Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM SOHNE DES WESIRS UND DER FRAU DES BADHALTERS

Bei einem Badhalter pflegten einst die vornehmen Leute und die Häupter der Stadt zu verkehren. Zu dem kam eines Tages ein Jüngling von schöner Gestalt, der zu den Söhnen der Wesire gehörte; er war aber fett und feisten Leibes. Als nun der Badhalter vor ihm stand, um ihn zu bedienen, während der Jüngling seine Kleider ablegte, konnte er an ihm keine Rute entdecken; denn die war wegen des Übermaßes seines Fettes zwischen seinen Schenkeln verschwunden, und nur so viel wie eine Haselnuß war von ihr zu sehen. Da wurde der Badhalter traurig und schlug seine Hände zusammen. Wie der Jüngling das sah, fragte er ihn: ,Was ist dir, Badhalter, daß du so traurig bist?' Jener gab ihm zur Antwort: ,Ach, mein Herr, ich trauere um dich, denn du bist in arger Not, sintemalen du bei all deinem Reichtum und deiner hohen Schönheit und Anmut nichts hast, mit dem du dich vergnügen kannst wie die anderen Männer!' Der Jüngling sagte darauf: ,Du hast recht mit deinen Worten; aber du erinnerst mich an etwas, das ich vergessen habe.' ,Was ist denn das?' fragte der Badhalter; und der jüngling



1000-und-1_Vol-04-290 Flip arpa

fuhr fort: ,Nimm diesen Dinar und hole mir eine schöne Frau, auf daß ich mich an ihr versuchen kann!' Jener nahm den Dinar, begab sich zu seiner Frau und sprach zu ihr: ,Frau, es ist ein Jüngling zu mir ins Bad gekommen, einer von den Söhnen der Wesire; der ist so schön wie der Mond in der Nacht seiner Fülle. aber er hat keine Rute wie die anderen Männer, sondern nur ein kleines Ding, so groß wie eine Haselnuß. Ich klagte um seine Jugend; und da gab er mir diesen Dinar und bat mich, ihm eine Frau zu bringen, an der er sich versuchen könne. Du sollst den Dinar am ehesten verdienen; uns kann daraus nichts Schlimmes erwachsen, ich werde deinen Ruf schützen. Setz dich nur eine Weile zu ihm und hab ihn zum besten und gewinne so diesen Dinar von ihm!' Die Frau des Badhalters nahm den Dinar hin, schmückte sich und legte ihre prächtigsten Gewänder an; sie war aber eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Dann ging sie mit ihrem Manne, und er führte sie in ein geheimes Gemach zu dem Sohne des Wesirs. Als sie dort bei ihm war und ihn anschaute, fand sie, daß er ein schöner Jüngling war und in seiner lieblichen Gestalt dem Monde zur Zeit seiner Fülle glich; da ward sie von seiner Schönheit und Anmut verwirrt. Doch auch dem Jüngling wurden, als er sie erblickte, Herz und Sinn sogleich betört. Sie blieben nun beieinander und schlossen die Tür hinter sich. Darauf nahm der Jüngling die Frau in die Arme und drückte sie an seine Brust, und sie umarmten einander; dem Jüngling aber schwoll die Rute gleich der eines Esels, und er warf sich auf die Frau des Badhalters eine lange Weile, während sie unter ihm seufzte und stöhnte und im Liebesspiel sich bewegte. Da begann der Badhalter sie zu rufen: ,O Mutter 'Abdallahs, nun ist es genug! Komm heraus, der Tag wird für deinen Säugling zu lang.' Und der Jüngling sprach zu ihr: ,Geh zu deinem Kind,



1000-und-1_Vol-04-291 Flip arpa

und dann komm wieder!' Aber die Frau sagte: ,Wenn ich dich verlasse, so ist mein Leben dahin. Mein Kind will ich in seinen Tränen umkommen lassen; sonst mag es ohne Mutter als Waise aufwachsen!' Und sie blieb so lange bei dem Jüngling, bis sie ihm zehnmal zu Willen gewesen war. Während alledem stand ihr Mann vor der Tür und rief und schrie, weinte und flehte um Hilfe. Aber es kam keine Hilfe: und so mußte er allein dort stehen bleiben, während er immer rief: ,Ich bringe mich um!' Es war ihm unmöglich, zu seiner Frau zu kommen; da überwältigten ihn Qual und Eifersucht, er lief zum Dache des Bades hinauf, stürzte sich von oben in die Tiefe und starb.

Mir ist aber, o König - so fuhr der vierte Wesir fort -noch eine andere Geschichte von der Tücke der Weiber berichtet worden.' ,Wie ist die?' fragte der König; und der Wesir erzählte: ,Mir ist berichtet worden, o König,


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt