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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839 ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 1

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DER WESIRE NOR ED-DÎN UND SCHEMS ED-DÎN

'Wisse, o Beherrscher der Gläubigen, es lebte in alter Zeit im Lande Ägypten ein Sultan, ein echtes Vorbild der Gerechtigkeit; den Armen war er ein Vater, die Gelehrten waren seine Berater; er hatte einen Wesir, verständig und klug, der für die Regierung weise Fürsorge trug. Dieser Wesir war ein sehr alter Mann, und er hatte zwei Söhne, die waren wie zwei Monde;



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nie wurden ihresgleichen an Schönheit und Anmut gesehen. Der ältere hieß Scheins ed-Dîn Mohammed und der jüngere Nûr ed-Dîn 'All; aber der jüngere übertraf den älteren an Zartheit und Lieblichkeit, so daß die Bewohner ferner Länder von ihm hörten und nach seinem Lande kamen, um seine Schönheit zu sehen. Nun begab es sich, daß ihr Vater starb; da trauerte der Sultan um ilm, und er bezeugte den beiden Söhnen sein Wohlwollen, zog sie an sich heran, kleidete sie in Ehrengewänder und sagte zu ihnen: ,Ihr sollt an der Stelle eures Vaters stehen; seid in eurem Herzen nicht betrübt!' Jene freuten sich darob und küßten vor ihm den Boden, und sie hielten die Totenfeier für ihren Vater einen vollen Monat lang; dann aber traten sie ihr Amt als Wesire an, und die Macht ging in ihre Hände über, wie sie in der Hand ihres Vaters gelegen hatte. Sooft der Sultan zu reisen wünschte, reiste einer von den beiden mit ihm. Eines Abends nun, als die Reihe an dem Älteren war, mit dein Sultan zu reisen, geschah es, daß sie miteinander im Gespräch saßen; da sagte der Ältere zu dem Jüngeren: ,Mein Bruder, es ist mein Wunsch, daß wir beide, ich und du, uns in derselben Nacht vermählen.' ,Tu, wie du wünschest, mein Bruder', erwiderte der Jüngere, ,siehe, ich stimme allem bei, was du sagst.' So wurden sie sich darüber einig. Ferner aber sagte der Ältere zu seinem Bruder: ,Wenn Allah es so bestimmt, daß wir uns mit zwei Mädchen verloben, uns mit ihnen in derselben Nacht vermählen und sie am selben Tage niederkommen, und wenn durch Allahs Willen dein Weib einen Sohn gebiert und mein Weib eine Tochter, so wollen wir sie einander vermählen, denn sie sind Bruderskinder.' Nun fragte Nûr ed-Dîn: ,Mein Bruder, was verlangst du von meinem Sohne als Morgengabe für deine Tochter? 'Jener antwortete: ,Ich verlange von deinem Sohne für meine Tochter dreitausend Dinare



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und drei Gärten und drei Ackergüter; es wäre sehr ungehörig, wenn der jüngling den Vertrag um weniger schlösse.' Als aber Nûr ed-Dîn diese Forderung hörte, sprach er: ,Eine solche Brautgabe kannst du dir doch nicht von meinem Sohne ausbedingen! Weißt du nicht, daß wir Brüder sind Allahs Gnade Wesire von gleichem Amt? Es geziemte sich für dich, deine Tochter meinem Sohne ohne Morgengabe darzubieten; und wenn durchaus eine Morgengabe gemacht werden soll, so setze irgendeinen Scheinwert fest für das Auge der Welt. Denn du weißt gar wohl, daß der männliche Sproß wertvoller ist als der weibliche; mein Kind ist ein männliches, und unser Gedächtnis wird durch ihn fortgepflanzt, nicht durch deine Tochter.' ,Was ist mit ihr?' fragte Scheins ed-Din. Nûr ed-Dîn antwortete: ,Unser Gedächtnis unter den Emiren wird nicht durch sie fortgepflanzt werden; aber du willst gegen mich handeln wie jener Mann, von dem erzählt wird, daß er zu seinem Freunde, der zu ihm kam und sich mit einer Bitte an ihn wandte, sagte: Im Namen Allahs, ich will deine Bitte erfüllen, aber morgen! Und als Antwort sprach der Bittsteller den Vers:

Wenn die Erfüllung der Bitten auf, Morgen' verschoben wird,
Ist es fur den, der versteht, einer Abweisung gleich.'

Da sprach Scheins ed-Dîn: ,Ich sehe, du läßt es an Achtung fehlen, und du hältst deinen Sohn für wertvoller als meine Tochter; es ist kein Zweifel, dir gebricht es an Verstand und an Lebensart. Du erinnerst an das gemeinsame Amt, und doch ließ ich dich nur aus Mitleid am Ministeramt teilnehmen, damit du mir ein Gehilfe und Handlanger wärest, und um dich nicht zu kränken. Aber da du so redest, bei Allah, so will ich nie und nimmer meine Tochter mit deinem Sohne vermählen, nicht einmal, wenn du sie mit Gold aufwägen würdest.' Als Nûr ed-Dîn seines Bruders Worte hörte, ergrimmte er und



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sprach: ,Auch ich werde nie und nimmer meinen Sohn mit deiner Tochter vermählen.' Scheins ed-Dîn aber rief darauf: ,Ich gäbe nie meine Zustimmung dazu, daß er ihr Gatte würde! Stände ich nicht im Begriff, eine Reise anzutreten, ich würde an dir ein Exempel statuieren; aber kehre ich von meiner Reise heim, so sollst du sehen und ich will dir zeigen, was meine Würde erheischt.' Als Nûr ed-Dîn solche Worte von seinem Bruder hörte, ward er von Zorn erfüllt und wie von Sinnen; aber er verbarg seine Empfindungen. Beide Brüder verbrachten die Nacht getrennt voneinander. Als dann der Morgen dämmerte, zog der Sultan aus im Prunk und fuhr hinüber von Kairo nach Gîze und machte sich auf nach den Pyramiden, begleitet von dem Wesir Scheins ed-Dîn. Was aber seinen Bruder Nûr ed-Dîn betrifft, so verbrachte er jene Nacht im grimmigsten Zorn; und als der Morgen dämmerte, erhob er sich, sprach das Morgengebet und ging zu seiner Schatzkammer. Dort nahm er eine kleine Satteltasche, füllte sie mit Gold, und indem er an die Worte seines Bruders und die Verachtung, die er ihm bezeugt hatte, dachte, sprach er diese Verse:

Reise! Du findest Ersatz für ihn, von dem du dich trennest.
Mühe dich ab! Denn die Süße des Lebens besteht in der Mühe.
Das Stillesitzen, deucht mich, bringt weder Ansehn noch Einsicht,
Nein, nur ein kümmerlich Dasein; drum lasse die Heimat und ziehe!
Ich habe gesehn, wie die Ruhe des Wassers ihm Fäule bringet;
Doch flieht es, so ist es frisch; wo nicht, bleibt's trübe stehen.
Nähme der Mond nicht ab, so würde das Auge des Menschen
Nicht immerdar auf ihn schauen, um seine Zeichen zu sehen.
Verließe der Löwe nicht sein Lager, er fänd keine Beute;
Verließe der Pfeil nicht den Bogen, er würde sein Ziel nicht erreichen.
Bleibet das Gold in der Mine, so gleicht es doch nur dem Staube;
Und Aloe ist in der Erde dem Brennholze zu vergleichen.
Doch geht dies in die Ferne, so ist es kostbar an Wert,
Und Aloe wird in der Ferne noch höher als Gold geehrt.



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Als er sein Lied geendet hatte, befahl er einem seiner jungen Diener, er solle die nubische Maultierstute mit ihrem gepolsterten Sattel bedecken; sie war ein stahl graues Tier, ihren Rücken sah man, einer hohen Kuppel vergleichbar, sich emporrecken; ihr Sattel war aus Gold, ihre Steigbügel waren aus Indien gebracht, auf ihr lag eine Schabracke von persischer Pracht, und sie glich einer Braut, geschmückt für die Hochzeitsnacht. Auch befahl er ihm, eine seidene Decke auf den Sattel zu legen und darüber einen Gebetsteppich, die Satteltaschen aber so, daß sie unter dem Gebetsteppich zu beiden Seiten herunterhingen. Darauf sagte er zu dem Diener und den Sklaven: ,Ich gedenke einen Ausflug zu machen außerhalb der Stadt, und zwar will ich in die Gegend von Kaljûb reiten; drei Nächte werde ich draußen nächtigen, und keiner von euch folge mir, denn meine Brust fühlt sich beklommen!' Eilends bestieg er die Maultierstute und ritt, versehen mit etwas Wegzehrung, aus Kairo hinaus und in das offene Land hinein. Kaum war es Mittag, da zog er schon in die Stadt Bilbais ein, wo er abstieg, sich ausruhte, auch sein Maultier ruhen ließ und einiges von seiner Zehrung zu sich nahm. Und er kaufte in Bilbais Essen für sich und Futter für die Stute, und dann ritt er von neuem in die Wüste hinaus. Und kaum war es Nacht, da kam er in einen Ort, der es-Sa'dîje hieß; dort brachte er die Nacht zu. Er nahm ein wenig von seiner Wegzehrung und aß es; dann legte er die Satteltaschen als Kopfkissen hin, breitete die Decke aus und schlief im Freien, immer noch vom Zorne beherrscht. So verbrachte er die Nacht. Als aber der Morgen dämmerte, stieg er auf und ritt weiter auf seinem Maultier so lange, bis er die Stadt Aleppo erreichte, wo er in einer der Herbergen abstieg und drei Tage blieb, um sich und dem Maultier Ruhe zu gönnen und die Luft zu genießen. Dann entschied er sich, weiterzureisen,



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bestieg wiederum sein Maultier und zog dahin, ohne zu wissen, wohin er sich begab; er reiste ohne Aufenthalt, bis er die Stadt Basra erreicht hatte, aber er wußte nicht, wo er war. Er kehrte in einem Chân ein, nahm die Satteltasche von dem Maultier herunter und breitete den Teppich aus; das Tier übergab er samt dem Geschirr dem Pförtner, damit er es herumführe. Der nahm es und führte es herum. Nun aber traf es sich, daß der Wesir von Basra am Fenster seines Palastes saß; und er sah das Maultier und das kostbare Geschirr an ihm und glaubte, dies sei ein Parademaultier, wie Wesire und Könige es reiten; und er dachte darüber nach, und sein Sinn ward ganz bezaubert. Schließlich sagte er zu einem seiner Diener: ,Bring mir den Pförtner da!' Der Diener ging und brachte den Pförtner; der trat heran und küßte den Boden vor dem Wesir, der ein hochbetagter Mann war. Darauf fragte dieser den Pförtner: ,Wer ist der Besitzer dieses Maultiers, und was für ein Mann ist cr?' Jener erwiderte: ,O Herr, der Besitzer dieses Maultiers ist ein junger Mann von angenehmem Wesen, ein ernster und feiner, wohl von den Kaufleuten einer.' Als der Wesir die Worte des Pförtners gehört hatte, stand er flugs auf, bestieg sein Roß und ritt zum Chân, um den Jüngling zu besuchen. Wie aber Nûr cd-Dîn den Wesir kommen sah, stand er auf, ging ihm entgegen und begrüßte ihn. Der Wesir hieß inn willkommen, stieg ab von seinem Roß, umarmte ihn, ließ ihn an seiner Seite sitzen und fragte: ,Mein Sohn, von wannen kommst du, und was suchest du?' ,Hoher Herr', versetzte Nûr ed-Dîn, ,ich komme aus der Stadt Kairo, in der mein Vater weiland Wesir war; aber er ist zu der Barmherzigkeit Allahs des Erhabenen eingegangen'; und er erzählte ihm alles, was ihm widerfahren war, von Anfang bis zu Ende, und fügte hinzu: ,Ich habe bei mir beschlossen, nie wieder heimzukehren, bis ich alle Städte



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und Länder besucht habe.' Als aber der Wesir seine Worte vernahm, sprach er zu ihm: ,Mein Sohn, höre nicht auf die Stimme der Leidenschaft, daß sie dich nicht ins Verderben stürze! Denn wahrlich, viele Länder sind wüste Strecken, und ich bin um dich besorgt wegen der Wechselfälle der Zeit.' Darauf ließ er die Satteltaschen, die Decke und den Teppich auf das Maultier laden und nahm Nûr ed-Dîn mit sich in sein eigenes Haus; dort gab er ihm ein schönes Zimmer und erwies ihm Ehren und Wohltaten, da er ihn sehr liebgewonnen hatte. Und er sagte zu ihm: ,Mein Sohn, hier lebe ich, ein alter Mann, und ich habe keinen Sohn, aber Allah hat mich mit einer Tochter gesegnet, die dir an Schönheit gleichkommt; und ich habe viele, die um sie freiten, abgewiesen. Aber die Liebe zu dir hat mein Herz erfaßt; willst du also meine Tochter als deine Dienerin annehmen und ihr Ehgemahl werden? Wenn du dazu bereit bist, so will ich mit dir hinaufgehn zum Sultan von Basra und will ihm sagen, daß du der Sohn meines Bruders bist, und ich werde dich ihm vorstellen, um dich zum Wesir an meiner Statt zumachen; ich selbst aber werde dann ruhig in meinem Hause bleiben, denn ich bin ein alter Mann geworden.' Als Nûr ed-Dîn die Worte des Wesirs von Basra vernommen hatte, neigte er bescheiden das Haupt und sagte: ,Ich höre und gehorche.' Da freute sich der Wesir und hieß seine Diener ein Festmahl richten und die große Empfangshalle schmücken, darin man die Hochzeiten der Emire zu feiern pflegte. Dann versammelte er seine Freunde und lud die Vornehmen des Reiches und die Kaufleute von Basra ein; und als alle vor ihm standen, sprach er zu ihnen: ,Ich hatte einen Bruder, der war 'Wesir im Lande Ägypten, und Allah segnete ihn mit zwei Söhnen, während er mir, wie ihr wohl wißt, eine Tochter schenkte. Nun hatte mein Bruder mir ans Herz gelegt, meine Tochter mit einem seiner



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Söhne zu vermählen, und ich versprach es ihm; und als dann die Zeit zur Vermählung da war, schickte er mir einen seiner Söhne, diesen Jüngling hier. Da er nun also zu mir gekommen ist, bin ich bereit, den Ehevertrag zwischen ihm und meiner Tochter aufzusetzen und seine Hochzeit mit ihr in meinem Hause zu feiern; denn er steht mir näher als ein Fremder; und später soll er, wenn er will, bei mir bleiben, oder wenn er zu reisen wünscht, so will ich ihn und sein Weib zu seinem Vater senden.' Da erwiderten sie alle: ,Vortrefflich ist dein Entschluß'; sie sahen sich darauf nach dem Bräutigam um, und als sie ihn erblickten, fanden sie Gefallen an ihm. So schickte denn der Wesir nach den Kadis und den Zeugen, und sie seinen den Vertrag alsbald auf. Und die Diener beräucherten die Gäste mit Weihrauch, setzten ihnen Zuckerscherbett vor und sprengten Rosenwasser über sie hin; dann gingen alle ihres Weges. Der Wesir aber befahl seinen Dienern, Nûr ed-Dîn in das Bad zu führen, und er gab ihm eines seiner eigenen kostbaren Kleider, schickte ihm Tücher und Schalen und Räucherpfannen und alles, dessen er bedurfte. Als der Jüngling nach dem Bade heraustrat und das Kleid anlegte, da war er wie der Vollmond in der vierzehnten Nacht; draußen vor dem Badehause bestieg er sein Maultier und ritt geradeswegs bis zum Palaste des Wesirs. Dort stieg er ab, trat ein zu dem Wesir und küßte ihm die Hände, und jener hieß ihn willkommen. —— «

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 21. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Wesir sich erhob und ihn willkommen hieß und sagte: Wohlan, gehe heute nacht ein zu deinem Weibe; und morgen will ich dich zum Sultan bringen. Ich bitte Allah um alles Gute für dich.' Nûr ed-Dîn



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erhob sich darauf und ging ein zu seinem Weibe, der Tochter des Wesirs.

Lassen wir nun den Nûr ed-Dîn und wenden uns seinem Bruder zu! Der war lange mit dem Sultan auf Reisen, und als er zurückkam, fand er seinen Bruder nicht mehr vor; da fragte er die Diener nach ihm, und sie erwiderten: ,An dem Tage, an dem du mit dem Sultan auf Reisen gingest, stieg dein Bruder auf sein Maultier, das geschirrt war wie zum Prunkzug, und sagte: Ich gehe in die Gegend von Kaljûb und werde ein bis zwei Tage fort sein; denn mir ist die Brust beklommen. Es soll mir aber niemand folgen. Und seit dem Tage, da er fortritt, bis heute haben wir keine Kunde mehr von ihm erhalten.' Scheins ed-Dîn aber war in großer Sorge ob der Abreise seines Bruders, und er trauerte schmerzlich um seinen Verlust und sagte zu sich selber: ,Dies kommt nur daher, daß ich ihn in jener Nacht gescholten habe; er hat es sich so zu Herzen genommen, daß er in die Ferne gezogen ist. Aber ich muß ihm jemanden nachschicken.' Darauf ging er hin zum Sultan und tat es ihm kund; und der schrieb Briefe, die er durch Läufer an seine Statthalter in allen Provinzen des Reiches entsandte. Nûr ed-Dîn jedoch war in den zwanzig Tagen, während derer jene fortgewesen waren, schon in ferne Länder gekommen; so suchten sie ilm, fanden aber keine Spur von ihm und kehrten heim. Und Scheins ed-Dîn verzweifelte daran, seinen Bruder zu finden, und sagte: ,Ich bin doch meinem Bruder gegenüber zu weit gegangen in dem, was ich ihm von der Vermählung unserer Kinder sagte. Wäre das nur nicht geschehen! All dies kommt von meinem Unverstand und meiner Unvorsichtigkeit.' Bald darauf aber freite er um die Tochter eines Kaufherrn in Kairo, und er schloß den Ehevertrag und ging ein zu ihr. Nun traf es sich so, daß die Nacht, in der Scheins ed-Dîn zu



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seiner Gemahlin einging, auch die Hochzeitsnacht von Nûr ed-Dîn und seiner Gemahlin, der Tochter des Wesirs von Basra, war; denn also hatte Allah der Erhabene es bestimmt, auf daß er an seinen Kreaturen seinen Willen erfülle. Und es geschah auch dies, wie es die beiden Brüder gesagt hatten: ihre beiden Frauen empfingen in derselben Nacht; und die Gemahlin des Scheins ed-Dîn, des Wesirs von Ägypten, brachte eine Tochter zur Welt, schöner als man sie je in Kairo erblickt hatte; die Gemahlin des Nûr ed-Dîn aber gebar einen Knaben, schöner als man je einen gesehn zu seiner Zeit; wie einer der Dichter von seinesgleichen sagt:

Ein schlanker Jüngling, um dessen Stirn und lockiges Haar
Die Menschheit in düsterer Trauer und heller Freude war.
Schmähet das schöne Mal nicht, das seine Wange schmückt,
Das zwiefach mit schwarzen Pünktchen die Blicke aller berückt!

Und ein anderer:

Man brachte die Schönheit, um ihn zu vergleichen;
Da senkte die Schönheit beschämt ihr Haupt.
Man sprach: O Schönheit, sahst du dergleichen?
Sie rief: Das zu sehn, hätt ich nie geglaubt.

Man nannte den Knaben Bedr ed-Dîn Hasan, und sein Großvater, der Wesir von Basra, freute sich über ihn; und er veranstaltete Feste und Gastmähler, wie sie sich für Söhne von Königen geziemen würden. Dann nahm er den Nûr ed-Dîn mit sich und brachte ihn zum Sultan; und als jener vor den König trat, küßte er den Boden vor ihm. Er besaß aber große Redegewalt, sein fester Geist entschloß sich bald, er war gut im Tun und schön von Gestalt; und so sprach er diese Verse:

Lang mögen dir die Freuden dauern, o mein Herr!
Mögest du so lange leben wie Nacht und Tageslicht!
Es tanzt die Welt, die Zeit klatscht in die Hände,
Wenn man von dir und deinem hohen Eifer spricht.



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Da erhob der Sultan sich, um die beiden zu ehren; er dankte dem Nûr ed-Dîn für seine Worte und fragte seinen Wesir: ,Wer ist der Jüngling?' Da mußte der Wesir seine Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählen. Zunächst antwortete er: ,Dies ist meines Bruders Sohn.' Dann fragte der Sultan weiter: ,Und wie kommt es, daß er dein Neffe ist und wir nie von ihm hörten?' Der Wesir antwortete: ,O unser Herr und Sultan, ich hatte einen Bruder, der war Wesir im Lande Ägypten; und als er starb, hinterließ er zwei Söhne, von denen der ältere an seines Vaters Stelle Wesir wurde, während dieser, sein jüngerer Sohn, zu mir kam. Nun hatte ich geschworen, meine Tochter niemandem zu vermählen als ihm; und als er kam, vermählte ich ihn also meiner Tochter. Er ist noch jung, ich aber bin ein alter Greis geworden; mein Gehör hat abgenommen, und meine Tätigkeit ist zu Ende gekommen; und deshalb wollte ich unseren Herrn und Sultan bitten, ihn an meine Stelle zu setzen, denn er ist meines Bruders Sohn und Gatte meiner Tochter. Er verdient das Wesirat; denn er ist ein Mann von Einsicht und Umsicht.' Der Sultan blickte Nûr ed-Dîn an, und er gefiel ihm; und so gab er ihm das Amt, um das der Wesir für ihn hat. Und er ernannte ihn in aller Förmlichkeit und schenkte ihm ein prachtvolles Ehrengewand und eine Mauleselin aus seinem eigenen Gestüt; ferner verlieh er ihm Gehalt und Einkünfte. Nûr ed-Dîn aber küßte dem Sultan die Hand; und sie gingen hocherfreut nach Hause, er und sein Schwiegervater, und sagten: ,All dies kommt durch das Glück des neugeborenen Hasan!' Darauf trat Nûr ed-Dîn am nächsten Tage vor den König, küßte den Boden und sprach die Verse:

Das Glück erneue sich mit jedem Tage,
Ein guter Stern besieg des Neiders List.



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Weiß seien deine Tage immerdar,
Doc!, schwarz der Tag des, der dir feindlich ist!

Da gebot ihm der Sultan, sich auf den Sessel des Wesirs zusetzen; und er setzte sich und übernahm die Pflichten seines Amtes und untersuchte die Angelegenheiten und Streitsachen der Untertanen, wie es die Gewohnheit der Wesire ist. Der Sultan sah ihm zu und wunderte sich darüber, wie er so bestimmt und verständig seine Anordnungen und Entscheidungen traf. Daher gewann er ihn lieb und zog ihn in sein Vertrauen. Als aber die Versammlung entlassen war, ging Nûr ed-Dîn nach Hause und erzählte seinem Schwiegervater, was geschehen war; der war hocherfreut darüber. Von da ab verwaltete Nûr ed-Dîn das Wesirat immerdar so, daß der Sultan sich Tag und Nacht nicht mehr von ihm trennen wollte. Und der Sultan erhöhte seine Einkünfte und Gehälter, bis Nûr ed-Dîn zu einem reichen Manne wurde und ihm Schiffe gehörten, die auf seinen Befehl Handeisreisen machten; auch hatte er schwarze und weiße Sklaven, und er legte viele Güter an mit Schöpfwerken und Gärten. Als aber sein Sohn Hasan vier Jahre alt war, da starb der alte "Wesir, der Vater seiner Gattin; und er hielt eine prunkvolle Totenfeier für seinen Schwiegervater ab, ehe er ihn in den Staub bettete. Darauf befaßte er sich mit der Erziehung seines Sohnes; und als der Knabe größer wurde und sieben Jahre alt war, brachte er ihm einen Lehrer, damit der ihn in seinem eigenen Hause unterrichte; und er trug diesem auf, ihn zu lehren und ihm eine feine Bildung und gute Erziehung zuteil werden zu lassen. So unterrichtete der Meister den Knaben im Lesen, ließ ihn mancherlei nützliches Wissen lernen und las mit ihm den Koran wiederholt im Laufe einiger Jahre. Doch Hasan nahm auch noch immer mehr zu an Lieblichkeit und des Ebenmaßes Vollkommenheit; so wie der Dichter sagt:



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Vollkommen wie ein Mond am Himmel seiner Anmut!
Die Sonne geht strahlend auf aus den Blüten seiner Wangen.
Er hat die ganze Anmut in sich vereint, und es ist,
Als hätten alle Geschöpfe von ihm ihre Schönheit empfangen.

Und der Lehrer erzog ihn in seines Vaters Palast; denn er verließ seit seiner Geburt nie das Ministerschloß. Doch eines Tages nahm ihn sein Vater, der Wesir Nûr ed-Dîn, legte ihm seine besten Kleider an, setzte ihn auf ein ausgewähltes Maultier und führte ihn zum Sultan. Als er dort eintrat, sah der König den Bedr ed-Dîn Hasan, den Sohn des Wesirs Nûr ed-Dîn, an, und er hatte Gefallen an ihm und gewann ihn lieb. Das Volk des Reiches aber verwunderte sich, als er mit seinem Vater zum ersten Male an ihnen vorbeiging, auf dem Wege zum König, ob seiner Schönheit; und sie setzten sich am Wege nieder und warteten auf seine Rückkehr, um sich an ihm zu erfreuen, an seiner Schönheit und Lieblichkeit und an seines Ebenmaßes Vollkommenheit; wie es der Dichter in diesen Versen sagt:

Es schaute der Sterndeuter einst, da erschien ihm in der Nacht
Der Liebliche, verwirrend durch seiner Schönheit Pracht.
Orion blieb sinnend stehen, als so der Anmut Gewalt
An ihm sich entfaltete und strahlte aus seiner Gestalt.
Ihm hatte Saturn gegeben sein wunderbar schwarzes Haar
Und ihm die Farbe des Moschus geschenkt für sein Schläfenpaar.
Mars brachte seine Gabe, die Wange ihm rot zu schmücken;
Und der Bogenschütz sandte ihm die Pfeile aus seinen Blicken;
Merkur hatte ihm verliehen den allerschärfsten Verstand,
Der Große Bär von ihm die Blicke der Neider gewandt.
Da stand der Deuter verwirrt ob dessen, was er erblickt,
Und eilte und küßte den Boden vor ihm, der ihn ganz berückt.

Als der Sultan ihn angeschaut hatte, behandelte er ihn mit besonderer Gunst; denn er hatte ilm liebgewonnen. Und er sagte zu seinem Vater: ,O Wesir, du mußt ihn unbedingt immer mit dir bringen'; worauf jener versetzte: ,Ich höre und gehorche.'



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Der Wesir ging dann mit seinem Sohne nach Hause und führte ihn immerdar zum Sultan, bis der Knabe sein fünfzehntes Jahr erreichte. Um diese Zeit aber erkrankte sein Vater, der Wesir Nûr ed-Din; und er ließ seinen Sohn kommen und sagte zu ihm: ,Wisse, o mein Sohn, die irdische Welt ist ein Haus der Vergänglichkeit, aber die himmlische Welt ist ein Haus der Ewigkeit. Ich möchte dir jetzt einige Ermahnungen ans Herz legen; achte auf das, was ich sage, und richte deinen Sinn darauf!' Dann gab er ihm Anweisungen über die beste Art des Verkehrs mit den Menschen und über die Art, seine Geschäfte zu leiten. Darauf aber gedachte Nûr ed-Dîn seines Bruders und seiner Heimat und seines Landes, und er weinte ob seiner Trennung von den Freunden. Doch er trocknete seine Tränen und sprach die Verse:

Wenn wir klagen ob Trennung, was sollen wir sagen?
Oder quält uns die Sehnsucht, wohin uns wagen?
Oder senden wir Boten als Dolmetscher für uns?
Nicht bringen die Boten des Liebenden Klagen.
Oder bin ich geduldig, der Liebende schwindet,
Nach Verlust des Geliebten gar bald von hinnen.
Ihm bleibet jetzt nichts mehr als Leiden und Seufzen
Und Tränen, die ihm auf die Wangen rinnen.
O die dafern sind dem Blick meines Auges,
Und die doch immer im Herzen mir weilen! Wird es euch sehen? Doch wißt, meine Freundschaft
Kann trotz langer Trennung sich niemals zerteilen.
Oder habt ihr beim Fernsein die Liebe vergessen,
Wo doch die Tränen und Seufzer euch gelten?
Wenn mich das Leben mit euch noch vereinet,
So will ich euch dort noch lange Zeit schelten!

Als er sein Lied und seine Klage beendet hatte, wandte er sich zu seinem Sohne und sprach: ,Ehe ich dir meinen letzten Willen mitteile, erfahre, daß du einen Oheim hast; er ist Wesir von Ägypten, und ich habe mich von ihm getrennt und ihn ohne



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seine Zustimmung verlassen. Nimm nun ein Blatt Papier und schreib darauf, was ich dir sage!' Da nahm Bedr ed-Dîn Hasan ein Blatt Papier und begann darauf zu schreiben, wie ihm sein Vater sagte. Der diktierte ihm alles, was ihm begegnet war, von Anfang bis zu Ende. Auch ließ er ihn aufschreiben die Zeit seiner Vermählung und Hochzeit mit der Tochter des Wesirs und die Zeit seiner Ankunft in Basra und seines Zusammentreffens mit dem Wesir; ferner, daß er selbst noch nicht vierzig Jahre alt gewesen sei zur Zeit des Streites mit seinem Bruder. Und er fügte hinzu: ,All dies ist für ihn nach meinem Diktat geschrieben, und möge Allah mit ihm sein, wenn ich dahin hin!' Darauf faltete er das Papier, versiegelte es und sagte: ,O Hasan, mein Sohn, bewahre diese Urkunde; denn was darauf geschrieben steht, wird deine Herkunft und deinen Rang und deinen Stammbaum beweisen. Und wenn dir Arges widerfährt, so mache dich auf nach Ägypten, frage nach deinem Oheim, laß dich zu ihm führen und tu ihm kund, daß ich gestorben bin als ein Fremdling und voller Sehnsucht nach ihm.' Da nahm Bedr Dîn Hasan die Urkunde und faltete sie; und er nähte sie zwischen Futter und Stoff seines Tarbusch ein und wand einen Seidenturban darum, indem er weinte, weil er sich schon so jung von seinem Vater trennen sollte. Nur ed-Dîn aber sprach: ,Ich vermache dir jetzt fünf Weisungen. Die erste Weisung ist: Schließ dich an niemanden zu eng an, so wirst du sicher sein vor seiner Arglist; denn die Sicherheit liegt in der Verschlossenheit und darin, daß du Gemeinschaft und nahen Verkehr meidest. Ich habe einen Dichter sagen hören:

In deinem Leben ist keiner, auf dessen Freundschaft du baues';
Nie wahrte ein Freund die Treue dem, den das Unglück schlug.
So lebe für dich allein, verlaß dich auf keinen Menschen;
Ich rate mit meinem Spruche dir gut; das sei genug!



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Die zweite Weisung ist diese, o mein Sohn: Sei gegen niemanden hart, auf daß das Schicksal nicht hart sei gegen dich; denn das Geschick ist einen Tag für dich und den anderen Tag gegen dich. Die irdische 'Welt ist nur ein Darlehn, das man zurückzahlen muß. Und ich habe einen Dichter sagen hören:

Besinn dich und baste nie mit irgendeinem Plane,
Hab Mitleid mit den Menschen, so wirst du durch Mitleid beglückt.
Es gibt keine Macht der Welt, über der nicht Gottes Macht stände;
Und jeder Tyrann wird noch durch einen Tyrannen bedruckt.

Die dritte Weisung ist diese: Üb Schweigen und kümmere dich um deine eigenen Fehler eher als um die Fehler der anderen Menschen; denn es heißt im Sprichwort: Wer Schweigen übt, gewinnt. Und auch darüber habe ich eines Dichters Verse gehört:

Das Schweigen ist ein Schmuck, und das Stillesein bringt Gewinn.
Doch mußt du einmal reden, so meid es, ein Schwätzer zu sein.
Denn wenn du dein Schweigen auch ein einziges Mal bereitest,
So wirst du dein Reden doch noch viele Male bereun.

Die vierte Weisung, o mein Sohn, ist diese: Ich warne dich, Wein zu trinken; denn der Wein ist der Quell allen Übermuts, und der Wein macht den Verstand schwinden. Darum hüte dich, hüte dich, Wein zu trinken! Ich hörte auch hierüber einen Dichter sagen:

Ich meide den Wein und auch den, der ihn trinkt;
Und wer ihn verdammt, dem stimme ich bei.
Der Wein führt abseits vom Wege des Heils
Und macht für das Böse die Tür weit und frei.

Und die fünfte Weisung, o mein Sohn, ist diese: Erhalte deinen Besitz, und er wird dich erhalten; behüte deinen Besitz, und er wird dich behüten; und verschwende nicht, was du hast, damit du nicht die Geringsten der Menschen anzubetteln brauchst. Spare die Piaster, so hast du Pflaster! Und auch hier wieder habe ich einen Dichter sagen hören:



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Hab ich kein Geld, so hab ich auch keinen Freund zum Gefährten;
Hab ich aber viel Geld, so find ich Freunde in allen.
Wie mancher Genosse wollte beim Geldausgeben mir helfen!
Wie mancher Gefährte ließ beim Mangel des Geldes ,nich fallen!'

So gab Nûr ed-Dîn seinem Sohne Bedr ed-Dîn Hasan viele weise Ermahnungen, bis ihn das Leben verließ. Da herrschte die Trauer in seinem Hause, und auch der Sultan und alle Emire trauerten um ihn, und sie bestatteten ihn. Bedr ed-Dîn aber blieb in Trauer um seinen Vater zwei Monate lang, während derer er nicht ausritt, nicht zur Ratsversammlung ging noch auch dem Sultan nahte. Da ward der Sultan zornig über ihn, ernannte an seiner Stelle einen seiner Kammerherren und machte den zum Wesir, indem er zugleich Befehl gab, Beschlag auf alles zu legen, was dem Nûr ed-Dîn gehört hatte, sein Vermögen, sein Haus und seine Landgüter. So zog der neue Wesir aus, um dies zu tun und um Bedr ed-Dîn Hasan, den Sohn des Verstorbenen, zu ergreifen, damit er ihn vor den Sultan brächte, der dann nach seinem Gutdünken mit ihm verfahren sollte. Nun war unter den Soldaten ein Mamluk des verstorbenen Wesirs; als der diesen Befehl vernahm, trieb er sein Pferd an und ritt in aller Eile zu Bedr ed-Dîn Hasan. Er fand ihn, am Tore sitzend, mit gebeugtem Haupte, trauernd und gebrochenen Herzens; rasch sprang er ab, küßte ihm die Hand und sagte: ,O mein Herr und Sohn meines Herrn, rasch, mache dich auf; sonst ereilt dich des Verderbens Lauf!' Da begann Hasan zu zittern und fragte: ,Was ist geschehene' Jener erwiderte: ,Der Sultan zürnt dir und hat einen Haftbefehl gegen dich erlassen; das Unheil kommt dicht hinter mir her auf dich zu. Drum spring auf, um dein Leben zu retten!' Hasan fragte weiter: ,Bleibt mir noch Zeit, in mein Haus hineinzugehen und mir ein wenig weltliches Gut zu holen, zu dem ich auf der



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Wanderschaft meine Zuflucht nehmen kann?' Aber der Sklave rief: ,O mein Herr, steh augenblicklich auf, laß das Haus hinter dir und beeile dich!' Dann sprach er die Verse:

Rette dein Leben, wenn dir vor Unheil graut;
Lasse das Haus beklagen den, der es erbaut!
Du findest schon eine Stätte an anderem Platz;
Fur dein Leben findest du keinen Ersatz.
Laß dich in wichtiger Sache auf Boten nicht ein;
In Wahrheit hilft die Seele sich ganz allein.
Des Löwen Nacken ist so kräftig nicht,
Solange es ihm an Selbstvertrauen gebricht.

Bei diesen Worten des Mamluken bedeckte Bedr ed-Dîn sich das Haupt mit dem Saum seines Gewandes und ging auf und davon, bis er vor den Toren der Stadt stand; und dort hörte er die Leute sagen: ,Der Sultan hat den neuen Wesir in das Haus des verstorbenen Wesirs geschickt, um auf sein Vermögen und seinen Besitz Beschlag zu legen und seinen Sohn Bedr ed-Dîn Hasan zu ergreifen und vor ihn zu führen, damit er ihn töten lasse'; und alle riefen: ,Wehe um seine Schönheit und Anmut!' Als er diese Reden der Leute hörte, floh er davon aufs Geratewohl, ohne zu wissen, wohin er ging; und er eilte ohne Aufenthalt weiter, bis ihn das Schicksal zu seines Vaters Grabe führte. Er trat auf den Totenacker und suchte sich den Weg durch die Gräber; schließlich setzte er sich nieder am Grabe seines Vaters und nahm von seinem Haupte den Saum seines Gewandes herab, das eine goldgestickte Borte hatte, worauf diese Verse standen:

O du, des Antlitz hell erstrahlt,
Den Sternen gleich, wie der Tau so klar:
Auf ewig daure deine Macht,
Dein hoher Ruhm währe immerdar!

Während er so bei seines Vaters Grabe saß, siehe, da kam ein Jude zu ihm, der aussah wie ein Geldwechsler, und der ein



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Paar Satteltaschen trug, in denen viel Gold war. Der jude trat an Hasan el-Basri 1 heran und sprach zu ihm: ,O Herr, warum sehe ich dich so verändert?' ,Ich schlief vor noch nicht einer Stunde', erwiderte Hasan, ,da erschien mir mein Vater und schalt mich, weil ich sein Grab noch nicht besucht hatte; sofort machte ich mich auf, zitternd vor Furcht, der Tag verstreiche, ohne daß ich ihn aufgesucht hätte, denn das wäre mir unerträglich gewesen.' ,Junger Herr', versetzte der jude, ,dein Vater hatte viele Kauffahrer auf See, und da jetzt einige fällig sind, so ist es mein Wunsch, dir die Ladung des ersten Schiffes, das in den Hafen einläuft, für diese tausend Golddinare abzukaufen.' Und der Jude nahm einen der Beutel voll Gold, zählte daraus tausend Dinare ab, gab sie Hasan, dem Sohn des Wesirs, und sagte: ,Schreib mir eine Kaufurkunde und siegle sie!' So nahm Hasan, der Sohn des Wesirs, ein Blatt Papier und schrieb darauf: ,Der Schreiber, Bedr ed-Dîn Hasan, Sohn des 'Wesirs Nûr ed-Dîn , hat Isaak, dem Juden, um tausend Dinare die ganze Ladung des ersten der Schiffe seines Vaters verkauft, das in den Hafen einläuft; und erbat den Preis im voraus erhalten.' Da nahm der Jude die Urkunde in Empfang; Hasan aber begann zu weinen, als er daran dachte, in welch hoher Stellung er eben noch gewesen war; und er sprach die Verse:

Das Haus ist, seit du, o Herrin, fortgingest, gar kein Haus;
Der Nachbar kann, seit du gingest, mir nicht mehr Nachbar sein.
Der Freund auch, mit dem ich einst in ihm den Bund geschlossen,
Ist mir kein Freund mehr, ja, der Mond verlor seinen Schein.
Du gingst und ließest beim Scheiden die Welt in Trauer zurück;
Und Finsternis bedeckte sie danach weit und breit.
Den unglückseligen Raben, der bei unsrer Trennung krächzte,
Umschließe nie mehr ein Nest! Er verliere sein Federkleid!
Nun mir die Geduld versagt, zehrt mir dein Abschied am Leibe;



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Wie mancher Vorhang fiel bei der Trennung zerrissen nieder!
Wirst du die einstigen Nächte, wie wir sie gemeinsam verlebten,
Noch wiederkehren sehen? Vereint uns das Haus je wieder?

Dann weinte er bitterlich; und als die Nacht ihn überfiel, lehnte er das Haupt gegen seines Vaters Grab und sank in Schlaf. Er erwachte auch nicht, als der Mond aufging; doch sein Haupt fiel von dem Grabe herunter, und er lag auf seinem Rücken da, und hell glänzte sein Gesicht im Mondenschein.

Nun aber war der Totenacker eine Stätte der rechtgläubigen Dämonen; und alsbald trat eine Dämonin hervor und sah den schlafenden Hasan. Bei diesem Anblick staunte sie ob seiner Schönheit und Anmut und rief: ,Ehre sei Allah! Dieser Jüngling gleicht einem der Paradieseskinder!' Darauf flog sie himmelwärts, um nach ihrer Gewohnheit durch die Lüfte zu kreisen. Dort traf sie einen fliegenden Dämon; der begrüßte sie, und sie sprach zu ihm: ,Von wannen kommst du?' Und er versetzte: ,Aus dieser Gegend.' ,Willst du mit mir kommen und die Schönheit eines Jünglings betrachten, der dort auf dem Totenacker schläfte' fragte sie; und er erwiderte: ,Gern.' Da flogen sie weiter und ließen sich schließlich bei dem Grab zur Erde hinab. Sie fragte ihn: ,Hast du je in deinem Leben seinesgleichen gesehene' Der Dämon sah ihn an und rief: ,Preis sei Ihm, der ohnegleichen ist! Aber, o meine Schwester, soll ich dir sagen, was ich gesehen habet' Sie fragte: ,Was ist es?' ,Ich sah', antwortete er, ,das Gleichnis dieses Jünglings im Lande Ägypten. Es ist die Tochter des Wesirs Scheins ed-Din; sie ist fast zwanzig Jahre alt, von ebenmäßiger Gestalt, ein Bild von Schönheit und Lieblichkeit und von strahlender Vollkommenheit. Als sie dies Alter erreichte, hörte der Sultan von Ägypten von ihr, schickte nach dem Wesir, ihrem Vater, und sagte zu ihm: ,Wisse, o Wesir, mir ist zu Ohren gekommen, du habest



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eine Tochter, und ich will sie von dir zur Frau erbitten.' Der Wesir aber erwiderte: ,O unser Herr und Sultan, geruhe und nimm meine Bitte um Verzeihung an und habe Mitleid mit meinem Kummer; denn du weißt, daß mein Bruder Nûr ed-Din uns verlassen hat, und wir wissen nicht, wo er jetzt ist. Er war ja mein Genosse im Wesirat; aber der Grund, daß er im Zorn fortging, war folgender: Ich saß einmal mit ihm zusammen, und wir sprachen über Heirat und über Kinder; da stritten wir, und er geriet in Zorn. Aber ich habe geschworen, ich wolle niemandem meine Tochter vermählen, außer dem Sohn meines Bruders; das geschah am Tage, da ihre Mutter sie gebar, und das ist jetzt etwa achtzehn Jahre her. Kürzlich nun vernahm ich, daß mein Bruder sich mit der Tochter des Wesirs von Basra vermählt hat; sie aber hat ihm einen Sohn geboren, und ich will meine Tochter niemandem als ihm vermählen, um meinen Bruder zu ehren. Ich habe auch die Daten meiner Hochzeit und der Empfängnis meines Weibes und der Geburt meiner Tochter verzeichnet. Sie also gebührt ihrem Vetter; für unseren Herrn, den Sultan, aber gibt es Mädchen in Fülle.' Doch als der König die Worte des Wesirs vernommen hatte, ergrimmte er gewaltig und rief: ,Wenn meinesgleichen von deinesgleichen eine Tochter zur Ehe verlangt, da willst du sie vorenthalten und faule Ausreden machen? Beim Leben meines Hauptes, ich will sie dir zum Trotz mit dem Geringsten meiner Diener vermählen!' Nun war bei Hofe ein Stallknecht beschäftigt, bucklig auf Brust und Rücken; den ließ der Sultan holen und stellte ohne weiteres die Eheurkunde für ihn und die Tochter des Wesirs aus. Er hat befohlen, daß der Knecht heute nacht zu ihr eingehen solle und daß man ihm einen Hochzeitszug rüste. Ich habe ihn soeben verlassen, wie er unter den Mamluken des Sultans stand, die rings um ihn Fackeln angezündet



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haben und sich über ihn lustig machen am Tor des Badehauses. Des Wesirs Tochter aber sitzt unter ihren Kammerfrauen und Zofen und weint, sie, die doch unter allen Menschen diesem Jüngling am meisten gleicht! Man hat sogar auch ihrem Vater den Zutritt zu ihr verboten. Nie, o meine Schwester, habe ich ein scheußlicheres Wesen als diesen Buckligen gesehen; das Mädchen aber ist noch schöner als dieser Jüngling.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 22. Nacht anbrach, sprach sie: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß, als der Dämon der Dämonin berichtet hatte, wie der König den Ehevertrag zwischen dem buckligen Knecht und der Jungfrau hatte aufsetzen lassen, die darüber tieftraurig war, und wie an Schönheit ihr nur dieser Jüngling gleichkomme, —daß da die Dämonin rief: ,Du lügst! Dieser Jüngling ist der schönste Mensch seiner Zeit.' Doch der Dämon bestritt es ihr, indem er sprach: ,Bei Allah, meine Schwester, das Mädchen ist schöner als dieser; doch niemand als er verdient sie, denn sie gleichen einander wie Geschwister oder Geschwisterkinder. Wie schade um sie, daß sie diesem Buckligen gehören soll!' Da sprach die Dämonin: ,Mein Bruder, laß uns doch unter den Jüngling kriechen und ihn emporheben und zu dem Mädchen bringen, von dem du redest; dann werden wir sehen, wer von ihnen beiden schöner ist.' Der Dämon antwortete ihr: ,Ich höre und gehorche! Das ist ein richtiges Wort und der beste Vorschlag; ich selber will ihn tragen.' Darauf hob er ihn vom Boden auf und flog mit ihm davon in die Lüfte; die Dämonin aber hielt sich eng an seiner Seite, bis er ihn in der Stadt Kairo niederließ, auf eine steinerne Bank legte und weckte. Da fuhr Hasan aus dem Schlafe auf, und als er sah, daß er nicht mehr auf seines Vaters Grab im Lande von



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Basra lag, blickte er um sich nach rechts und links und erkannte, daß er in einer anderen Stadt war; fast hätte er aufgeschrien, doch der Dämon stieß ihn an. Der hatte ihm ein prächtiges Gewand mitgebracht, und er kleidete ihn darein, zündete ihm eine Fackel an und sagte: ,Wisse, ich habe dich hierhergebracht und will um Allahs willen eine gute Tat an dir tun; also nimm diese Fackel, geh zu jenem Badehause und menge dich unter die Leute; dann geh immer weiter mit ihnen, bis du das Haus der Braut erreichst. Dort schreite geradeaus und tritt in den großen Saal; und fürchte niemanden, sondern stelle dich, wenn du eingetreten bist, zur rechten Seite des buckligen Bräutigams auf. Sooft dann von den Zofen, Kammerfrauen und Sängerinnen eine zu dir kommt, greife in deine Tasche, die du voll Gold finden wirst, nimm eine Handvoll und wirf es ihnen zu und sei unbesorgt; denn sooft du auch indie Tasche greifst, wirst du sie immer wieder voll Gold finden. Gib jedem, der zu dir kommt, eine ganze Handvoll und fürchte nichts, sondern traue auf Ihn, der dich erschuf! Denn dieses alles geschieht nicht durch deine eigene Kraft, sondern auf Befehl Allahs.' Als Bedr ed-Dîn Hasan diese Worte des Dämonen hörte, sagte er zu sich selber: ,Ich möchte wohl wissen, was das für ein Mädchen ist und was diese Freundlichkeit bedeutet!' Dann ging er mit der brennenden Fackel dahin und kam zu dem Badehause, wo er den Buckligen hoch zu Roß vorfand. Da drängte er sich hin durch die Menge, so wie er war, eine herrliche Gestalt und schön gekleidet, wie wir berichtet haben: er trug Tarbusch und Turban und ein goldgesticktes Gewand mit langen Ärmeln. Und er ging immer weiter mit dem Hochzeitszug dahin, und sooft die Sängerinnen stillstanden, um von dem Volk Geschenke zu empfangen, griff er in seine Tasche; und da er sie angefüllt fand mit Gold, so nahm er eine



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Handvoll heraus, warf es auf das Tamburin, das die Sängerin hinhielt, und füllte es mit Dinaren. Die Sängerinnen wurden ganz verwirrt, und das Volk verwunderte sich ob seiner Schönheit und Anmut. Er aber fuhr so fort, bis sie das Haus des Wesirs erreichten, wo die Kämmerlinge das Volk zurückhielten und abwiesen; aber die Brautführerinnen sagten: ,Bei Allah, wir treten nicht ein, wenn nicht auch dieser Jüngling mit uns eintritt; denn er hat uns durch seine Freigebigkeit reich gemacht, und wir wollen die Braut nur putzen, wenn er zugegen ist.' Und alsbald nahmen sie ihn mit in die bräutliche Halle und ließen ihn sitzen, ob auch der bucklige Bräutigam böse Augen machte. Alle die Frauen der Emire, der Wesire und der Kammerherren standen in doppelter Reihe, und jede trug eine große brennende Kerze, und alle trugen dünne Schleier vor den Gesichtern; und die beiden Reihen erstreckten sich rechts und links vom Hochzeitsthron der Braut bis oben zum anderen Ende der Halle, neben dem Zimmer, aus dem die Braut herauskommen sollte. Als aber die Damen auf Bedr ed-Dîn Hasan blickten, auf seine Schönheit und Lieblichkeit und sein Antlitz, das da leuchtete wie der junge Mond, neigten alle Herzen sich ihm zu, und die Sängerinnen sagten zu den Damen, die anwesend waren: ,Wisset, dieser Herrliche füllte uns die Hände mit lauter rotem Golde; drum laßt es an nichts fehlen in seiner Bedienung und gehorchet ihm in allein, was er sagt!' Da drängten sich all die Frauen um ihn mit ihren Fackeln und blickten auf seine Anmut und neideten ihm seine Schönheit; und eine jede hätte gern eine Stunde oder lieber noch ein Jahr an seiner Brust gelegen. Ja, sie ließen die Schleier von den Gesichtern fallen, da ihre Herzen so betroffen waren, und sagten: ,Glücklich die, die diesen Jüngling besitzt oder deren Herr er ist!' Dann riefen sie Flüche herab auf den buckligen Knecht



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und auf den, der dessen Hochzeit mit dem schönen Mädchen veranlaßt hatte; und sooft sie nun Bedr ed-Dîn Hasan segneten, so oft fluchten sie dem Buckligen.

Darauf schlugen die Sängerinnen die Tamburine und bliesen die Flöten; und herein trat alsbald die Tochter des Wesirs, umgeben von ihren Zofen. Die hatten sie mit duftenden Spezereien erquickt, ihr das Haar mit Weihrauch beräuchert und schön geschmückt, und sie mit Kleinodien und Gewändern bedeckt, wie sie den Perserkönigen anstanden. Zu ihrer Kleidung gehörte aber ein Gewand, das über die andern Kleider herabfiel; das war bestickt mit rotem Golde und mit den Bildern von wilden Tieren und Vögeln geschmückt; ihren Hals hatten sie umgeben mit einem Halsband aus jemenischer Arbeit: das war Tausende wert und bestand aus lauter Edelgestein, dergleichen nannte noch kein König von Reicharabien und kein Kaiser sein. Und die Braut war wie der volle Mond, wenn er in der vierzehnten Nacht am Himmel thront; als sie eintrat, glich sie einer Paradiesesmaid -Preis sei Ihm, der sie in solchem Glanz der Schönheit erschuf! Die Damen umgaben sie wie die Sterne den Mond, wenn er die Wolken durchleuchtet. Nun aber saß Hasan el-Basri vor den Augen allen Volkes, als die Braut daherschritt mit wiegendem Gang; der bucklige Knecht aber wollte ihr entgegengehen, um sie in Empfang zu nehmen. Doch sie wandte sich ab von ihm und schritt weiter, bis sie vor ihrem Vetter Hasan stand. Da lachte die Menge, und als sie sahen, daß die Braut zu Bedr ed-Dîn gegangen war, erhoben sie lautes Beifallsgeschrei, und die Sängerinnen jubelten. Er aber griff mit der Hand in die Tasche, nahm eine Handvoll Goldes heraus und warf es mitten auf die Tamburine der Mädchen, und die freuten sich und riefen: ,Wir wünschen, diese Braut wäre die deine!' Da lächelte er, und alles Volk drängte



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sich um ihn, der bucklige Knecht aber blieb allein und sah aus wie ein Affe; sooft sie eine Kerze für ihn entzündeten, ging sie aus, und so saß er elend und ohne ein Wort zu sagen im Dunkeln und sah nur sich selber. Vor Bedr ed-Dîn aber leuchteten die Fackeln in den Händen der Leute. Als er nun den Bräutigam allein im Dunkeln sitzen sah und dann auf sich selbst blickte, wie jene Leute ihn umdrängten und die Fackeln da brannten, wurde er verwirrt und wunderte sich sehr; doch als er seine Base ansah, da freute er sich und frohlockte. Dann schaute er ihr Gesicht, wie es im Licht erglänzte und strahlte, zumal da sie jenes Kleid aus roter Seide trug. Dies war das erste Brautgewand, in das die Zofen sie kleideten, während die Augen Hasans sich an diesem Anblicke weideten. Und sie 'wiegte sich im Gehen und neigte sich galant und raubte Frauen und Männern den Verstand, wie der Dichter die Worte erfand, der als vortrefflich bekannt:

Eine Sonne auf einem Stabe, gepflanzt auf einem Hügel,
So erschien sie den Blicken, in dunkelrotem Mieder.
Sie gab mir den süßen Wein ihrer Lippen zu trinken und schmückte
Die Wange mit rosigem Feuer und verlöschte es wieder.

Dann wechselten sie jenes Gewand und legten ihr ein blaues Kleid an; da erschien sie wie der volle Mond, wenn er über dem Horizont aufgeht; ihr Haar war der Kohle gleich, ihre Wange so weich; und ein liebliches Lächeln spielte um ihren Mund; ihre Brust hob sich über den schwellenden Seiten und den Hüften so rund. So zeigten sie sie in diesem zweiten Gewande, und sie war, wie ein Meister hoher Gedanken von ihresgleichen sang:

Sie kam in einem blauen Kleid,
Wie der Himmel in azurner Farbenpracht.
Ich sah auf das Kleid: in ihm erschien
Ein Sommermond in der Winternacht.



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Darauf vertauschten sie auch dies Gewand mit einem neuen; und sie verschleierten ihr das Gesicht in der Fülle ihres Haares und lösten ihr die langen, schwarzen Locken; deren Schwärze und Länge war wie die dunkelste Nacht, und sie durchschoß die Herzen mit den Zauberpfeilen ihres Auges. So zeigten sie sie in dem dritten Gewande, und sie war, wie der Dichter von ihr sagt:
Es flossen die Haare ihr wie ein Schleier über die Wangen;
Sie weckte in mir ein Verlangen, wie Feuersgluten wild.
Ich sprach: Du hast den Morgen in Nacht gehüllt. Doch sie sagte:
Nein, nur den vollen Mond hab ich in Dunkel gehüllt.

Und sie zeigten sie im vierten Brautkleid; da trat sie vor wie die aufgehende Sonne, und sie wiegte sich hin und her in lieblicher Anmut und blickte nach rechts und nach links, wie es die Gazellen tun. Sie traf alle Herzen mit den Pfeilen ihrer Augen; so wie der Dichter sang, als er ihresgleichen beschrieb:

Als Sonne der Schönheit erschien sie den Menschen, die sie erblickten;
Sie strahlte in lieblicher Anmut, verschönt durch Schamhaftigkeit.
Als sie mit ihrem Antlitz und Lächeln der Sonne des Himmels
Entgegentrat, hüllte jene sich in ihr Wolkenkleid.

Und hervor trat sie im fünften Brautkleide, die liebliche Maid; sie war einem Weidenzweig oder einer dürstenden Gazelle gleich; ihre Flechten wallten, und ihre Reize begannen sich zu entfalten; ihre Hüften bebten, und ihre Locken schwebten. Wie einer der Dichter sang, als er ihresgleichen beschrieb:

Sie strahlt wie der volle Mond in einer Nacht des Glückes;
Ihr Wuchs hat weiche Formen, ihr Leib ist schlank und zart.
Ein Auge hat sie, das die Menschen durch Schönheit gefangennimmt;
Die Röte auf ihren Wangen ist von des Rubinen Art.
Und auf die Hüfte fällt ihr herab das Dunkel des Haares;
Hüte dich vor den Schlangen in ihres Haares Gelock!
Zwar sind so weich die Seiten; aber ihr Herz ist dennoch
Trotz ihrer Weichheit härter als wie ein steinerner Block.



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Sie sendet den Pfeil des Blickes hervor unter ihrer Braue,
Er trifft; und sei es auch ferne, niemals fehlet ihr Blick.
Wenn wir einander umfassen und ich ihren Leib umschlinge,
So stößt ihre volle Brust mich von der Umarmung zurück.
Ja, ihre Schönheit ragt über alles Schöne empor;
Ja, ihr Leib ist schlanker als wie das zarteste Rohr.

Nun führten sie sie im sechsten Brautgewande, einem grünen Kleide, einher; und sie beschämte durch ihren Wuchs den braunen Speer. Sie übertraf durch ihre Anmut die Schönen in aller Welt, und ihr strahlendes Antlitz erglänzte reiner als der Vollmond, der den Himmel erhellt; sie erweckte aller Verlangen durch ihre Lieblichkeit, und sie übertraf die Zweige durch ihre Weichheit und Biegsamkeit, ja, durch all, was so herrlich an ihr war, brachte sie viel Herzeleid, wie ihm ein Dichter Ausdruck verleiht:

Ein Mädchen, mit Feinheit und Klugheit begabt;
Du siehst, wie die Sonn ihre Wange entleiht.
Sie kam im Gewande, dem grunen, daher,
Und glich der Granate, von Blättern umreiht.
Wir stellten die Frage: Wie heißt dies Gewand?
Da sprach sie die Worte mit klugem Verstand:
Es brach den beherztesten Männern die Herzen,
Drum nenne ich es den Zerbrecher der Schmerzen.

Schließlich zeigten sie sie im siebenten Kleid, dessen Farbe die Mitte hielt zwischen Saflor und Safran, wie einer der Dichter von ihr sagt:

Im Kleide, gefärbt mit Safran und Saflor, erscheint sie stolz,
Duftend nach Amber und Moschus und köstlichem Sandelholz,
Die Schlanke - wenn auch die jugend ihr zurät: Schreite einher!
So sprechen doch ihre Hüften: Setz dich und gehe nicht mehr!
Und bitte ich um ihre Gunst, hör ich, wie die Schönheit spricht:
Gewähre! Doch ihre Scheu rät ziere, ud: Tue es nicht!

Sooft nun die Braut ihre Augen auftat, sagte sie: ,O Allah, mache diesen zu meinem Gatten und befreie mich von dem



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buckligen Knechte da!' So hatten sie die Braut in all den sieben Gewändern dem Bedr ed-Dîn Hasan el-Basri gezeigt, während der bucklige Knecht allein dasaß. Und als sie diesen Teil der Feier beendet hatten, entließen sie die Menge; alle, die bei der Hochzeit waren, Frauen und Kinder, gingen fort, und niemand blieb da außer Bedr ed-Dîn Hasan und dem buckligen Knecht. Darauf führten die Kammerfrauen die Braut hinein in ein inneres Gemach, wo sie ihr den Schmuck und die Gewänder abnahmen und sie für den Bräutigam bereitmachten. Nun trat der bucklige Knecht zu Bedr ed-Dîn Hasan und sagte: ,O mein Herr, du hast uns heute abend durch deine Gesellschaft erfreut und durch deine Güte überwältigt; doch willst du jetzt nicht aufstehn und davongehen?' Jener erwiderte: ,In Allahs Namen, so sei es!' Dann stand er auf und ging zur Tür hinaus; dort aber trat ihm der Dämon entgegen und sagte: ,Bleib, o Bedr ed-Dîn! Und wenn der Bucklige hinausgeht auf den Abtritt, so geh du hinein, zaudere nicht, sondern setze dich in die Kammer; doch wenn die Braut kommt, sprich zu ihr: Ich bin dein Gemahl; denn der König ersann diese List nur, weil er um dich besorgt war wegen des bösen Blicks. Der, den du sahest, ist nur einer von unseren Stallknechten! Dann tritt auf sie zu und entschleiere ihr Antlitz; denn uns beseelt der Eifer um dich in dieser Sache.' Während Hasan noch mit dem Dämon sprach, siehe, da ging der Knecht hinaus, und er trat in den Abtritt und setzte sich auf den Stuhl. Aber da kam der Dämon in Gestalt einer Maus aus dem Becken hervor, in dem das Wasser stand, und quietschte: ,Piep!' Der Bucklige rief: ,Was ist mit dir?' Da fing die Maus an zu wachsen, bis sie zu einer Katze wurde, und die schrie: ,Miau! Miau!' Und sie wuchs noch immer, bis sie zu einem Hunde wurde, und der bellte: ,Wau! Wau!' Als aber der Knecht das sah, erschrak er und rief



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aus: ,Hinweg mit dir, du Unheilswesen!' Aber der Hund wuchs und schwoll, bis er zu einem Esel wurde; der brüllte und schrie ihm ins Gesicht: ,Iah! lah!' Da zitterte der Bucklige und rief: ,Kommt mir zu Hilfe, ihr Leute vom Hause!' Aber siehe, der Esel wuchs und wurde so groß wie ein Büffel und versperrte ihm den Weg und sprach mit menschlicher Stimme: ,Wehe dir, o du Buckliger, du Stinktier! 'Den Knecht aber drängte der Leib, und er setzte sich mit seinen Kleidern auf das Abtrittloch, und seine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Da sprach der Dämon zu ihm: ,Ist die Welt so eng, daß du keine andere fandest zum Weibe als meine geliebte Herrin?' Als jener schwieg, fuhr der Dämon fort: ,Antworte mir, oder ich mache die Erde zu deiner Wohnung!' ,Bei Allah', rief der Bucklige, ,dies ist nicht meine Schuld; man hat mich dazu gezwungen. Ich wußte nicht, daß sie einen Geliebten unter den Büffeln hatte; aber jetzt bereue ich, zunächst vor Allah, und dann vor dir.' Darauf sprach der Dämon: ,Ich schwöre dir: wenn du jetzt diesen Ort verlässest oder vor Sonnenaufgang nur ein Wort sprichst, so schlage ich dich tot. Wenn aber die Sonne aufgeht, so ziehe deines Weges und kehre nie in dieses Haus zurück.' Darauf packte der Dämon den buckligen Knecht, steckte ilm mit dem Kopf nach unten und den Füßen nach oben in das Abtrittloch hinein und sagte: ,Ich lasse dich hier, aber ich bewache dich bis Sonnenaufgang!'

Soweit der Bucklige! Was aber Bedr ed-Dîn Hasan angeht, so hatte er inzwischen die beiden ihrem Zank überlassen, war ins Haus gegangen und hatte sich mitten in die Kammer gesetzt; und siehe, herein trat die Braut, begleitet von einer alten Frau, die an der Tür stehen blieb und sagte: ,O Vater des geraden Wuchses, steh auf und nimm, was Gott dir anvertraut!' Darauf ging die Alte fort, und die Braut, geheißen Sitt el-Husn,



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das ist die Herrin der Schönheit, trat in den inneren Teil der Kammer, gebrochenen Herzens, und sagte: ,Bei Allah, ich will ihm nicht meinen Leib gewähren, sollte er mir auch das Leben nehmen!' Als sie aber weiterschritt, sah sie Bedr ed-Dîn Hasan und sprach: ,Geliebter, sitzest du immer noch hier? Ich hatte schon zu mir selbst gesagt, ich möchte doch wenigstens dir und dem buckligen Stallknecht zugleich angehören.' Er erwiderte: ,Wie sollte wohl der Knecht zu dir Zutritt haben? Und wie käme es ihm zu, daß er sich mit mir in dich teilen dürfte?' Da fragte sie: ,Und wer ist denn mein Gatte, du oder er?' ,Sitt el-Husn', versetzte Bedr ed-Dîn, ,dies geschah ja nur zum Scherz und um ihn zu verspotten! Als die Zofen und die Sängerinnen und die Hochzeitsgäste deine Schönheit bei deiner Entschleierung vor mir zu Gesicht bekommen sollten, fürchtete dein Vater das böse Auge, und er mietete ihn um zehn Dinare, damit er es ablenken sollte; jetzt aber ist er seiner 'Wege gegangen.' Wie Sitt el-Husn von Bedr ed-Dîn diese Worte vernahm, lächelte sie und freute sich und lachte lustig auf. Und sie sprach zu ihm: ,Bei Allah, du hast mein Feuer gelöscht, und um Allahs willen, nimm mich hin und drücke mich an deine Brust!'

Da sie nun keine anderen Kleider mehr trug, hob sie das eine lange Gewand bis zu den Schultern empor, und da zeigten sich Schoß und Rundung der Hüften. Als Bedr ed-Dîn das sah, erwachte seine Begier, und alsbald legte er seine Kleider ab; den Beutel Goldes, den er von dem Juden erhalten hatte und indem die tausend Dinare waren, wickelte er in seine Hose und steckte sie unter das Ende des Bettes. Auch nahm er den Turban ab und legte ihn auf einen Sessel; nur das feine, goldgestickte Hemd behielt er an. Und Sitt el-Husn zog ihn an sich und er sie. Und er nahm sie in seine Arme und ließ sich von ihr umschlingen,



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rüstete das Geschütz und legte das Bollwerk nieder. Und er fand, daß sie eine Perle war, unversehrt, und daß sie noch keinem je angehört. Er nahm ihr die Mädchenschaft und genoß ihre Jugend, die er ihr auf immer raubte. Er umarmte sie noch viele Male, und sie empfing von ihm. Und schließlich legte Bedr ed-Din seine Hand unter ihr Haupt, und ebenso tat sie ihm, und sie lagen einander in den Armen und schliefen so ein; wie ein Dichter von ihnen in diesen Versen singt:

Gehe zu der, die du liebst, und meide die Worte des Neiders;
Denn der Neidhart ist doch niemals der Liebe gut!
Der Barmherzige schuf nie einen schöneren Anblick
Als ein hebend Paar, das auf einem Bette ruht.
Sie liegen innig umschlungen, bedeckt vom Kleide der Freude.
Und als Kissen dient einem des anderen Arm und Hand.
Wenn die Herzen einander in treuer Liebe verbunden,
Sind sie wie Stahl geschmiedet; kein Mensch zerschlägt das Band.
Und wenn dir in deinem Leben je ein Getreuer begegnet,
Trefflich ist solch ein Freund! Dann lebe fur ihn allein!
Oder du wegen der Liebe das Volk der Liebenden tadelst,
Kannst du dem kranken Herzen ein Arzt und Retter sein?

Lassen wir nun Bedr ed-Dîn Hasan und Sitt el-Husn, seine Base, und wenden wir uns wieder zu dem Dämonen! Der sprach zu der Dämonin: ,Auf, gleite unter den Jüngling und laß uns ihn wieder an seine Stätte bringen, ehe der Morgen über uns hereinbricht; denn die Zeit drängt.' Da schwebte sie hin und glitt unter den Saum seines Hemdes, während er schlief, hob ihn auf und flog mit ihm fort, so wie er war, nur mit dem Hemde bekleidet und ohne andere Kleider; sie flog mit ihm dahin, während der Dämon ihr zur Seite war, bis sie der Morgen auf halbem Wege überraschte und die Gebetsrufer riefen: ,Eilet zum Heil!' Da ließ Allah es geschehen, daß seine Engel einen feurigen Stern auf den Dämon warfen, so daß er verbrannte;



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doch die Dämonin entkam, und sie ließ sich mit Bedr ed-Dîn nieder an der Stelle, wo der Stern den Dämon getroffen hatte, und trug den Jüngling nicht weiter, aus Sorge um sein Leben. Und wie es im Geschick vorherbestimmt war, kamen sie nach Damaskus in Syrien; da legte die Dämonin ihn an einem der Stadttore nieder und flog davon. Als nun der Tag erschien und man die Tore der Stadt auftat, sahen die Leute, die hinauszogen, einen schönen Jüngling in Hemd und Mütze, aller anderen Kleidung bar; und er war, müde von dem langen Wachen, in Schlaf versunken. Als nun die Leute ihn erblickten, sagten sie: ,O die Glückliche, mit der dieser Jüngling die Nacht verbrachte! Aber hätte er sich doch die Zeit genommen, seine Kleider anzuziehen.' Und ein anderer sprach: ,Der arme junge Herr! Vielleicht ist er eben nur aus der Schenke eines Bedürfnisses wegen hinausgegangen, da ist ihm der Wein zu Kopfe gestiegen, er hat den Ort, den er suchte, verfehlt und ist in die Irre gegangen, bis er zum Stadttor' kam; das hat er geschlossen gefunden und hat sich dann zum Schlafe niedergelegt.' Während die Leute so über ihn hin und her redeten, hauchte die Morgenbrise plötzlich über Bedr ed-Dîn hin und hob den Saum seines Hemdes bis zu seinem Leibe empor; und es zeigten sich ein Leib und ein Nabelgrübchen, Schenkel und Lenden wie von Kristall. Da rief das Volk: ,Bei Allah, wie schön!' Bedr ed-Dîn aber erwachte und sah, daß er an einem Stadttor lag und daß viel Volks da war. Verwundert fragte er: ,Wo bin ich, ihr guten Leute? Und weshalb seid ihr zusammengelaufen, und was habe ich mit euch zu tun?' Sie antworteten: ,Wir fanden dich hier beim Ruf zum Morgengebet, im Schlafe liegend, und wir wissen sonst nichts. Wo aber hast du



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in dieser Nacht geschlafen?' Bedr ed-Dîn Hasan rief: ,Bei Allah, ihr Leute, ich habe diese Nacht in Kairo geschlafen.' Einer sagte: ,Du hast wohl Haschisch gegessen'; und ein anderer: ,Bist du von Sinnen? Du verbringst die Nacht in Kairo und liegst am Morgen bei der Stadt Damaskus?' Er aber rief: ,Bei Allah, meine guten Leute, ich lüge euch wirklich nicht an; ich war gestern nacht im Lande Ägypten, und gestern am Tage war ich in Basra.' Da meinte der eine: ,Na, das ist aber gut!' und ein anderer: ,Dieser Jüngling ist besessen!' Und sie klatschten ihn aus und redeten miteinander, indem sie sprachen: ,Wie schade um seine Jugend! Bei Allah, kein Zweifel, er ist irre!' Dann mahnten sie ihn: ,Nimm deinen Verstand zusammen und werde wieder vernünftig!' Aber Bedr ed-Dîn Hasan bestand darauf: ,Ich war gestern Bräutigam im Lande Ägypten.' ,Du hast wohl geträumt', erwiderten sie, ,und das, was du erzählst, im Schlafe gesehen.' Da ward Hasan an sich selbst irre, aber dennoch sprach er zu ihnen: ,Bei Allah, das kann kein Traum sein; und was ich erlebt habe, ist kein Schein! Ich bin sicher dort gewesen, und da hat man die Braut vor mir entschleiert, und noch ein Dritter war da, der Bucklige, der daneben saß. Bei Allah, meine Brüder, dies ist kein Traum, und wäre es ein Traum, wo fände sich denn der Beute! mit Gold bei mir, und wo mein Turban und mein Gewand und meine Hose?' Dann machte er sich auf, trat in die Stadt ein und ging durch die Straßen und durch die Gänge der Basare; das Volk aber drängte sich um um und lief hinter ihm her, bis er in den Laden eines Garkochs eintrat. Nun aber war dieser Koch gescheit, das heißt, er war ein Dieb gewesen; aber Allah hatte ihm die Sünden vergeben, und er hatte eine Garküche eröffnet. Alles Volk von Damaskus fürchtete ihn wegen seines gewaltigen Jähzorns, Jähzorns, und als sie sahen, daß der Jüngling in den Laden



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des Garkochs eintrat, gingen sie aus Angst vor jenem auseinander. Der Koch aber sah Bedr ed-Dîn an; und als er seine Schönheit und Anmut bemerkte, gewann er ihn alsbald lieb. Er fragte ihn: ,Von wannen kommst du, o Jünglinge Erzähle mir deine Geschichte; denn schon bist du mir lieber als mein Leben.' Da erzählte Hasan ihm alles, was ihm widerfahren war. Der Koch sagte darauf: ,O mein Herr Bedr ed-Dîn, wisse, das ist eine wunderbare Geschichte, und dies sind seltsame Berichte. Mein Sohn, verbirg, was dir widerfahren ist, bis Allah deine Last von dir nimmt, und bleib derweilen hier bei mir; denn ich habe keinen Sohn und will dich an Kindes Statt annehmen.' Bedr ed-Dîn antwortete: ,Gern, lieber Oheim!' Darauf ging der Koch in den Basar und kaufte ihm prächtige Kleider und ließ ihn sie anziehn; und er ging mit ihm zum Kadi und erklärte ihn in aller Form für seinen Sohn. Nun wurde Bedr cd-Din Hasan also bekannt in der Stadt Damaskus als der Sohn des Garkochs; und er saß bei ihm im Laden und nahm das Geld ein und lebte so eine Weile mit dem Koch zusammen.

Lassen wir jetzt den Bedr ed-Dîn und seine Erlebnisse, und wenden uns zu seiner Base Sitt el-Husn! Als der Morgen dämmerte und sie aus dem Schlafe erwachte, fand sie den Bedr ed-Dîn Hasan nicht mehr. Sie glaubte, er sei auf den Abtritt gegangen, und wartete eine Stunde lang auf ihn; da trat ihr Vater zu ihr ein. Er war trostlos ob all dessen, was ihm durch den Sultan widerfahren war; daß er ihn gezwungen und seine Tochter gewaltsam einem seiner Diener vermählt hatte, und noch dazu einem elenden buckligen Stallknecht. Und er hatte zu sich selber gesagt: ,Ich will meine Tochter erschlagen, wenn sie sich diesem Verfluchten zu eigen gegeben hat.' So war er bis zum Brautgemach gegangen, an die Tür getreten und hatte gerufen: ,O Sitt el-Husn!' Da antwortete sie: ,Hier bin ich, o



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mein Herr!' Dann kam sie heraus, noch unsicheren Fußes nach all den Freuden der Nacht; und sie küßte den Boden, und ihr Gesicht hatte an Glanz und Anmut noch zugenommen, seit jener gazellengleiche Jüngling zu ihr in die Kammer gekommen. Als aber ihr Vater sie in diesem Zustande sah, da fragte er sie: ,O du Verfluchte, freust du dich so um dieses Pferdeknechtes willen?' 'Wie Sitt el-Husn die Worte ihres Vaters hörte, lächelte sie und sagte: ,Bei Allah, genug an dem, was gestern vorging, als die Gäste über mich lachten und mich mit dem Knecht verglichen, der nicht einmal so viel wert ist wie ein Span von dem Fingernagel meines Gemahls! Bei Allah, noch nie in meinem ganzen Leben habe ich eine Nacht so schön wie die von gestern verbracht. Darum spotte meiner nicht länger, indem du mich an jenen Buckligen erinnerst.' Als ihr Vater diese Worte von ihr hörte, entbrannte er vor Zorn, seine Augen verfärbten sich, und er rief: ,Wehe dir, was für Worte sind dies! Der bucklige Knecht verbrachte die Nacht bei dir!' ,Ich beschwöre dich bei Allah', erwiderte sie, ,nenne ihn nicht mehr, dessen Vater Allah verdamme! Und scherze nicht länger! Denn der Knecht war nur gedungen mn zehn Dinare, und er nahm seinen Lohn und ging seiner Wege. Ich aber trat in das Brautgemach und fand meinen Gemahl dort sitzen, ihn, dem mich zuvor die Sängerinnen entschleiert hatten ;jener war es, der rotes Gold unter sie ausgeteilt hatte, bis die Armen unter den Gästen reich geworden waren. Ich verbrachte die Nacht an der Brust meines zarten Gatten mit den schwarzen Augen und den zusammengewachsenen Brauen.' Und als ihr Vater diese Worte gehört, wurde das Licht vor seinen Augen in Dunkel zerstört, und er schrie sie an: ,O du Buhldirne, was sagst du da? Wo blieb dein Verstand?' ,Väterchen', erwiderte sie, ,du brichst mir das Herz; genug, daß du so hart warst gegen



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mich! Wahrlich, dieser mein Gatte, der mir die Mädchenschaft nahm, ist nur zum Abtritt gegangen; und ich fühle, daß ich von ihm empfangen habe.' Da ging ihr Vater in großer Verwunderung hin zum Abtritt und fand dort den buckligen Stallknecht mit dem Kopf im Loch und den Beinen in der Luft. Bei diesem Anblick wurde der Wesir ganz ratlos und sagte: ,Das ist er ja, der Bucklige!' Und er rief ihn an: ,He, Buckliger!' Doch der Knecht grunzte: ,Heb dich von dannen! Heb dich von dannen!' denn er glaubte, der da spräche, sei der Dämon. Und der Wesir rief nochmals und sagte: ,Sprich, oder ich werde dir mit diesem Schwert den Kopf abschlagen.' Da sprach der Bucklige: ,Bei Allah, o Scheich der Dämonen, seit du mich hier hineingesteckt hast, habe ich den Kopf noch nicht gehoben; ich beschwöre dich bei Allah, habe Mitleid mit mir!' Als aber der Wesir die Worte des Buckligen hörte, fragte er: ,Was redest du da? Ich bin der Vater der Braut, ich bin kein Dämon!' Jener erwiderte: ,Genug, daß du mir das Leben nehmen wolltest! Geh jetzt deines Weges, ehe der über dich kommt, der mich also zugerichtet hat. Konntet ihr mich nicht irgendeiner anderen vermählen als gerade der Geliebten von Büffeln und der Liebsten von Dämonen? Allah verfluche den, der mich mit ihr vermählt hat, und den, der das hier veranlaßt hat!' — — « Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 23. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der bucklige Knecht zu dem Vater der Braut also sprach: ,Allah verfluche den, der das hier veranlaßt hat!' Da sprach der Wesir zu ihm: Steh auf und verlasse diesen Ort!' ,Bin ich verrückt', rief der Knecht, ,daß ich ohne die Erlaubnis des Dämonen mit dir ginge, während der zu mir gesagt hat: Wenn die Sonne aufgeht, komm heraus und



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geh deines Weges. Ist die Sonne aufgegangen oder nicht? Ich kann diesen Ort nicht eher verlassen, als bis die Sonne aufgegangen ist.' Der Wesir fragte ihn: ,Wer hat dich hierhergebracht?' Er antwortete: ,Ich kam gestern abend hierher, um ein dringendes Bedürfnis zu verrichten; und siehe, da kam eine Maus aus dem Wasser und quietschte und wurde immer größer, bis sie die Gestalt eines Büffels erreicht hatte; der sprach Worte zu mir, die mir ins Ohr eingingen. Dann ließ er mich hier so und ging davon; Allah verfluche die Braut und den, der mich mit ihr vermählte!' Da trat der Wesir zu ihm und zog ihn aus dem Abtrittloch heraus; er aber lief eilends davon und glaubte noch kaum, daß die Sonne aufgegangen war, und er ging zum Sultan, dem er alles berichtete, was ihm mit dem Dämonen widerfahren war.

Der Wesir jedoch, der Vater der Braut, ging ins Haus zurück, in großer Sorge um seine Tochter, und er sprach: ,Liebe Tochter, erkläre mir, wie es mit dir steht.' Sie antwortete: ,Der Bräutigam, vor dem ich gestern entschleiert wurde, verbrachte die Nacht bei mir und nahm mir die Mädchenschaft, und ich habe von ihm empfangen. Wenn du mir nicht glaubst, so liegt dort sein Turban, gewunden noch, wie er war, auf dem Stuhl; und seine Hose liegt unter dem Bett, und darein ist etwas gewickelt, von dem ich nicht weiß, was es ist.' Als ihr Vater diese Worte hörte, ging er in die Brautkammer hinein und fand den Turban des Bedr ed-Dîn Hasan, des Sohnes seines Bruders; er nahm ihn sofort in die Hand, wandte ihn um und sprach: ,Dies ist ein Turban, wie ihn Wesire tragen; denn er ist aus Musselin.' Dann erblickte er etwas wie ein Amulett, das in den Tarbusch eingenäht war; und er nahm um und trennte ihn auf. Er hob auch die Hose auf und fand den Beutel mit den tausend Dinaren und öffnete ihn, und darin sah er ein beschriebenes Papier.



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Das las er, und er entdeckte so den Kaufbrief des Juden; der lautete auf den Namen des Bedr ed-Din Hasan, des Sohnes des Nûr ed-Dîn 'Alî, des Ägypters; und auch die tausend Dinare waten darin. Kaum aber hatte Scheins ed-Dîn das Blatt gelesen, als er laut aufschrie und in Ohnmacht zu Boden fiel; und als er erwachte und das Ganze zu begreifen begann, da staunte er und rief: ,Es gibt keinen Gott außer Allah, der allmächtig ist über alle Dinge! Weißt du, o meine Tochter, wer dein rechtmäßiger Gemahl geworden ist?' ,Nein', sagte sie, und er: ,Wahrlich, es ist der Sohn meines Bruders, dein Vetter, und diese tausend Dinare sind seine Morgengabe für dich. Preis sei Allah! Wüßte ich nur, wie all das gekommen ist!' Darauf öffnete er das eingenähte Amulett und fand darin ein beschriebenes Papier und darauf eine Unterschrift in der Hand seines Bruders Nûr ed-Dîn, des Ägypters, des Vaters von Bedr ed-Dîn Hasan. Als er die Handschrift sah, sprach er die Verse:

Ich sehe ihre Spuren, und ich vergehe vor Sehnsucht,
An ihren verlassenen Stätten vergieße ich meine Zähren.
Aber ich bitte ihn, der mir die Trennung von ihnen brachte,
Er möge eines Tages mir gnädig die Heimkehr gewähren.

Als er geendet hatte, las er die Urkunde und fand darin aufgeführt die Daten der Verlobung seines Bruders mit der Tochter des Wesirs von Basra, und seiner Hochzeit mit ihr, und der Geburt des Bedr ed-Um Hasan, und die ganze Lebensgeschichte seines Bruders bis zum Tage seines Todes. Da staunte er sehr und zitterte vor Freude, und er verglich das, was sein Bruder erlebt hatte, mit dem, was ihm selbst widerfahren war; so fand er, daß alles genau übereinstimmte: die Zeit seiner Verlobung mit der seines Bruders, ebenso die seiner Hochzeit, und auch die Zeit der Geburt des Bedr ed-Dîn stimmte zu der seiner Tochter Sitt el-Husn. Da nahm er die Urkunde, ging damit



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zum Sultan und erzählte ihm von Anfang bis zu Ende, was geschehen war; und der König staunte und befahl, daß es sofort aufgezeichnet werden sollte. Dann erwartete der Wesir den ganzen Tag hindurch den Sohn seines Bruders, aber er kam nicht; und er wartete einen zweiten Tag und einen dritten, und so bis zum siebenten Tage, ohne daß Nachricht von ihm kam. Da sagte er: ,Bei Allah, ich will eine Tat tun, wie sie vor mir noch niemand getan hat!' Er nahm Tintenkapsel und Rohrfeder und zeichnete auf ein Papier den Plan des ganzen Hauses; und er zeigte, wie die Kammer lag und wo ein Vorhang hing, und so mit allem, was in dem Hause war. Dann faltete er die Zeichnung zusammen; und erließ die zurückgelassenen Sachen bringen, nahm Bedr ed-Dîns Turban und Tarbusch, Gewand und Beutel, trug das Ganze in sein Zimmer, schloß es ein mit eisernem Schlosse und setzte sein Siegel darauf, um es zu bewahren, wenn etwa sein Neffe Hasan el-Basri käme. Die Tochter des Wesirs aber gebar, als ihre Zeit erfüllet war, einen Sohn; der war wie der volle Mond, das Ebenbild seines Vaters an Schönheit und Vollkommenheit und strahlender Lieblichkeit. Sie durchschnitten ihm die Nabelschnur, schwärzten seine Augenlider mit Bleiglanz und übergaben ihn den Pflegerinnen; und sie nannten ihn 'Adschîb, das ist der Wunderbare. Er aber entwickelte sich, wie wenn bei ihm ein Tag wie ein Monat und ein Monat wie ein Jahr wäre; und als siebenjahre über ihn dahingegangen waren, übergab ihn sein Großvater einem Lehrmeister, und dem trug er auf, ihn zu erziehen, lesen zu lehren und ihm die sorgfältigste Ausbildung zu gewähren. Er blieb in der Schule vier Jahre lang; da begann er mit seinen Mitschülern zu streiten und sie zu schelten, und er pflegte zu ihnen zusagen: ,Wer unter euch ist wie ich? Ich bin der Sohn des Wesirs von Ägypten!' Schließlich aber machten die Knaben sich auf und



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gingen gemeinsam zu dem Lehrer, um sich darüber zu beklagen, wie sie von 'Adschîb zu leiden hatten. Da sagte der Lehrer zu ihnen: ,Ich will euch etwas lehren, was ihr ihm morgen, wenn er zur Schule kommt, sagen sollt; dann wird er es aufgeben, in die Schule zu kommen. Wenn er nämlich morgen kommt, so setzt ihr euch rings um ihn hin und sagt einer zum anderen: ,Bei Allah, dies Spiel soll niemand mit uns spielen, außer wer uns die Namen seines Vaters und seiner Mutter nennt; denn wer die Namen seines Vaters und seiner Mutter nicht weiß, der ist ein Bastard, und der soll nicht mit uns spielen.' Als es dann Morgen ward, kamen die Kinder in die Schule, und unter ihnen 'Adschîb; und sie scharten sich um ihn und sagten: ,Wir wollen ein Spiel spielen, aber niemand soll daran teilnehmen, der uns nicht den Namen seines Vaters und seiner Mutter nennen kann.' Und alle riefen: ,Bei Allah, gut!' Und einer sprach: ,Ich heiße Madschid, und meine Mutter heißt 'Alawîja und mein Vater 'Izz ed-Dîn.' Und ein zweiter sprach in derselben Weise, und dann ein dritter, bis die Reihe an 'Adschîb kam, und er sagte: ,Ich heiße 'Adschîb, und meine Mutter heißt Sitt el-Husn und mein Vater Scheins ed-Dîn, Wesir von Ägypten.' Da riefen sie: ,Bei Allah, der Wesir ist nicht dein Vater.' 'Adschîb aber erwiderte: ,Der Wesir ist wirklich mein Vater.' Da verlachten die Knaben ihn und klatschten in die Hände und riefen: ,Er weiß nicht, wer sein Vater ist; geh weg von uns, denn niemand soll mit uns spielen, außer wer seines Vaters Namen weiß.' Sofort liefen die Knaben von ihm weg und lachten ihn aus; ihm aber wurde beklommen, und er erstickte fast vor Tränen. Da sagte der Lehrer zu ihm: ,Wir wissen, daß der Wesir dein Großvater ist, der Vater deiner Mutter Sitt el-Husn, aber nicht dein Vater. Doch deinen Vater kennst weder du, noch kennen wir ihn; denn der Sultan vermählte



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deine Mutter mit dem buckligen Knecht; aber ein Dämon kam und schlief bei ihr, und du hast keinen bekannten Vater. Darum höre auf, dich über die Kinder der Schule zu überheben, bis du erst einmal weißt, daß du auch einen rechtmäßigen Vater hast; sonst wirst du als ein Kind des Ehebruchs unter ihnen gelten. Weißt du nicht, daß selbst der Sohn eines Hökers seinen Vater kennt? Dein Großvater ist sogar der Wesir von Ägypten; aber deinen Vater kennen wir nicht, und so sagen wir, daß du keinen Vater hast. Also werde wieder vernünftig!' Als aber 'Adschîb gehört hatte, was der Lehrer und die Kinder sagten und welche Schmach sie ihm anhängten, lief er sofort davon, ging zu seiner Mutter Sitt el-Husn und klagte ihr weinend sein Leid; aber die Tränen hinderten ihn am Sprechen. Als seine Mutter hörte, wie er schluchzte und weinte, entbrannte ihr Herz um ihn wie von Feuer; und sie sprach: ,Mein Sohn, warum weinest du? Sag mir, was dir widerfahren ist.' Da erzählte 'Adschîb ihr, was er von den Knaben und dem Lehrer gehört hatte, und fragte: ,Mutter, wer ist denn mein Vater?' Sie erwiderte ihm: ,Dein Vater ist der Wesir von Ägypten'; aber er rief: ,Belüg mich nicht! Der Wesir ist dein Vater, nicht meiner. Wer ist denn mein Vater? Wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, so töte ich mich mit diesem Dolche.' Doch als seine Mutter ihn von seinem Vater sprechen hörte, weinte sie; denn sie dachte an ihren Vetter und daran, wie sie dem Bedr ed-Dîn Hasan el-Basri in den Hochzeitskleidern gezeigt worden war, und an alles, was sie damals miteinander erlebt hatten, und sie sprach diese Verse:

Sie pflanzten die Leidenschaft in mein Herz und gingen,
Jetzt sind die Zelte mit meiner Liebe so weit!
Auch meine Geduld entschwand, seit sie entschwanden;
Mich floh, mir wurde zu schwer die Festigkeit.



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Sie zogen fort, und mich verließen die Freuden;
Ach, eine Stätte der Ruhe finde ich nie.
Sie machten beim Abschied die Tränen des Auges mir rinnen,
Und immer bei ihren, Fernsein vergieße ich sie.
Sehne ich mich danach, sie dereinst zu sehen
Und wird das Seufzen nach ihnen und Warten mir lang,
So denk ich an ihre Gestalt, und in meinem Herzen
Wohnt Liebe und treues Gedenken und Sehnsucht so bang.
Ach, das Gedenken an euch ist mir ein Mantel,
Aus Liebe zu euch ist es ein Kleid mir zumal.
Wie lange noch dieses Fernsein und dies Entfliehn,
O meine Geliebten, wie lange noch diese Qual?

Dann weinte sie und schrie laut auf, und ihr Sohn tat desgleichen; und siehe, der Wesir trat zu ihnen herein, und als er sie beide weinen sah, brannte ihm das Herz in der Brust, und er fragte: ,Worüber weinet ihr?' Da erzählte sie ihm, was sich zwischen ihrem Sohn und den Kindern der Schule zugetragen hatte; und er weinte auch. Er gedachte seines Bruders und dessen, was ihnen beiden widerfahren war, und dessen, was seine Tochter erlebt hatte, und wie er in das Geheimnis von all dem nicht hatte eindringen können. Sofort erhob er sich und ging in die Regierungshalle und trat vor den König, tat ihm alles kund und bat ihn um die Erlaubnis, nach Osten zu reisen, zur Stadt Basra, um nach seines Bruders Sohn zu suchen. Auch bat er den Sultan, ihm Briefe für andere Städte zu schreiben, damit er seinen Neffen ergreifen könnte, wo immer er ilm finden würde. Und er weinte vor dem Sultan; der hatte Mitleid mit ihm und gab ihm Briefe für alle Länder und Städte. Darüber war der Wesir froh, und er betete um Segen für den Sultan. Dann nahm er Abschied von ihm, kehrte sofort in sein Haus zurück und rüstete sich zur Reise, indem er alles mitnahm, dessen er und seine Tochter und sein angenommener Sohn



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'Adschîb bedurften. Und er brach auf und wanderte den ersten Tag und den zweiten und den dritten, bis er in der Stadt Damaskus ankam. Und er sah sie vor sich, reich an Bäumen und Strömen; wie der Dichter von ihr sagt:

Nach meinem Tage in Damaskus und meiner Nacht
Schwur das Geschick: Dort ist ein herrliches Wunder vollbracht!
Wir schliefen; die Tiefe der Nacht befreite von allen Sorgen.
Da kam mit lächelnden: Antlitz in grauweißem Haare der Morgen.
Und der. Tau erglänzte dort auf den Zweigen allen
Wie Perlen, die, vom Zephir geschüttet, auf sie gefallen.
Der See war wie ein Blatt, und die Vögel flogen dahin
Und lasen die Schrift des Windes mit Punkten der Wolken darin.

Der Wesir machte halt auf Maidân el-Hasa; und er ließ die Zelte aufschlagen und sagte zu seinen Dienern: ,Hier werden wir zwei Tage bleiben!' Da gingen die Diener in die Stadt, um ihre Besorgungen zu machen, der eine, um zu verkaufen, der andere, um zu kaufen, der eine ging ins Bad, der andere in die Moschee der Omaijaden, derengleichen es in der Welt nicht gibt. Und auch 'Adschîb ging mit seinem Diener in die Stadt, um sie sich anzusehen, und der Diener folgte mit einem Knüttel so schwer, daß ein Kamel nicht wieder aufgestanden wäre, wenn er es damit geschlagen hätte. Da erblickte das Volk von Damaskus den 'Adschîb. seines Ebenmaßes Vollkommenheit, seine strahlende Lieblichkeit; denn er war ein Knabe so fein und lieblich, so zart und zierlich, weicher als des Nordens Zephirwinde, süßer als des klaren Wassers Gründe für einen, der vom Durst geplagt, und erfreuender als die Gesundheit für einen, an dem die Krankheit nagt. Und es schloß sich ihnen eine gewaltige Menge an, die einen liefen hinterher, und andere liefen ihnen voraus, um sich an den Weg zu setzen, bis er vorüberkam; und schließlich blieb der Sklave, wie es das



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Schicksal bestimmt hatte, vor dem Laden des Bedr ed-Dîn Hasan stehen, der ja der Vater des 'Adschîb war. Nun war sein Bart gewachsen, und sein Verstand war gereift während der zwölf Jahre; und da der Koch gestorben war, so hatte Bedr ed-Dîn Hasan dessen Laden und Besitz geerbt, dieweil er förmlich vor den Richtern und den Zeugen als sein Sohn anerkannt war. Als aber an jenem Tage sein Sohn mit dem Diener vor ihn trat, da blickte er den Knaben an, und als er sah, wie wunderbar schön er war, pochte ihm das Herz, und das Blut trieb ihn zum Blut, und sein Herz neigte sich ihm zu. Nun hatte er gerade verzuckerte Granatapfelkerne bereitet, und die vom Himmel gepflanzte Liebe regte sich mächtig in ihm; so rief er seinen Sohn 'Adschîb an und sagte :, Junger Herr, der du die Herrschaft über mein ganzes Herz gewonnen hast und nach dem sich mein innerstes Wesen sehnt, willst du eintreten in mein Haus und mein Herz erfreuen, indem du von meiner Speise issest?' Dann strömten ihm die Augen über von Tränen, ohne daß er es wollte, und er dachte an das, was er gewesen, und an das, was er nunmehr geworden war. Als 'Adschib seines Vaters Worte hörte, sehnte sich auch sein Herz nach ihm. Er blickte auf den Diener und sagte zu ihm: ,Mein Herz sehnt sich nach diesem Koch; er ist wie einer, der sich von seinem Sohn hat trennen müssen; also laß uns bei ihm eintreten und ihm das Herz erfreuen, 'indem wir seine Gastfreundschaft annehmen. Wenn wir das tun, so wird vielleicht Allah mich mit meinem Vater vereinigen.' Als der Diener die Worte 'Adschîbs hörte, rief er: ,Bei Allah, das ist hübsch! Soll man Söhne von Wesiren in einer Garküche speisen sehen? Ich halte das Volk von dir ab mit diesem Knüttel, daß niemand dich anblickt, und ich kann niemals zulassen, daß du in diesen Laden eintrittst.' Als aber Bedr ed-Dîn Hasan die Rede des Dieners vernahm, da staunte



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er, und er wandte sich ihm zu, während Tränen ihm über die Wangen rannen; da sagte 'Adschîb: ,Siehe, mein Herz liebt ihn!' Der Diener aber versetzte: ,Laß ab von diesem Geschwätz; du darfst nicht hineingehen.' Nun wandte der Vater des' Adschîb sich an den Diener und sagte: ,Würdiger Herr, weshalb willst du mir nicht die Seele erfreuen, indem du eintrittst in meinen Laden? O du, der du bist wie eine Kastanie, dunkel von außen, aber weißen Herzens drinnen! O du, von dessengleichen einer der Dichter sagt.. .' Da lachte der Sklave und fragte: ,Was sagst du? Sprich, bei Allah, und sei kurz.' Sofort sprach Bedr ed-Dîn diese Verse:

Wär nicht seine feine Bildung und seine schöne Treue,
So hätte er nicht im Hause des Königs Herrschergewalt.
Und für die Frauengemächer, o welch ein trefflicher Diener!
Ob seiner Schönheit dienten die Engel des Himmels ihm bald!

Der Eunuch staunte ob dieser Worte, und er nahm' Adschîb an der Hand und trat in den Laden des Kochs ein. Bedr ed-Dîn Hasan aber füllte eine Schale mit Granatapfelkernen, die mit Mandeln und Zucker angerichtet waren, und sie kosteten beide davon. Darauf sprach Bedr ed-Dîn Hasan zu ihnen: ,Ihr habt mich durch euren Eintritt geehrt, so esset denn, zu Glück und Gesundheit.' 'Adschîb aber sprach zu seinem Vater: ,Setze dich und iß mit uns; vielleicht wird Allah uns mit dem vereinen, den wir suchen.' Da fragte Bedr ed-Dîn Hasan: ,O mein Sohn, hast du in deinen zarten Jahren schon den Kummer der Trennung von denen erfahren, die du liebtest?' 'Adschîb antwortete: ,So ist es, mein Oheim; mir brennt das Herz um den Verlust eines Geliebten, der kein anderer ist als mein Vater; ja, ich und mein Großvater, wir sind eben jetzt hinausgezogen, um die Länder nach ihm zu durchsuchen. O, daß ich doch wieder mit ihm vereint wäre!' Und er weinte bitterlich, und auch sein Vater



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weinte, da er ihn in seinem Trennungsschmerze weinen sah, zumal er zugleich daran dachte, daß er von den Lieben getrennt war und fern von Vater und Mutter lebte; auch der Diener empfand Trauer um ihn. Sie aßen nun zusammen, bis sie gesättigt waren; darauf standen 'Adschîb und der Sklave auf und verließen den Laden des Bedr ed-Dîn Hasan. Dem aber war es, als sei seine Seele aus seinem Leibe geflohen und ihnen gefolgt; und da er es nicht ertragen konnte, den Knaben so im Augenblick aus dem Gesicht zu verlieren, verschloß er den Laden und ging ihnen nach, obgleich er nicht wußte, daß 'Adschîb sein Sohn war. Er ging so schnell, daß er sie erreichte, ehe sie aus dem Großen Tore hinausgegangen waren. Da drehte der Eunuch sich um und fragte ihn: ,Was hast du?' Bedr ed-Dîn Hasan erwiderte: ,Als ihr von mir ginget, war es mir, als wäre meine Seele mit euch dahin; und da ich gerade in der Außenstadt vor dem Tore Geschäfte hatte, so dachte ich euch Gesellschaft zu leisten, bis ich sie erledigt hätte, und dann nach Hause zurückzukehren.' Der Eunuch aber wurde zornig und sagte zu 'Adschîb: ,Ebendies war es, was ich fürchtete! Wir aßen den unseligen Bissen, der als Ehrenbezeigung für uns gedacht war, und jetzt folgt uns der Bursche von Ort zu Ort.' Da wandte 'Adschîb sich um, und als er den Koch dicht hinter sich sah, ergrimmte er, und sein Gesicht wurde rot vor Ärger, und er sagte zu dem Diener: ,Laß ihn die Straße der Muslime ziehen; aber wenn wir abbiegen zu unsern Zelten und sehen, daß er uns immer noch folgt, dann wollen wir ihn wegjagen.' Er senkte darauf den Kopf und ging weiter, und der Eunuch folgte ihm. Doch Bedr ed-Dîn Hasan ging ihnen nach bis zum Maidân el-Hasa; und als sie sich den Zelten näherten, sahen sie sich um und erblickten ihn dicht hinter sich. Da war 'Adschîb erzürnt, denn er fürchtete, der Eunuch werde seinem Großvater alles



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berichten. Und er war durchdrungen von dem Zorn darüber, daß jener sagen könnte, er sei in eine Garküche getreten, und nachher sei ihm der Koch gefolgt. Er wandte sich also um und sah Hasans Augen auf seine eigenen Augen geheftet, denn jener war geworden wie ein Leib ohne Seele; und es schien 'Adschîb, als ob sein Auge das Auge eines Lüstlings und er ein Bastard wäre. Da nun sein Grimm noch stieg, griff er einen Stein auf und warf ihn nach seinem Vater. Bedred-Dîn Hasan sank ohnmächtig zu Boden, und sein Blut strömte über sein Gesicht; 'Adschîb und der Diener aber gingen zu den Zelten. Als Bedr ed-Dîn Hasan dann zu sich kam, wischte er sich das Blut ab, riß einen Streif vom Turban und verband sich den Kopf; und er schalt sich selber und sagte: ,Ich tat dem Knaben unrecht, indem ich meinen Laden verschloß und ihm folgte, denn er mußte glauben, daß ich ein Lüstling sei.' Dann kehrte er zu seinem Laden zurück und verkaufte weiter seine Speisen. Und er begann sich nach seiner Mutter, die in Basra war, zu sehnen, und er weinte um sie und sprach diese Verse:

Verlange kein Recht vom Schicksal, du tötest ihm doch nur Unrecht;
Und schilt es nicht, denn es hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun.
Nimm, was sich dir beut, und lasse die Sorgen beiseite!
Bald ist es trüb in der Welt, bald hell. So ist's einmal nun.

Bedr ed-Dîn Hasan also blieb dabei, seine Speisen zu verkaufen; aber der Wesir, sein Oheim, blieb drei Tage in Damaskus, dann ritt er weiter in der Richtung nach Horns und kam dort an. Und er forschte auf seinem Wege überall nach, wohin er nur seinen Blick richtete, bis er Dijâr Bekr und Maridîn und Mosul erreichte. Dann reiste er immer weiter bis zur Stadt Basra und zog in sie ein. Sobald er dort sein Lager aufgeschlagen hatte, ging er zum dortigen Sultan und traf mit ihm zusammen. Der ließ ihm hohe Ehren zuteil werden und fragte ihn nach dem



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Anlaß seines Kommens. Da erzählte jener ihm seine Geschichte, sowie daß der Wesir Nûr ed-Dîn 'Ah sein Bruder gewesen sei. Der Sultan rief aus: ,Allah erbarme sich seiner!' und fügte hinzu: ,O Herr, er war mein Wesir, und ich liebte ihn sehr. Vor funfzehn Jahren ist er gestorben, und er hinterließ einen Sohn, der nach seines Vaters Tode nur noch einen einzigen Monat hierblieb; seither ist er verschwunden, und wir haben nie etwas von ihm erfahren. Aber seine Mutter, die Tochter meines früheren Wesirs, lebt noch unter uns.' Als der Wesir Scheins ed-Dîn von dem König hörte, daß seines Neffen Mutter noch am Leben war, da freute er sich und sagte: ,O König, ich möchte gern mit ihr zusammentreffen!' Alsbald gab ihm der Sultan die Erlaubnis dazu. Und er begab sich zu ihr in das Haus seines Bruders Nûr ed-Dîn; und erließ dort seine Blicke überall umherschweifen und küßte die Schwelle. Und indem er seines Bruders Nûr ed-Dîn' Alî gedachte, wie der in der Fremde gestorben war, weinte er, und er sprach die Verse:

Ich gehe vorbei an den Stätten, den Stätten des lieben Mädchens,
Und küsse bald hier eine Wand und bald eine andere dort.
Die Liebe zu den Stätten ist's nicht, die mein Herz entzündet,
Nein, nur die Liebe zu ihr, die da wohnte an jenem Ort.

Darauf schritt er durch das Tor zu einem weiten Hofe und zu einem gewölbten Torweg; der war aus Assuaner Granit erbaut und belegt mit Marmorplatten von allen Arten und Farbenschatten. Dort trat er ein und ging im Hause umher und ließ seinen Blick überall umherstreifen; da fand er den Namen seines Bruders Nûr ed-Dîn in goldenen Lettern auf die Wand gemalt. Und er trat hin zu der Inschrift und küßte sie und weinte und dachte daran, wie er von ihm getrennt worden war; und er sprach die Verse:



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Ich fi age die Sonne nach dir, sooft sie strahlend aufgeht;
Ich frage den Blitz nach dir, sooft er am Himmel flammt.
Zur Nachtzeit rollt die Sehnsucht mich mit ihren Händen zusammen,
Und rollt mich auf; doch ich klage nicht, daß ich zu Schmerzen verdammt.
Geliebter mein, wenn die Zeit so lang währt und wenn die Trennung
So ist, dann werd ich in Stücke zerrissen durch deinen Verlust.
Doch u'enn du meinem Auge nur deinen Anblick gewährtest,
Ach, wie schön wär es dann, sänke ich dir an die Brust!
Glaube doch nicht, daß ich einen anderen gefunden hätte,
In meinem Herzen ist für andere Lieb keine Stätte.

Dann ging er weiter, bis er zu der Halle kam, in der die Witwe seines Bruders, die Mutter des Bedr ed-Dîn Hasan el-Basri, weilte. Sie hatte seit der Zeit, da ihr Sohn verschwunden war, nicht aufgehört, Tag und Nacht hindurch zu weinen und zu klagen; als die Jahre ihr lang zu werden begannen, da hatte sie mitten in der Halle ein Marmorgrab für ihren Sohn erbaut, und nun pflegte sie dort um ihn zu weinen, Tag und Nacht, und sie schlief immer nur bei dem Grabe. Als der Wesir dorthin kam, wo sie weilte, vernahm er ihre Stimme; und er blieb hinter der Tür stehen, während er sie das Grabmal also ansprechen hörte:

Bei Allah, o Grab, schwand denn deine Schönheit jetzt dahin?
Und ist jener Anblick verblaßt, der sonst so strahlend scheint?
O Grab, du bist doch weder Erde noch Himmel für mich;
Wie kommt's, daß sich in dir das Reis mit dem Monde vereint?

Während sie so klagte, siehe, da trat der Wesir Scheins ed-Dîn zu ihr ein, begrüßte sie und ließ sie wissen, daß er ihres Gatten Bruder sei; und dann erzählte er ihr alles, was geschehen war, und enthüllte ihr die ganze Geschichte, wie ihr Sohn Bedr cd-Dîn Hasan vor über zehn Jahren eine ganze Nacht bei seiner Tochter zugebracht hatte und morgens verschwunden gewesen war. Und er schloß mit den Worten: ,Meine Tochter aber



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hatte von deinem Sohne empfangen und einen Knaben geboren, der jetzt bei mir ist, und er ist doch auch dein Kind, der Sohn deines Sohnes von meiner Tochter.' Als sie aber hörte, daß ihr Sohn Bedr ed-Dîn Hasan noch lebte, und ihren Schwager sah, da stand sie auf und warf sich ihm zu Füßen, küßte sie und sprach die Verse:

Bei Allah, welch trefflicher Bote, der mir ihr Kommen kündet,
Und der mit der allerfrohesten Botschaft zu mir kam!
Wär er mit einem zeriss'nen Geschenke zufrieden, ich gäbe
Ein Herz ihm, das beim Abschied in Stücke zerriß vor Gram.

Darauf ließ der Wesir den 'Adschîb holen, und als er kam, fiel seine Großmutter ihm um den Hals und weinte. Scheins ed-Dîn aber sprach: ,Dies ist die Zeit nicht zum Weinen; dies ist die Zeit, dich bereitzumachen, um mit uns nach dem Lande Ägypten zu reisen; vielleicht vereinigt Allah mich und dich mit deinem Sohn und meinem Neffen.' Sie erwiderte: ,Ich höre und gehorche'; und sie erhob sich alsbald, sammelte ihr Gepäck und ihre Schätze und ihre Sklavinnen und machte sich sofort für die Reise zurecht. Der Wesir Scheins ed-Dîn ging derweilen zum Sultan von Basra, um Abschied zu nehmen, und der übergab ihm Geschenke und Kostbarkeiten für den Sultan von Ägypten. Zur selbigen Stunde machte er sich auf und zog dahin, bis er zu der Stadt Damaskus kam; dort machte er in el-Kanûn halt und ließ die Zelte aufschlagen. Und er sprach zu seinem Gefolge: ,Wir wollen hier eine Woche bleiben und für den Sultan Geschenke und Kostbarkeiten kaufen.' 'Adschîb aber ging hinaus und sagte zu dem Eunuchen: ,O Lâik, ich möchte einen Spaziergang machen; komm, laß uns hinuntergehen in den Basar und in Damaskus umherwandeln und nachsehen, was aus jenem Koch geworden ist, bei dein wir Süßigkeiten aßen und dem wir nachher den Kopf verwundeten;



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er war doch freundlich gegen uns, und wir haben ihn schlecht behandelt.' Der Eunuch antwortete: ,Ich höre und gehorche.' Darauf verließ 'Adschîb mit dem Eunuchen die Zelte; denn das Band des Blutes zog ihn hin zu seinem Vater. Alsbald traten sie in die Stadt ein und gingen immer weiter, bis sie die Garküche erreichten; und sie sahen den Koch in seinem Laden stehen. Es war etwa um die Zeit des Nachmittagsgebetes, und zufälligerweise hatte er gerade Granatapfelkerne zubereitet. Als nun die beiden näher kamen und 'Adschîb ihn sah, da sehnte sich sein Herz nach ihm; er erblickte auch die Narbe von dem Steinwurf auf seiner Stirn, und er sprach: ,Friede sei mit dir, du da! Wisse, daß mein Herz mit dir ist!' Als aber Bedr ed-Dîn seinen Sohn sah, da erzitterte sein Innerstes, und sein Herz klopfte; er neigte den Kopf zur Erde und suchte seine Zunge im Munde zu bewegen, doch er konnte es nicht. Danach hob er den Kopf wieder zu seinem Knaben empor, demütig und flehend, und er sprach die Verse:

Ich sehnte mich nach ihm, den ich liebe; doch als ich ihn sah,
Versagten mir Zunge und Blick, und ich wußte nicht, wie mir geschah.
In tiefer Verehrung vor ihm verneigte ich mein Gesicht;
Ich wollte verbergen, was in mir, und doch verbarg ich es nicht.
Geraume Bände von Klagen hatte ich bei mir dort;
Doch als wir zusammentrafen, sprach ich kein einziges Wort.

Darauf sprach er zu ihnen: ,Heut mir das gebrochene Herz und eßt von meinen Speisen; denn bei Allah, ich kann dich nicht ansehen, ohne daß mein Herz klopft. Ich wäre dir wahrlich damals nicht gefolgt, wenn ich nicht von Sinnen gewesen wäre.' ,Bei Allah, du liebst uns wirklich', erwiderte 'Adschîb; ,wir haben damals einen Bissen bei dir gegessen, aber du folgtest uns danach und wolltest uns Schmach bringen; so wollen wir jetzt nur unter der Bedingung mit dir essen, daß du schwörst,



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uns nicht nachzugehen noch uns zu verfolgen. Sonst werden wir dich nicht mehr besuchen, solange wir in dieser Stadt sind; denn wir werden eine Woche hier verweilen, bis mein Großvater Geschenke für den König gekauft hat. 'Da erwiderte Bedr ed-Dîn Hasan: ,Das verspreche ich euch.' So traten 'Adschîb und der Diener in den Laden ein, und sein Vater setzte ihnen eine Schüssel Granatapfelkerne vor. 'Adschîb sagte: ,Iß mit uns, vielleicht wird Allah unseren Gram vertreiben.' Bedr ed-Dîn aber freute sich und aß mit ihnen; doch er blickte ihm starr ins Gesicht; denn sein Herz und sein ganzes Wesen hingen an ihm. Schließlich sagte 'Adschîb zu ihm: ,Denke daran! Habe ich dir nicht gesagt, du seiest ein lästiger Liebhaber? Nun höre doch auf, mir immer so ins Gesicht zu sehen!' Als aber Bedr ed-Dîn seines Sohnes Worte hörte, sprach er diese Verse:

Für die Herzen hast dn geheimnisvollen Zauber,
Verborgenen, tief versteckten; nie wird er offenbar.
O, der du den leuchtenden Mond durch deine Schönheit beschämest,
Und dessen Anmut gleichet dem Morgenlichte so klar:
In deines Antlitzes Licht sind unerreichbare Wünsche
Und Zeichen der Liebe auf ewig, die wachsen und mehren sich schnell.
Soll ich vor Hitze vergehn, obgleich dein Antlitz mein Eden?
Und soll ich verdursten, obgleich deine Lippe der Lebensquell?

Bedr ed-Dîn gab nun bald dem 'Adschîb einen Bissen, bald dem Eunuchen; und sie aßen, bis sie gesättigt waren. Dann standen sie auf, und auch Hasan el-Basri erhob sich und goß ihnen Wasser über die Hände, löste einen seidenen Schal von seinem Gürtel, trocknete sie damit ab und besprengte sie mit Rosenwasser aus einer Flasche, die er bei sich führte. Dann ging er aus dem Laden hinaus und kehrte zurück mit einem Kruge voll Scherbett, gemischt mit Rosenwasser und Moschus; den setzte er vor sie hin und sagte: ,Macht eure Güte vollkommen!' Da nahm 'Adschîb, trank und reichte dem Diener; und



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sie reichten einander, bis ihr Magen gefüllt war und sie so gesättigt waren wie noch nie zuvor. Darauf gingen sie fort und eilten, die Zelte zu erreichen. Und 'Adschîb trat ein zu seiner Großmutter, der Mutter seines Vaters Bedr ed-Dîn Hasan; sie küßte ihn und dachte an ihren Sohn Bedr ed-Dîn Hasan, und sie seufzte und weinte und sprach die Verse:

Ich hoffte doch immer noch, mit dir vereint zu werden;
Sonst hätte das Leben für mich keinen Reiz nach deinem Verlust.
Ich schwöre: In meinem Herzen ist nichts als deine Liebe,
Und Gott der Herr sieht ja die Geheimnisse in der Brust.

Dann fragte sie 'Adschîb: ,Mein Sohn, wo bist du gewesen?' Er erwiderte: ,In der Stadt Damaskus.' Dastand sie auf und brachte ihm eine Schüssel mit Speise von Granatapfelkernen, die wenig gesüßt waren, und sagte zu dem Diener: ,Setze dich mit deinem Herrn!' Der Diener sprach bei sich selber: ,Bei Allah, wir haben kein Verlangen mehr zu essen'; dennoch setzte er sich nieder. Ebenso war dem 'Adschîb, als er sich niedersetzte, der Magen noch voll von dem, was er schon gegessen und getrunken hatte. Gleichwohl nahm er einen Brocken, tauchte ihn in die Granatapfeispeise und begann zu essen; aber er fand, daß sie nicht süß genug war, weil er schon übersatt war, und so sagte er: ,Pfui! Was ist dies für ein schlechtes Essen!' ,O mein Sohn!' rief seine Großmutter aus, ,tadelst du, was ich gekocht habe? Ich habe diese Speise selber bereitet, und kein Mensch vermag sie so gut zu kochen wie ich, außer deinem Vater Bedr ed-Dîn Hasan!' ,Bei Allah, Großmutter', erwiderte 'Adschîb, ,diese Speise ist schlecht. Wir sahen noch eben in der Stadt Damaskus einen Koch, der die Granatapfelkerne so bereitet, daß ihrem Geruch sich das Herz öffnet; seine Speise erweckte Verlangen zu essen, aber deine Speise ist, mit jener verglichen, weder viel noch wenig wert.' Als seine Großmutter



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diese Worte hörte, geriet sie in heftigen Zorn, und sie blickte den Sklaven an. — — «

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 24. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß 'Adschîbs Großmutter, als sie seine Worte hörte, zornig wurde und den Diener ansah und zu ihm sagte: ,Wehe dir! Du hast meinen Sohn verführt und ihn in gemeine Garküchen gebracht?' Da erschrak der Eunuch und leugnete und sagte: ,Wir sind nicht in den Laden gegangen, wir sind nur an ihm vorbeigekommen.' ,Bei Allah', rief 'Adschîb, ,wir sind doch hineingegangen; und wir haben dort gegessen, und die Speise schmeckte besser als deine!' Nun aber ging seine Großmutter fort, erzählte es ihrem Schwager und erregte seinen Zorn wider den Sklaven; er ließ ihn rufen und fragte ihn:, ,Weshalb hast du meinen Sohn in eine Garküche gebracht?' Der Sklave versetzte in Angst: ,Wir sind nicht hineingegangen.' Aber 'Adschîb sagte: ,Wir sind doch hineingegangen, und wir haben von den Granatapfelkernen gegessen, bis wir satt waren; und der Koch hat uns auch Zuckerwasser mit Schnee zu trinken gegeben.' Da wurde die Entrüstung des Wesirs gegen den Sklaven noch größer, und von neuem befragte er ihn; und als er immer noch leugnete, sagte er: ,Wenn du die Wahrheit sprichst, so setze dich und iß vor unsern Augen.' Daraufhin trat der Sklave vor und versuchte zu essen; aber er konnte es nicht und ließ den Bissen fallen und rief: ,O Herr, ich bin noch von gestern her satt.' Jetzt war der Wesir überzeugt, daß er im Laden des Garkochs gegessen hatte; und er befahl den Sklaven, ihn zu Boden zu werfen; das taten sie, und er schlug ihn so heftig, daß der Sklave um Hilfe schrie und rief: ,O Herr, schlag mich nichtmehr, ich will dir die volle



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Wahrheit sagen.' Da hielt er mit dem Schlagen inne und sagte: ,Jetzt sprich die Wahrheit!' Der Eunuch erwiderte: Wisse, wir traten in den Laden des Kochs, als er gerade Granatapfelkerne bereitete, und er setzte uns etwas davon vor. Und bei Allah, nie in meinem Leben habe ich etwas gegessen, was sich damit vergleichen ließe; ich habe aber auch nie etwas Schlechteres gekostet als das, was jetzt vor uns steht.' Die Mutter des Bedr ed-Dîn Hasan aber wurde zornig und sagte: ,Du mußt zu dem Koch gehen und uns eine Schüssel von seinen Granatapfelkernen bringen und sie deinem Herrn zeigen, damit er sage, welche besser und feiner sind.' Der Diener antwortete: ,Jawohl!' Sofort gab sie ihm eine Schüssel und einen halben Dinar; und er ging hin zu dem Laden und sagte zu dem Koch: ,Wir haben eine Wette abgeschlossen über deine Speise in meines Herrn Hause; denn die haben auch Granatapfelkerne. Gib mir von den deinen für diesen halben Dinar; aber paß auf, denn ich habe um deiner Kocherei willen eine schmerzhafte Tracht Prügel bekommen.' Hasan lachte und sprach: ,Bei Allah, niemand vermag dies Gericht so gut zu bereiten wie ich und meine Mutter; sie ist aber jetzt in einem fernen Lande.' Darauf füllte er die Schüssel, nahm sie und tat noch Moschus und Rosenwasser daran; dann erhielt der Diener sie und eilte mit ihr davon, bis er bei den Zelten ankam. Nun nahm die Mutter Hasans die Schüssel und kostete davon; als sie aber den feinen Geschmack und die vortreffliche Zubereitung bemerkte, wußte sie, wer es gemacht hatte; und sie schrie auf und sank in Ohnmacht. Der Wesir erschrak und besprengte sie sofort mit Rosenwasser; nach einer Weile erholte sie sich und sagte: ,Wenn mein Sohn noch von dieser Welt ist, so hat nur er allein diese Granatapfelkerne bereitet; das ist mein Sohn Bedr cd-Dîn Hasan selber. Daran ist kein Zweifel möglich, noch auch



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ein Irrtum; denn dies ist eine Speise, die nur er und ich zu bereiten verstehen, und ich habe ihn gelehrt, sie zu kochen.' Als der Wesir ihre Worte hörte, freute er sich sehr und sagte: ,Oh, wie sehne ich mich nach dem Anblick meines Neffen! Ich möchte wissen, ob mich die Tage je wieder mit ihm vereinigen! Wir können nur zu Allah dem Erhabenen beten, daß er mich mit ihm zusammenführe!' Noch im selben Augenblick ging der Wesir hinaus zu den Leuten, die bei ihm waren, und sprach: ,Zwanzig Mann von euch sollen zu der Garküche gehen. Reißt den Laden nieder, fesselt dem Koch die Hände mit seinem Turban und schleppt ilm mit Gewalt zu mir, doch ohne daß ihm ein Leid geschieht!' Sie erwiderten: ,Jawohl.' Dann ritt der Wesir sofort in den Palast und trat vor den Statthalter von Damaskus und zeigte ihm die Schreiben, die er vom Sultan bei sich hatte. Jener küßte sie, legte sie auf sein Haupt und sprach: ,Wer ist dein Schuldner?' Der Wesir erwiderte: ,Ein Koch.' Da befahl der Statthalter sofort seinen Wächtern, zu dem Laden zu gehen; und sie taten es, fanden ihn bereits zerstört und alles darin zerbrochen vor; denn als der Wesir in den Palast gegangen war, hatten seine Leute seinen Befehl ausgeführt. Nun saßen sie da und warteten auf die Rückkehr des Wesirs aus dem Palaste; Bedr ed-Dîn Hasan aber sagte: ,Was haben die nur in den Granatapfelkernen gefunden, daß dies geschehen ist?' Als aber der Wesir von seinem Besuch bei dem Statthalter zurückkam, der ihm die Erlaubnis gegeben hatte, seinen Schuldner aufzugreifen und mit ihm davonzuziehen, und als er wieder im Zeltlager war, rief er nach dem Koch. Man führte ihn vor, gefesselt mit seinem Turban. Wie Bedr ed-Dîn Hasan seinen Oheim erblickte, weinte er bitterlich und fragte: ,Hoher Herr, was ist mein Vergehen wider dich?' ,Bist du der Mann, der die Granatapfelkerne bereitet hat?' fragte der



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Wesir; und er antwortete: ,Ja! Hast du denn etwas darin gefunden, das es nötig macht, mir den Kopf abzuschlagen?' Der Wesir sagte darauf: ,Das wäre das Beste und die geringste deiner Strafen!' Da bat der Koch: ,Hoher Herr, willst du mir nicht mein Vergehen kundtun? 'Der Wesir erwiderte: ,Jawohl, sofort!' Dann rief er den Dienern zu: ,Bringt die Kamele her!' Und sie nahmen den Bedr ed-Dîn Hasan mit sich, steckten ihn in eine Kiste und legten ein Schloß davor. Dann brachen sie auf und zogen immer weiter, bis die Nacht hereinbrach. Da machten sie halt und aßen ein wenig Zehrung; den Bedr ed-Dîn Hasan nahmen sie aus seiner Kiste heraus und gaben auch ihm zu essen und schlossen ihn dann wieder ein. Darauf zogen sie weiter dahin, bis sie Kamra erreichten; dort nahmen sie den Bedr ed-Dîn Hasan aus der Kiste heraus, und der Wesir fragte ihn: ,Bist du es, der die Granatapfelkerne bereitet hat?' Er antwortete: ,Ja, Herr.' Der Wesir rief: ,Fesselt ihn!' Da fesselten sie ihn und steckten ihn wieder in die Kiste und zogen weiter, bis sie Kairo erreichten; dort machten sie im Quartier er-Raidanîje halt. Der Wesir gab Befehl, den Bedred-Dîn Hasan aus der Kiste zu nehmen, ließ einen Zimmermann holen und sagte zu ihm: ,Macht mir eine Holzfigur für diesen Burschen!' Da rief Bedr ed-Dîn Hasan aus: ,Und was willst du damit tun?' Der Wesir antwortete: ,Ich will dich an dieser Figur aufhängen und daran festnageln lassen, und dann will ich dich in der Stadt herumführen.' Jener darauf: ,Weshalb willst du mir dies antun?' Der Wesir: ,Wegen deiner elenden Zubereitung der Granatapfelkerne; wie konntest du sie ohne Pfeffer zubereiten?' Jener: ,Und weil Pfeffer daran fehlte, willst du all dies an mir tun? Genügt es nicht, daß du mich eingesperrt und mir nur einmal am Tage zu essen hast geben lassen?' Der Wesir rief: ,Der Pfeffer fehlte; drum kannst du nur mit dein Tode



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bestraft werden.' Da war Bedr ed-Dîn Hasan ratlos und trauerte um sein Leben; der Wesir aber fragte ihn: ,Woran oran denkst dw' Er erwiderte: ,An solche Dummköpfe, wie du einer bist; denn wenn du Verstand besäßest, hättest du mich nicht so behandelt!' Der Wesir sprach: ,Es ist unsere Pflicht, dich zu strafen, damit du nicht wieder dergleichen tust!' Bedr ed-Dîn Hasan aber rief: ,Wahrlich, das Geringste von dem, was du mir angetan hast, wäre Strafe genug für mich!' Dochder Wesir erwiderte: ,Es geht nicht anders, ich muß dich hängen lassen!' All das geschah, während der Zimmermann das Holz zurechtmachte und Hasan ihm zusah; und so ging es, bis die Nacht anbrach. Da nahm ihn sein Oheim, ließ ihn in die Kiste werfen und sagte: ,Morgen soll der Befehl ausgeführt werden!' Dann wartete er, bis er merkte, daß Bedr ed-Dîn eingeschlafen war, lud die Kiste auf und ritt selbst mit der Kiste vor sich hinein in die Stadt und weiter, bis er in sein Haus kam; dort sagte er zu seiner Tochter Sitt el-Husn: ,Preis sei Allah, der dich mit deinem Vetter wieder vereint hat! Mache dich auf und richte das Haus, wie es in deiner Brautnacht war.' Da wurden die Kerzen angezündet; der Wesir aber nahm den Plan, den er von der Hochzeitskammer gezeichnet hatte, und ließ die Diener jedes Gerät wieder an seine Stelle rücken, so daß, wenn einer das sah, er nicht daran zweifeln konnte, daß es eben die Nacht der Hochzeit sei. Auch ließ er den Turban des Bedr ed-Dîn Hasan auf den Stuhl legen, wie er ihn mit eigener Hand hingelegt hatte, und ebenso seine Hose und den Beutel, die unter dem Bett gelegen hatten. Darauf sagte er seiner Tochter, sie solle sich entkleiden, wie sie in der Hochzeitsnacht in der Kammer gewesen sei; und er fügte hinzu: ,Wenn dein Vetter zu dir eintritt, sage zu ihm: ,Du bist mir lange ausgeblieben auf dem Abtritt!' und ruf ihn, daß er sich dir zur Seite lege, und halt ihn bis Tagesanbruch



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im Gespräch; dann wollen wir ihm dies alles erklären.' Darauf ließ er Bedr ed-Dîn Hasan aus der Kiste nehmen, streifte ihm die Fesseln von seinen Füßen ab, zog ihm seine Kleider aus, so daß er nur noch das feine Hemd anbehielt und auch ohne Hosen war. All dies geschah, während er schlief und nichts bemerkte. Nun geschah es, wie es das Schicksal bestimmt hatte, daß er sich auf die andere Seite legte und aufwachte; da fand er sich in einer erleuchteten Halle und sprach bei sich selber: ,Ich wandle wohl in den Irrgängen von Träumen.' Dann stand er auf und schritt etwas weiter zu einer inneren Tür und blickte hinein, und siehe, das war ja die Halle, in der die Braut vor ihm entschleiert war; und dort sah er die bräutliche Kammer und den Stuhl und seinen Turban und all seine Kleider. Als er das sah, war er ratlos; er trat mit einem Fuß vor und mit dem andern zurück und sagte: ,Schlafe ich oder wache ich?' Dann begann er sich die Stirn zu reiben und sprach verwundert: ,Bei Allah, dies ist ja das Zimmer der Braut, die vor mir entschleiert wurde! Wo bin ich denn? Ich war doch eben noch in einer Kiste!' Wie er so mit sich selber sprach, hob plötzlich Sitt el-Husn den Zipfel des Vorhangs und sprach zu ihm: ,O mein Gebieter, willst du nicht kommen? Du bist recht lange auf dem Abtritt geblieben.' Als er ihre Worte hörte und ihr Gesicht erblickte, brach er in Lachen aus und sagte: ,Wahrlich, ich wandle in den Irrgängen von Träumen!' Dann trat er seufzend ein und dachte an das, was ihm geschehen war, und er war ratlos über seinen Zustand, und seine Lage wurde ihm nur noch unerklärlicher, als er seinen Turban sah und seine Hose und den Beutel mit den tausend Dinaren. Da murmelte er: ,Allah ist allwissend! Ich wandle wahrhaftig in den Irrgängen von Träumen.' Sitt el-Husn aber sprach zu ihm: ,Was ist dir, daß du so erstaunt und ratlos bist?',



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und sie fügte hinzu: ,So warst du nicht während des ersten Teils der Nacht!' Er aber lachte und fragte sie: ,'Wie lange bin ich von dir fortgewesene' Sie erwiderte: ,Allah behüte dich, und sein Name umschirme dich! Du bist gerade fortgegangen, um ein Geschäft zu verrichten, und wolltest gleich wiederkommen. Dein Verstand scheint abhanden gekommen zu sein.' Als Bedr ed-Dîn Hasan ihre Worte hörte, lachte er wieder und sagte: ,Du hast recht; doch als ich dich verlassen hatte, vergaß ich mich auf dem Abtritt, und ich träumte, ich sei Garkoch in Damaskus und wohne dort seit zehn Jahren; und zu mir käme ein Knabe, ein Kind vornehmer Leute, mit einem Eunuchen.' Darauf strich er sich mit der Hand über die Stirn, und als er die Narbe fühlte, tiefer: ,Bei Allah, o meine Herrin, es muß wahr gewesen sein; denn er traf meine Stirn mit einem Stein und spaltete sie mir; es muß doch im Wachen gewesen sein.' Dann sagte er wieder: ,Aber vielleicht habe ich es doch geträumt, als ich in deinen Armen einschlief; mir träumte, ich sei ohne Tarbusch und Hose nach Damaskus gereist und sei dort ein Koch geworden.' Dann war er wieder eine Weile ratlos und sprach: ,Bei Allah, mir ist auch, als hätte ich Granatapfelkerne zubereitet, ohne Pfeffer. Bei Allah, ich muß am stillen Örtchen eingeschlafen sein und das alles im Traum erlebt haben.' ,üm Gottes willen', rief Sitt el-Husn, ,und was hast du sonst noch gesehene' Da erzählte Bedr ed-Dîn Hasan ihr alles; und schließlich sagte er: ,Bei Allah, wäre ich nicht erwacht, so hätten sie mich an eine Holzfigur genagelt!' ,'Warum?' fragte sie; er sagte: ,Weil an den Granatapfelkernen kein Pfeffer war; und mir ist, als hätten sie mir den Laden niedergerissen, meine Geräte zerschlagen und mich in eine Kiste gesteckt; und dann ließen sie den Zimmermann holen, um eine Holzfigur für mich zu zimmern, denn sie wollten mich



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hängen. Aber jetzt, Allah sei Dank, daß all dies nur im Schlafe und nicht im Wachen geschehen ist!' Da lachte Sitt el-Husn und zog ihn an ihre Brust und er sie an seine; dann grübelte er von neuem und sagte: ,Bei Allah, es kann nur im Wachen gewesen sein; ich weiß wirklich nicht, was es auf sich hat.' Darauf legte er sich nieder, aber er war ratlos; bald sagte er: ,Ich habe geträumt', bald: ,Es war im Wachen!' Und so ging es bis zum Morgen. Da kam sein Oheim Scheins ed-Dîn, der Wesir, zu ihm und grüßte ihn; als Bedr ed-Dîn Hasan den erblickte, rief er: ,Bei Allah, bist du nicht der, der mir die Hände fesseln und meinen Laden zertrümmern ließ, und der mich an das Holz nageln lassen wollte wegen der Granatapfelkerne, weil sie ohne Pfeffer waren?' Der Wesir sprach zu ihm: ,Wisse, mein Sohn, die Wahrheit ist nun offenbar geworden, und was verborgen war, ist an den Tag gekommen: du bist der Sohn meines Bruders. Ich habe dies alles nur getan, um mich zu vergewissern, daß du wirklich der bist, der in jener Nacht zu meiner Tochter eingegangen ist. Ich konnte dessen nicht eher gewiß sein, als bis ich sah, daß du das Zimmer erkanntest und deinen Turban, deine Hose, dein Gold und die Papiere in deiner Handschrift und in der deines Vaters, meines Bruders; denn ich hatte dich nie zuvor gesehen und kannte dich nicht; deine Mutter aber habe ich mit mir aus Basra hierhergebracht.' Dann warf er sich seinem Neffen an die Brust und weinte. Als aber Bedr ed-Dîn Hasan von seinem Oheim diese Worte hörte, da geriet er in höchste Verwunderung, und er fiel ihm um den Hals und weinte auch im Übermaße der Freude. Darauf sprach der Wesir zu ihm: ,Mein Sohn, der einzige Anlaß für all dies ist das, was zwischen mir und deinem Vater vorfiel'; und er erzählte ihm, was das gewesen war und warum sein Vater nach Basra gezogen war. Und schließlich ließ der Wesir den Knaben



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'Adschîb holen; als sein Vater ihn sah, rief er: ,Und dies ist der, der mich mit dem Stein getroffen hat!' Der Wesir aber sprach: ,Dies ist dein Sohn!' Da warf sich Bedr ed-Dîn Hasan an seines Sohnes Brust, und er sprach die Verse:

Ich habe lange geweint, weil das Geschick uns getrennt hat;
Und immer rannen mir aus meinen Augen die Tränen.
Ich gelobte, wenn je das Schicksal uns wieder vereinen sollte,
Ich wolle nie wieder die Trennung mit meiner Zunge erwähnen.
Die Freude ist plötzlich zu mir gekommen und hat über Nacht
In ihren, Übern, aße mich zum Weinen gebracht.

Als er die Verse geendet hatte, siehe, da trat seine Mutter herein; sie warf sich an seine Brust und sprach die Verse:

Wenn wir uns treffen, klagen wir;
Denn große Leiden tun wir kund.
Die Klage aber ist nicht schön,
Kommt sie aus eines Boten Mund.

Dann erzählte seine Mutter ihm, wie es ihr seit seinem Aufbruch ergangen war; und er erzählte ihr, was er erduldet hatte. Da dankten sie Allah dem Erhabenen für ihre Wiedervereinigung.

Zwei Tage aber nach seiner Ankunft ging der Wesir Scheins ed-Dîn zum Sultan, und als er bei ihm eintrat, küßte er vor ihm den Boden und grüßte ihn mit dem Gruße, der den Königen gebührt. Der Sultan freute sich über seine Rückkehr, und sein Antlitz lächelte huldvoll; er ließ ihn dicht neben sich sitzen und fragte ihn nach allem, was er auf seiner Reise erlebt hatte und was ihm auf seinem Wege widerfahren war. Da erzählte der Wesir ihm alles von Anfang bis zu Ende. Und der Sultan sprach zu ihm: ,Dank sei Allah für die Erfüllung deines Wunsches und für die sichere Heimkehr zu deinen Kindern und deinem Volke! Ich muß aber auch den Sohn deines Bruders



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sehen, Hasan el-Basri; bringe ihn morgen mit in die Halle des Empfanges!' Scheins ed-Dîn erwiderte: ,Dein Sklave soll morgen vor dir stehen, so Gott der Erhabene es will.' Dann grüßte er ihn und ging fort; als er nach Hause zurückgekehrt war, berichtete er seinem Neffen von des Sultans Wunsch, ilm kennen zu lernen. Hasan el-Basri sagte darauf: ,Der Sklave gehorcht dem Befehl seines Herrn.' Also ging er mit seinem Oheim Scheins ed-Dîn zu Seiner Majestät dem Sultan; und als er vor ihm stand, begrüßte er ihn mit den vollendetsten und höflichsten Worten des Grußes, und er sprach die Verse:

Es küsset vor dir den Boden, wer eine mächtige Stellung
Durch dich erhielt und so Erfüllung der Wünsche fand.
Du bist der Herr des Ruhmes; Glück hat, wer auf dich hoffet
Mit dem, was er wünscht; in der Welt hat er einen hohen Stand.

Der Sultan lächelte und winkte ihm zu, daß er sich setzen solle; da nahm er dicht neben seinem Oheime Scheins ed-Dîn Platz. Dann fragte der Sultan ihn nach seinem Namen; und jener erwiderte: ,Der Geringste deiner Sklaven ist bekannt als Hasan von Basra, und er betet beständig für dich, Tag und Nacht.' Dem Sultan gefielen diese Worte; und da er seine Gelehrsamkeit und seine gute Erziehung prüfen wollte, so fragte er: ,Weißt du etwas zum Preise des Males auf der Wange?' Er antwortete: ,Jawohl' und sprach:

Ach, der Geliebte! Immer wenn ich an ihn denke,
Fließt mir die Träne, es seufzt die Liebessucht.
Er hat ein Mal, das gleicht an Schönheit und Farbe
Dem Augenstern oder der Blute auf der Frucht.

Der König bewunderte die beiden Verse und sagte zu ihm: ,Zitiere noch einige; Allah läßt deinen Vater im Sohne sprechen! Möge er deine Zähne nie zerbrechen!' Da sprach Hasan die Verse:



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Den Fleck des Males hat man verglichen mit einem Korne
Von Moschus; wundre dich nicht über den, der also sprach.
Nein, bewundre das Antlitz, das alle Schönheit vereinte,
Und dem von alle dem Schönen auch nicht ein Körnchen gebrach.

Da zitterte der König vor Freuden und sagte: ,Sprich weiter! Allah segne deine Tage!' Und er fuhr fort:

O du, auf dessen Wange ein wunderlieblich Mal
Dein Moschuskorne gleichet auf einem Rubinenstein,
Gewahre mir, zu dir zu kommen, und sei nicht hart,
O du sehnlichster Wunsch, du Speise des Herzens mein!

Da rief der König: ,Du hast schön gesprochen, schöner Hasan! Du hast alle Vortrefflichkeit übertroffen! Jetzt erkläre uns, wie viele Bedeutungen das Wort euch' besitzt.' Er erwiderte: ,Allah erhalte die Macht des Königs! achtundfünfzig Bedeutungen; einige aber sagen fünfzig.' Der König sprach: ,Du sagst die Wahrheit', und er fügte hinzu: ,Verstehst du die Schönheit zu beschreiben?' ,Gewiß', erwiderte Bedr ed-Dîn Hasan; ,die Schönheit besteht im Glanz des Gesichtes, in der Helle der Haut, in der Wohlgestalt der Nase, in dem süßen Blick der Augen, in der Schönheit des Mundes, in der Feinheit der Rede, in der zierlichen Schlankheit des Leibes und der Vollkommenheit

aller schönen Eigenschaften. Aber die Vollendung der Schönheit liegt im Haare; wie denn esch-Schihâb, der Dichter aus dem Hidschâz, alles dies vereinigte in einem Liede im jambischen Versmaß, das also lautet:

Der Glanz gehört zum Antlitz, sprich, und zu der Haut
Gehört die Helle, die dein Blick so gerne schaut.
Die Nase wird beschrieben zu Recht durch Wohlgestalt;
Und an dem saßen Blicke kennt mami die Augen bald.
Dein Mund gehört die Schönheit -trefflich, wer so spricht;
Versteh es wohl von mir; die Ruhe fehle dir nicht.



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Feinheit gehört zur Rede, zum Leibe Zierlichkeit,
Und aller schönen Eigenschaften Vollkommenheit.
Doch die Vollendung aller Schönheit liegt im Haar.
Nun merke auf mein Lied; sprich mich des Tadels bar.

Hocherfreut war der Sultan über seine Worte, und er zog ihn in die Unterhaltung und fragte: ,Was ist der Sinn in dem Sprichworte: Schuraih ist schlauer als der Fuchs?' Hasan erwiderte: ,Wisse, o König -Allah der Erhabene erhalte deine Macht! —, der Richter Schuraih zog während der Tage der Pest nach Nedschef'; und sooft er im Gebet stand, kam ein Fuchs, stellte sich ihm gegenüber auf, machte ihm alles nach und lenkte ihn so von seiner Andacht ab. Als ihm das zu lästig wurde, zog er eines Tages sein Hemd aus, hängte es auf ein Rohr, zog die Ärmel heraus, setzte seinen Turban darauf, legte um die Mitte einen Gürtel und stellte das Ganze da auf, wo er zu beten pflegte. Als nun der Fuchs kam wie gewöhnlich und sich der Gestalt gegenüberstellte, schlich Schuraih sich von hinten an ihn heran und fing ilm. So ist das Sprichwort entstanden.' Wie der Sultan Bedr ed-Dîn Hasans Erklärung vernommen hatte, sprach er zu seinem Oheim Scheins ed-Dîn: ,Wahrlich, dieser Sohn deines Bruders ist vollendet an feiner Bildung, und ich glaube nicht, daß sich seinesgleichen in Ägypten findet.' Hasan el-Basri aber küßte den Boden vor ihm und setzte sich nieder, wie ein Mamluk vor seinem Herrn sitzen muß. Nachdem also der Sultan sich all dessen vergewissert hatte, was Hasan el-Basri an feiner Bildung besaß, freute er sich



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höchlichst, kleidete ihn in ein prächtiges Ehrengewand und gab ihm ein Amt, durch das er ein ausreichendes Einkommen erhielt. Hasan aber erhob sich, küßte den Boden vor ihm, wünschte ihm dauernde Macht und bat um die Erlaubnis, sich mit seinem Oheim, dem Wesir Scheins ed-Dîn, zurückzuziehen. Der Sultan gab ihm die Erlaubnis, und so ging er mit seinem Oheim nach Hause; dort setzte man die Speisen vor sie, und sie aßen, was Allah ihnen gegeben hatte. Nach Beendigung der Mahlzeit ging Hasan in das Gemach seiner Gemahlin Sitt el-Husn, und er berichtete ihr, wie es ihm bei Seiner Majestät dem Sultan ergangen war; und sie sprach: ,Er wird dich sicher zu seinem Vertrauten machen und wird dich mit Geschenken und Gaben überhäufen; und du wirst, durch die Gnade Allahs, gleich dem größeren Licht, die Strahlen deiner Vollkommenheit aussenden, wo immer du seist, zu Lande oder zu Wasser.' Er sagte darauf: ,Ich will ein Lobgedicht auf ihn machen, damit seine Liebe zu mir in seinem Herzen noch zunehme.' ,Du hast mit deiner Absicht das Rechte getroffen', erwiderte sie; ,drum wähle schöne Gedanken und füge die Worte sorgfältig, so werde ich gewißlich sehen, wie er dich in Gnaden aufnimmt.' Dann schloß Hasan el-Basri sich ein und schrieb Verse hin von feinem Bau und schönem Sinn, die also lauteten:

Ich hab einen Helden, der hat die höchste Höhe erklommen;
Ergeht auf dem Wege, auf dem die Edlen und Mächtigen kommen.
Die Lande hat rings gesichert seiner Gerechtigkeit Schwert,
Und allen seinen Feinden hat es die Wege versperrt.
Sprichst du von einem Löwen, der Kraft mit Frömmigkeit paart,
Von König oder von Engel -er ist von derselben Art.
Der Bettler kehret zurück von ihm als reicher Mann;
So gütig ist er, daß kein Wo, t von dir ihn beschreiben kann.
Er ist der leuchtende Morgen, wenn er Geschenke macht;
Aber zur Zeit des Kriegs wie die finster dräuende Nacht.



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Seine Güte umgibt mit Geschmeide unseren Hals;
Durch seine Wohltaten ist er für Freie ein König des Alls.
Möge Allah ihn uns noch viele Jahre erhalten,
Möge er ihn beschützen vor Fährni's finstrer Gewalten!

Als er die Verse geschrieben hatte, schickte er sie dem Sultan durch einen der Sklaven seines Oheims, des Wesirs Scheins ed-Dîn; der König las sie, und sein Herz erfreute sich daran; dann las er sie denen vor, die bei ihm zugegen waren, und alle lobten sie sehr. Darauf ließ er den Schreiber holen und sagte zu ihm: ,Du bist hinfort mein Vertrauter, und ich bestimme dir außer dem, was ich dir früher verliehen habe, noch einen monatlichen Sold von tausend Dirhems.' Hasan el-Basri küßte den Boden vor ihm dreimal und betete für ihn um dauernde Macht und ein langes Leben. So stieg nun Hasan el-Basri hoch in Ehren, und sein Ruhm verbreitete sich in vielen Ländern, und er blieb in aller Freude des Daseins und Ruhe des Lebens bei seinem Oheim und den Seinen, bis der Tod ihm nahte.'

Als der Kalif Harûn er-Raschîd diese Geschichte aus dem Munde des Dscha'far gehört hatte, da staunte er sehr und sagte: ,Es gebührt sich, daß solche Geschichten mit goldener Tinte aufgezeichnet werden.' Und er ließ den Sklaven frei und befahl, daß dem Jüngling ein monatlicher Sold bestimmt würde, von dem er gut leben könnte; auch gab er ihm eine seiner eigenen Sklavinnen und nahm ilm in den Kreis seiner Freunde auf.

Und doch ist diese Geschichte nicht wunderbarer als die Geschichte von dem Schneider und dem Buckligen und dem Juden und dem Verwalter und dem Christen und dem, was ihnen widerfuhr. « Der König fragte: »Und wie war dast« Und Schehrezâd begann mit diesen Worten


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