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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DER FRAU. DIE IHREN MANN STAUB SIEBEN LIESS

Einst gab ein Mann seiner Frau einen Dirhem, für den sie Reis kaufen sollte; sie nahm das Geld hin und ging zum Reisverkäufer. Der gab ihr den Reis, aber dann fing er an mit ihr zu scherzen und zu äugeln; dabei sagte er zu ihr: ,Reis schmeckt nur mit Zucker gut. Wenn du auch den haben willst, so komm ein Weilchen zu mir herein!' Da ging die Frau zu ihm in den Laden hinein, und der Reishändler sagte zu seinem Diener: ,Wäge ihr für einen Dirhem Zucker ab.' Zugleich aber gab er ihm ein Zeichen, und darauf nahm der Diener aus dem Taschentuche. das die Frau ihm reichte, den Reis heraus und tat Staub an seine Stelle, und statt des Zuckers legte er Steine hinein. Dann knüpfte er das Tuch wieder zu und legte es neben sie hin. Als die Frau fortging, nahm sie ihr Tuch und machte sich auf den Heimweg in dem Glauben, der Inhalt des Tuches



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sei Reis und Zucker. Und wie sie zu Hause ankam, 'legte sie das Tuch vor ihren Gatten hin; der fand darin Staub und Steine. Als sie dann den Kessel brachte, fragte er sie: ,Hab ich dir etwa gesagt, ich wollte bauen, daß du mir Erde und Steine bringst?' Kaum sah sie das, so wußte sie, daß der Diener des Händlers ihr einen Streich gespielt hatte. Und wie er so mit dem Kessel in der Hand dastand, sagte sie zu ihrem Gatten: ,Mann, in meiner Aufregung über das, was mir widerfahren ist, habe ich statt des Siebes, dai ich bringen wollte, den Kessel geholt.' ,Was hat dich denn aufgeregt?' fragte er darauf; und sie gab ihm zur Antwort: ,Mann, der Dirhem, den ich bei mir hatte. fiel mir auf dem Markte aus der Hand. Nun schämte ich mich. vor all den Leuten nach dem Geldstück zu suchen, aber es war mir doch nicht leicht, den Dirhem zu verlieren: da hob ich rasch den Staub auf an der Stelle, auf die der Dirhem gefallen war, und ich wollte ihn durchsieben. Deshalb ging ich fort, um das Sieb zu holen; doch ich brachte den Kessel.' Dann ging sie und brachte wirklich das Sieb und gab es ihrem Manne mit den Worten: ,Siebe du; deine Augen sind besser als meine!' Da setzte der Mann sich hin und siebte den Staub, bis sein Gesicht und sein Bart ganz vom Staube bedeckt waren; aber von der List seiner Frau und von dem, was sich mit ihr zugetragen hatte, erfuhr er nichts.

Dies, o König - so schloß der dritte Wesir -, ist ein Beispiel von der Tücke der Weiber. Bedenke das Wort Allahs des Erhabenen: Fürwahr, eure Weiberlist ist groß!' und vergleiche damit das Wort des Hochgepriesenen und Erhabenen: Fürwahr, die List des Satans ist schwach!'

Als der König die Worte des Wesirs vernommen hatte, Worte, die ihn überzeugten und ihm gefielen und ihn von seis.



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ner Leidenschaft heilten, und wie er dann die Worte aus dem Buche Allahs, an die jener ihn erinnert hatte, überdachte, da gingen die Lichter des guten Rates auf am Himmel seines Verstandes und seiner Gedanken; so wandte er sich denn ab von dem Entschlusse, seinen Sohn töten zulassen. Am vierten Tage aber trat wiederum die Odaliske vor ihn hin, küßte den Boden vor ihm und sprach: ,O König des glücklichen Geschickes und des rechtgeleiteten Blickes, ich habe dir mein Recht mit klaren Beweisen kundgetan; du aber hast unrecht an mir gehandelt und hast es unterlassen, meinen Widersacher zu bestrafen, weil er dein Sohn und dein Herzblut ist. Doch Allah, der Hochgepriesene und Erhabene, wird mir wider ihn helfen, wie Er dem Sohn des Königs wider den Wesir seines Vaters geholfen hat.' ,Wie war denn das?' fragte der König; und die Odaliske begann: ,Mir ist berichtet worden, o König,


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