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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM LÜSTLING UND DEM DREIJÄHRIGEN KNABEN

Es war einmal ein liederlicher Kerl, der immer den Frauen nachlief; der hörte einst von einer schönen und anmutigen Frau. die in einer anderen Stadt wohnte. Und alsbald reiste er mit einem Geschenke zu der Stadt, darinnen sie lebte, und schrieb ihr einen Brief, in dem er schilderte, wie die heftigste Sehnsucht und Leidenschaft ihn quäle und wie die Liebe zu ihr ihn getrieben habe, seine Heimat zu verlassen, nur um zu ihr zu gelangen. Da gestattete sie ihm, zu ihr zu kommen. Und als er ihr Haus erreicht hatte und dort eintrat, erhob sie sich, empfing ihn mit allen Ehren, küßte ihm die Hände und bewirtete ihn aufs allerreichlichste mit Speise und Trank. Nun hatte sie einen kleinen Sohn, der erst drei Jahre alt war; den ließ sie dort, während sie damit beschäftigt war, die Speisen zu bereiten. Als darauf der Mann zu ihr sprach: ,Wohlan, jetzt wollen wir ruhen', sagte sie: ,Dort sitzt mein Sohn und sieht uns zu!' Der Mann entgegnete ihr: ,Das ist doch ein kleines Kind, das nichts versteht und nicht einmal reden kann.' ,Wenn du seine Klugheit kenntest, würdest du nicht so sprechen', sagte die Frau darauf. Wie nun der Knabe bemerkte, daß der Reis gar war, begann er bitterlich zu weinen. Seine Mutter fragte ihn: ,Warum weinst du, mein Kind?' Der Knabe antwortete ihr: ,Schöpfe mir etwas von dem Reis ab und tu zerlassene Butter daran!' Nachdem die Mutter ihm etwas abgeschöpft und auch die Butter darangetan hatte, aß der Knabe; dann weinte er von neuem. ,Warum weinst du jetzt, mein Kinde' fragte die Mutter; und er rief: ,Ach, Mütterchen, tu mir auch Zucker darauf!' Nun rief der Mann, der sich darüber ärgerte: ,Du bist doch ein ganz unseliges Kind!' Aber der Knabe erwiderte ihm:



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,Bei Allah, unselig bist allein du, der du dich abmühst und von Stadt zu Stadt reisest auf der Suche nach Ehebruch! Ich weinte nur, weil mir etwas ins Auge gefallen war; das habe ich durch die Tränen wieder herausgebracht. Danach habe ich Reis mit zerlassener Butter und Zucker gegessen; und nun bin ich zufrieden. Wer ist also der Unselige von uns beiden?' Wie der Mann das hörte, schämte er sich wegen der Worte jenes kleinen Knaben; er ließ sie sich zur Mahnung dienen und ward von Stund an ein besserer Mensch. Ohne der Frau etwas zuleide zu tun, kehrte er in seine Heimat zurück und lebte dort reumütig, bis er starb.

Und was nun -fuhr der Prinz wiederum fort -den fünfjährigen Knaben betrifft, so ist mir berichtet worden, o König,


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