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Hauffs Werke

Dritter Teil

Der Mann im Mond

Herausgegeben von

Max Drescher

Berlin Leipzig — Wien — Stuttgart

Deutsches Verlagshaus Bong & Co.



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Spamersche Buchdrukerei in Leipzig


Einleitung des Herausgebers.

über kein Werk Hauffs bestehen bezüglich der Tendenz und Entstehungsweise so große Meinungsverschiedenheiten als über den "Mann im Mond" , der fast gleichzeitig mit dem I. Teile der "Mitteilungen aus den Memoiren des Satan" im August des Jahres 1825 als herausgegeben von H. Clauren bei Franckh in Stuttgart erschien. H. Clauren ist der Schriftstellername für Carl Heun. Dessen Erzählungen Novellen 2463 1758 gehörten in jener Zeit zu den am meisten gelesenen, obwohl sie äußerst flüchtig stilisiert, platt und geistlos in der Kombination , meist schlüpfrig lüsternen Inhalts und schablonenmäßig darauf berechnet waren, auf eine weniger pikante als plump anzügliche Art zu reizen und zu spannen. Über ganz Deutschland hatte sich infolge seiner übergroßen Produktivität und der Konzessionen, die er dem Geschmacke des Publikums machte, Claurens Popularität verbreitet, und als Hauff im Frühlinge 1825 dem Buchhändler Franckh seine "Memoiren" anbot, wurde ihm die Antwort, man sei nicht abgeneigt, "ein Werk wie das bezeichnete anzunehmen, aber ein eigentlicher Roman von der Art jener, die zurzeit ,so flott gehen', wäre ihm lieber gewesen." "Vielleicht," fährt Klaiber fort, dem ich diese Notiz verdanke, (Nord u. Süd V. 226) "daß er geradezu Clauren dabei nannte. Denn Clauren war das Ideal der Verleger von diesem Schlag. War er doch der Abgott der großen Leserwelt, und sein ,Vergißmeinnicht' (vgl. Anmerkung zu S. 219. 10) lag selbst in gebildeten Familien alljährlich auf dem Weihnachtstisch." Darin ist nach Klaibers Meinung der erste Anlaß zur Abfassung des "Mannes im Mond" zu sehen. Eine andre Ansicht vertritt Häring (Wilibald Alexis), mit dem Hauff in Briefwechsel stand und dem er jedenfalls Mitteilung darüber gemacht hat. Er erklärt in seinem Nachrufe auf unseren Dichter, daß dieser durch den Walladmor, worin Häring eine wirkliche Mystifikation Walter Scotts gelungen war, auf den Gedanken gebracht worden sei, Clauren zu persiflieren. Auch



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im "Mann im Mond" sahen die ersten Ankündigungen und Kritiken ohne jedes Bedenken eine Arbeit, ja das vollendetste Werk Claurens. So heißt es im Wegweiser Nr. 83 zur Abendzeitung vom 15. Oktober 1825: ".Die unnachahmliche Manier des Verfassers ist zu bekannt, zu beliebt, als daß sie noch irgendeiner Empfehlung bedürfte. Seine reizenden, überraschenden Situationen, seine wahre Charakterzeichnung, seine lebendige Sprache, die Herz, Gemüt und alle Sinne bezaubert [Es ist wirklich staunenswert, wie hoch man Clauren einschätzte und wie gering die Anforderungen waren, die damals seitens der Rezensenten an Werke der Unterhaltungsliteratur gestellt wurden. Anmerkung des Herausgebers. 1 — wer sollte sie nicht kennen? Wir finden ihn ganz auch in diesem Buche wieder, ja wir möchten, wenn es möglich wäre, behaupten, er habe hier sich selbst übertroffen." Selbstredend fand ein derartig empfohlenes Werk des beliebten Modeschriftstellers trotz des verhältnismäßig hohen Preises — "Z Thaler sächsisch" — sehr bald guten Absatz, und der Ärger des vermeintlichen Verfassers wurde dadurch natürlich nur noch gesteigert; kein Wunder also, daß Carl Heun sich veranlaßt fühlte, schon am 28. Oktober in dem ebenerwähnten "Wegweiser" zur Wahrung seiner Interessen eine "Warnung vor Betrug" zu veröffentlichen, die folgenden Wortlaut hatte:

"Das bei Fr. Franckh in Stuttgart unter dem Titel ,Der Mann im Mond zc.' in zwei Teilen soeben erschienene Werk ist von dem durch sein Taschenbuch ,Vergißmeinnicht' und andere schöngeistige Schriften unter dem Anagramm seines Namens bekannten Geh. Hofräte Carl Heun nicht verfaßt. Dies für Buchhandlungen , Leihbibliotheken und Kauflustige zur Nachricht und Warnung."

Durch diese Verwahrung wurde man jedoch erst recht auf den "Mann im Mond" aufmerksam, und das Gegenteil der offenbar beabsichtigten Wirkung trat ein: die Zahl der Käufer und Leser wuchs immer mehr; Heun hatte also geradezu Reklame für Hauffs Roman gemacht. Da wußte der Geh. Hofrat keinen anderen Ausweg, als den Verleger des ihm so ärgerlichen Buches vor Gericht zu fordern und ihn der Namensfälschung und des literarischen Diebstahls anzuklagen. "Er behauptete nämlich" , schreibt Hauff im Vorspiel zum il. Teile der ,Memoiren', "ich habe seinen Namen (Satan) mißbraucht, um ihm eine miserable Scharteke, die er nie geschrieben, unterzuschieben; ich habe seinen literarischen Ruhm benützt, um diesem schlechten Büchlein einen schnellen und einträglichen Abgang zu verschaffen; kurz, er verlange nicht nur, daß ich zur Strafe gezogen,



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sondern auch, daß ich angehalten werde, ihm Schadenersatz zu geben, dieweil ihm ein Vorteil durch diesen Kniff entzogen worden." Ebenso finden wir den Gang des Prozesses in möglichst schwülstigem Juristendeutsch innerhalb jenes "Vorspieles" satirisch dargestellt. Endete der Streit auch mit einer Verurteilung Franckh's durch den Eßlinger Gerichtshof, so war doch die gesamte literarische Welt jener Zeit darin einig, daß Claurens Sieg ein Pyrrhussieg gewesen sei. Im Anschlusse an das richterliche Erkenntnis brachte die Abendzeitung Nr. 99 von Mittwoch, d. 26. April 1826, folgende Mitteilung:

"Literatur-Justiz" (vgl. H. Hofmann. S. 89.)

"Bekanntlich gab der Buchhändler Franckh in Stuttgart im vorigen Jahre ein Werk heraus, dem er den Namen H. Clauren vorsetzte, um das Publikum glauben zu machen, daß das Buch von dem unter diesem Anagramm in die literarische Welt eingeführten Geh. Hofräte Heun zu Berlin verfaßt sei. Letzterer kam jedoch dagegen beim Kriminal-Amte zu Stuttgart ein, und nach jetzt beendigter Untersuchung ist vom königlich württembergischen Gerichtshofe für den Neckarkreis das Erkenntnis gegen Franckh gefällt worden. Hoffentlich wird sich der Franckh nun ähnlicher Spekulationen künftig enthalten. . . . . ."

In Nr. 119 derselben Zeitschrift vom 19. Mai 1826 heißt es dann weiter:

"Der Buchhändler Herr Franckh zu Stuttgart scheint sein dem Publikum gegebenes Versprechen, das in der von H. Clauren wider ihn anhängig gemachten Untersuchungs-Sache erfolgte Erkenntnis öffentlich mitteilen zu wollen, gänzlich vergessen zu haben. Er hatte gegen dieses, in Nr. 99 der diesjährigen Abendzeitung bereits erwähnte Erkenntnis den Rekurs eingelegt, und darauf ist Nachstehendes in der zweiten und letzten Instanz erfolgt:

Im Namen des Königs!

In der Untersuchungs-Sache gegen den Buchhändler Friedrich Franckh zu Stuttgart, erkannte auf den, von dem Angeschuldigten gegen das Erkenntnis des Kriminal-Senats der Gerichtshof für den Neckarkreis, vom 3. Dezember 1825, eingelegten Rekurs, der Kriminal-Senat des Ober-Tribunals: Daß dieser Rekurs gegen das Erkenntnis erster Instanz, durch welches der Angeschuldigte, wegen rechtswidriger Täuschung des Publikums durch Angabe eines falschen Verfassers bei Herausgabe eines Verlags-Artikels, neben dem Ersatze des Schadens, durch Zurücknahme derjenigen Exemplare, welche



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die getäuschten Käufer nicht behalten wollen, und Bezahlung sämtlicher Untersuchungskosten, zu einer Strafe von

Fünfzig Reichstalern

verurteilt, auch verfügt worden ist, daß dieses Erkenntnis durch den Druck öffentlich bekannt gemacht werden soll, — wegen Mangels an einer gegründeten Beschwerde abzuweisen, auch Rekurrent zum Ersatze der Kosten zweiter Instanz anzuhalten sei.

So beschlossen im Kriminal-Senat des K. Ober-Tribunals Stuttgart, d. 8. April 1826.

Nach diesem, für die Lese- und Juristenwelt sehr merkwürdigen und den wohlbegründeten Ruf der Königlich-Württembergischen Gerichtshöfe von neuem bewahrenden Urteilsspruche können also alle die, welche das fragliche Werk "Der Mann im Monde" in der ihnen durch die rechtswidrige Vorspiegelung der Verlagshandlung aufgedrungenen Meinung, als sei H. Clauren (der Geh. Hofrat Karl Heun) dessen Verfasser , käuflich an sich gebracht haben, das Buch an Herrn Franckh wieder zurückschicken und die Wiedererstattung ihrer dafür gezahlten drei Taler von demselben gewärtigen."

Somit kann der äußere Verlauf der Ereignisse, die sich an die Herausgabe des "Mannes im Mond" anschlossen, als völlig geklärt betrachtet werden. Unentschieden aber und vielumstritten ist noch immer die Frage, welchen Zweck hat Hauff mit der Abfassung dieses Werkes verfolgt? Darüber sind bisher die verschiedensten Meinungen laut gew orden, und es erscheint daher eine zusammenfassende Darlegung derselben im Interesse der Angelegenheit wohl angebracht.

Drei Hauptansichten sind es im Grunde genommen, die einander gegenüberstehen. Eigentlich müsste die erste derselben die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben, da sie diejenige des Autors ist, dennoch zählt sie gegenwärtig — Julius Klaiber , ihr Hauptverfechter, ist 1892 gestorben — nur noch wenige namhafte Anhänger. Hauff will nämlich mit seinem Mann im Mond von Anfang an eine Verhöhnung Claurens und des Geschmackes an dessen Werken durch übertreibung der Eigenart desselben geplant haben. Das spricht er in seiner Kontrovers-Predigt deutlich aus. In ihr setzt er in durchaus klarer und eindringlicher Weise, die trotz alledem von Humor und oft beißendem Witze durchtränkt ist, die Gründe auseinander, die ihn zu seinem Vorgehen gegen Clauren veranlaßten, indem er dessen Werke



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analysiert und als Hauptingredienzien derselben einmal die "so angenehme" , "so natürliche" , "so rührende" und "so reizende" Manier zu erzählen, zum andere ;i den Augen- und Gaumenkitzel, der alle Nuancen der Sinnlichkeit und Lüsternheit durchläuft , und endlich als Sauce piquante die mit allerlei Trivialitäten, Zoten, Zötchen, Flimmer, Kopf- und Federschmuck aufgeputzte Sprache bezeichnet. ",Der Ausspruch jenes alten Arztes fiel mir bei ,Gegen Gift hilft nur wieder Gift'." Aus denselben Stoffen," sprach ich zu mir, "mußt du einen Teig kneten, mußt ihn würzen mit derselben Würze, nur reichlicher überall, nur noch pikanter; an diesem Backwerk sollen sie mir kauen, und wenn es ihnen auch dann nicht widersteht, wenn es ihnen auch dann nicht wehe macht, wenn sie an dieser ,Trüffelpastete an diesem ,Austernschmaus' keinen Ekel fassen, so sind sie nicht mehr zu kurieren, oder — es war nichts an ihnen verloren." Das klingt scheinbar völlig überzeugend, und doch gibt gerade das Erscheinen der Kontrovers-Predigt zu einer Zeit, da der Gegner " an seinem eignen Gifte schon im Verscheiden lag" , und der besondere Nachdruck, der damit erzielt werden sollte, Anlaß zu denken und zu Bedenken. Wäre der erste Angriff, den Hauff mit dem " Mann im Mond" — seiner Meinung nach — ausführte, nur halb so deutlich gewesen als der in der Kontrovers-Predigt unternommene, dann hätte er überhaupt nicht nötig gehabt, ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Nun ist aber — das läßt sich nicht leugnen — in einem großen Teile seines Romanes eine Übertreibung der Claurenschen Hilfsmittel gar nicht oder nur schwer zu erkennen, und die Frage scheint deshalb berechtigt: "Warum häufte er die später so klipp und klar von ihm betonten und bespöttelten Claurenschen Symptome innerhalb seines eignen Werkes nicht noch mehr, damit ein Zweifel an seiner Absicht völlig ausgeschlossen blieb?" Erwägungen dieser Art waren es, welche die zweite Ansicht entstehen ließen:

Der " Mann im Mond " ist ursprünglich keine Satire auf Clauren , sondern eine bloße Nachahmung gewesen, und erst nachträglich kam Hauff durch den Gang der Verhältnisse auf den Gedanken. sein Werk als Persiflage gelten zu lassen. Diesen Standpunkt vertritt namentlich Karl Chr. Friedr. Niedmann in einem Aufsatze "H. Clauren und sein Doppelgänger" , den "Bemerker" Nr. 6 des "Gesellschafters" vom 7. März 1827 brachte. Da heißt es: "Der Mann im Mond war — niemand hielt es für mehr — eine Buchhändler-Spekulation. — ,Mit



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nichten! ruft der Kontrovers-Prediger; ,da Worte nicht hälfen, so sollte Clauren mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden, mit einer Parodie seiner Werke — mit Satire.' Ist aber Nachahmung Parodie Ist Nachahmung Satire? — Wo wäre in dem "Mann im Monde" der Charakter der Parodie zu finden ? — wo jene scherzhafte, witzige Anwendung der Claurenschen Ideenkette? — Wo ist jener witzige Spott über Claurens Schwächen und über die tief zum Verderben führende Richtung der Claurenschen Redensarten? Wußte aber der Doppelgänger die Satire nicht tiefer aufzufassen, so konnte sie niemand zum Lächeln bringen; denn wer möchte wohl lachen, wenn einem oft geistreich Stammelnden nachgestammelt wird? — Zum Abschrecken war das allerliebste Mondkälbchen gar nicht geeignet. Es konnte daher auf keine Weise für den Zweck vorgearbeitet haben, welchen der Kontrovers-Prediger post proklamierte. Paßte aber der Vordersatz nicht zu dem Nachsatz, so kann auch wohl nicht auf Glauben angenommen werden, daß der "Mann im Monde" geschrieben sei, um Clauren durch die Gewalt der Satire in seiner Blöße darzustellen." Zweifellos geht Niedmann in diesem Artikel zu radikal vor ; denn so wenig wie wir früher sahen — der " Mann im Mond" in allen seinen Teilen als Satire aufgefaßt zu werden braucht, so wenig läßt sich manchen Partien der ganz offenbar parodistische Charakter absprechen. Es sei dabei zuerst an das "Das Souper" überschriebene Kapitel erinnert. Dessen 4. Abschnitt mit dem Millionenhallo" And "Welthurra" , mit den auffälligen übertreibungen von den "hunderterlei Sorten Geflügel und Braten" , den "schweren Zwölfpfündern der Torten und Kuchen" , dem "kleineren Geschütze der französischen Bonbons und Gelees" , der "prachtvollen Schlachtordnung, vom Glanz der Kristalllüsters bestrahlt, von Guß-, Johannisbeeren-, Punsch-, Rosinentorten , Apfelsinen, Ananas, Pomeranzen, silbernen Platten mit Trauben und Melonen" , mit der dann folgenden Parade der fingierten "Präsidenten, Justizrate, Kollegiendirektoren, Regierungsräte und Assessoren mit Weib und Tochter, Kind und Kegel" — kann ihn wirklich jemand für von Hauff ernst gemeint halten? Muß dieses Stück nicht ebenso wie der nächste Abschnitt mit der Aufzählung "der schweren Sorten, als da sind Laubenheimer, Nierensteiner, Markobrunner, Hochheimer. Volnay , feine Nuits, Chambertin, Bordeaux, Roussillon" , notwendigerweise als Parodie aufgefaßt werden, zumal das folgende Satzmonstrum das Ganze abschließt: "Hatte schon der aromatische Rheinwein die Zungen gelöst und das schwärzliche Rot des



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Burgunders den LII der jungfräulichen Wangen und die Nasen der Herren gerötet, so war es jetzt, als die Pröpfe flogen (ein beliebtes Claurensches Motiv ; man vgl. die Kontrovers-Predigt — Anm. des Herausgebers) und die Damen nicht wußten, wohin sie ihre Köpfe wenden sollten, um den schrecklichen Explosionen zu entgehen, als die Lilienkelche, (wenige Zeilen vorher: "Liliensamt" — Anmerkg . des Herausg.) bis an den Nand mit milchweißem Gischt gefüllt, kredenzt wurden, wie auf einem Basar im asiatischen Rußland, wo alle Nationen untereinander plappern und mauten, gurren und schnurren, zwitschern und näseln, plärren und jodeln , brummen und rasaunen; so schwirrte in betäubendem Gemurmel , Gesurre und Brausen in den höchsten Fisteltönen bis herab zum tiefsten (?) dreimalgestrichenen 0 der menschlichen Brust das Gespräch um die Tafel." Ganz sicher parodistischer Natur ist auch der dem "Tête-à-Tête" entnommene Satz " Es war aber auch unmöglich, bei dem Engelskind die Fassung zu behalten; — erfreute der herrliche Tannenwuchs, das Ungegezwungene , Graziöse der Haltung das Auge, war man beinahe geblendet von dem Lilienschnee der Haut, von der jungfräulichen Pracht des Alabasterbusens , war man entzückt von dem Rosensamt der blühenden Wangen, von den zum Kuß (gleichfalls ein Lieblingsmotiv Claurens — der Herausg.) geöffneten Korallenlippen , war man wunderbar bewegt von dem lieblichen Kontrast, den ihre brand-brand-brand-raben-raben-kohlen-tintenschwarzen Ringellöckchen (Claurens Mimili hat brandschwarze, bandbreite Zöpfe bis in die Kniekehle hinab — der Herausg.) und orientalisch geschweiften Brauen mit den Cyanenaugen machten, war man hingerissen von dem Zauberlächeln, das die Grübchen in den Wangen, die Perlen hinter dem schöngeformten Munde zeigte, hätte man hinfliegen mögen, die zarte Taille mit dem einen Arm zu umfangen, mit dem andern das Amorettenköpfchen recht fest Mund auf Mund zu drücken — oh! so durfte sie ja nur das Auge aufschlagen, durfte nur jenen Blick voll jungfräulicher Hoheit auf den sündigen Menschen und seine Begierden herabblitzen lassen, so schlich man sich duchs und geschmiegt hinter die Grenzbarrieren der Bescheidenheit zurück, als haben einen zehn Paßvisitatoren und zwanzig Gendarmen dahinter zurückgedonnerwettert. — Das ist der Zauber reiner



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Jungfräulichkeit." — Muß da nicht fast jedes Wort —abgesehen von dem bombastisch gekünstelten Aufbau des Ganzen — als eine sprechende Persiflage auf den Mimili-Verfasser gelten? In ähnlicher Weise ließe sich aus anderen Partien des " Mannes im Mond" ein recht stattliches, wenn auch nicht immer gleich drastisches Beweismaterial dafür erbringen, daß man wenigstens von einzelnen Teilen dieses Romans gar wohl als einer Satire auf Clauren reden darf; namentlich die Kapitel "Das Dejeuner" , "Der selige Graf" , "Der lange Tag" , "Der Tee" , "Das Ständchen" , "Entdeckung" , "Trübe Augen" , "Versöhnte Liebe" , "Fortsetzung der Freier" , "Zurüstungen" , "Die Hochzeit" , "Der Schmaus" , "Schluß" , und vor allem die "Nachschrift" mit jener Aufzählung der "holden, sinnigen Doralice, der losen, naiven Bally , der Klementine, der süßen Mimili, der Elsi , des russischen Lisli, der Emeline, Fanny , des Julchen, der Molly, der herzigen Pina, Agnes und Rose, Rosamunde und Klotilde, des lieben Dijon-Röschens" enthalten derartige Stellen. So erweist sich die Niedmannsche Ansicht in der Tat als nicht objektiv genug, und deshalb ist es erklärlich, daß sie schon zur Zeit ihrer Entstehung verhältnismäßig wenig Anklang fand.

Da trat 1836 Wolfgang Menzel in seiner "Deutschen Literatur" (Bd. 4. S. 309) mit der Behauptung hervor: "Hauff begann mit der Nachahmung Claurens, die er auf meinen Rat in eine Persiflage desselben umwandelte und damit großes Glück machte." In demselben Sinne muß er sich schon 1832 Karl Gutzkow gegenüber geäußert haben, der in seinem Buche "Rückblicke auf mein Leben" (Berlin 1875, S. 67) Menzels Mitteilung in folgenden Worten wiedergibt: "Wilhelm Hauff brachte mir eines Tages seinen Mann im Mond. Es war ein Machwerk ganz â la Clauren und zwar im vollen Ernst so gemeint. Schämen Sie sich denn nicht? sagte ich zu ihm. Wollen Sie denn auch dem Berliner Postrat nachahmen? Können Sie denn nicht höher fliegen? Nach einer Weile milderte ich meinen Ton und fuhr fort: Kehren Sie den Spieß um, tragen Sie das Claurensche Kolorit noch stärker auf, lassen Sie dann das Buch unter Claurens Namen erscheinen, und jeder wird sagen: Sie haben eine köstliche Satire auf Clauren geschrieben. Richtig, Hauff befolgte den Rat und begründete seinen Ruf mit dem Mann im Monde." Damit wäre die dritte Ansicht dokumentiert, welche besagt: Hauff hat den "Mann im Mond" erst nachträglich zu einer Persiflage auf Clauren umgeändert.



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Gegen sie hat sich in ganz energischer Weise Julius Klaiber — ein Neffe unseres Dichters — in "Nord und Süd" (5. Band, S. 227ff.) gewandt. Er macht vor allem geltend, auf Grund des Manuskriptes lasse sich mit Bestimmtheit konstatieren, "daß während der Arbeit eine Änderung des Planes nicht eingetreten ist," und weist auch Gustav Schwabs Notiz (vgl. dessen Hauff-Biographie S. 16) "die Ausführung seines Entschlusses erlitt jedoch unter der Arbeit selbst, teils durch das eigne Gefühl des Verfassers, teils durch den Fingerzeig einiger Freunde, eine bedeutende Modifikation, und was vielleicht ursprünglich ein Originalroman hatte werden wollen, wurde eine Karikatur der bekannten Manier von H. Clauren und erschien in dieser Gestalt unter dem Namen ,Der Mann im Monde" als nicht zutreffend zurück. Klaiber führt des weiteren aus, daß das Manuskript "fast ohne Korrekturen, jedenfalls ohne jeden Zusatz von Bedeutung" sei und daß die Claurenschen Ingredienzien, "welche bekanntlich schon auf den ersten Seiten in kräftiger Dosis erscheinen," hier von Anfang an im Texte stehen. Ein zweites Manuskript aber, meint er, könne man der außerordentlich kurzen Zeit wegen — der "Mann im Mond" soll nach Hangs Angabe innerhalb sechs Wochen entstanden sein — nicht annehmen; Hauff habe auch deshalb keine Abschrift des ganzen Werkes zu machen brauchen, weil er alles für den Druck Bestimmte in Folio, halbseitig gebrochen, schrieb und somit hinreichend Raum selbst für größere Änderungen hatte. Nach seinem Dafürhalten beruht Schwabs Äußerung auf einem Mißverständnisse. Klaiber fand nämlich im Nachlasse seines Onkels außer dem eigentlichen Manuskripte ein zweites, das — nur wenige Seiten umfassend — die Novelle des "Mannes im Mond" in Form einer Skizze behandelte: Ein junger Mann, der infolge eines unglücklichen Zweikampses von finsterer Schwermut befallen ist, wird durch die Liebe eines beherzten Mädchens geheilt. Klaiber weist mit Sicherheit nach, Papier, Format, Schrift, gewisse Verzierungen usw. geben ihm genügende Anhaltepunkte, daß dieser Entwurf in die Tübinger Zeit, ins Jahr 1823 zurückdatiert werden muß. Damit deckt sich, was Pfaff, einer der Studienfreunde unseres Dichters, aus jenen Tagen erzählt (H. Hofmann, S. 43): "Ich erinnere mich namentlich eines schönen Abends, wo er uns den Anfang einer Novelle vorlas, der uns mit lebhafter Spannung auf die Fortsetzung erfüllte, welche uns aber nie zuteil werden sollte. Zu meiner großen Überraschung begegnete ich jenem Bruchstück später, als mir Hauff seinen "Mann im Mond" zuschickte, wieder im ersten Teil



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dieses Buchs im Abschnitt: Die Kirche, jetzt verwertet und weiter entwickelt zu Zwecken, die der ursprünglichen Absicht des Dichters gewiß sehr ferne gelegen sind." Jedenfalls ist dieses von Pfaff bestätigte Fragment einer Novelle identisch mit der vorhin erwähnten Skizze. Klaiber nimmt nun an, daß Schwab von dieser Bearbeitung " eine unbestimmte Nachricht erhalten und sie dann unrichtig kombiniert habe." Auch Wolfgang Menzel mag wohl eine dunkle Kunde davon zu Ohren gekommen sein; genau gekannt hat er sie keinesfalls, da sein Urteil " ein Machwerk ganz à la Clauren" mit der völlig harmlosen Darstellung der Skizze — der Artikel "Nord und Süd" bringt die erste Seite als Probe — durchaus nicht übereinstimmen würde. über Menzels Bericht sagt dann Klaiber unter anderem: Die Erzählung ist so durchaus in Menzels Art, daß sie das volle Gepräge der Wahrheit trägt. Aber lieber Himmel! was hat der lebhafte Mann nicht alles sich und seinem Rate zugeschrieben ! Wir in Stuttgart pflegten uns, wenn er an seinem abendlichen Tische derartiges mit dem Brustton der überzeugung preisgab, nur verständnisvoll anzulächeln, und er selbst nahm sich oft nicht einmal die Mühe, sich zu verteidigen, wenn man ihm seine Behauptung einfach verneinte. Wer diese Seite des Mannes noch nicht kannte, hat nun in seinen Denkwürdigkeiten sattsam Gelegenheit, sie zu studieren. Von jener angeblichen Beziehung zu dem Mann im Mond übrigens hat er uns nie erzählt, obgleich ich oft mit ihm über Hauff sprach und er mein besonderes Interesse für diesen wohl kannte. Und auch Hauff erwähnt in seinen Briefen von damals Menzel nie, und die kräftige Satire auf den Allerweltskritiker im zweiten Teil der Satansmemoiren macht es wenig wahrscheinlich, daß er ihn kurz zuvor zu seinem literarischen Beichtvater gemacht haben sollte, während er sonst höchstens seinen Bruder einmal um ein Urteil bittet. Vollends nun aber, daß Hauff " ein Machwerk ganz à 12 Clauren und zwar im vollsten Ernste so gemeint " geschrieben, daß Wilhelm Hauff von Menzel eine Mahnung ,sich zu schämen ,nötig gehabt haben sollte, ich denke, das wird, zumal nach der vorangehenden Darstellung seines inneren Entwicklungsganges, wohl niemand zu glauben geneigt sein." Es ist natürlich unmöglich, hier genau zu entscheiden, auf wessen Seite das volle Recht steht. Sicherlich ist das Bemühen Klaibers, das Andenken seines Oheims " von einem Flecken zu reinigen" , anerkennenswert und begreiflich; auch gilt er noch heute in den Kreisen der Stuttgarter Gelehrtenwelt vielleicht gerade wegen der verhältnismäßig kleinen Zahl seiner Veröffentlichungen



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als völlig glaubhaft und einwandfrei. über Wolfgang Menzel zu urteilen, steht mir nicht zu; es hätte dazu eines eingehenden Studiums seiner außerordentlich zahlreichen Werke sowohl als seines Werdeganges bedurft, das mir in der gebotenen Kürze der Zeit nicht möglich war. Jedenfalls ist er ein wirklich vielseitiger und tätiger Gelehrter gewesen, dem es allerdings an Feinden nie gefehlt hat. Ob er bei der Herausgabe seiner Schriften immer mit der nötigen Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit verfuhr, scheint mir nach einer Rezension seiner "Geschichte der Deutschen" in den "Blättern für literarische Unterhaltung, 1827 No. 114" , die mir zufällig zu Gesicht kam, zum mindesten fraglich. Doch sei dem, wie ihm wolle! Eins nur nimmt mich wunder. Wenn Menzel dem jungen Hauff tatsächlich den Rat gegeben hat, den "Mann im Mond" umzuarbeiten, und er ihm damit, wie er in jenem Berichte Gutzkows durchblicken läßt, die Pforten unsterblichen Ruhmes öffnete, warum hat er dann in seinen "Denkwürdigkeiten" , die doch dem "Verkehr mit Dichtern" einen besonderen. 46 Seiten umfassenden Abschnitt widmen, kein Wort davon erwähnt? Dort schreibt er S. 254 nur: "In nahe Berührung kam ich auch mit dem talentvollen jungen Dichter Wilhelm Hauff, der aber schon 1827 starb. Ich hatte nur eins an ihm zu tadeln, daß er mit seiner angenehmen Schreibart nicht immer eine richtige Auffassung des Gegenstandes verband. In seinem Roman "Lichtenstein " erschien mir der Charakter des Herzog Ulrich durch eine völlig unhistorische Idealisierung verfehlt. Der Roman war in der Manier Walter Scotts geschrieben, die damals Mode wurde. Walter Scott selbst würde aus einer so höchst originellen Figur, wie sie jener Herzog in der Geschichte darbietet, etwas ganz anderes gemacht haben." [Menzel scheint nicht gewußt zu haben, in welch hohem Grade auch Scott die dichterische Freiheit geschichtlichen Ereignissen und Personen gegenüber walten ließ. — Der Herausgeber. 1 Im übrigen entspricht auch die Meinung Menzels, daß der "Mann im Mond" den Ruf seines Verfassers begründet habe, insofern den Tatsachen nicht genau, als es in erster Linie die "Memoiren" waren, die Hauff schnell bekannt und beliebt machten.

Wie stellen sich nun die Hauffkenner der neuesten Zeit zu den bisher angeführten drei Hypothesen? Die meisten ziehen es vor, keiner derselben in extensa beizustimmen, sondern neue Erklärungen zu suchen, die alle einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit haben, ohne völlig überzeugend zu sein. Hans Hofmann weist den Klaiberschen Ausführungen gegenüber darauf



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hin, daß — vorausgesetzt, der "Mann im Mond" sei eine Umarbeitung — sein Verfasser gar wohl das Zwischenmanuskript sorgfältig vernichtet und seinen Roman doch in der angegebenen kurzen Zeit fertiggestellt haben könnte. Sodann wirft er die Frage auf, ob nicht der jugendliche Hauff vielleicht, " von Vroduktionsdrang glühend, dem Drängen des Verlegers nachgab und, wiewohl von der Minderwertigkeit jener Manier überzeugt, doch in seiner virtuosen Art lieferte, was man von ihm verlangte, indem er es darauf ankommen ließ, ob sein Machwerk für ein echtes Kind der Claurenschen ,Muse durchging oder als lustiger Scherz aufgefaßt wurde." Auch die weitere Möglichkeit erörtert er, daß Hauff anfangs gar nicht beabsichtigt habe, sich zum Verfasser jenes Werkes zu bekennen und daß er erst, " als das Ding einschlug, unvorsichtigerweise, könnte man sagen, den Schleier der Anonymität lüftete." Immerhin scheint Hofmann den Gedanken einer Umarbeitung nicht von der Hand zu weisen, wenn er es auch nicht bestimmt ausspricht; er traut dem "literarischen Filou" , wie er Hauff an anderem Orte mit gutem Rechte nennt, einen derartigen Streich wohl zu, und er liebt seinen Hauff "nicht wegen, sondern trotz des ,Mannes im Mond'." — Einen anderen Standpunkt vertritt Max Mendheim in seiner Hauff-Ausgabe, und zwar schlägt er den goldnen Weg der Mitte ein. Er hält den Roman nicht für eine direkte Umarbeitung, sondern Hauff hat anfangs " im Geiste einen Roman à la Clauren beabsichtigt , d. h. mit dessen leicht flüssigem Stil, mit dessen Berechnung für den weitesten Leserkreis und mit dessen frivolem Köder gespickt, war sich aber auch von Anfang an des sittenverderbenden Einflusses solcher Kost bewußt und stempelte die Arbeit kurz nach ihrem Beginne durch absichtliche übertreibung seines Musters zu einer Satire. Daher also von vornherein die Claurenschen Wendungen und doch das Fehlen eines Originals ohne den satirischen Beigeschmack, daher der schon jni Beginne des Romans durchscheinende Spott und dennoch früher einmal die Absicht einer wirklichen Nachahmung der Mimilimanier." Daß diese Mendheimsche Vermutung, die eine vierte Gedankenreihe in unserer Betrachtung bildet, unter allen bisher aufgestellten Kombinationen wahrscheinlich den größten Anspruch auf Glaubwürdigkeit hat, soll im folgenden zu beweisen versucht werden.

Aus dem gedruckt vor uns liegenden Exemplare des "Mannes im Mond" kann —das wird jedem, der sich mit der Angelegenheit beschäftigt, immer und immer wieder einleuchten — nichts zur endgültigen Lösung der Frage gefolgert werden. Möglicher



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weise aber bot das Manuskript irgendwelchen Anhalt. Gesehen und beurteilt hatte es bisher nur Klaiber, der aus dem Fehlen eines Zwischenmanuskriptes und der Beschaffenheit des vorhandenen Schriftstückes die Menzelsche Behauptung zurückwies, der "Mann im Mond" sei eine Umarbeitung. Wenn nun aber Hauff, wie H. Hofmann mutmaßt, das erste Original vernichtet und ein zweites angefertigt hätte? Das ließ sich nach meinem Dafürhalten an dem betreffenden Manuskripte entschieden erkennen. Einmal mußte es dann im Vergleiche zu den übrigen noch existierenden Handschriften ziemlich korrekturfrei sein, zum andern konnte vielleicht an den Schriftzügen nachgewiesen werden, wo Hauff das ursprüngliche Original glatt kopiert, und wo er zwecks Änderung und Verstärkung des Claurenschen Tones unwillkürlich gezögert und in entsprechend deutlicheren Buchstaben geschrieben hatte. Solcherlei Gedanken weckten den Wunsch in mir, das Manuskript zum "Mann im Mond" einer eingehenden Durchsicht zu unterziehen. Durch die entgegenkommende Vermittlung des Herrn Geheimen Hofrates Professor Güntter in Stuttgart und des Herrn Archivar Seilacher wurde sie mir in den Räumen des Schillermuseums zu Marbach, wo ein Teil des Hauffschen Nachlasses zurzeit deponiert ist, ermöglicht. Auf Grund eigner Anschauung kann ich nun folgendes konstatieren. Korrekturen enthält die Originalhandschrift mehr, als die Klaibersche Darstellung vermuten läßt. Sie finden sich zwar nicht in demselben Umfange wie in den "Memoiren" , aber doch immerhin in dem gleichen Maße wie im "Lichtenstein" . Welcher Art sind nun die beobachteten Verbesserungen? Wird durch sie der Claurensche Ton wesentlich verstärkt? Es läßt sich nicht abstreiten, daß einige Änderungen allerdings in diesem Sinne gedeutet werden können, vielleicht sogar gedeutet werden müssen. So ist S. 35, 4 .5 zwischen "diese" und "Lippen haben schon geküßt" " frische Purpur . ." eingefügt; S. 38 .20 wurde aus " mein Mädchen" — "mein süßes Mädchen", S. 39. 32 steht nach "wunderschöne Wäsche, welche. . ." " durch ihre Weiße, durch ihre zierlichen Fältchen . . ." ; S. 48. 21 nach " in schwarzen Mäntelein" , " w Eißen Beffchen, kurzen Höschen und seidenen Wädchen . . ." und S. 96. 27 nach "der ja ihr . ." " allein in der schweigenden Mitternacht " an den Rand geschrieben. S. 105. 8 wurde " klaren " vor "Pupillen" gesetzt. S. 132. 13 stand ursprünglich: "So war man zurückgewichen hinter die Grenzbarrieren;" das ist geändert in " So schlich man sich duchs und geschmiegt hinter . ." S. 208. sff. hat der Verfasser



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"sagte Minette" , "flüsterte Philette" , "machte Trinette weiter " später hinzugefügt, S. 209. 25 nach "ihr Justizrat" "da war die herzige Pina und ihr Gatte, Agnes und Rose, Rosamunde und der Graf Oliva, das liebe Dijon-Röschen , Klotilde und ihr Sekretär" ergänzt. Verschwindend gering sind indessen der Zahl nach sowohl als bezüglich ihres Umfanges die soeben absichtlich vollständig angeführten derartigen Verbesserungen gegenüber den vielen Änderungen und Zusätzen stofflicher und stilistischer Natur, die nicht selten mehrere Zeilen am Rande ausmachen und deshalb nicht insgesamt hier mitgeteilt werden sollen. So hat z. B. Hauff S. 142. 22 ursprünglich geschrieben "die mit frecher Leumundsiederey aus allem . . ." , die beiden Worte durchgestrichen und an die Seite durch "schnöde Schadenfreude" ersetzt, weil er den ersten Ausdruck wenige Zeilen darnach S. 142. 24 besser anbringen konnte. S. 146. 3 stand anfangs nach "bestrafen konnte;" : "und vor ihm, nein, sie konnte, sie durfte es nicht dulden; der Sonne ist ein Stachel auch gegeben, dachte sie; " der ganze Passus wurde beim überlesen später durchgestrichen, vielleicht wegen des nicht ganz treffenden Bildes. S. 157. 30 ff. ist der Satz "Der Hofrat hätte vielleicht alles bald wieder ins Gleis bringen können; aber das Unglück wollte, daß er in wichtigen Angelegenheiten an demselben Abend verreisen mußte, an welchem die Gräfin ankam," auf der sonst unbeschriebenen halben Seite notiert. S. 164. 40 ff. sieht im Originale folgendermaßen aus "daß die Blume heißen müsse, blühe, am häufigsten in gefunden werde." Hier ist sich Hauff augenscheinlich noch nicht klar darüber gewesen, welche Pflanze er einsetzen sollte und hat deshalb nur das Schema festgelegt. Das letzte Stück " am häufigsten in . . gefunden werde" steht übrigens in der Ausgabe überhaupt nicht, sondern wird durch und auch äthiopische Drachenwurz genannt werde" ersetzt. S. 173. 1ff. heißt es nach "und eine Träne blitzte in seinem Auge;" : "unwillkürlich zog seine (durchstrichen!) seine Hand sich nach dem Mund, (zwischen den beiden "seine" ist "bog" zweimal undeutlich zu lesen) ein süßer Kuß flog nach dem Fenster hinauf." Wahrscheinlich kam ihm da ein Gedanke, den er nicht missen wollte, er strich kurz entschlossen die vorige Stelle durch, schrieb "jetzt aber stieß er seinem Pferde beide Sporen in den Leib, daß es wuterfüllt kerzengerade aufstand" , und nun erst ließ er die soeben durchgestrichenen Zeilen in folgender Fassung folgen "unwillkürlich bog sich seine Hand nach dem Mund, er warf ihr einen herzlichen Kuß zu" usw.



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S. 202. 20 sind mehrere Sätze am Rande verzeichnet. S. 206. 22 steht vor dem Speisezettel "Da war: Erster Gang." Dann kommt eine Notiz, jedenfalls für den Setzer: "Hier ist für eine Druckseite Raum zu lassen." Auch im Manuskript ist die nächste Seite unbeschrieben. Offenbar glaubte sich Hauff nicht eingeweiht genug in die Geheinmisse der Kochkunst, um ein Verzeichnis derartiger Delikatessen und Leckerbissen, wie es im Geiste Claurens geboten war, aufzustellen und ließ es daher von berufenerer Seite, vielleicht einem Fachmanne, besorgen. Es liegt nun auch ein nicht von des Dichters Hand herrührender Bogen im Manuskripte, welcher die Tafelgenüsse aufzählt. Darauf ist im allgemeinen die Reihenfolge der Gerichte angegeben; der genaue Wortlaut aber und vor allem die Orthographie der Fremdwörter wurden jedenfalls erst während des Druckes vom Autor festgesetzt. Die vielen Verstöße gegen die Schreibweise französischer Ausdrücke, z. B, Boeur statt Senne, Hords d'oeuvres, Tartelets de Apricot, à la Glacé usw. lassen darauf schließen, daß der Schreiber jenes Bogens nicht gerade den gebildeten Kreisen angehört hat. Zu den bisher gekennzeichneten beiden Arten von Verbesserungen kommt endlich eine Menge solcher, die auf bloßer Flüchtigkeit, auf Verschreiben, Verwechslung oder anderen Versehen beruhen; wie z. B. Taler statt Rubel, Rittmeister statt Graf, geb. statt verwitwete Gräfin, Hafner statt Töpfer usw., sowie die mehrfachen Änderungen der Überschriften, die mit Bleistift am Rande vermerkt sind. Gegenüber dieser großen Zahl von Verbesserungen — kaum eine Seite bleibt ganz frei davon — treten diejenigen, welche den Claurenschen Typus verstärken, ganz zweifellos zurück; sie sind numerisch wie qualitativ ohne besondere Bedeutung. überblickt man die Gesamtzahl der Korrekturen, erwägt man weiter, daß sich keinerlei Modifikationen der Schriftzüge, wie sie (vgl. S. 21 ds. Einleitung) von mir vorher vermutet wurden, im Manuskripte nachweisen lassen, so ergibt sich als unbedingt gewiß zunächst die eine Tatsache: Das vorhandene "Mann im Mond"-Manuskript ist nicht die Umarbeitung eines von Hauff etwa vernichteten älteren Originals. Die vielen darin enthaltenen Verbesserungen wären sonst nicht erklärlich; es sei denn, daß man dem Verfasser zutraute, er habe in der Kopie jede einzelne derselben absichtlich angebracht, um den Schein einer ersten Ausarbeitung zu wahren, was aber nach Lage der Dinge völlig ausgeschlossen ist. Somit wird die Annahme hinfällig (vgl. in Euphorion 4. " Claurens Einfluß auf Hauff" von Günther Koch), daß sich die nachträgliche Einschiebung



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gewisser Sätze in das Original "unumstößlich beweisen lasse." Alle die Haupt- und Kernstellen Claurenscher Manier, auch die von Koch aus dem "Tête-à-Tête" angeführte, sind von Anfang an Bestandteile des Romans gewesen. Aber noch eine zweite Behauptung darf nach der Beschaffenheit des betreffenden Schriftstückes aufgestellt werden: Das Manuskript ist auch nicht die nachträgliche Umarbeitung einer ursprünglich geplanten Nachahmung Claurens , sonst müßte die Zahl sowohl als der Umfang und die Bedeutung jener später hineinkorrigierten, die Mimili-Manier verstärkenden Elemente (vgl. S. 21/22 ds. Einl.) viel größer sein. Damit ist die dritte und zweite der bisherigen Ansichten über die Entstehung des . ,Mannes im Mond" als abgetan zu betrachten; es bliebe demnach die erste übrig, die den Angaben des Dichters selbst beipflichtet. Aber auch ihr muß man im Hinblicke auf die Zutaten im Sinne Claurens einigermaßen skeptisch gegenüberstehen. Ist auch ihre Zahl verhältnismäßig gering, so daß sie den Begriff einer Umarbeitung nicht im entferntesten rechtfertigen, so deuten sie doch trotz alledem darauf hin, daß der Verfasser erst nachträglich, vielleicht beim überlesen des Ganzen, ihre Notwendigkeit einsah. Aus diesem Grunde hat eben der Mendheimsche Vermittlungsvorschlag, Hauff habe während der Arbeit am "Mann im Mond" seinen Plan geändert, mindestens einen höheren Grad von Wahrscheinlichkeit als alle anderen Versionen. Einen ersichtlichen Beweis dafür, wie unser Dichter tatsächlich schon während der Konzeption und nicht nur nach Abschluß des Werkes bestrebt war, kräftige Ausdrücke Ä la Clauren zu verwenden, liefert die folgende Korrektur. S. 111. 31 schrieb er, "daß ich hätte auf" (jedenfalls wollte er sagen: auf-jubeln können"); da fiel ihm ein seinen Absichten besser entsprechender, sozusagen claurenscherer Ausdruck ein, er strich ich hätte auf" durch, setzte . ,mir alten Kerl" darüber und fuhr dann auf der Zeile fort " ganz warm ums Herz wurde" . Wer ihn darauf gebracht hit, die anfänglich beabsichtigte Nachahmung plötzlich in eine Persiflage übergehen zu lassen, ob Menzel, ob andere Freunde, oder ob ihm selbst — wie die Kontrovers-Predigt vermuten läßt — ein Ekel an diesen erbärmlichen Nichtigkeiten, an den erkünstelten Schnörkeln und Arabesken, an jenem kokettierenden Abbrechen erfaßt hat, das muß dahingestellt bleiben. Soviel ab ;r steht fest, daß ihm dieser Gedanke schon nach den ersten einleitenden Abschnitten gekommen sein muß; denn bereits im 1. und 2. Kapitel zeigt o. 31. 33 das "Götterkind, dieser Ausbund von Liebenswürdigkeit"



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, S. 31. 35 sein "Gold-Idchen" , S. 31. 39 die "Haare nach dem allernagelfunkelneuesten Geschmack" , S. 32. 26 "Welche Figur! Welcher Nacken! Wahrhaftig, man möchte ein Mückchen oder noch etwas Wenigeres sein, nur um darauf spazieren zu gehen" , uns das zur Genüge. — Vielfach wundert man sich darüber, daß Hauff die Mängel der hofrätlichen Muse nicht in noch vermehrter, gröberer und drastischerer Weise zutage treten ließ. Demgegenüber ist folgendes zu beachten. Mußte er nicht fürchten, daß sein Werk dann auf den ersten Blick als eine Verspottung Claurens erkannt bei der Beliebtheit des Mimili-Dichters dementsprechend wenig gekauft werden würde? Hatte er nicht dabei auch Rücksicht auf den Verleger zu nehmen, für den natürlich nur der möglichst große Umsah die Hauptsache war. Im Manuskripte selbst ist übrigens der Name , .H. Clauren" am Schlusse nicht geschrieben (das Titelblatt fehlt auch im Originale); wohl möglich, daß Hauff sich nur auf Franckhs besonderen Wunsch dazu verstanden hat. Außerdem! Man lese doch einmal einige Seiten etwa von "Mimili'. Da wird z. B. S. 18 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 2055) zunächst das "Brüstle', das "Miederchen" und endlich das "Hemdchen" beschrieben, "das den blendend weißen Hals und den Busen züchtiglich verhüllte" . Dann kommt das "schwarzseidene, hundertfältige Röckchen" an die Reihe, " es reichte kaum bis über das Knie, so daß die Zipfel der buntgestickten Strumpfbänder die feingeformte Wade sichtbar umspielten ; die Blumen aber der Matten küßten das Blütenweiß ihres feinen, baumwollenen Strümpfchens, das den zartesten kleinsten Fuß verriet" . Dann beachte man folgende Ausdrücke: S. 19: "die kleine Flaumenhand" , "der buntflitterige Erdball" , S. 20: "ihr jungfräuliches Bettchen" , "das zaubersüße Mädchen" , "die Lotterflamme der Schlacken meines Innern" , S. 22: " der Resonanzboden meiner gespannten Brust" , "die Lilienhaut ihrer Wangen" , "lebendiger noch wogte ihr Busen unter dem dicht aufliegenden Battisthemdchen" , "knebberten" , S. 23; "Gebimmel " , S. 27: "läppschen" , "päppeln" , "überwähliger Mutwillen " , "würzige Purpurlippen" , S. 28: "Schneejuwelen" , S. 29: "puwern" , "die himmelreine Höhe" , S. 29/30 "die schwanenweiße Brust drängte sich wogend aus dem samtenen Mieder! Da gewältigte mich ihr namenloser Liebreiz" , " die Purpurfittiche des Abendrots" , " der Pfirsichsammet ihrer Wangen" , "die Purpurwürze ihrer Lippen" , . ,das Lilienweiß ihres schönen Halses" , "die veilchenblaue Tiefe ihres schmachtenden Blickes" , S. 32: "verplumpert" , S. 34: "Mir fiel eine;



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ganze Million Granitfelsblöcke vom Herzen" , S. 38: " vom heiligsten Feuer der süßesten Gefühle überpurpert" , " die ellenlangen , breiten, üppigen Zöpfe" , S. 40: "das berggewohnte Roß kratzte an den gräßlichen Abhängen hinauf" , S. 41. "hinabschroffen" , "Schwanenarme" , "stibben" , "krabbeln" , S. 42: "die ganze Atmosphäre war ein warmlaues Meer von Wohlgerüchen " , S. 43: "des Knies rosiges Grübchen" . Ist denn im Hinblicke auf solche Phrasen, Tändeleien und Albernheiten, auf eine so plumpe und unangenehm aufdringliche Art für einen einigermaßen geschmackvollen Schriftsteller überhaupt noch eine übertreibung oder Steigerung möglich, ohne ins Läppische und Lächerliche zu verfallen? Daß sich Hauff auch bisweilen vor übergroßer Häufung Claurenscher Epiteta absichtlich hütete, scheint mir aus S. 208. 6 hervorzugehen. Da steht im Originale "Diese weißen Schwa(durchstrichen) Arme". Zweifellos hat er erst Schwanenarme schreiben wollen. Mit Rücksicht darauf aber, daß zwei Zeilen vorherging: "Dieser Alabasterbusen, der alle Nestel des Korsettchens zu zersprengen droht!" hielt er es für angebracht, den Claurenschen Lieblingsausdruck hier nicht zu gebrauchen. Hauff war nie ein Freund langen Überlegens und Grübelns. Rasch mußten ihm die Gedanken zufliegen, und was ihm nicht der Augenblick und seine schalthafte kecke Laune an Übertreibungen eingab, das blieb eben ungeschrieben; durch mühsames Kombinieren und Abquälen hat er nichts erfunden. Am Ende, beim überlesen des Werkes, mochte er wohl einsehen, daß hier und da ein Körnchen "Clauren" mehr eingefügt werden könne; daher die wenigen kleinen Zusätze.

Endlich ein Wort über Hauffs Verhältnis zu Clauren in technischer Beziehung. Auch hierin ist ja ebenso wie in motivlicher Hinsicht eine gewisse Verwandtschaft vorhanden, es sei vor allem an das plötzliche Abbrechen oft mitten im Satze und an den Gebrauch des Gedankenstriches, z. B. S. 53. 26. Lie —, S. 143. 41 den ersten seligen Ku — etc. erinnert. Die mangelnde Charakteristik der Hauptfiguren. die man Clauren zum Vorwurfe macht, wird auch im "Mann im Mond" wohl fühlbar; aber dennoch darf Hauffs Art nicht auf völlig gleiche Stufe mit derjenigen Claurens gestellt werden. Wie charakterisiert dieser beispielsweise seine Mimili? Nachdem er ihre körperlichen Reize vom Scheitel bis zur Zehe und ihre Kleidung bis über die Grenze des Möglichen geschildert hat, sollen auch ihre geistigen Vorzüge hervorgehoben werden. Da zeigt sie zuerst ihre Bekanntschaft mit Haller und Wildenow, dann setzt sie eine



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Seite lang den Leser durch ihre botanischen Kenntnisse in Erstaunen, nicht weniger als acht botanische Namen muß sie aufzählen; bald darnach überrascht sie uns durch ihr Wissen auf ethnographischem Gebiete, ja sogar griechische und keltische Brocken weiß sie anzubringen. Damit vergleiche man Jdas Charakteristik in dem Kapitel "Der Herr Inkognito" . In wenigen Sätzen werden wir dort darüber unterrichtet, daß sie in botanischen Dingen sowohl — ein einziger Name ist dem fremden Herrn Beweis genug — als in der deutschen und ausländischen Literatur bewandert ist. Jedes zu Breite, Schwülstige und Unwahrscheinliche vermeidet eben Hauff, und bei aller Anlehnung an sein Muster, beziehentlich Opfer, die ihm durch die Lektüre vielleicht mehr als nötig anhaftete, darf man nicht außer acht lassen, daß er — darauf hat Günther Koch in dem erwähnten Artikel schon richtig hingewiesen — kein Nachbeter im gewöhnlichen Sinne des Wortes war, daß er seine Eigenart nicht verleugnen und darum nie in den Manieren anderer völlig aufgehen konnte. So befleißigt er sich auch bezüglich des Obszönen einer gewissen Mäßigung. Es laufen ihm zwar einige Zweideutigkeiten unter, auch an Küssen und Küßchen fehlt es nicht, obgleich sie nicht im entferntesten an die Minuten-, ja Viertelstunden-Gute-Nacht-Küsse in der "Mimili" reichen; indessen hütet er sich, seine Leser in so verfängliche Situationen zu versetzen, als Clauren das liebt. In der Einleitung zu den Memoiren" wurde eine Stelle mitgeteilt, die im Original derselben ursprünglich als Anmerkung gedacht, später unterdrückt worden war. Das damit dokumentierte Gefühl des Anstandes wird auch im " Mann im Mond" soviel als möglich gewahrt, soviel als möglich nämlich, um einem Claurenschen Werke, zu dem das Gegenteil ein fast notwendiges Ingredienz bildete, einigermaßen nahe zu kommen.

Die Kontrovers-Predigt verfaßte Hauff der Hauptsache nach in der Zeit vom Juli bis Mitte September des Jahres 1826 auf der Rückreise von Paris, wo er sie begonnen hatte. Sie erschien natürlich in demselben Verlage wie der "Mann im Mond" und erregte berechtigtes Aufsehen. Selbst von dem Gesichtspunkte aus, unter dem wir nach dem Vorangegangenen Hauffs Roman betrachten müssen, wird man gut tun, die in der Verteidigungsschrift desselben zum Ausdrucke gebrachte Entrüstung nicht allzu tragisch und wörtlich zu nehmen. Sie ist pra Soma nach Beendigung des Clauren-Prozesses entstanden, und Rudolf Krauß hat eine durchaus richtige Erklärung gegeben, wenn er sagt, daß "unserem Dichter im Verlaufe des



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Kampfes das sittliche Pathos, das er gegen den Feind aufwendet , mehr und mehr zur inneren überzeugung geworden ist." Auch über den Aufbau der Kontrovers-Predigt, vor allem über das Verhältnis des eigentlichen Textes zu der vorangestellten Disposition kann man verschiedener Meinung sein, und schon sein Bruder Hermann hat unsern Dichter auf die Ungleichheit des Tones in den einzelnen Partien aufmerksam gemacht, die Hauff in dem folgenden Briefe zugibt und begründet . Er schreibt am 12. Oktober 1826 . "Ich denke darüber ganz wie Du ; auch ich fand immer allzugut, daß besonders in den letzten Teilen von dem Ton abgewichen ist. Die Schuld daran schreibe nicht mir allein, sondern den Umständen zu, ich fing sie in Paris an, setzte sie in Brüssel fort, schrieb daran in Antwerpen und Gent und vollendete sie in Kassel. Muß man da nicht aus dem Tone kommen. In der literarischen Mittwochsgesellschaft mußte ich sie an Schadows Abschiedsfest vor einer ungeheuren Versammlung von Staats- und Kirchendienern, Künstlern, Dichtern und Gelehrten vorlesen. Sie fand viel Beifall, und als ich selbst bemerkte, daß der zweite Teil unkünstlerisch verschieden sei vom ersten, da schüttelte mir der alte Nicolovius, Präsident der kirchlichen Angelegenheiten, die Hand und machte mir das rühmende Kompliment, daß mich ein edler Zorn im zweiten Teil nicht recht zum Scherz kommen lasse. Diese Predigtrezension von einem Berliner Papst oder Zionswächter war mir so auffallend als angenehm."


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