auf daß ich von meiner Krankheit genese,
Ich strecke die Hand aus nach dem, was deine Hand mir leiht.

Und da sie meine Verse vernahm, entgegnete sie:

Voll Ungeduld bin ich nach deiner Liebe; vergissest du mich,
So liebt doch mein Herz und mein ganzes Innre keinen als dich.
Wenn je mein Auge auf andres als deine Schönheit blickt,
So sei es, weilest du fern, nie durch deine Nähe beglückt.
Ich schwur einen Eid, nie solle die Liebe zu dir erblassen;
Mein Herz ist traurig und kann von seiner Sehnsucht nicht lassen.
Die Liebe hat mir einen Becher voll Liebesglut eingeschenkt:
O möchte er auch dich tränken, so wie er mich getränkt!
So nimm den Leib von mir mit dir, wohin du nur eilst;
Begrab mich neben der Stätte, wo du anhältst und weilst.
Ruf meinen Namen über mein Grab, so antwortet dir
Ein Seufzer meines Gebeins; es hört dich, rufst du nach mir.
Und sollte man mich nach meinem Wunsch an die Gottheit fragen,
,Des Erbarmers Gnade und dann die deine!' würde ich sagen.

Als sie die Verse beendet hatte, fragte sie: ,O Jüngling, hast du schöne Stoffe in deinem Laden?' Ich antwortete: ,O meine Herrin, dein Sklave ist arm; aber habe Geduld, bis die Kaufleute ihre Läden öffnen, so will ich dir bringen, was immer du begehrst.' Darauf unterhielt ich mich mit ihr, versunken im Meere der Liebe zu ihr und verwirrt durch die Leidenschaft für sie bis die Kaufleute ihre Läden öffneten; da stand ich auf und kaufte ihr alles, was sie wünschte; aber der Preis dafür betrug fünftausend Dirhems. Sie reichte die Stoffe dem Eunuchen, und



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der nahm sie, und beide gingen zur Börse hinaus. Dort brachte man ihr die Mauleselin, und sie ritt davon, ohne mir auch nur zu sagen, von wannen sie kam, und ich schämte mich, von der Sache zu reden. Als aber die Kaufleute mich um den Preis mahnten, bürgte ich für die fünftausend Dirhems und ging nach Hause, trunken von Liebe zu ihr. Man setzte mir das Nachtmahl vor, und ich aß einen Bissen, aber ich dachte nur an ihre Schönheit und Anmut; dann versuchte ich zu schlafen, aber der Schlaf wollte mir nicht nahen. In diesem Zustande blieb ich eine ganze Woche, bis die Kaufleute ihr Geld von mir verlangten; ich aber überredete sie, noch eine Woche Geduld zuhaben. Am Schluß dieser Woche erschien sie wieder, reitend auf ihrem Maultier, begleitet von einem Eunuchen und zwei Sklaven. Sie grüßte mich und sagte: ,O Herr, wir haben dich lange warten lassen auf den Preis der Stoffe; aber jetzt hole den Wechsler und nimm das Geld.' Da kam der Wechsler, der Eunuch zählte vor ihm das Geld aus, und ich nahm es in Empfang. Dann unterhielt ich mich wieder mit ihr, bis der Basar eröffnet wurde; und als sie zu mir sprach: ,Besorge mir dies und das', da holte ich ihr von den Kaufleuten, was sie wünschte. Sie nahm es und ging davon, ohne mit mir über den Preis zu sprechen. Doch sobald sie fort war, bereute ich es; denn ich hatte das, was sie wünschte, für tausend Dinare gekauft. Als sie dann meinen Augen ganz entschwunden war, sagte ich zu mir selber: ,Was ist das für eine Liebe? Sie hat mir fünftausend Dirhems gebracht und hat Waren genommen für tausend Dinare.' Ich fürchtete nun, zum Bettler zu werden wegen der Schulden an die Kaufleute, und sagte: ,Die Kaufleute kennen niemanden als mich; diese Dame ist eine Schwindlerin, die mich mit ihrer Schönheit und Anmut betrogen hat. Sie hat gesehen, daß ich noch jung bin; und sie lacht mich sicher aus, daß



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ich sie nicht nach ihrer Wohnung gefragt habe.' Diese Zweifel machten mir in einem fort zu schaffen, zumal sie länger als einen Monat ausblieb; die Kaufleute forderten ihr Geld von mir und drängten mich so, daß ich all meinen Besitz zum Verkauf ausschrieb und an meinen Untergang dachte. Als ich so eines Tages in Gedanken versunken dasaß, stieg sie plötzlich am Basartor ab und kam geradeswegs auf mich zu. Sobald ich sie erblickte, schwanden die Sorgen, und ich vergaß meine Notlage. Sie trat zu mir, grüßte mich mit ihrer lieblichen Stimme und sprach darauf: ,Hole den Wechsler und laß dir dein Geld abwägen.' Da gab sie mir den Preis all der Waren, die ich ihr beschafft hatte, und mehr noch. Dann unterhielt sie sich vergnügt mit mir, bis ich vor Freude und Entzücken zu sterben meinte. Schließlich fragte sie mich: ,Hast du ein Weib?', und ich erwiderte: ,Nein, fürwahr, ich kenne kein Weib'; und ich vergoß Tränen. Als sie daim fragte: ,Weshalb weinest du?', antwortete ich: ,Laß es gut sein!' Darauf nahm ich ein paar Dinare, gab sie dem Eunuchen und bat ihn, den Vermittler zu spielen; er aber lachte und sagte: ,Sie liebt dich mehr als du sie; sie hat gar keine Verwendung für die Stoffe, die sie von dir gekauft hat, und sie tat all dies nur aus Liebe zu dir; also verlange von ihr, was immer du willst, und sie wird dir nichts verweigern.' Als sie sah, daß ich dem Eunuchen die Dinare gab, kehrte sie um und setzte sich wieder nieder; ich aber sagte: ,Schenke deinem Sklaven das Almosen deiner Güte und vergib ihm, was er sagen will!' Dann sprach ich mit ihr von dem, was mich bewegte; sie gab mir ihr Einverständnis zu verstehen und sagte zu dem Eunuchen: ,Du sollst ihm meine Botschaft überbringen', und zu mir: ,Tu du, was immer der Eunuch dir sagt!' Darauf erhob sie sich und ging davon, und ich bezahlte den Händlern ihr Geld; die hatten ihren Verdienst, mir aber



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blieb nur das Bedauern über die Unterbrechung unseres Zusammenseins; und jene ganze Nacht vermochte ich nicht zu schlafen. Doch schon nach wenigen Tagen kam ihr Eunuch zu mir, und ich begrüßte ihn höflich und fragte ihn nach seiner Herrin. Er antwortete: ,Wahrlich, sie ist krank vor Liebe.' Dann bat ich ihn, mir Auskunft über sie zu geben. Er sprach: ,Die Herrin Zubaida, die Gemahlin des Kalifen Harûn er-Raschîd, hat sie in ihrem Hause aufgezogen, und sie gehört zu ihren Sklavinnen; sie hat ihre Herrin gebeten, frei aus und ein gehen zu dürfen, und sie ist jetzt wie eine Aufseherin. Sie hat auch zu ihrer Herrin von dir gesprochen und sie gebeten, dich ihr zu vermählen; die Herrin aber hat gesagt: ,Das kann ich nicht tun, bis ich den Jüngling gesehen habe; wenn er deiner würdig ist, so will ich ihn dir vermählen.' Deshalb wollen wir dich jetzt in den Palast schaffen, und wenn es dir gelingt, hineinzukommen, so wirst du deinen Wunsch, sie zu besitzen, erreichen; doch wenn deine Sache offenbar wird, so wird dir der Kopf abgeschlagen. Und was sagst du dazu?' Ich rief: ,Ich will mit dir gehen und alles, was du erzählst, über mich ergehen lassen.' Da fuhr der Eunuch fort: ,Sowie es heute Nacht wird, geh in die Moschee, die die Herrin Zubaida am Tigris erbaut hat, bete und bleib die Nacht über dort.' ,Herzlich gern', erwiderte ich. Als es nun Abend geworden war, ging ich in die Moschee, betete dort und blieb die Nacht hindurch. Wie aber das erste Tageslicht dämmerte, siehe, da kamen in einem Boot zwei Eunuchen mit leeren Kisten, die sie in die Moschee brachten; dann ging der eine fort, während der andere zurückblieb. Als ich um genauer betrachtete, siehe, da war es unser Vermittler. Nach einer kurzen Weile trat die Sklavin, meine Geliebte, herein und kam auf mich zu. Da eilte ich ihr entgegen und umarmte sie, und sie küßte mich unter Freudentränen. Nachdem



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wir uns eine Weile unterhalten hatten, ließ sie mich in die eine der Kisten steigen und verschloß sie über mir. Danach wandte sie sich an den Eunuchen, der viele Waren mit sich brachte; die ließ sie in die Kisten füllen, und dann verschloß sie eine nach der anderen, bis sie mit allen fertig war. Die Eunuchen trugen sie hinunter in das Boot und ruderten uns zum Palast der Herrin Zubaida. Doch inzwischen begannen mich Gedanken zu quälen, und ich sagte zu mir selber: ,Ich bin des Todes um meiner Begier willen; werde ich mein Ziel erreichen oder nicht?' Und ich begann zu weinen, dort in der Kiste, und zu Allah zu beten, daß er mich aus meiner Not erretten möchte; doch sie zogen dahin, bis sie mit den Kisten das Tor des Palastes erreichten, und dort nahmen sie die Kisten heraus, darunter auch die, in der ich war. Dann trugen sie sie durch eine Schar von Eunuchen, Wächtern und Beamten des Harems hinein, bis sie zu dem Obereunuchen kamen, der aus seinem Schlummer emporfuhr und dem Mädchen zurief: ,Was ist hier in diesen Kisten?' ,Sie sind voll von Waren für die Herrin Zubaida!' ,Öffnet eine nach der anderen, daß ich sehe, was in ihnen ist.' ,Und weshalb willst du sie öffnen lassen?' Da schrie er sie an: ,Mach keine langen Reden! Diese Kisten müssen geöffnet werden', und er sprang auf die Füße. Zuallererst wollte er die Kiste öffnen, in der ich war; als er sie berührte, da verlor ich meinen Verstand, und in meiner Angst ließ ich mein Wasser laufen, und das Wasser rann zu der Kiste heraus. Sie aber sagte zu dem Obereunuchen: ,Meister, du hast meinen Tod verschuldet, und auch deinen, denn du hast Sachen beschädigt, die zehntausend Dinare wert sind. Diese Kiste enthält gefärbte Kleider und vier Krüge Zemzemwasser'; und jetzt sind sie aufgegangen,



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und das Wasser rinnt über die Kleider, die in der Kiste sind, und nun werden ihre Farben verderben.' Der Eunuch versetzte: ,Nimm deine Kisten und seher dich zum Teufel!' Da trugen die Sklaven meine Kiste eilends weiter, und die anderen Kisten folgten. Doch während sie dahingingen, drang plötzlich eine Stimme an mein Ohr: ,Wehe! Wehe! Der Kalif! Der Kalif!' Als ich das vernahm, da erstarb ich in meiner Haut und sprach einen Spruch, der keinen, der ihn spricht, zuschanden werden läßt: ,Es gibt keine Majestät und es gibt keine Macht außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen! Dies Unglück habe ich selbst über mich gebracht.' Dann hörte ich den Kalifen zu der Sklavin, meiner Geliebten, sagen: ,Heda! Was ist in deinen Kisten da?' Sie antwortete: ,In meinen Kisten sind die Kleider der Herrin Zubaida.' Er aber befahl: ,So öffne sie vor mir!' Als ich das vernahm, da glaubte ich, völlig des Todes zu sein, und sagte zu mir: ,Bei Allah, dies ist der letzte meiner Tage in dieser Welt! Wenn ich dies sicher überstehe, so werde ich mich mit ihr vermählen, ohne Umstände; aber wenn ich jetzt entdeckt werde, so fliegt mir der Kopf vom Halse!' Nun begann ich das Glaubensbekenntnis herzusagen: ,Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allah, und daß Mohammed der Prophet Allahs ist!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 28, Nacht anbrach, fuhr sie fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Jüngling, als erdas Glaubensbekenntnis ausgesprochen hatte, also weitererzählte: ,Ich hörte nun die Sklavin sagen: ,In diesen Kisten ist mir anvertrautes Gut und einige Kleider für die Herrin Zubaida, und sie wünscht nicht, das irgend jemand sie ansehe.' ,Einerlei,' sprach der Kalif ,sie sollen geöffnet werden, und ich will sehn, was darin ist.' Dann



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rief er den Eunuchen zu:, Bringt die Kisten hier vor mich her!' Nun war ich meines Todes unbedingt sicher und sank in Ohnmacht. Die Eunuchen aber brachten die Kisten, eine nach der anderen, herbei, und er sah in ihnen nur Essenzen und Stoffe und schöne Kleider. Sie fuhren fort, die Kisten zu öffnen, während er in ihnen die Kleider und anderen Dinge erblickte, bis nur noch die Kiste übrigblieb, in der ich mich befand. Schon streckten sie die Hände aus, um sie zu öffnen; doch da ging die Sklavin eilends zu dem Kaufen und sprach zu ihm: ,Diese, die vor dir steht, sollst du erst in Gegenwart der Herrin Zubaida sehen; denn was in ihr ist, ist ihr Geheinmis.' Als er ihre Worte vernahm, gab er Befehl, die Kisten hineinzutragen; da kamen die Eunuchen und trugen mich mit der Kiste, in der ich mich befand, und setzten mich mit den anderen Kisten mitten in die Halle des Harems. Aber mir war der Speichel trocken geworden. Endlich ließ meine Geliebte mich heraus und sagte: ,Sei ohne Sorgen und ohne Furcht; weite deine Brust und sei guten Muts und setze dich, bis die Herrin Zubaida kommt; hoffentlich werde ich dir zuteil werden.' Ich setzte mich, und nach einer Weile traten zehn Sklavinnen ein, Jungfrauen, wie Monde anzuschauen. Sie ordneten sich in zwei Reihen, fünf gegen fünf; nach ihnen kamen zwanzig weitere Mädchen, mit jungfräulichem Busen, und in ihrer Mitte war die Herrin Zubaida, die kaum gehen konnte vor dem Gewicht des Schmuckes und der Kleider. Als sie eintrat, gingen die Sklavinnen auseinander, und ich trat vor und küßte den Boden vor ihr. Sie winkte mir zu, mich zu setzen; und als ich vor ihr saß, begann sie, mich nach meiner Herkunft zu fragen. Ich beantwortete ihre Fragen, und sie war erfreut darüber. So sagte sie zu meiner Geliebten: ,Unsere Erziehung hat uns nicht an dir enttäuscht, o Mädchen!' und dann zu mir: ,Wisse, uns ist diese Sklavin wie unser Kind,



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und sie ist ein Pfand, das Allah dir anvertraut.' Noch einmal küßte ich vor ihr den Boden, und sie war mit unserer Vermählung einverstanden; darauf befahl sie, ich solle zehn Tage bei ihnen bleiben. Ich blieb also diese Zeit über dort, und derweilen sah ich meine Geliebte nicht, sondern nur einige Sklavinnen, die mir das Morgen- und Nachtmahl brachten. Danach beriet sich die Herrin Zubaida mit dem Kaufen über die Heirat ihrer Sklavin, und er gestattete sie und gab ihr eine Hochzeitsgabe von zehntausend Dinaren. Da ließ die Herrin Zubaida den Kadi holen und die Zeugen, und die schrieben meinen Ehevertrag mit ihr. Darauf bereiteten sie Süßigkeiten und feine Speisen, und verteilten sie in all den Gemächern. Darüber vergingen wiederum zehn Tage; und nach dem zwanzigsten Tage ging meine Geliebte in das Bad. Dann setzten sie den Tisch mit den Speisen vor mich hin; darunter befand sich auch eine Schüssel mit Kümmelragout, das war mit Zucker zubereitet, mit Moschus und Rosenwasser übergossen, und darin waren die Brüste von gebratenen Küken; dazu noch all die anderen Speisen, die den Sinn bezauberten. Und bei Allah, ich wartete nur so lange, bis ich das Tischgebet gesprochen hatte; dann aber machte ich mich an das Kümmelragout und aß, soviel ich vermochte. Ich wischte mir die Hände ab, doch vergaß ich, sie zu waschen; und ich blieb sitzen, bis es dunkel ward und die Kerzen angezündet wurden. Nun kamen die Sängerinnen herein mit ihren Tamburinen, und sie zeigten mir die Braut und gingen mit ihr, indem sie überall mit Goldstücken beschenkt wurden, umher, bis sie den ganzen Palast durchzogen hatten. Darauf brachten sie sie mir und entkleideten sie. Sowie ich mit ihr auf dem Lager allein war und sie umarmte, ohne noch recht an unsere Vereinigung glauben zu können, roch sie den Geruch des Kümmelragouts an meinen Händen; als sie das roch, tat sie



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einen lauten Schrei, und die Sklavinnen kamen von allen Seiten gelaufen. Ich aber zitterte vor Schrecken, denn ich wußte nicht, was geschehen war. Die Mädchen fragten: ,Was fehlt dir, o Schwester?', und sie rief: ,Nehmt diesen Irren von mir weg! Und doch hielt ich ihn für einen Mann von Verstand!' Ich fragte: ,Was für ein Zeichen von Irrsinn hast du an mir bemerkt?' Sie antwortete: ,Wahnsinniger, wie kannst du Kümmelragout essen und dir nachher nicht die Händewaschen? Bei Allah, ich will dich strafen für dein Tun. Soll deinesgleichen zu meinesgleichen ins Bett zu kommen wagen?' Dann griff sie von ihrer Seite eine geflochtene Geißel auf und fiel damit über meinen Rücken her und über die Stelle, auf der ich sitze, bis ich durch die vielen Schläge ohnmächtig wurde; darauf sagte sie zu den Sklavinnen; ,Nehmt ihn und schleppt ihn zum Polizeihauptmann, daß er ihm die Hand abschlage, mit der er das Kümmelragout aß und die er nachher nicht wusch.' Als ich aber das hörte, sprach ich: ,Es gibt keine Majestät und es gibt keine Macht außer bei Allah! Willst du mir die Hand abschlagen, weil ich Kümmelragout aß und mich nicht wusch?' Auch die Sklavinnen baten sie und sprachen zu ihr: ,O Schwester, laß ihm sein Tun für diesmal hingehen! ',doch sie versetzte: ,Bei Allah, es geht nicht anders, ich muß ihn etwas an den Seiten stutzen.' Darauf ging sie fort und blieb zehn Tage lang weg, ohne daß ich sie zusehen bekam; nachdem aber die zehn Tage vorüber waren, kam sie wieder zu mir und sagte: ,Schwarzgesicht! Ich will dich lehren, Kümmelragout essen, ohne dir die Hände zu waschen!' Dann rief sie den Sklavinnen zu, sie sollten mich fesseln; als die es getan hatten, nahm sie ein scharfes Rasiermesser und schnitt mir sowohl die Daumen wie die großen Zehen ab, wie ihr es an mir sehet, ihr Herren! Ich sank in Ohnmacht; sie aber streute mir ein Pulver aus Heilkräutern



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auf die Wunden, bis das Blut gestillt war. Da sprach ich: ,Nie wieder will ich Kümmelragout'essen, ohne mir die Hände vierzigmal mit Pottasche zu waschen, und vierzigmal mit Kleie, und vierzigmal mit Seife!' Und sie nahm mir einen Eid ab, daß ich nie wieder Kümmelragout essen würde, ohne mir nachher die Hände so zu waschen, wie ich gesagt habe. Als ihr mir also dies Kümmelragout brachtet, wechselte ich die Farbe und sagte zu mir selber: ,Eben dies Gericht war schuld, daß mir die Daumen und Zehen abgeschnitten wurden'; und als ihr mich drängtet, sagte ich: ,Ich muß den Eid, den ich geschworen habe, halten.' ,Und was', so fragten die anderen Gäste, ,widerfuhr dir dann?' Er antwortete: ,Als ich ihr den Schwur geleistet hatte, wurde ihr Herz wieder gut, und ich durfte bei ihr schlafen. So lebten wir eine Weile, bis sie eines Tages zu mir sagte: ,Siehe, der Palast des Kalifen ist kein schöner Wohnort für uns; niemand hat ihn je betreten außer dir, und auch du bist nur durch die Gnade der Herrin Zubaida hereingekommen.' Darauf gab sie mir fünfzigtausend Dinare und sprach: ,Nimm dies Geld und geh hin und kaufe uns ein geräumiges Wohnhaus.' So ging ich hin und kaufte ein schönes, geräumiges Haus; dorthin ließ sie all ihren Reichtum schaffen, alles, was sie an Geld, Stoffen und Kostbarkeiten aufgehäuft hatte. Dies also ist der Anlaß, daß mir Daumen und Zehen abgeschnitten wurden.'

Wir aßen nun - so sprach der Verwalter - und kehrten nach Hause zurück; dann geschah mit dem Buckligen das, was geschehen ist. Dies also ist meine Geschichte, und damit bin ich am Ende!' Doch der König sprach: ,Diese Geschichte ist nicht ergötzlicher als die Geschichte des Buckligen; nein, die Geschichte des Buckligen ist ergötzlicher als diese. Es geht also nicht anders, ihr müßt alle hängen.' Da trat der jude hervor, küßte den Boden und sagte: ,O größter König unserer Zeit, ich will dir eine



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Geschichte erzählen, wunderbarer als die des Buckligen.' ,Her mit dem, was du weißt', sagte der König von China; und er begann


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