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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DER FRAU UND IHREN BEIDEN LIEBHABERN

Es war einmal ein Mann, der mit dem Schwerte in der Hand zu Häupten eines der Könige zu stehen hatte. Jener Mann liebte eine Frau, und er sandte eines Tages, wie gewöhnlich, seinen Diener zu ihr mit einer Botschaft. Der Diener aber setzte sich zu ihr und begann mir ihr zu kosen; und sie gab ihm nach und drückte ihn an ihre Brust. Da bat er sie um ihre Gunst. und sie gewährte sie ihm. Doch während die beiden sich so ergingen, pochte plötzlich der Herr des Burschen an die Tür. Da nahm sie den Jüngling und schob ihn in eine Falltür hinein. Dann öffnete sie ruhig die Tür, und der Mann trat ein, mit dem



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Schwert in der Hand. Er setzte sich auf das Lager der Frau; und sie kam zu ihm, koste und scherzte mit ihm, drückte ihn an ihre Brust und küßte ihn. Und er nahm sie und buhlte mit ihr. Doch nun klopfte es wieder an ihre Tür; das war ihr Gatte. Der Liebhaber fragte sie: ,Wer ist das?' Und sie gab ihm zur Antwort: ,Mein Gatte!' ,Was soll ich tun? Wie kann ich mich aus solcher Not erretten?' flüsterte er; und sie erwiderte ihm: ,Steh auf, ziehe dein Schwert, tritt auf den Hausflur und schilt und schmähe mich. Wenn mein Gatte dann zu dir hereinkommt, so mache dich auf und geh deiner Wege!' Er tat, was sie sagte. Als nun ihr Gatte eintrat, sah er des Königs Schatzmeister dort stehen, wie er das gezückte Schwert in der Hand hielt und die Frau schmähte und bedrohte. Doch wie der Schatzmeister ihn erblickte, ließ er von seinem Tun ab, stieß das Schwert in die Scheide und ging zum Hause hinaus. Da sprach der Mann zu seiner Frau: ,Was bedeutet das?' Und sie antwortete ihm: ,Mann, wie gesegnet ist dieser Augenblick, in dem du gekommen bist! Du hast eine gläubige Seele vor dem Tode bewahrt! Das ist so gekommen: Ich saß auf dem Dache und spann; da kam plötzlich ein Jüngling ins Haus gerannt, ganz verstört und keuchend vor Todesangst, und ihm folgte dieser Mann da mit dem gezückten Schwerte in großer Eile und eifrig bemüht, ihn zu fassen. Der Jüngling stürzte auf mich zu. küßte meine Hände und Füße und rief: ,Herrin, befreie mich vor dem Manne, der mich zu Unrecht ermorden will!' Da verbarg ich ihn in unserem Keller hinter der Falltür. Und wie ich dann diesen Mann mit dem gezückten Schwerte hereinkommen sah, verleugnete ich den Jüngling, den er von mir verlangte. Da begann er mich zu schmähen und zu bedrohen, wie du ja selbst gehört hast. Preis sei Allah, der dich mir gesandt hat! Denn ich war in großer Not, und keiner war



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da, der mich hätte retten können.' ,Du hast gut gehandelt, Frau,' erwiderte ihr Gatte. ,dein Lohn steht bei Allah; Er wird dir dein Tun mit Gutem vergelten.' Dann trat er zu der Falltür und rief den Jüngling mit den Worten: ,Komm heraus! Dir widerfährt kein Leid!' Nun kam der Diener zitternd vor Angst aus der Falltür hervor, während der Mann sagte: ,Beruhige dich doch! Dir geschieht kein Leid!' und ihm sein Mitleid aussprach über das, was ihm widerfahren sei. Der Diener aber fichte Segen herab auf das Haupt jenes Mannes. So gingen denn alle beide fort, ohne zu ahnen, was dies Weib da ersonnen hatte.

Wisse, o König - so schloß der zweite Wesir -, dies ist nur eine von all den Listen der Frauen; drum hüte dich, auf ihr Wort zu vertrauen!'

Da widerrief der König den Befehl, seinen Sohn zu töten. Aber am dritten Tage kam die Odaliske wieder zu dem König, küßte den Boden vor ihm und sprach zu ihm: ,O König, verschaffe mir mein Recht wider deinen Sohn und höre nicht auf das Gerede deiner Wesire! Denn von schlechten Ministern kommt nichts Gutes. Sei nicht wie jener König, der sich auf die Worte eines bösen Ratgebers unter seinen Wesiren verließ!' ,Wie war denn das?' fragte der König; und sie erzählte nun


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