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Kapitel 

AN NACHTFEUERN DER KARAWAN-SERAIL


MÄRCHEN UND GESCHICHTEN ALTTÜRKISCHER NOMADEN


erzählt von

ELSA SOPHIA VON KAMPHOEVENER

Erste Folge

CHRISTIAN WEGNER VERLAG HAMBURG



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BUCHAUSSTATTUNG: HANS HERMANN HAGEDORN


Der geheime Garten

Ein Sultan liebte seine Sultana zärtlich und zeugte mit ihr viele Kinder, doch ach, es waren nur Mädchen! Was aber ist der Nutzen eines Mädchens? Keiner. Und zudem bedurfte das Reich und der Thron eines Erben, sollte nicht alles späterhin an Fremde fallen und des Sultans Tun und Schaffen vergeblich sein. Als darum die Sultana wieder einmal der Niederkunft entgegensah, sagte der Sultan, von Angst und Sorge bewegt: »Meine Teure, ich habe dir Schweres zu künden, denn ich bin dieses Mal nicht ich selbst, dein Gemahl, der dich verehrt und liebt, nein, ich bin der Sultan und zugleich ein Bote des Willens meiner Räte.« Die Sultana sah den geliebten Gemahl angstvoll an, hüllte sich wie frierend in ihre seidenen Gewänder und sagte leise, fragend: »Was ist es, das du mir zu künden hast, mein Herr und Gebieter?

Der Sultan wandte sich von ihr, die er liebte, ab, ging zu der hohen Bogentür, die sich auf den Haremsgarten öffnete, stand dort und sagte, in die Ferne des Dämmergrüns sprechend: »Es ist mir die Aufgabe gestellt worden, dich, meine Seele, zu verstoßen, wenn du dieses Mal nicht einem Knaben das Leben gibst.« Ein leiser Jammerlaut ließ ihn sich umwenden, und dann war er schon neben der Weinenden, hielt sie an sich gepreßt und sprach auf sie ein, tröstend, sie der helfenden Güte Allahs versichernd



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und ihr alles zusagend, alles, wenn sie nur wieder heiter sein wolle und voller Zuversicht.

Als sie sich beruhigt hatte, von seinen Worten in Sicherheit gewiegt, eröffnete ihr der Sultan, daß er gezwungen sei, eine kleine Reise zu unternehmen, da an den südlichen Grenzen des Reiches sich Unruhen zeigten. »Wenn ich zurückkehre, schließe ich dann meinen Sohn in die Arme und alles wird gut sein - ist es nicht so?« Die Sultana neigte ihr Gesicht, daß er ihre Blässe nicht bemerke, flüsterte ein inbrünstiges »Inschallah« und ließ sich von dem Gemahl zum Abschied küssen. Doch als er sie verlassen hatte, gab sie ihrer Angst und Bangigkeit völlig nach und achtete auch der Ermahnungen der dienenden Frauen nicht, die sie beschworen, um des zu erwartenden Kindes willen sich nicht so zu erregen.

So geschah es denn, daß ein kleines Wesen geboren wurde, ehe noch der Ruf zum Leben voll ergangen war. Die weise Frau und alle Dienerinnen der Sultana waren die Nacht hindurch voll Sorgen helfend beschäftigt und priesen das Geschick darum, daß der Sultan abwesend sei, wußten sie doch nun alle durch der Herrin Klagen, was dieser bevorstand: denn ach, es war wiederum ein Mädchen! Die Sultana war noch zu ermattet, um davon zu erfahren, und während sie sich ruhend erholte, saßen die vertrauten Dienerinnen mit der weisen Frau zusammen. Diese Achrimeh, die schon vielen Kindern zum Leben verholfen hatte, ehe sie in die Dienste der Sultana trat, war weise geworden durch die vielen Tränen, die sie hatte fließen sehen, darum war ihr Lachen immer bereit, und sie wußte für alles Rat. Auch dieses Mal versagte ihre Weisheit nicht, und während die dienenden Frauen in Jammern ausbrachen, sagte Achrimeh mahnend: »Seid still, denn die Herrin ist sehr schwach, und sie darf keine neue Erregung haben; darum werden wir



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ihr auch nichts davon sagen, daß sie wieder ein Mädchen gebar.«

Die älteste Dienerin und Vertraute der Sultana, Hakinah, sah verächtlich und zornig aus, sagte streng: »Wie kannst du so sinnlos daherreden, Achrimeh? Meinst du, die Herrin vermöge nicht ein Mädchen von einem Knaben zu unterscheiden? Es ist mir nicht zum Lachen zumute, darum sei auch du still.« Aber die weise Frau dachte nicht daran, sich diesem strengen Verweis zu beugen, lachte nochmals leise und sagte: »Bin ich dafür da, für zwei Leben einzustehen, oder bist du es, Hakinah? Glaubst du, ich spaße, wo es um Leben geht, für die ich Allah Antwort geben muß? Denn dieses sage ich dir, sage ich euch allen: wenn die Herrin es erfährt, wird sie sich so erregen, daß sie stirbt, und das kleine Wesen,, das zu früh geboren ward, wird ihr in den Tod folgen. So gewiß ich hier stehe, weiß ich das. Und ihr glaubt, ich sei zu Späßen aufgelegt? Schande über euch!« Tief beschämt bat Hakinah um Vergebung. »Aber was soll geschehen, o weise Achrimeh?« fragte sie ratlos. »Eben darum habe ich vorhin ein weniges gelacht, weil ich dachte, wie leicht doch Unheil abzuwenden ist, mit solch einer Kleinigkeit wie einem Stück Wachs.« Die Frauen starrten verständnislos, und Achrimeh lachte wieder ganz leise, immer bedacht, die ruhende Sultana nicht zu stören. »Was schaut ihr so erstaunt? Habt ihr noch nie von Wachs gehört? Das, was die Bienen machen? Nicht Honig, Wachs.«

Hakinah gewann zuerst die Sprache wieder, fragte kaum hörbar: »Nun, und. was ist mit dem Wachs? Wie soll es uns helfen?« Die weise Frau sagte vor sich hin: »Immer heißt es, Frauen seien voll Witz und Hinterlist, und jetzt? Keine versteht! Djanoum, begreife doch! Etwas ist an diesem Kinde vergessen worden, auf daß es ein Knabe sei, und wir werden jetzt dieses Vergessene mit ein wenig



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Wachs an dem kleinen Körper anbringen. Das Kind, das sie noch nicht sah, werden wir so ausgestattet der Sultana zeigen, und sie braucht erst Tage später, wenn es ihr bessergeht und das Wachs längst fortgeschmolzen ist, zu erfahren, daß... nun eben, daß es Wachs war!«

Jetzt endlich hatten die Frauen verstanden, und es begann nun in dem weiten Frauengemach wirklich wie in einem Bienenkorb zu summen, zu lachen und voll Bewegung aller Art zu sein. Die Trauer war wie fortgeweht, und wenn auch alles Erheiternde nur für einige Tage Gültigkeit haben konnte, so stand doch für den Augenblick nur Freude für die Sultana bevor und also auch für ihre Dienerinnen. Welch ein köstlicher Spaß war es dann, unter der kundigen Leitung der weisen Frau das fehlende Teilchen kunstgerecht herzustellen und so das kleine Wesen für den ersten Besuch bei der Mutter herzurichten!

Alles ging zuerst gut, und die Sultana hatte einige Tage ungeteilter Freude, ehe die weise Frau es an der Zeit fand, die überglückliche Mutter des Thronerben aus ihren Träumen zu reißen. Das geschah einen Tag bevor der Sultan zurückkehrte, früher, als er es beabsichtigt hatte, zur Eile beflügelt durch die glücksverheißende Botschaft, die ihn erreichte. »Es ist doch so einfach, Herrin, bedenke es wohl und fürchte dich nicht. Sieben Jahre lang gehört das Kind dir und nur dir, ehe es der Obhut des Selamlik übergeben wird. Unbekleidet wird der Gebieter das Kind nur jetzt, wenn er heimkehrt, sehen wollen, und da werden wir es verstehen, seine Aufmerksamkeit zu fesseln durch allerlei Jubelgesänge und ähnliches. Vertraue mir, geliebte Herrin meiner Seele, und achte nur darauf, ein stolzes und zufriedenes Gesicht zu zeigen. Es kann nichts geschehen, zumal ich das Kind nicht aus den Armen lasse.« Aber dennoch wurde es der Sultana schwer, den



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Spaß an dem ganzen Begebnis zu genießen, wie es ihre Frauen taten, liebte sie doch ihren Gemahl und schämte sich, ihn zu betrügen. Bald aber wiegte sie sich dennoch in Sicherheit, denn es geschah nichts, um sie zu verraten, hing doch auch das Leben der dienenden Frauen von - ihrer Verschwiegenheit ab.

Zeit verging, und des Sultans jüngstes Kind erwies sich auch als das klügste. Man rief das Kind Osman, und der stolze Name unseres Volkes gab jedesmal der Sultana einen Stich ins Herz. Ihr Gemahl hatte sich ihr entfremdet, denn sie gab vor, an einem Leiden erkrankt zu sein und keine Kinder mehr gebären zu können, weil sie die gleiche Angst nicht noch einmal durchmachen wollte. So wandte der Sultan sich anderen Frauen zu, ehrte aber die Mutter seines Sohnes weiterhin wie es sich geziemt. Das Kind selbst, das sorgsam von seinen Schwestern getrennt gehalten wurde, wußte nichts davon, daß es kein Knabe sei, denn wie eine junge Seele angerufen wird, so antwortet sie. Auch mit anderen Knaben wurde der Thronfolger nicht zusammengebracht, weil der Sultan dem Wunsch der Mutter gehorchte, die gebeten hatte, ihr zum Ersatz der Liebe ihres Gemahls das Kind bis zum siebenten Jahre ganz allein zu überlassen. Zeit ist lang, wenn sie sich vor dem Wünschen erstreckt, kurz, wenn das Auge des Herzens auf sie zurückschaut, und sieben Jahre vergehen schnell.

Es geschah in der zweiten Hälfte des siebenten Jahres, daß das Kind, das Osman gerufen wurde, mehr und mehr bemerkte, wie die Mutter, die sein ein und alles war, ihre Tage und Nächte seufzend und weinend verbrachte. Trauer erwachte in dem kleinen Wesen, und es hatte nur einen einzigen Freund, bei dem es vielleicht Trost finden konnte, das war Taseh, das wunderbare schwarze Pferd, das im Marstall gleich links vom Eingang stand. Osman,



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der Thronfolger, hatte heimlich schon mehrfach auf des schwarzen Pferdes Rücken gesessen zu der Zeit, wenn die Pferdepfleger bei ihren Mahlzeiten waren, und sicherlich hätte sich manch einer darob gewundert, wie das kleine Wesen auf das große Pferd hinaufkam. Das geschah aber auf die Art, daß Osman einen leisen Ruf ausstieß, worauf sich Taseh nach dem Knaben umwandte, zur Seite wich und, wenn das kleine Menschlein ganz nahe gekommen war, den linken Vorderfuß gekrümmt in halber Höhe hielt. An dieses Bein geklammert, schob sich Osman bis zum Hals des Pferdes hoch und saß dann dort, den schönen dunklen Pferdekopf mit beiden Armen umschlingend. Sein Gesicht drückte er in die Locken, die zwischen den Ohren wuchsen, und dann flüsterte er all seinen Kummer in diese aufmerksam zuckenden Ohren hinein.

Wie oftmals schon, war es auch so an diesem gesegneten Freitag, einem Tage, an dem die Mutter mehr als sonst geweint hatte und ihres Kindes Herz immer schwerer geworden war. Osman ahnte nicht, daß nur noch eine kurze Gnadenfrist für die geängstigte Sultana verblieb, die sich weniger vor ihrem eigenen Tode fürchtete als um das Leben ihrer dienenden Frauen bangte. »Oh, Taseh, mein Freund«, hauchte Osman in das Ohr des großen schwarzen Pferdes, »ich habe Kummer um die geliebte Mutter, kannst du mir nicht helfen, sie zu trösten, wenn sie klagt?«

Taseh bewegte ein wenig seinen stolzen Kopf, und dann erschrak Osman heftig, denn urplötzlich saß zwischen den schwarzen Locken eine kleine weiße Maus. Sie saß aufrecht, schaute aus tiefschwarzen Augen Osman an und sagte mit einer kleinen hohen Silberstimme: »Habe keine Scheu, Scheichzadeh, denn wir wollen dir helfen, Taseh und ich, weil du nicht um dich, nein, um deine Mutter



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bangst. Wollen wir nicht, Taseh?« Und die Scheu wurde zum Schrecken für Osman, als nun eine tiefe, dunkle Stimme sagte: »Gewiß wollen und werden wir helfen, bist du doch mein Freund seit langem, du, den man Osman ruft!« Das Kind sah sich nach allen Seiten um, weil es glaubte, ein Stallbursche habe gesprochen. Aber die kleine Maus gab ein zwitscherndes Geräusch von sich, das Osman später als ihr Lachen kennenlernte, und sprang ganz nahe zu dem Kinde heran, saß vor ihm, bewegte die feinen rosigen Vorderpfoten und sagte: »Es war seine Stimme, die du hörtest, die von Taseh, niemandes sonst. Vernimm nun, was ich dir rate: wenn du deine Mutter genug liebst, um ihr den Kummer zu nehmen, daran sie jetzt leidet, so komme heute zur Nacht hierher. Deine starke Liebe wird uns verlorene Flügel wiedergeben, und wir werden mit dir entfliehen und Hilfe für deine Mutter holen. Willst du, Scheichzadeh?«

Die kleine weiße Maus legte den Kopf auf die Seite und sah Osman von unten her an. Das Kind mußte lächeln über den reizenden Anblick des leuchtend weißen Geschöpfchens zwischen den schwarzen Pferdelocken, streckte einen zaghaften Finger vor und strich ganz sanft über den glatten kleinen Kopf. »Wie heißt du denn, du reizende Kleine?« »Sie heißt Fareh«, gab die tiefe Stimme Tasehs zur Antwort, »und sie ist, wie du es gesagt hast' Scheichzadeh, die Lieblichste, die Reizendste, die es gibt.« Wieder erklang das zarte zwitschernde Geräusch, und Fareh sagte: »Höre jetzt nicht auf ihn, laß uns weiter beraten. Willst du kommen? Ja oder nein?« Osman überlegte für kurze Zeit, fragte dann: »Wenn ich mit euch komme, wird dann die geliebte Mutter nicht zu dem Kummer, der sie jetzt drückt, auch den noch haben, daß sie nicht weiß, was aus ihrem Kinde wurde?« Fareh sprang ein wenig vor, saß jetzt ganz dicht vor Osmans Augen,



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strahlte mit ihrem Blick in den seinen hinein und sagte: »Es ist alles recht, du verstehst wirklich zu lieben, und du gibst uns die Flügel, deren wir bedürfen. Um deine Mutter sorge dich nicht; sie wird einschlafen und vieles träumen, aber erst erwachen, wenn du wieder bei ihr bist. Kommst du?« Osman strich wieder sanft über den kleinen glatten Kopf, murmelte: »Reizende, ich komme. Wann soll ich hier sein?« Die Maus piepte einmal glücklich auf, wie feines Pfeifen klang es, und sagte schnell: »Gleich nach dem Azan. Du wirst bemerken, daß deine Mutter einschlummert und die Dienerinnen auf nichts achten, dann schlüpfe du davon und komme hierher. Auch hier wird niemand sein, der dich sieht. Gehe jetzt, du unser gesegnetes Kismet, und mögen auch wir dir ein gutes Kismet sein.«

Die tiefe Stimme sagte: »So sei es denn; komm herunter, Osman, ich helfe dir.« Und das glatte schwarze Pferdebein hob sich so hoch als nur möglich dem Kinde entgegen, das geübt und leicht daran herunterglitt. Ohne sich umzuschauen, voll von Freude und heimlichem Staunen lief Osman durch die schmale Nebentür des Marstalles davon. Heiter war das kleine Wesen die wenigen Stunden lang, die noch bis zum Abendgebet vergingen, aber als die ersten Worte des Gebetsrufes erklangen, schlug das junge Herz einen tollen Wirbel. Wird es nun geschehen, wie Fareh gesagt hatte, oder war alles nur ein Traum gewesen? Hatte keine Maus gesprochen, kein Pferd geredet, und würde die Mutter weiter weinen müssen? Während Osman so dachte, verklangen langsam die Worte des Azan, und kaum war das letzte gerufen, als die Mutter sich auf ihren Polstern zurücklehnte, leise murmelte: »Wie mich schläfert!«, und allsogleich einschlummerte. Osman hätte beinahe aufgeschrien vor Entzücken, denn sieh nur, es war kein Traum, nein,



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wahrhafte Wirklichkeit, hatten sich doch die dienenden Frauen auch schon fortbegeben, und niemand schien mehr wach zu sein als nur Osman allein.

Noch einen Blick auf die Mutter, die so innig geliebte, und das Kind lief leicht und flüchtig davon, einen Gedanken der Liebe mit einem des Dankes an die Helfer vermischend. Keine Tür schien verschlossen zu sein, kein Wächter irgendwo aufzupassen, und kaum gedacht, war Osman schon im Stall. Da war Taseh bereits außerhalb seines schmalen Standes, und zwischen seinen Ohren leuchtete es hell: die kleine weiße Maus. Das schwarze Bein streckte sich dem Kinde entgegen, und oben saß Osman. Fareh piepte voll Freude, hüpfte näher, sagte: »Nimm mich in deinen Arme!, Freund, denn es geht nun durch die Luft, und ich würde vielleicht herabfallen. Auch ist es wärmer nahe bei dir. Du mußt wissen, du bist jetzt in den Händen des Kismet wie wir auch, und du darfst nicht fragen, wohin und wozu. Hast du Angst, sage?« Osman lachte, denn dieses Gefühl war ihm fremd. »Angst, wenn es nun durch die Luft geht? Wie kannst du fragen! Komm in meinen Ärmel, ich hülle dich ein.« Die kleine Fareh kroch mit ihrem zwitschernden Lachen in die schwere Seide des Ärmels hinein, und schon fragte die tiefe Stimme von Taseh: »Seid ihr bereit? Können wir uns auf den Weg machen?« Osman beugte sich vor, sagte in eines der zuckenden Ohren hinein: »Fareh ist geborgen, wir sind bereit, o du großer Freund Taseh!«

Kaum hatte Osman das gesagt, als Taseh auch schon mit einem Satz bei der großen Pforte des Stalles war, und diese, sonst durch viele Schlösser und Riegel gesichert, öffnete sich lautlos vor ihm. Draußen im Dämmern standen sie. Taseh drehte den Kopf rückwärts, sagte eindringlich: »Halte dich an meiner Mähne fest, senke den Kopf auf meinen Hals, schließe die Augen, denn es geht in die



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Luft, hinauf, weit hinauf. Bist du bereit?« Eine jubelnde junge Stimme rief etwas, das schon nicht mehr zu verstehen war, und Taseh rief, schrie: »Flügel seiner Liebe, hebt mich, tragt mich!« Da flogen sie. Da waren sie schon hoch oben, und Osman fühlte, wie die Winde des Himmels in seinen Haaren wühlten, wie die Schatten der Dämmerung um seine Stirne strichen. Er jauchzte vor Glückseligkeit und wußte es nicht, daß er rief: »0 Mutter, Mutter, wir fliegen, siehst du mich, geliebte Mutter?« Es verwunderte ihn auch gar nicht, die vertraute Stimme der Mutter antworten zu hören: »Ich sehe dich, mein Kind, und ich weiß, du fliegst, mir die Freude zu holen. Halte dich fest, geliebtes Kind!«

Wußte sie es alles, sah sie es alles? Teilte sie in ihrem seltsamen Schlummer ihres Kindes großes Erleben? Wer weiß es, und wer muß auch immer alles wissen?

War es ein weiter Flug, war es nur ein Aufseufzen des Entzückens gewesen? Osman wußte es nicht, spürte nur das langsame Sinken des schwebenden Pferdes und fühlte die Luft weicher und wärmer werden. Dann gab es einen kleinen Stoß, Taseh stand auf dem Boden. Fareh krabbelte hastig aus dem Arme! hervor, und weil sie ihn sehr kitzelte, ließ Osman sie gern heraus. »Setze mich auf deine Schulter«, piepte sie, »und steige schnell hinunter, die Zeit ist da.« Das glatte Bein wurde hochgehalten, Osman stand auf dem fremden Erdboden. »Geh nun, reiße Taseh drei Haare aus seinem Schwanz, denn wir brauchen sie; sei ohne Sorge, es schmerzt ihn nicht.« Das wurde gesagt, weil Osman sichtlich zögerte, seinem großen Freunde etwas zuleide zu tun. »Tu's nur und beeile dich!« sagte auch Taseh, und so ging Osman daran, drei der schönen langen schwarzen Schwanzhaare auszureißen. »Komm her damit«, befahl Taseh, »lege eines unter meinen linken Vorderhuf, schnell!«



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Eifrig gehorchte Osman, und als er näher hinblickte, sah er zu seinem Erstaunen, daß nun statt des Haares ein kleines kurzes Schwert dort lag. »Nimm es, es ist deines, und es wird deiner Hand die Geschicklichkeit verleihen, die ihr noch fehlt. Lege das andere Haar unter meinen rechten Vorderhuf.« Eilig gehorchte Osman, der nun jedoch über alles Erstaunen hinaus war und sich auch nicht wunderte, als statt des Haares ein kleiner Schild sichtbar wurde. »Nimm ihn, er wird dich schützen. Das dritte Haar verwahre gut in deinem Gürtel, denn es ist bestimmt, mich herbeizurufen, wenn ihr meiner bedürft. Und lebt wohl! Hüte mir Fareh, Osman, sie ist mein liebstes Gut. Lebt wohl!« Einmal nur schlug Taseh mit den Vorderhufen auf den Boden, als wolle er sich laufend in Bewegung setzen, aber im nächsten Augenblicke hatte er sich in die Luft erhoben, und Osman konnte nur noch in der Ferne eine dunkle Wolke entschwinden sehen.

»Er ist fort!« sagte er leise und traurig, da piepte es an seinem Ohr: »Ja, er ist fort, und dir sind nun einige Taten bestimmt. Dieses Tor eines Serails, vor dem wir hier stehen, wird dir der Durchgang zu vielem sein, mein Freund Osman. Höre nun gut zu: Dort, im vierten Hofe, befindet sich ein Padischah, der umgeben ist von klagenden Gefolgsmannen. Sie wissen, daß ein Djin kommen wird, wie er es jeden dritten Freitag tut, dem Padischah ein Stück der Leber herauszureißen, darum klagen sie.« Erstaunt fragte Osman: »Aber warum klagen sie nur und tun nichts?« Das zwitschernde Lachen der kleinen Fareh erklang, und sie sagte zufrieden: »Recht ist deine Frage, und du bist es, der nun etwas tun soll. Höre weiter zu, Osman. Dort sitzen in drei Höfen die Töchter des Padischah. Du mußt an ihnen vorbei, halte dich aber nicht auf, gehe in den vierten Hof. Bald kommt der Djin, und du mußt ihm nur das Ohr abschlagen, dann ist er besiegt.



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Halte den Schild so, daß er dich nicht anspucken kann, denn es ist Gift, was er speit, und du würdest daran erblinden. Tue mich nun in deinen Gürtel, daß ich nicht zu sehen bin, und gehen wir.«

Osman nahm die kleine Fareh behutsam von seiner Schulter, hielt sie ein wenig in der Hand, strich sanft über das weiche weiße Fellchen und setzte sie dann in die Gürteltasche, die ihm an der linken Seite hing. »Gehen wir also«, sagte er lachend und fühlte, wie sich das kleine Schwert in seine Hand schmiegte, als sei es lebend.

Er kam in den ersten Hof. Da saß inmitten, auf einem Throne eine Sultana, in grüne Schleier gehüllt, hielt den Kopf in den Händen verborgen und weinte. Osman achtete ihrer nicht, ging weiter. Im zweiten Hofe inmitten, auf einem Throne saß eine Sultana, ganz in gelbe Schleier gehüllt, hielt den Kopf in die Hände gesenkt und weinte. Osman ging vorüber. Im dritten Hofe aber saß auf einem Throne, inmitten, eine Sultana, ganz in rote Schleier gehüllt, hielt den Blick geradeaus gerichtet, sah lächelnd in die Ferne und schien sonst nichts zu beachten. Osman blieb stehen, sah an ihr hinauf, sagte zornig - er wußte selbst nicht, warum ihn ihr Lächeln so ärgerte -: »Du scheinst freudig erregt, o Sultana, während deine Schwestern weinen. Was erfreut dich? Das Klagen dort drinnen?« Die Sultana wandte ihren Blick von der Ferne ab, sah auf Osman herab, sagte leise: »Geh weiter, schöner Knabe, störe mich nicht«, und blickte wieder lächelnd in die Ferne.

Osman zuckte die Schultern und stand dann schon im vierten Hof. Dort lag nun der Pascha auf einem Diwan, und ihm zu Füßen hockten die klagenden Gefolgsleute. Osman kam herbei, sah sie sich einzeln an, fand sie ebenso jämmerlich wie albern, wandte sich zu dem Padischah, verneigte sich geziemend und sagte: »Erhabener



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Padischah, ich bin gekommen, den Djin zu töten. Gibst du mir Erlaubnis?« Da schauten die Höflinge auf, und sie ließen ihr Klagen sein, begannen zu lachen, riefen: »Du, ein Knabe, willst vollbringen, was Pehliwans nicht vermochten? Aman, welch eine Anmaßung!«

Es blieb aber keine Zeit mehr, nicht für Klagen, nicht für Lachen, nicht für Fragen noch Antworten, denn durch den weit geöffneten Fensterbogen strömte stinkende Luft herein, und ein Djin von ekelerregendem Aussehen drängte sich hindurch. Osman betrachtete die häßliche Schwammgestalt, während alle anderen sich die Augen verhüllten, ging auf den Djin zu, denn er fand ihn eher lächerlich, hielt den kleinen Schild hoch, damit ihn das Gift nicht treffe, und dachte nur, ob er wohl bis hinauf zu dem Ohr reiche? Da piepte es aus der Gürteltasche: »Recke dich, so wächst du und reichst heran.« Das tat Osman, hob sich dann noch auf die Zehen und schlug das Ohr des Djin ab. Der hatte noch keine Zeit gehabt, sich auf den Padischah zu stürzen, versah sich auch keines Angriffs von so schmächtiger Gestalt und sah plötzlich sein blutiges Ohr vor sich auf dem Marmorboden liegen. Er wollte es aufheben, da piepte Fareh angstvoll: »Den Fuß drauf, Osman, schnell!« So tat Osman, und da geschah es, daß der Djin wie eine übelriechende Wolke zusammenfiel, in dicken, gelben Luftschwaden über den Boden rollte, hin zum Fenster, durch das er eingedrungen war, und verschwand. »Hebe das Ohr auf, eile, zeige es dem Herrscher, aber behalte es, schnell, schnell!« sagte Fareh, und Osman tat, wie sie befahl. Er bückte sich nach dem großen dunklen Ohr, legte es, weil es ihn anzurühren ekelte, auf seinen Schild und trat vor den Diwan des Padischah. Die Höflinge hatten sich erhoben, standen und sahen stumm diesen jungen Kämpfer an, den sie verlacht hatten, machten ihm ehrerbietig Platz.



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»Herr«, sagte Osman, beugte das Knie und hielt seinen Schild hoch, »hier ist das Ohr des Djin, der dich nicht mehr belästigen wird. Ich bin beglückt, dir gedient zu haben.« Der Padischah griff nach dem Ohr, aber da schloß sich der Schild wie eine feste Hülse darum, und der Herrscher wie Osman sahen erstaunt auf dieses Geschehen. Der Padischah mußte ein wenig lachen, bemerkte heiter: »Ein hübsches Spiel, mein Sohn, du mußt es mir einmal erklären. Aber wie kommt es, daß du ein großer schlanker Jüngling bist, der du vorher ein schmächtiger Knabe warst?« Osman lächelte, sagte bescheiden: »Ich mußte mich recken, Herr, sonst hätte ich das Ohr nicht erreicht. «

Auf diese Antwort hin kamen alle Höflinge herbei, umstanden diesen jungen Helden, der sich selbst verlachte, und hatten ihm viel Schönes zu sagen. Da hob der Padischah die Hand, sagte ernst: »Genug des Lachens, denn dieser hier hat mir das Leben gerettet und ist in meinen Landen von nun an ein Großer. Alle Wünsche seien ihm erfüllt. Nenne mir sogleich einen, mein Sohn, der dir gewährt ist, noch ehe du ihn aussprachst. Rede!« Soeben wollte Osman antworten, er begehre nichts als ein Glas Wasser, da ihn sehr dürste, da vernahm er die zarte Stimme von Fareh, die rief: »Die rote Sultana!« Schon hatte sich Osman so sehr gewöhnt, Fareh und Taseh zu gehorchen, daß er, ohne sich zu besinnen, nur die Worte wiederholte und damit größten Schrecken auslöste. Die Höflinge wichen zurück, und der Padischah sagte ernsthaft: »Ich versprach, dir jeden Wunsch zu erfüllen, so sei dir auch dieser gewährt, aber ich warne dich, mein Sohn • es ist schlechter Lohn für solch mutige Tat, sich eine böse Last aufzuladen. Willst du nicht etwas anderes fordern? Alles sei dir gewährt, alles!« Schon wollte Osman zustimmen, denn der Zweck dieser roten Sultana



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blieb ihm völlig verborgen, aber wieder rief Fareh ihren Befehl, und so wiederholte Osman nochmals die Worte.

Der Padischah neigte den Kopf, befahl, man möge die Sultana holen. Sie kam, und ihre roten Schleier schleiften zu allen Seiten auf dem Boden. Lässig bewegte sie sich, neigte sich flüchtig vor dem Vater, murmelte: »Du befahlst?« Der Padischah sah die Tochter nicht an, sagte hart: »Ja, ich befahl dich vor mich, um dir bekanntzugeben, daß du diesem Jüngling hier, der mich von jahrelanger Pein befreite, zu gehorsamen hast. Geh und tue nach meinem Befehl.« Eine Handbewegung scheuchte die rote Sultana fort, und ihr blieb nichts übrig, als zu gehen. Einen haßerfüllten Blick warf sie auf Osman und bewegte sich ebenso lässig fort, wie sie vorher gekommen war. Der Padischah sah ihr nach, neigte sich dann wieder zu Osman, sagte beunruhigt: »Du hast es so gewollt, mein Sohn, nun sei das Kismet dir gnädig. Doch verlangt die Sitte, daß du mir deinen Namen nennst, auf daß ich ihn in mein Gebet einbeziehen kann.« Osman erhob sich, sagte stolz und ruhig: »Osman, der Sohn des Padischah von Djem.« Die Höflinge beugten sich tief, der Padischah stand vom Lager auf und küßte Osman rechts und links auf die Wangen. »So weich die Wangen, so jung und schon ein Held! Mein Bruder von Djem ist wahrhaft gesegnet. Geht und laßt dem Scheichzadeh Räume anweisen nahe bei denen meiner Tochter, die ihm hörig wurde. Und dich, mein Sohn, werden wir nach dem Azan wiedersehen. Allah ismagladih.

Osman war entlassen. Er griff nach dem Schild, der das Ohr des Djin enthielt, packte sein Schwert fester und fühlte nach der Gürteltasche, ob auch Fareh nichts geschehen sei, dann folgte er den Höflingen. Kaum hatten sie ihn geleitet, verabschiedete er sie alle und holte Fareh aus der Tasche, um sie nun genau nach dem Wie und Wofür



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aller dieser Geheimnisse zu befragen. Ehe er aber etwas sagen konnte, rief Fareh eifrig: »Hast du das Djinnenohr?« Er griff nach dem geschlossenen Schild. »Ja, hier drinnen ist es. Wollen wir das ekle Ding nicht fortwerfen?« Fareh hob erschreckt die kleinen Vorderpfoten, was um so possierlicher aussah, als sie wieder aufrecht auf ihrem Schwanz saß. »Niemals, nein! Es ist so wichtig für dich, wie du nicht ermessen kannst! Nimm es nun. Warte, ich öffne den Schild.« Wenn sich Osman auch das Staunen schon abgewöhnt hatte, so traute er doch seinen Augen kaum, als er sah, wie Fareh den in sich gekrümmten Schild dadurch öffnete, daß sie ihr Schwanzende zwischen die Vorderpfoten nahm und damit auf der Krümmung entlangstrich. Der Schild sprang auf, und da lag das häßliche, blutige, haarige braune Ohr. »Nimm es, Osman, und streiche damit dreimal über dein Herz. Nein, ekle dich nicht, denn eben hierdurch stillst du deiner Mutter Tränen. Entblöße die Brust, streiche dir übers Herz!«

Leise schaudernd tat Osman, wie ihm geboten wurde, und da war es ihm, als schösse durch seinen Körper eine Feuerwelle, als brause sein Blut auf, und er sprang hoch, ließ das Ohr achtlos fallen, reckte die Arme, rief: »Wie reich ist das Leben, wie stark und wie voll Schönheit! Ich wußte es niemals . . . wie weiß ich es jetzt?« »Weil du jetzt ein Mann bist, Osman, Scheichzadeh«, sagte ganz leise die kleine Fareh. Osman lachte. »Welche Torheit sprichst du, Fareh, war ich nicht immer ein Mann, will sagen, ein Knabe? Was hat sich gewandelt?« Fareh schwieg eine kleine Weile und dachte, es sei besser für die Menschen, wenn sie nicht alles wüßten, war die Erkenntnis denn nicht schon für die Geisterwelt schwer genug? So antwortete sie nur: »Die erste Mannestat ist immer berauschend, und daß du sie vollbracht hast, hat dich so gewandelt. Doch lasse nun das Forschen und



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Fragen und begnüge dich damit, zu wissen, daß du getreu deiner Aufgabe, die geschrieben steht, deiner Mutter hilfst. Daß du so schnell höher wuchsest, entspricht deinen Taten, je mehr du ihrer begehst, desto größer wirst du werden. Die rote Sultana ist eine Aufgabe wie die anderen auch, und uns obliegt es, von diesem Raum aus sie zu belauschen und alles über sie zu erfahren, wonach wir weiter handeln können. Der Vorhang dort verbirgt den Eingang zu ihren Gemächern, doch müssen wir noch ein wenig warten, ehe wir hindurchspähen, denn die Dämmerung muß erst zu sinken beginnen. Lege dich nieder indessen, denn diese Nacht wird noch ermüdend sein für uns. Halte mich in deiner Hand, nahe deinem Ohr, auf daß ich dich wecken kann, wenn es an der Zeit ist.« Unter den leisen hellen Worten der kleinen Maus war Osman schon ganz ruhig geworden, und jetzt spürte er auch seine große Müdigkeit. Er ließ sich auf dem weichen Diwan zurücksinken, hob die Hand, darin die Maus sich einringelte, nahe an sein Ohr und war sofort eingeschlafen.

Das heftige Piepen der kleinen Fareh weckte ihn, und sie sprach hastig: »Schnell, schnell, setze mich auf deine Schulter, und spähen wir jetzt in das Nebengemach, wo sich vieles begibt. Vorsicht, sei leise, sehr leise, Osman!« Der Jüngling erhob sich, schlich zum Vorhang, schob ihn um weniges zur Seite, neigte den Kopf zur Schulter, auf der Fareh saß, und schaute erstaunt auf das Geschehen in dem anderen Gemach. Dort war die hohe Fenstertür weit geöffnet, und das Abendlicht strömte herein, spiegelte sich in einer großen Goldschale, die mit Wasser gefüllt am Boden nahe dem Fenster stand. Die rote Sultana war in wartender Haltung zu sehen; die Arme gehoben, den Kopf vorgestreckt, war sie ganz Spannung. Jetzt wurde ein Schatten vor dem geöffneten Fenster



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sichtbar, und zugleich stieß die Sultana einen leisen Jubelruf aus. Ein großer Vogel, dessen Gefieder in allen Tönen von Rot und Gold schimmerte, flog herein, ließ sich im Goldbecken nieder, schüttelte die Wassertropfen von seinem Gefieder und stieg als ein wunderbar anzuschauender Jüngling aus dem Bade hervor. Die rote Sultana warf sich an seine Brust, umschlang ihn eng und redete hastig, atemlos, den Blick zu ihm gehoben, an ihn geschmiegt wie die Luft, die seinen Leib umkoste. Sie sagte bang: »0 mein strahlender Geliebter, mir ist Schlimmes geschehen ... ich soll ... ein Jüngling kam . . . « Der schöne Fremde aber legte die Finger leicht auf die Lippen der Sultana, sagte lächelnd: »Ich weiß, meine schöne wilde Blume, ich weiß alles! Wie wäre es anders möglich, daß ein Ifrit nicht wüßte, wenn eines Djin Macht gebrochen wird? So ist es mir leid, dem Schaden zuzufügen, der auch für uns gefochten hat, doch mußt du von ihm frei werden. Darum fordere von ihm den Spiegel der Djinnen, hörst du?«

Die Sultana, deren ganze harte, wilde Art von ihr abgefallen war, so als werfe eine Stachelpflanze rote Blüten ab, fragte leise: »Was aber, geliebter Herr, ist der Djinnenspiegel? Ich gehorche dir immer, du weißt es, doch müßte ich, um die Forderung an jenen Jüngling zu stellen, mehr von dem Spiegel wissen.« Der schöne Jüngling strich über das leuchtend rote Haar der Sultana und sagte leise: »Du hast recht, meine Feuerblüte; es ist so: Dieser Spiegel verleiht dem Weibe, das ihn besitzt, ewige Jugend und Schönheit, wenn sie sich täglich beim Auf- und beim Untergang der Sonne darin spiegelt und die Worte spricht: Abend- und Morgenlicht ist ewige Schönheit vereint. Der kleine von Edelsteinen leuchtende Spiegel befindet sich am Grunde einer Quelle, die in einer Höhle am Nordende der Gärten des Serails von den



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Djinnen bewacht wird. Wenn jener dann dort suchen wird - und ich werde ihm den Weg erleichtern -, dann werden ihn die Djinnen verfluchen, so daß sein Gesicht sich nach hinten wendet und er ein Abscheu wird. Danach dann wirst du von ihm verschont sein, meine rote Blume.« Der Ifrit sah die rote Sultana an, aber sie fragte leise und zärtlich: »Wenn er den Spiegel nicht bringt, könntest du dann ...? Ich möchte doch für dich ewig jung und schön sein. . . «

Hier aber hauchte Fareh in das Ohr von Osman: »Komm fort, diese Albernheiten sind nicht für uns, und wir wissen nun, was wir zu tun haben, komm!« Osman war sehr zufrieden, nicht mehr den Lauscher spielen zu müssen, und gehorchte Fareh, die ganz erregt zu sein schien. Sie mahnte, das Gemach zu verlassen. »Und wenn du einen Diener triffst, so sage, du wolltest dich in der Abendkühle in den Gärten ergehen. Halte mich in der Hand, komm.«

Osman gehorchte und tat, als sei er nur ein Lustwandler in den schönen weiten Gärten, fühlte aber immer wieder, sowie er verweilen wollte, einen zarten Stich der spitzen Mäusezähne in seiner Handfläche; so hob er die Hand und Fareh wies ihm die Richtung zum Norden hin und gebot Eile, nur Eile! Dann waren sie angelangt, und das Rauschen der unterirdischen Quelle ward hörbar. »Was nun, Fareh? Wo ist die Höhle? Wie gelangen wir hinein?« Denn es war nur ein winziges Schlupfloch zu sehen, kein Zugang, nichts.

Fareh richtete sich in Osmans Hand auf, saß da auf ihrem Schwanz, sah ihn mit den schwarzen Augen forschend an und fragte: »Ist es so, Osman, daß du auch keine Angst verspüren würdest, dich in ein Tier zu verwandeln?« Osman lachte. »In ein Tier? Köstlicher Spaß! Welch ein Tier soll es sein, und wie geschieht es?« Fareh aber blieb



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ganz ernst, sagte leise: »Es müßte ein Tier sein, das es vermöchte, in diesen Höhleneingang zu gelangen und dann auch den Spiegel zu umschlingen und herauszuholen.« Nachdenklich sagte Osman: »Das könnte doch nur eine Schlange sein, ist es nicht so?« Fareh bewegte sich unruhig hin und her. »Du sagst es, eine Schlange allein vermag es. Aber es ist gefährlich für dich, Osman, und wenn auch du keine Angst hast, so habe doch ich sie. Denn Schlangen gehören zum Reich der Djinnen, und vielleicht hält man dich dann dort fest . . . ?« Doch dieses Mal lachte Osman noch mehr, sagte zuversichtlich: »Wie kann es denn geschehen, daß eine so kluge kleine Maus wie du so töricht ist? Aus den Erzählungen meiner Mutter weiß ich gewiß, daß die weißen Schlangen zum Reich der Ifrits gehören, also könntest du mich doch dazu wandeln, ist es nicht so? Denn es will mir nach allem scheinen, als wärest du, Fareh, vom Reich des Ifrits nicht allzuweit entfernt. Habe ich recht?« Jetzt zwitscherte Fareh wieder, sagte aber mahnend: »Besser nicht zuviel fragen und zuviel wissen, Osman Scheichzadeh!«

Jede Verwandlung ist leicht und kommt schnell zustande, wenn der, dem eine andere Gestalt zugedacht ist, sich bereitwillig in solche denkt. Da nun Osman an die weißen Peri-Schlangen dachte, davon er so viel schon gehört hatte, war er bereits in der fremden Gestalt, ehe er noch das sanfte Streichen von Farehs Schwanzspitze deutlich fühlte. Und plötzlich stand sie hoch über ihm, die kleine Maus, sah mit strahlenden Augen auf ihn herab. »Du kannst jetzt nicht sprechen, Osman, mein Freund«, sagte sie kaum vernehmbar, »aber du wirst bald bemerken, daß es besser ist so, wirst du dich doch dann nicht verraten. Und eines mußt du wissen: du leuchtest. Denn die weißen Peri-Schlangen sind Abgesandte des Lichtes. Wenn du also in die Höhle hinunterkommst, wirst du



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dir selbst den Weg erleuchten, aber verstecke dich so gut du es vermagst, daß sie dein Licht nicht sogleich sehen, diese Kinder der Dunkelheit. Und dieses muß ich dir noch sagen: die Djinnen schlafen mit offenen Augen, dann also sehen sie nichts; doch sind die Lider geschlossen, bemerken sie alles. Du gleite in die Quelle, wenn du offene Augen siehst, umschlinge den Spiegel mit dem Schlangenschwanz und gleite zu mir zurück; ich werde pfeifen, um dich den richtigen Weg wissen zu lassen. Aber auch du hast eine Waffe, denn wenn du dich aufrichtest, blendest du die Djinnen und sie vermögen nichts gegen dich. Und nun sei von guten Gedanken geleitet, oh, du Sohn einer geliebten Mutter.«

Osman wand sich, denn er wollte alle Möglichkeiten seines neuen Körpers auskosten, und innerlich lachte er noch immer, fand er es doch einen köstlichen Spaß, eine Schlange zu sein, die leuchtete. Nicht weit entfernt sah er einen großen Haufen liegen, kroch darauf zu und fand seine Ahnung bestätigt, daß es seine Kleider seien. Fareh aber war nicht gesonnen, ihm weitere Ausflüge der Neugier zu erlauben, lief ihm nach, rief hastig: »Verliere keine Zeit, denn wenn die Nacht gesunken ist, haben die Djinnen die Macht. Eile, Kind des Lichtes, eile!« Und die weiße Schlange eilte. Er fand es herrlich, so geschmeidig zu gleiten wie ein Wassertropfen auf einem Blütenblatt. In den Höhlenschlund gelangte er leicht, und dann bemerkte er freudig, wie hell sein eigenes Licht war. Schon sehr bald vernahm er das Rauschen der Quelle und verbarg sich hinter einem vorstehenden Gestein. Von dort aus vermochte er die Djinnen zu beobachten, die, dicken, braunen Gebilden gleich, um den Rand des Quellenbeckens hockten und mit weit geöffneten Augen schliefen. >Jetzt<, dachte Osman, >schnell und gleich jetzt!< und glitt vorwärts.



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Aber durch das Wasserrauschen hindurch hatten die scharfen Ohren der Wächter doch das geringe Geräusch vernommen, das der gleitende Schlangenleib verursachte, und sie schlossen die Lider, richteten sich hoch, begannen drohende Töne auszustoßen. Osman, der an diesem Tage schon einen Djin besiegt hatte, gedachte auch diese zu überwinden, und so versuchte er, sich hochzurichten. Der Fähigkeiten des Schlangenleibes noch ungewohnt, bedurfte es dafür einiger Kraft, aber es gelang. Hochgereckt in schmaler Schönheit, wie eine weiße Flamme in der düsteren Höhle leuchtend, stand die Peri-Schlange auf ihrer Schwanzspitze und wiegte sich leise hin und her. Die Söhne der Dunkelheit vermochten den Anblick nicht zu ertragen, beugten die unförmigen Köpfe in die Arme und jammerten gequält vor sich hin. Eben wollte die Schlange sich in das Quellbecken gleiten lassen, da stieg schon der von unzähligen Edelsteinen leuchtende kleine Spiegel empor, dem Licht entgegen, da er der hellen Schönheit diente und nun befreit war von der Dunkelheit. Die Peri-Schlange legte sich in weichen Windungen um den glitzernden Schatz und glitt nun, so belastet, etwas mühsam davon.

Schon hörte Osman das Pfeifen von Fareh, da fühlte er, wie die Dunkelheit um ihn zunahm, und blitzschnell wandte sich die Schlange nach rückwärts, ließ den Spiegel entgleiten und richtete sich nochmals auf. Der einzige Djin, der der Peri-Schlange gefolgt war, verhüllte erschreckt die Augen, beugte sich aber nieder, um den Spiegel wieder in Besitz zu bekommen. In diesem Augenblick schoß etwas Weißes, das einen Feuerschweif zu tragen schien, durch die Höhlenöffnung herein, wandte sich um und fegte mit dem hell leuchtenden Schwanz dem Djin über Gesicht und Hand, über alles, was erreichbar war. Der ließ mit einem Aufschrei den



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Spiegel, den er schon gepackt hatte, fallen und raste in die bergende und helfende Dunkelheit davon. Fareh rief hoch und hastig: »Nimm den Spiegel, Osman, schöne Schlange, nimm ihn schnell, komm, ich leuchte dir!« Und die kleine weiße Maus hielt den Schwanz hoch, der wie eine winzige Fackel den Weg erhellte, den kurzen und leichten, der noch bis zum Höhleneingang zurückzulegen war.

Dann waren sie draußen, und die Schlange entrollte sich zwar, legte sich aber auf den glitzernden Spiegel, schien ihn verstecken zu wollen. Fareh saß vor der Schlange, zwitscherte und fragte: »Willst du den Hüter eines Schatzes spielen, Osman, mein Freund? Ich lasse dich nicht, ich wandle dich wieder um!« Und die Schwanzspitze strich sanft über die weiße Schlange hin, der es heiß und bange wurde und die ihre Hülle sprengte. Da stand er wieder, der Scheichzadeh, bückte sich und kleidete sich an, hob dann Fareh hoch, blickte aber nochmals zu Boden und nahm die helle Schlangenhaut an sich. »Wird sie weiter leuchten? Es war sehr schön, eine Schlange zu sein. Ach, wie schwer und plump ist nun mein Körper! Gehen wir also, dieser rothaarigen Frau den Schönheitsspiegel zu bringen. Ist damit alles geschehen, Fareh? Kehren wir dann zurück?«

Fareh saß jetzt wieder auf Osmans Schulter, und sie kehrten gemächlich zurück zum Serail. »Ich weiß es nicht gewiß«, sagte die kleine Maus, »wir müssen hören, wie alles sich weiter gestaltet, wenn du den Spiegel überreicht hast. Aber da fällt mir ein: wie willst du erklären, daß du vom Spiegel wußtest? Mir scheint, es wird besser sein, du begibst dich jetzt zum Padischah, der dich nach dem Azan zu sich befahl. Hüte indessen den Spiegel in deinem Gürtel, und ich werde wieder in die Gürteltasche gleiten. Morgen am Tage ist es noch Zeit, der Roten den



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Spiegel zu überbringen und zu erfahren, was ihr Geliebter, der Ifrit, uns noch für Aufgaben stellt.«

So geschah es denn auch, und der Scheichzadeh verbrachte einige Stunden, in denen er von allen Seiten geehrt wurde, während köstliche Speisen den Gaumen erfreuten und Lieder und Erzählungen das Ohr. Unter dem Licht des Mondes gelangte Osman in seine Räume zurück und schlief friedlich und traumlos.

Für den nächsten Tag waren allerlei Vergnügungen ersonnen, wie Pfeil-Schießen, Schwert-Fechten und Reiterstücke, so daß Osman erst spät am Tage durch die Dienerinnen seinen Besuch bei der roten Sultana melden lassen konnte. Sie saß starr aufgerichtet, in ihre Schleier gehüllt, auf einem Ruhebett und neigte kaum den Kopf, als er eintrat. Osman sah die rothaarige Frau jetzt mit anderen Augen an als am Tage vorher und wunderte sich, daß sie ihm so verabscheuenswert erschienen war. Eine eigenwillige Schöne war sie, die wohl ebenso heiß lieben wie hassen konnte, dachte der Jüngling und freute sich auf das Erstaunen, das sie zeigen würde. »Herrin«, sagte er und stand vor ihr, die Hand leicht auf das mit ihm gewachsene Schwert an seiner Hüfte gestützt, »ich habe das Glück genossen, von dir heute nacht zu träumen, was auch in Wahrheit nicht verwunderlich erscheint, ist es nicht so?« Die Sultana zuckte nur die Schultern und sah an ihm vorbei in die Ferne, aus der sie den Geliebten erwartete. Osman fuhr ruhig in gleicher Art zu sprechen fort, wechselte nur die Stellung seiner Füße. »Und es träumte mir, Herrin, daß du den Wunsch hegtest, einen Spiegel zu besitzen, einen, der dir ewige Jugend und Schönheit gäbe . . . « Hier zerbrach die verächtliche Ruhe der Sultana. Sie erhob sich halb, beugte sich vor, stammelte fassungslos: »Wer bist du, daß du solches weißt? Welches böse Kismet hat dich hergeführt, o du, vor dem mir graut?«



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Osman sah sie an, die nun in Zorn, Bangen und Schönheit glühte, und sagte ernsthaft: »Wie kannst du es ein böses Kismet nennen, was deinem Vater Errettung brachte, o Herrin?« Die Sultana schien in sich zusammenzusinken, nickte mit dem verschleierten Kopf, wobei die roten Haare unter den Schleiern aufleuchteten, und sagte müde: »Du hast recht, Fremdling. Aber sprich mir von dem Spiegel und was du davon weißt, ich bitte dich.« Osman zog den Spiegel unter seinem Gürtel hervor, neigte sich ein wenig zu der Sultana, sagte: »Sieh her, hier ist der begehrte Spiegel. Die Djinnen senden dir ihre Ehrerbietung und erhoffen, wie es geschrieben steht, für dich ewige Jugend und Schönheit. Mögest du ihrer niemals überdrüssig werden, Herrin. Hier, nimm!« Die Sultana richtete sich wieder auf, griff gierig nach dem Spiegel, sah flüchtig seinen glitzernden Schmuck an und schaute dann in die Spiegelfläche.

Osman stand und betrachtete sie, die seine Gegenwart vergessen hatte. Er war erst seit wenigen Stunden ein Mann, und doch offenbarte sich ihm hier schon das Weib in seiner ganzen Gewalt. Nicht ihm galt, was dieses Weib fühlte und war, und doch wurde ihm die rote Sultana zu einer Lehre, die er sein Leben lang niemals vergaß. Oft noch, wenn er späterhin eine Frau im Arm hielt, sah er den gierigen, den bangen, verlangenden Ausdruck dieser Augen, die sich im Spiegel der Djinnen betrachteten. Immer, wer sie auch war, wie heiß er sie auch umfing, blieb ihm darum das Weib fern und fremd. Jetzt aber, vor dieser hier, hätte er noch vieles sagen wollen, hätte sie noch verhöhnen und verlachen wollen mit seiner Kenntnis dieser Spiegelgeschichte, und daß ihm, Osman, dafür der Kopf nach hinten gedreht werden sollte von den Djinnen. Alles das hatte er sich vorgenommen gehabt ihr zu sagen und sich an ihrem Unbehagen zu weiden,



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aber er konnte nicht. Er vermochte es nicht, weiterhin dort zu stehen und in das Geheimnis eines Frauensinns zu starren wie in einen Abgrund - er konnte nicht!

Ohne Gruß, fast lautlos, verließ Osman die rote Sultana, begab sich in die Gemächer des Padischah und erreichte bei dem Herrscher das Versprechen eines Freundschaftsbundes zu dem Lande Djem, seines Vaters Machtbereich. »In Wahrheit«, sagte Osman zu Fareh, als er mit ihr das Kommen der Dämmerung in seinem Gemach erwartete, »ich bin ein Mann geworden! Sieh nur, was mir gelungen ist, und noch vor wenigen Tagen hätte ich nicht an dergleichen gedacht. Oh, Fareh, wieviel verdanke ich dir und Taseh! Wo aber ist er? Warum sehen wir ihn nicht mehr?« Fareh gab zur Antwort, auch Taseh würde wieder bei ihm sein, wenn es an der Zeit sei. »Und ich glaube, es ist nicht mehr weit bis dahin. Ach, wie ich es erhoffe! Weißt du auch, Osman, wie sehr ich sein Kommen ersehne?« Osman strich über das glatte weiße Fell der kleinen Maus und dachte daran, wie sie ihm hell und lieblich erschienen war, zwischen den Ohren Tasehs sitzend, auf den dunklen Locken, die edle Pferde dort haben. Würde er das nie mehr sehen?

In beider etwas schwere Gedanken erklang die Stimme des Ifrits aus dem Gemach der Sultana, und sie beeilten sich, an ihren Lauscherposten zu gelangen. »Meine Feuerblume«, sagte der Vogel-Ifrit, »ist es denkbar, daß du den Djinnenspiegel in Händen hältst? Wie konnte er in deinen Besitz gelangen? Berichte!« Und die Sultana erklärte alles, wie es Osman gesagt hatte. Der Ifrit war tief beunruhigt. »Da ist etwas, das ich nicht verstehe; auch sagst du, er habe das Recht, das ihm dein Vater gab, dich zu umarmen, nicht genutzt? Solche Menschen sind zu fürchten, denn ihre Ziele sind höhere, mehr, als Frauen zu geben vermögen, verlangen sie. Sollte er aber dennoch



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sein Recht von dir fordern, so sage ihm dieses: du werdest ihm gehören, wenn er dir einen Zweig bringe von der weinenden Zitrone und einen von der lachenden Granate, denn dazu ist er niemals imstande. Hast du mich verstanden, meine Geliebte?«

Die rote Sultana stimmte leise zu, und schon wollte Fareh Osman bedeuten, sie sollten schnell forteilen, als er ihr, die er in der Hand hielt, zuhauchte: »Bleibe noch.« Denn die Sultana sagte soeben: »Dieser Jüngling mißfiel mir nicht, er handelte edel, da er mir das kostbare Geschenk brachte, ohne einem Bettler gleich Bezahlung zu heischen. . . « Aber weiter kam sie nicht, denn der schöne Ifrit hatte sich mit furchtbarer Plötzlichkeit zurückverwandelt in den Vogel, der er gewesen war, und begann mit seinem scharfen Schnabel auf die Sultana einzuhacken, bis sie blutend und vernichtet zusammenstürzte. Osman wollte entsetzt zu Hilfe eilen, da aber biß ihn Fareh mit ihren scharfen Zähnen so tief in die Hand, daß er zusammenzuckte und zu ihr hinblickte. »Willst du deiner Mutter helfen oder dieser hier?« pfiff die kleine Fareh zornig, und Osman senkte beschämt den Kopf. »Komm, eilen wir, Taseh erwartet uns, komm! Lasse diese ihrem Kismet, denn welches Menschenkind immer mit den Geistern des Himmels, der Erde und der Wasser sich verbindet, muß Schweres erdulden, so steht es geschrieben.«

Während sie sprach, hatten sie schon das Serail durchschritten und gelangen in jene Höfe, in deren Mitte damals die Sultanas gethront hatten. »Taseh wird uns erwarten. Hast du sein Haar? Gib es mir, nein, halte du es an das Ende meines Schwanzes. Brennt es?«

Traurig sah der nun ganz verwirrte Osman auf das sich krümmende Haar, da aber wurde schon vor dem Tor des Serails die Luft dunkler als die Dämmerung, und Fareh schrie in hohem Pfeifton: »Sieh hoch, er kommt!«



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Wie eine große schwarze Wolke senkte sich das edle Pferd herab, und als es den Boden berührte, vermochte Osman erst zu erkennen, wie sehr er an Höhe gewonnen hatte, denn sein Kopf reichte über die Schultern Tasehs hinaus. »Heb mich! So heb mich doch!« rief Fareh erregt, und Osman setzte sie wieder zwischen die Ohren Tasehs in die dunklen Locken hinein. Er sah, wie sie zwitschernd von einem Ohr zum anderen lief, und dann hörte er wieder Tasehs dunkle Stimme: »Meine kleine Fareh, glückhaft die Stunde, die dich mir wiederbringt. Sei bedankt, Osman, mein Freund, daß du sie mir gehütet hast.« Osman lachte leise, sagte: »Viel mehr als ich sie, hat sie mich gehütet, die kleine Fareh.«

Aber voll Unruhe sprach Fareh immer weiter in Tasehs Ohren hinein. Der lauschte eine Weile, sagte dann ernst: »Steig auf, du nun so hoch gewachsener Scheichzadeh. Wir fliegen und holen die begehrten Zweige. Es geht sehr hoch hinauf, drum nimm Fareh wieder in deine Obhut und neige dich tief in meine Mähne. Schau nicht auf, halte dich mit den Knien fest. Komm, worauf wartest du Osman?« Der Scheichzadeh stand noch einen Augenblick, prüfte die Entfernung, tat einen mächtigen Satz und war auf Tasehs Rücken. Fest umschloß er des edlen Tieres schwarzen Körper, legte das Gesicht in das Mähnenhaar und fühlte schon die Luft ihn umstreichen, während sich Fareh in seinem Arme! verkrochen hatte. Mit einem Auge spähend, sah Osman tief, tief unten die Erde entschwinden, und ehe er sich noch dessen bewußt werden konnte, waren sie schon jenseits der Wolken angelangt, wo Stille und Wärme herrschten.

Da begann Taseh über die Wolkenweiten hinzuschreiten mit leichten großen Schritten, und unversehens befanden sie sich in einem Garten, dessen Üppigkeit und Schönheit drunten auf der Erde keinen Vergleich hatte. Osman hatte



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sich aufgerichtet, und Fareh war aus seinem Arme! geschlüpft. »Der Garten der Ifrits«, sagte ihre zarte, feine Stimme. »Ist es hier, wo wir die Zweige holen sollen?« Taseh schritt vorsichtig aus, hob immer wieder den schönen, edlen Kopf, sah sich wie suchend um. »Ja, hier, meine Fareh! Und ist es nicht ein wunderbares Geschehen, daß auch uns, dir und mir, von hier Erlösung winkt? Damals, als wir verurteilt wurden, zu sein, was wir jetzt noch sind, da sagte eine Stimme kaum vernehmbar in mir, und es war nicht meine: weinende Zitrone, lachende Granate, im geheimen Garten verborgen, und ihr seid frei. Osman wurde unser Kismet, wir das seine. Suchen wir nun, wo die Bäume sind, die jener, unser Vogelbruder, genannt hat.«

Noch verstand Osman nicht ganz, aber ein Schauer hatte ihn erfaßt, und er glaubte endlich zu begreifen, warum seine Freunde Taseh und Fareh zu sprechen vermochten. Er beugte sich zu der kleinen weißen Maus herab, die jetzt auf seinem Knie saß, fragte: »Ein Ifrit auch du, Fareh, ebenso wie Taseh? Und verwandelt in diese Gestalten, zu irgendeiner Buße... ist es so?« Die kleine Fareh richtete sich hoch, sagte so ernst, wie er sie noch niemals hatte sprechen hören: »So ist es, Osman. Und weiter steht geschrieben, daß du zu unserer Befreiung bestimmt bist. Doch wie, das wissen wir noch nicht. Zu seiner Zeit wird es sich erweisen.«

Taseh blieb plötzlich stehen. »Seht«, rief er, »nebeneinander Zitrone und Granate, doch hoch, sehr hoch die Zweige! Steige auf meinen Rücken, Osman; Fareh, halte dich in meinen Haaren fest. Nimm dein Schwert und schneide einen Zweig mit einer Frucht ab. Erst die Zitrone, und achte nicht auf ihr Klagen, schneide!« Osman tat, wie ihm geheißen ward, und wußte es nicht, daß er wiederum ein Stück an Größe zunahm, so viel, als er



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bedurfte, um den Zweig mit der Zitrone zu erreichen. Er schnitt ihn, der sich bog und wehrte, mit sicherer Hand ab und fühlte die Tränen der Zitrone seine Hände feuchten. Unmittelbar daneben hing voll und rötlichgeib die Granate in ihrem Zweig, und Osman schnitt auch sie; ein helles Lachen erklang, und fast hätte er vor Schreck den Zweig fallen lassen. Aber er glitt schnell und gewandt auf den Rücken Tasehs hinunter und saß dort, selbst vor Freude glühend. Da sah er, wie Fareh vor ihm zurückwich, so, als fürchte sie sich, hörte, wie sie rief: »Noch rühre mich nicht an, noch nicht mit den Zweigen! Halte sie hoch in die Luft, berühre auch Taseh noch nicht, ich weiß es jetzt alles, alles! Und du, Taseh, lasse uns herabsinken, so schnell du es vermagst, denn ist der Mond erst aufgegangen, so können wir nicht mehr hinab, und dort ist schon sein Glanz in den Wolken zu sehen. Schnell, schnell!«

Osman verbarg das Gesicht in den frischen Zweigen, klammerte die Knie fest um Taseh und fühlte sich sinken, sinken, als werde er einem Steine gleich aus gewaltiger Höhe herabgeschleudert. Als es ihm gar nicht mehr gelang, auch nur ein weniges zu atmen, da spürte er einen Stoß und wußte, sie hatten den Boden der Erde wieder erreicht. Er öffnete die Augen. Wo waren sie? Nacht war es hier unten, aber dennoch erkannte Osman den Eingang zum Marstall von seines Vaters Serail. »Hier sind wir? «fragte er erstaunt und suchte nach Fareh, rief sie, glaubte erschreckt, sie verloren zu haben. »Höre auf Taseh«, sagte ihre feine Stimme, aber er sah sie nicht. »Steige ab, halte die Zweige hoch, Osman«, klang Tasehs gedämpfte Stimme, »komme her, nahe vor mich. Stehe dort und schlage nun mit aller Kraft, die dir gegeben ist, mit den Zweigen gegen meine Augen, schlage, schlage, ich beschwöre dich!« Osman stand zögernd, sagte scheu:



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»Deine Augen, Taseh? Es wird schmerzen, ich wage es nicht!« Taseh trat näher zu Osman, streckte den Kopf vor, sagte kaum hörbar: »Wenn du mich liebst, wenn du Fareh liebst - in deine Hand ist Erlösung gegeben, nur in deine -, so schlage, schlage!«

Osman schloß selber die Augen und schlug mit aller Kraft zu, einmal, zweimal. Da spürte er keinen Widerstand mehr, riß die Augen auf, sah sich um, verwirrt, geängstigt, rief: »Taseh! Wo bist du, Taseh?« Aus der Dunkelheit löste sich die Gestalt eines Mannes in dunkler Gewandung, der an der Hand ein zartes Wesen führte, das ganz von lichten Schleiern umhüllt war. »Ich bin hier«, sagte der Mann, und es war die dunkle Stimme des schwarzen Pferdes Taseh, die sprach, »und neben mir ist Fareh. Siehst du uns nun in unserer wahren Gestalt, o du Jüngling von der weinenden Zitrone und der lachenden Granate, du, dessen Liebe zu seiner Mutter unsere Befreiung wurde? Wir fehlten, und wir wurden gestraft. Du weißt die Worte des Urteils noch, Fareh, meine Geliebte?«

Da hörte Osman noch einmal die feine, die liebliche Stimme, die ihn so viele Male leitete, wenn auch gar so leise nicht mehr. Fareh sagte feierlich: »Dieses waren die Worte: Aus der Lüge soll Wahrheit erstehen; aus ihr Liebe, die euch geleitet zum geheimen Garten über den Wolken. Seine Zweige schlagen euch zu neuem Leben, und der euch schlug, schaffe sich zum Heil den verborgenen Garten seines Lebens. El hamd üllülah.« Die helle Stimme der kleinen Fareh verstummte. Osman sah immer noch ratlos von einem zum anderen, fand seine Freunde nicht mehr und fühlte sich in einer fremden Welt.

Der verwandelte Taseh sah ihn freundlich an, kam nahe, legte ihm die Hand auf die Schulter. »Osman, mein Freund, blicke nicht so traurig, denn du hast deiner Mutter



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Freude gewonnen, deinem Lande Größe, uns aber Glück und Freiheit. Es ist nicht wenig, will mir scheinen. Und wenn du nun zu ihr zurückkehrst, wisse dieses, sie hat in einem Traum gelegen, seit du sie verließest, und hat alle deine Taten so erschaut. Doch ist in diesem kleinen Bezirk der Menschen mehr Zeit vergangen als bei uns. Wo wir Tage und Stunden sahen, waren es Jahre für jene, und so wird man nur deiner Rückkunft zujubeln, nicht aber verwundert sein, daß du in zwei Nächten und Tagen zu einem Jüngling heranwuchsest. Verstehst du mich? Und eines noch, die Zweige, die du in Händen hältst, sie mußt du noch in dieser Nacht geheim einpflanzen. Ich denke wohl, daß sich Werkzeug dort im Stall befindet, an der Stelle, wo dein Freund Taseh so lange stand, Osman. Pflanze die Zweige an geheimer Stelle ein und verrate keinem etwas von ihnen, auch deiner Mutter nicht. Hörst du mich?«

Verwirrt sagte Osman leise: »Ich höre dich, den ich nicht nennen kann, doch bitte ich dich, mir zu sagen, was mir diese Zweige sollen? Einen Garten, einen geheimen, wofür? Haben wir nicht Gärten genug im Umkreis des Serails?« Der befreite Ifrit lächelte, wie man es zu den Worten eines Kindes tut, und sagte geduldig: »Verstehe doch, Osman, daß diese Zweige nicht sind wie andere. Weißt du jetzt nicht, daß sie zu weinen und zu lachen vermögen?« Bedrückt von so viel Unbegreiflichem, stimmte Osman zu.

»Nun also«, sagte der Ifrit, »so mußt du auch erkennen können, daß ihre Bestimmung nicht nur ist, zu blühen, zu grünen, Frucht zu tragen -konnten sie doch auch uns durch ihre Schläge befreien. Dir aber sollen sie ansagen, wie es in deinem Lande steht, ob Freude und Freiheit lebt, wie es das Lachen der Granate anzeigt, ob Bedrückung und Kummer herrscht, wie es die weinende Zitrone



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verrät. Verstehst du jetzt, Osman Scheichzadeh, warum du den Garten geheimhalten mußt? Es werden viele, viele der Bäume werden, so viele, wie du Jahre zu leben hast, und wenn du dieses Leben verläßt, werden auch sie mit dir zugleich in den anderen geheimen Garten zurückkehren. Begreife und verstehe, o Scheichzadeh, daß sich dir hier Wahrheit erschließen wird, dir, der du aus einer Lüge kamst und in die Wahrheit gingst. Und so denn, lebewohl.

Der Taseh gewesen war, wandte sich ab, und die zarte Fareh tat einen Schritt auf ihn zu, aber Osman sprang ihnen nach, rief aus tiefster Verlassenheit: »Bleibt, oh, bleibt! Wie soll ich ohne euch weiterleben, ihr einzigen Freunde?« Fareh war es, die ihm ihr helles Antlitz zuwandte und mit dem wohlbekannten zwitschernden Lachen sagte: »Wessen Gefährten Lachen und Weinen aus dem Garten jenseits der Wolken sind, der bedarf keiner Freunde, o Scheichzadeh. Und du hast mehr, du hast eine Mutter, Osman! Sie sei bedankt und du zugleich, denn uns trug deine Liebe zu ihr in die Freiheit. Sie hat starke Schwingen, die Liebe, vergiß es nicht! Leb wohl, du Herr des verborgenen Gartens.«

Kaum hatte Fareh die Worte gesprochen, als sich das dunkle Gewand des Ifrit, der Taseh gewesen war, um sie legte und wie Wolkenschatten sie verbarg. Es war Osman, als sehe er eine Wolke schweben, die dunkler war als die Nacht, aber dann sahen seine suchenden Blicke nur noch Sterne, daran hie und da ein Schatten vorbeiglitt. Tränen? Aber nein! Ein Mann weint nicht, sagte sich Osman, wandte sich ab und ging zum ehemaligen Stand des schönen schwarzen, des edlen Pferdes, das sein Freund gewesen war. Wirklich, wie Taseh gesagt hatte, fand er dort im Winkel Gartengeräte, wenn er auch durchaus nicht begriff, wie sich solche in den Marstall verirrt haben sollten.



Alt-Tuerkische Maerchen-328 Flip arpa

Die Zweige in der einen Hand, das Gerät in der anderen, schlich Osman dahin, sich einen Platz für jenen geheimen Garten zu suchen. Doch schien das wunderbare Geschehen noch weiter zu walten, denn vor sich sah Osman eine Seitenpforte, an deren Vorhandensein er sich nicht erinnern konnte, und als er sie durchschritt, befand er sich in einem freien Raum, der von hohen Bäumen umgeben war und ihn ganz unbekannt dünkte. War dies die Stelle? Als er unsicher stand, fühlte er den Spaten seiner Hand entgleiten und sich in den Boden bohren. Da mußte er lachen, legte die Zweige nieder und begann zu graben. Doch ging das so schnell vonstatten, daß, kaum begonnen, die Arbeit schon fertig war und die Zweige sich wie von selbst in den Boden fügten. Da standen sie, kleine Bäume voll Kraft und Schöne, und die Hand des Jünglings strich sanft über ihre Früchte. Leise, ganz leise erklang das Lachen der Granate. Osman zog die Hand zurück, ehe er die Zitrone berührte - keine Tränen jetzt mehr, und zu ihr, die schon zuviel geweint hatte!

Er wandte sich um und sah hinter sich eine hell erleuchtete Fenstertür, sah eine geliebte Gestalt auf sich zukommen, stürzte vorwärts, ward von Armen umschlossen und blickte auf in die verjüngten Züge einer lachenden, glückseligen Mutter, wie er sie solcherart niemals gekannt hatte. Und jetzt erst, in diesem wunderbaren Augenblick, begriff er ganz, was Fareh gemeint hatte mit ihren letzten Worten. »Mutter«, sagte der Scheichzadeh, »wie schön und jung bist du!« Die Hand der Mutter strich über sein Gesicht, mit zarten Fingerspitzen alle Züge abtastend. »Mein Sohn«, sagte sie mit Jubel in der Stimme, »wie bist du groß und schön, und was hast du um meinetwillen alles getan! Und jetzt kommst du heim, geliebter Sohn, und trittst zu mir aus meinem geheimen Garten -oh, welch glückhaftes Zeichen ist es mir!«



Alt-Tuerkische Maerchen-329 Flip arpa

Der Scheichzadeh schwieg, denn diese Worte klangen tief in seinem Herzen. Geheimer Garten der Mutter, geheimer Garten des Sohnes, Weinen und Lachen darin in leuchtenden Früchten: war es dieses, kleine Fareh, was du mir sagen wolltest?

Nahe war er, dieser Jüngling, der die Zeit und die Nichtzeit kennengelernt hatte, die Gärten in den Wolken und die auf der Erde, dem großen Flusse der Geheimnisse, dem dunklen, dem unermeßlichen, dessen Beginn und dessen Ende kein Sterblicher kennt. Und war voller Sehnsucht. Denn wenn er die weiten Zweige der Zitrone und die dichten der Granate sah, dann fühlte er doch immer das Wehen jener anderen Zweige im verborgenen Garten jenseits der Wolken, und die Sehnsucht nach ihnen verließ ihn niemals, wie auch nicht die nach Fareh und Taseh.

Als er, nun selbst ein Herrscher geworden, weise durch Lachen und Weinen, in früher Mannesblüte starb, erschlagen von Verrat, da suchten die, die ihn geliebt hatten, seinen toten Körper vergebens, denn die Zweige aus dem Garten der Wolken hatten sich erhoben wie vom Sturm zerrissen und trugen ihn fort in die Heimat, aus der sie stammten und wo Freunde seiner harrten. Dort auch kam ihm die Mutter entgegen, jung und schön und lachend, und sagte: »Jetzt kommst du heim, geliebter Sohn, zu mir in unseren geheimen Garten. El harnd üllülah. . .


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