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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM GEIZIGEN UND DEN BEIDEN BROTEN

Es war einmal ein Kaufmann, der in seinem Essen und Trinken sehr geizig war. Der reiste eines Tages in eine fremde Stadt; und als er dort auf den Marktstraßen umherging, traf er eine alte Frau, die zwei Brotlaibe trug. Er fragte sie, ob sie das Brot verkaufen wolle, und sie antwortete: ,Jawohl!' Da feilschte er mit ihr um den niedrigsten Preis und kaufte ihr die beiden Laibe ab; dann ging er mit ihnen in seine Wohnung und aß sie am selben Tage auf. Als es aber Morgen ward, kehrte er an dieselbige Stätte zurück und fand auch die Alte mit den beiden Broten; er kaufte sie ihr wiederum ab, und ebenso tat er an jedem folgenden Tage, eine Zeit von zwanzig Tagen hindurch. Da entschwand die Alte seinen Augen; er fragte nach ihr, doch er konnte keine Kunde von ihr erhalten. Eines Tages aber, während er durch eine der Hauptstraßen der Stadt ging, traf er sie plötzlich. Er blieb stehen, begrüßte sie und fragte sie, warum sie fortgeblieben sei und ihm die beiden Brote entzogen habe. Als die Alte seine Worte vernommen hatte, gab sie ihm zuerst ausweichende Antworten; als er sie aber beschwor, ihm zu sagen, was es mit ihr auf sich habe, sprach sie zu ihm: ,Mein Herr. so hör denn meine Antwort! Mit mir steht es also: Ich diente einem Manne, der fressende Schwären auf seinem Rücken hatte; und ein Arzt, der bei ihm war, pflegte Mehl zu nehmen und es mit zerlassener Butter zusammenzukneten; dann legte er den Teig auf die wunde Stelle und ließ ihn die ganze Nacht hindurch dort liegen, bis es Morgen ward. Jenes Mehl pflegte ich zu nehmen und je zwei Laibe Brot daraus zu



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backen; die verkaufte ich dir und anderen Leuten. Jetzt ist der Mann gestorben, und ich habe keine zwei Brote mehr.' Als der Kaufmann das hören mußte, rief er: ,Wahrlich, wir sind Gottes Geschöpfe, und zu ihm kehren wir zurück. Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 581. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtetworden, o glücklicher König, daß der Kaufmann, nachdem die Alte ihm von der Herkunft der beiden Brote berichtet hatte, ausrief: ,Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen!' Dann begann er, sich unaufhörlich zu erbrechen, bis er krank ward; und er bereute, als ihm die Reue nichts mehr half. —Und ferner, o König - so fuhr der zweite Wesir fort -, ist mir über die Tücke der Weiber berichtet worden


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