Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Hauffs Werke

Fünfter Teil Novellen

Herausgegeben von

Max Drescher

Berlin Leipzig — Wien — Stuttgart

Deutsches Verlagshaus Sang & Co.



Hauff_Vol_5-005 Flip arpa

Seite

Einleitung des Herausgebers . . . . . . . . , , , , , , {7}

Novellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . {21}

Vertrauliches Schreiben an Herrn W. A. Spöttlich . . {23}

Die Bettlerin vom Pont des Arts. . . . . . . . . . {28}

Othello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . {116}

Jud Süß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . {154}

Die Sängerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . {213}

Die letzten Ritter hon Marienburg . . . . . . . . . {254}

Das Bild des Kaisers . , , . . . . . . . . . . . {306}

19.

Der glückliche Fortgang des Maschinenbaues, vielleicht auch die schimmernde Aussicht auf Don Pedros spanische Quadrupel hatten den Baron in den nächsten Tagen fröhlicher gestimmt. Froben hatte an den Spanier nach W. geschrieben, und sein Gastfreund nahm ihm das Versprechen ab, so lange bei ihm zu verweilen, bis aus W. eine Antwort angelangt sei. Auch gegen Josephe betrug er sich etwas menschlicher, und er hatte ihr, wahrscheinlich mehr aus Rücksicht auf den Freund als auf sie, sogar erlaubt, daß sie ihre Haushaltungsgeschäfte abkürzen und vormittags oder abends, wenn ihn selbst Geschäfte abhielten, sich von Fröben vorlesen lassen oder Spaziergänge mit ihm machen dürfe. Und sie lebte in diesen wenigen Tagen zusehends auf. Ihre Haltung wurde kräftiger, ihre Wangen rötete ein Schimmer von stillem Vergnügen, und in manchen Augenblicken, wenn ein holdes Lächeln um ihre Lippen zog, wenn jene feinen Grübchen in den Wangen erschienen, gestand sich Fröben, daß er selten eine schönere Frau gesehen habe; ja, ihr Anblick verwirrte ihn oft so ganz, daß er ein geliebtes Bild seiner Träume verwirklicht glaubte, daß halbversunkene Erinnerungen wieder in ihm auftauchten, daß ihm sogar ihre Stimme, wenn sie bewegt, gerührt war, so bekannt deuchte, als hätte er sie nicht hier zum erstenmal gehört. Seltener zog er in jenen Tagen das Bild hervor, das er sonst stundenlang betrachtet hatte, und wenn es ihm zufällig in die Hände fiel, wenn er es aufrollte, wenn er in das Auge der unbekannten Geliebten sah, so fühlte er sich beschämt; er glaubte ihrem leblosen Gemälde diese Vernachlässigung abbitten zu müssen. "Doch," sprach er dann zu sich, als müßte er sich entschuldigen, "ist es denn unrecht, der armen Freundin einige Tage ihres freudelosen Lebens angenehmer zu machen? Und wie wenig gehört dazu, dieses holde Wesen zu erfreuen, sie glücklicher zu stimmen! schönes Buch mit ihr zu lesen, mit ihr zu sprechen, sie auf einem Spaziergang an ihre Lieblingsplätzchen zu begleiten — dies ist ja alles, was sie braucht, um heiter und froh zu sein. Welchen Himmel könnte Faldner in seinem Hause haben, wenn er nur zuweilen die eine oder andere dieser kleinen Freuden mit ihr teilte!"

Der junge Mann fühlte sich übrigens, ohne daß er es sich selbst recht gestand, angenehm berührt, geschmeichelt von Josephens



Hauff_Vol_5-071 Flip arpa

Anhänglichkeit an ihn. Schien ihr nicht jeder Morgen, jeder Abend ein neues Fest zu sein? Wenn er herabkam zum Frühstück, hatte sie schon alles zierlich und nett bereitet; bald wählte sie den Saal, der eine herrliche Aussicht auf den fernen Rhein öffnete, bald die Terrasse, von wo sie das ländliche Gemälde der Arbeiter in den Feldern und an den Weinbergen vor sich hatten, so nah, um alles wie ein treues Tableau zu betrachten, und doch ferne genug, um im stillen Genuß des Morgens nicht gestört zu sein; bald hatte sie eine Laube im Garten ausgesucht, wo die Welt ringsum von dichten Platanen abgeschlossen und nur der frischen Morgenluft oder dem Frührot der Zutritt gestattet war. So erschien sie immer neu und überraschend; und wenn der Freund herzutrat, wie freudig stand sie auf, wie hold bot sie ihm die Hand zum Gruß, wie lebhaft wußte sie, wenn er, noch ganz in ihren Anblick versunken, ohne Worte war, das Gespräch anzuknüpfen, dies und jenes zu erzählen, durch Laune und feine Beobachtung allem, was sie sagte, ein eigenes Gewand, einen eigentümlichen Reiz zu geben! Und wenn sie dann nachher schnell und emsig das Geräte des Frühstücks auf die Seite räumte, wenn er sein Buch hervorzog, wenn sie mit der Arbeit, die sie selten beiseite legte, ihm sich gegenübersetzte und erwartungsvoll an seinen Lippen hing, da war es ihm oft, als müsse er alles, die ganze Welt vergessen, und einen kleinen, kurzen, seligen Augenblick träumte er, er sei ein glücklicher Gatte und sitze hier an der Seite eines geliebten Weibes.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt