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Hauffs Werke

Sechster Teil Phantasien und Skizzen Aus dem Nachlasse

Herausgegeben von

Max Drescher


Acht bis neun Uhr.

Das Auge der schönen Dame glänzt wieder; aber der Wind mag ihr noch zu heftig sein, sie hat die Kapuze noch immer nicht zurückgeschoben. Der dicke Mann sucht ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen; aber sie antwortet einsilbig, und diese Zurückhaltung freut mich; denn ich kann den feisten Holländer. seit er Spanisch sprach, noch weniger leiden als zuvor. Er fährt übrigens mit großer Ruhe fort, ihr den Namen jedes Dorfes zu nennen, das man an der Landstraße sieht, und weiß einige Anekdoten von dem Maire von Fouligny, welches eben hinter uns liegt, zu erzählen. Dabei lacht er aber immer zuerst, legt, wenn die Schneide der Anekdote kommt, seine Hand zutraulich auf den Arm der jungen Dame, um sie gleichsam einzuladen, sich ebenfalls mit ihm und den Böhmen halb tot zu lachen, und hält es für keine Beleidigung, wenn sie (offenbar mit einem Seitenblick auf mich) unwillig ihren Arm zurückzieht.

Der dicke Mann befand sich gerade mitten in einer Geschichte, die zu meiner großen Besorgnis für das zarte Ohr der jungen Dame etwas obszön zu werden drohte, als man hinter dem Wagen einige Male heftig: " Santa, postillon! halte " rufen hörte; zugleich jagte ein Reiter vorüber, der einen großen Brief emporhielt. Der Wagen hielt, Kondukteur und Postillion fluchten; der erstere schwang sich nach einigem Wortwechsel von seiner Imperiale herab und trat dann mit dem großen Brief an unseren Schlag herauf, musterte die Gesellschaft aufmerksam, zog seine Mütze und bot den Brief herein. Ich saß zunächst, nahm ihm den Brief aus der Hand und las die Überschrift: A Monsieur Monsieur 1o Comte Blankkenspeer, à Saarbruck, poss restante, citissimo Da stieg der schlafende Schneider auf einmal bei mir im Breis; denn niemand anders konnte der Graf sein; des Kondukteurs: Allons, Monsieur ! und ein Stoß, den ich ihm in die Seite gab, weckten ihn; ich überreichte ihm den Brief, er starrte ihn gedankenlos an und gab ihn dann kopfschüttelnd und murrend zurück. Der Kondukteur wurde ungeduldig über die Zögerung: "Allez, messieurs," rief er, , .gui est Sone Monsieur la Comte de Blanquenspeer?"

"Ist der Brief an mich?" fragte der Holländer verwundert. riß ihn mir aus der Hand, las flüchtig die Adresse — und erbrach das Siegel. Schnell zog er darauf die Börse, befriedigte den Kurier,



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den man ihm nachgeschickt hatte, und der Wagen fuhr weiter. Aber ich sah mich zum zweitenmal getäuscht, und um so bitterer, als der Herr Graf zwar nach wie vor die Miene eines holländischen Käsekrämers behielt, aber das Mädchen mit den schwarzen Augen es jetzt gar nicht mehr bemerken zu wollen schien, daß seine Hand schwer auf ihrem runden Arme ruhe; ja, zu meinem Ärger lachte sie sogar einige Male mit heller Stimme auf, als der Herr Graf die Gnade hatte, einige Schnurren aus seinem Leben zu erzählen.


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