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Hauffs Werke

Sechster Teil Phantasien und Skizzen Aus dem Nachlasse

Herausgegeben von

Max Drescher


Sechs bis sieben Uhr.

Die Pferde werden gewechselt; die Schlafenden erwachen und starren mit glanzlosen, schläfrigen Augen auf einige zerlumpte Weiber und Kinder, die mit ihrem kreischenden Patois und ihren Holzschuhen einen unangenehmen Lärm machen. Der Oberst zieht an einem alten, ledernen Riemchen eine silberne Uhr aus der Tasche, und ich denke, er müsse seit der Restauration sehr zurückgekommen sein. Der dicke Mann bat ein unerträglich dummes Gesicht, und wenn ich ihn nicht für einen Viehhändler halte, so ist nur seine reinliche Kleidung schuld; ich mache ihn zu einem holländischen Krämer. — Man fuhr weiter, und aufs neue zogen mich die melancholischen Züge des Obersten an. Er sang ganz leise vor sich hin ein Liedchen, das er mit den Silben "Leon" und einem tiefen Seufzer endete; ach! es war Napoleon, sein Held, sein Kaiser, von welchem er sang! Jetzt zog er eine Schreibtafel heraus, die, ich muß es gestehen, ein wenig schmutzig und verbraucht war; aber nur um so interessanter schien sie mir; denn sie war wohl ein Andenken an einen gefallenen Kameraden; er hatte, stellte ich mir vor, als er einst nachts beim Mondlicht über das Schlachtfeld ritt, die bleichen Züge seines Freundes erkannt, er schwang sich vom Pferde, kniete nieder zu ihm, rief mit schmerzlichen Tönen seinen Namen, aber jener hörte nicht mehr, die bleichen Lippen, die er küßte, sie konnten seinen Abschiedsgruss nicht erwidern. Da nahm er mit einer männlichen Träne jenes Andenken, und es hat ihn in Glück und Unglück begleitet. Ich sah wieder nach ihm hin; er warf bald nachdenkliche Blicke über das Land hin, bald zeichnete er mit fester Hand seine Gedanken auf, und nichts schien mir gewisser, als dah dieser alte Offizier (ich ließ ihn jetzt zum General avancieren) das Land durch fliege, um seine militärischen Erinnerungen aufzufrischen und — seine Memoiren über die Feldzüge der Franzosen zu ergänzen.


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