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Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


Die Gottheiten des Himmels

1. Zeus (bei den Römern Jupiter genannt) ist der oberste Gott der Griechen, der Gott des Himmels und seines strahlenden Glanzes und der Herrscher der Welt. Nach seinem Vater Kronos wird er auch Kronide oder Kronion genannt. Er ist der Vater der Götter und Menschen, der stärkste und mächtigste Gott im Himmel, dem die andern Götter untertan sind. Auch alle weltliche Herrschaft stammt von ihm. Zeus thront auf dem Olympos; er beruft die Götter zum Rat zusammen und lenkt die Geschicke von Göttern und Menschen, soweit nicht das Schicksal mächtiger ist als der Gott. Als Wettergott sendet er befruchtenden Regen oder den Himmel aufheileinde Winde. Blitz und Donner sind Zeichen seiner Macht; der himmelanslrebende Adler ist ihm geweiht, unter den Bäumen war ihm die Eiche, der königliche Baum, heilig. In den andern Göttern sind vielfach nur besondere Eigenschaften des Zeus dargestellt, weshalb sie auch als seine Kinder erscheinen; besonders teuer ist ihm Pallas Athene, die Göttin der Weisheit, und Apollon, der die Satzungen des göttlichen Vaters den Menschen verkündet. Denn Zeus ist der Schützer der Ordnung und des Rechts. der Eid ist dem Gotte heilig. Er erweist sich dem Flehenden gnädig, bewacht das Menschenleben,



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gibt Gutes und Böses, wie es ihm gefällt, obwohl sein Wesen Güte und Liebe ist. Aber gegen Frevler ist er voll heiligen Zornes und bestraft den übermut der Ungerechten.

Zeus wurde sowohl als Jüngling als auch als Mann und Greis dargestellt. Sein berühmtestes Bildnis war die von Phidias gefertigte Statue in Olympia. Herrscherwürde und königliche Majestät, aber auch göttliche Milde sprachen aus der wunderbaren Gestalt. Spätere Bildnisse sind nach diesem Vorbild gemacht. Der Adler. Zepter und ruhender Blitz sowie die Weltkugel sind Kennzeichen der Zeusbüsten.

2. Hera (bei den Römern Juno), die Schwester und Gemahlin des Zeus, ist nach diesem die höchste Gottheit. Sie beschützt die Ehe, und so milde sie in ehelicher Eintracht mit Zeus erscheint, so finster und verderblich ist sie, wenn sie Untreue und Ehebruch bestraft. Als Königin des Olymps müssen ihr die andern Götter dieselbe Ehre erweisen wie dem Zeus; vor ihrem Zorn zittern die Götter; Blitz und Donner nimmt sie in ihre Hand, über Sturm und Meer gebietet sie. Mit Eifersucht wacht sie über ihre Schönheit und ihre Rechte als Gattin des Zeus. In den von den Dichtern geschilderten ehelichen Streitigkeiten sehen wir wahrscheinlich einen Ausdruck der gewaltigen Himmelserscheinungen, wie Sturm und Regen, Gewitter und Verfinsterung des Himmels, welche die Griechen sich nicht anders als durch ehelichen Zank der herrschenden Mächte erklären konnten.

In Bildern und Statuen ist Hera als eine hoheitsvolle Erscheinung von hohem Wuchs dargestellt. Sie badet den reizenden Leib in Ambrosia und legt das von Athene gefertigte Gewand an, das mit goldenen Spangen unter der Brust zusammengehalten wird. Gürtel, seidener Schleier, Ohrgehänge und goldene Sandalen vervollständigen ihre göttliche Kleidung. In der Hand hält sie häufig einen Granatapfel. Der Pfau ist ihr heiliger Vogel; auch Gans oder Kuckuck (der Frühlingsbote) sind manchmal zu ihren Füßen angebracht.

3. Pallas Athene (bei den Römern Minerva genannt) ist dem Vater Zeus wesensgleich, weil sie seinem Haupte entsprungen ist. Sie ist eine Kriegsgöttin, die den Donner des Zeus rollen läßt und den Ägisschild schüttelt, daß die Feinde erschreckt fliehen. Aber sie ist auch den Künsten des Friedens hold; mit Hephästos verbunden erfand sie die Gewerbe und ihre Werkzeuge, besonders den Pflug und die Spindel; auch als erste Schiffbaumeisterin gilt sie. Mit



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ihrer Weisheit berät sie die Helden, denen sie wohlgesinnt ist, geleitet sie auf ihren Wegen, besteigt mit ihnen den Kriegswagen und wirft alles vor ihnen nieder. Solange ihr Bild in Städten und Burgen gehegt wird, ist sie dort Schirmgöttin; dem Schutzflehenden, der ihr Bild, das Palladium, berührt; gewährt sie sichere Zuflucht, bestraft aber auch den Frevler. Im Bilde wird sie als strenge, mannhafte Heldenjungfrau dargestellt, stehend, mit gezückter Lanze und erhobenem Schilde. Ihr Tempel auf der Akropolis zu Athen, das Parthenon, enthielt das herrliche Bild der Pallas Athene von Phidias. Auch außerhalb des Tempels trug die Burg von Athen eine kolossale, fast 25 Meter hohe Erzbildsäule der Göttin von Phidias. Die Anpflanzung des Ölbaums wird ihr zugeschrieben, Schlangen und Eule waren ihr heilig.

4. Hephästos (bei den Römern Vulkanus) wird gemeinsam mit Athene verehrt. Er ist wie diese der Erfinder vieler Künste, der Verfertiger wunderbarer Meisterwerke, wie z. B. des Bildes der Pandora, der Pfeile des Eros, des Wagens des Helios, der Waffenrüstung des Achilleus u. a. Den Göttern hatte er auf dem Olymp prächtige Paläste erbaut. Besonders übt er als Gott des Feuers alle Werke der Schmiedekunst. Der Gott wird auf Bildern häßlich und mit oerkürztem linken Bein dargestellt; denn nach der Sage soll ihn Zeus wegen seiner Häßlichkeit vom Olymp geschleudert haben, wodurch er lahm wurde.

5. Phöbos Apollon (lat. Apollo) ist der Lichtgott der Griechen und ihre herrlichste Gottheit. Wie er als Frühlingsgott die Natur weckt und von Nachtigallen, Schwalben und Zikaden begrüßt wird, so besitzt er selbst auch die Gaben des Gesangs und Saitenspiels sowie der Dichtkunst. Er ist der Meister aller schönen Künste und Führer der Musen, die sein Spiel beim Mahle der Götter mit ihrem Gesang begleiten. Auch den Tanz liebt er. Phöbos bedeutet der "Reine"; er ist auch Heilgott und Arzt (Asklepios oder Äskulap ist sein Sohn); aber als der "Reine" straft er auch das Böse; seine Pfeile bringen dem Frevler Tod und Verderben, wie z. B. Niobe und ihren Kindern und den Griechen vor Troja. Dagegen entsühnt sein Tempel von ungewolltem Mord und gebietet den Erinnyen Halt. Als Gott der Weissagung war ihm besonders das Orakel zu Delphi geweiht. In der bildenden Kunst wird er als strahlender Jüngling und meist nackt dargestellt; sein Antlitz mit dem erhabenen Ausdruck ist von herrlichem Lockenschmuck umwallt, er trägt Pfeil und Bogen,



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manchmal den Schild (Apollo vom Belvedere) oder eine Leier. Der Lorbeer ist ihm heilig, unter den Tieren Schwan und Delphin.

6. Artemis (lat. Diana) ist die Zwillingsschwester des Apollon und mit ihm auch dem Wesen nach verwandt, prangend in ewiger Jugend, jungfräulich, kühn und stark. Sie ist die Göttin der Jagd, mit Pfeil und Bogen durchstreift sie, begleitet von ihren Gespielinnen, den Nymphen, den Wald, das Wild jagend. Ihr Wagen wird von vier mächtigen Hirschen gezogen, die sie selbst auf einem arkadischen Berge gefangen. Die Göttin wird als jugendlich schlanke Gestalt dargestellt, ihr Leib keusch verhüllt; denn sie heißt auch Phöbe, die "Reine". Das Unterkleid ist hoch geschürzt, wie es der Jagdgöttin dienlich ist, in der Hand trägt sie die Waffen, zur Seite gehen ihr Hirschkuh und Hund. Wie dem Phöbos Apollon ist ihr der Lorbeer geweiht, von Tieren war ihr besonders der Bär heilig, der als großer Bär ihr zu Ehren unter die Gestirne versetzt ward.

7. Ares (bei den Römern Mars) ist der Gott der Schlachten. Er freut sich am Kampfe und fährt, gefolgt von seinen Söhnen, Schrecken und Furcht, begleitet von seiner Schwester, der Zwietracht, in goldenem Waffenschmuck in die Schlacht. Er fragt nichts darnach, auf welcher Seite das Recht oder Unrecht ist, sondern kämpft nur aus Freude am Kampf. Deshalb tritt ihm Athene, durch den Kampf dem künftigen Frieden dienen will und besonnen die Schlachten lenkt, öfters entgegen. Im trojanischen Krieg stand Ares auf der Seite der Troer. Herakles kämpft zweimal mit dem Gotte. Den Göttern und auch Zeus ist die wilde Kriegslust des Ares verhaßt. Doch hat ihm die Sage die Göttin der Schönheit, Aphrodite, als Gemahlin beigesellt. Er wird häufig ruhend neben Aphrodite dargestellt, wie Eros mit seinen Waffen spielt. Die Römer verehrten ihn als Mars begeisterter als die Griechen und nannten den ersten Monat ihres Jahres nach ihm Mars (März).

8. Aphrodite (lat. Venus) ist nach einer anmutigen Sage aus dem Schaum des Meeres geboren, die glänzende Göttin der Schönheit und Liebe. Zephire trugen sie nach ihrer Geburt nach Cypern; als sie ans Ufer trat, sproßten Blumen hervor, wohin ihr Fuß trat. Ihre Dienerinnen sind die Horen, die sie schmücken, die Grazien sind ihre Gespielinnen, Ihr wertvollster Schmuck ist ihr Gürtel, der alle Zauber der Liebe und Anmut verleiht. Wie sie selbst in ewiger Jugend und unvergänglichem Liebreiz strahlt, schenkt sie auch den jungen Mädchen blühende Gesundheit und lieblichen Reiz. Der stolze



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Schwan, Sperling und Taube, als zärtliche Vögel, ferner die Schwalbe als Frühlingsbote waren ihr heilig; von den Blumen waren ihr Myrte, Rose und Anemone geweiht, ihr Lieblingsbaum war die Linde. In der Kunst ist Aphrodite häufig dargestellt, und zwar meistens, wie sie nackt dem Bade entsteigt, um die Schönheit ihres Körpers zu zeigen. Phidias stellte sie stets bekleidet dar. Ihr Begleiter ist ihr Sohn Eros (Amor) mit dem Köcher und den Liebespfeilen.

g. Hermes (lateinisch Merkur), der Sohn des Zeus und der Nymphe Maja, zeigte gleich nach seiner Geburt die Grundzüge seines Wesens, Schlauheit, Erfindungsgabe und List. Er erfand die Lyra (Leier), trat sie aber an Apollon ab, dem er voll Verschlagenheit fünfzig Rinder stahl. Den Bauern war er Herden- und Weidegott, den Göttern beflügelter Bote, den Helden ein nie versagender Ratgeber. Als Bote des Zeus war er der Gott der Wege und Schutzgott der Straßen, weshalb seine Bildsäulen (Hermessäulen) an öffentlichen Plätzen und an Straßen aufgestellt wurden. Durch seine List und Schlauheit eignete er sich zum Gotte des Handels und Verkehrs, denn bei den südlichen Völkern wurde ehrlicher Handel und betrügerische übervorteilung nicht so streng auseinander gehalten. Selbst der Gott der Diebe mußte Hermes sein. Gewöhnlich wurde er als Götterbote 4nit glockenartigem oder breitkrempigem Hute, ferner mit dem Heroldstabe, besonders aber mit Flügeln an Hut, Schultern, Stab und Sohlen dargestellt. Als Gott des Handels und Verkehrs trägt er einen Beutel in der Hand.

10. Hebe, die Tochter des Zeus und der Hera, ist die Schenkin der Götter im Olymp. Als sie einst das Ungeschick beging, die dem Zeus dargereichte Schale fallen zu lassen, wurde das Amt des Schenken an Ganymed übertragen. Hebe aber vergaß die Kränkung als Gattin des Herakles, mit dem sie eine glänzende, von den alten Künstlern vielfach dargestellte Hochzeit feierte. Gewöhnlich begegnet man ihrem Bilde auf Prachtvasen, wie sie als anmutiges, züchtiges Mädchen aus emporgehaltener Kanne Nektar einschenkt.

11. Hestia (lateinisch Vesta), eine Schwester des Zeus, war die Göttin des häuslichen Lebens; der Herd, dessen unverlöschliches Feuer ihr heilig war, galt als ihr Altar. Hier brachte man ihr regelmäßige Opfer dar. Ein Schwur beim Herde der Göttin galt als unverletzlich; zugleich fanden hier Schutzflehende ein Asyl. Auch als Beschützerin des Staates galt die Göttin, und wenn die Griechen als Kolonisten in die Fremde zogen, nahmen sie von ihrem Altar Feuer mit für



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den Herd der künftigen Ansiedlung. Hestia wird als reine, keusche Göttin stets bekleidet dargestellt mit ruhigem, ernstem Gesichtsausdruck. Opferschale, Schöpfgefäß, Fackel und Zepter sind ihre Kennzeichen. Der Specht und der Häher waren die ihr heiligen Tiere, auch die Eiche war ihr geweiht.


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