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Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


Theseus auf Frauenraub

Durch die Verbindung mit dem jungen Helden Peirithoos erwachte in dem verlassenen und alternden Theseus die Lust zu kühnen und selbst mutwilligen Abenteuern wieder. Dem Peirithoos war seine Gattin Hippodameia nach kurzem Besitz gestorben, und da auch Theseus jetzt ehelos war, so gingen beide auf Frauenraub aus. Damals war die nachher so berühmt gewordene Helena, die Tochter des Zeus und der Leda, die in dem Palast ihres Stiefvaters Tyndareos zu Sparta aufwuchs, noch sehr jung. Aber sie war schon die schönste Jungfrau ihrer Zeit, und ihre Anmut fing an, in ganz Griechenland bekannt zu werden. Diese sahen Theseus und Peirithoos, als sie auf dem genannten Raubzüge nach Sparta kamen. in einem Tempel der Artemis tanzen. Beide wurden von Liebe zu ihr entzündet. Sie raubten sie in ihrem übermut aus dem Heiligtum und brachten sie zuerst nach Tegea in Arkadien. Hier warfen sie das Los über sie, und einer versprach dem andern brüderlich, ihm, wenn das Los ihn verfehle, zum Raub einer andern Schönheit behilflich zu sein. Das Los teilte die Beute dem Theseus zu, und nun brachte sie dieser nach Aphidna im attischen Gebiet, übergab die Jungfrau dort seiner Mutter Äthra und stellte sie unter den Schutz seines Freundes. Darauf zog Theseus weiter mit seinem Waffenbruder, und beide sannen auf eine herkulische Tat. Peirithoos entschloß sich nämlich, die Gemahlin des Hades, Persephone, der Unterwelt zu entführen und sich durch ihren Besitz für den Verlust Helenas zu entschädigen. Daß ihnen dieser Versuch mißglückte und sie von Hades zu ewigem Sitzen in der Unterwelt verdammt wurden, daß Herakles, der beide befreien wollte, nur den Theseus aus dem Hades erretten konnte, ist schon erzählt worden. Während nun Theseus auf diesem unglücklichen Zuge abwesend war und in der Unterwelt gefangen saß, machten sich die Brüder Helenas, Kastor und Polluce, auf und rückten gegen Attika heran, um ihre Schwester Helena zu befreien. Indessen verübten sie anfangs keine Feindseligkeiten im Lande, sondern



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kamen friedlich nach Athen und forderten hier die Zurückgabe Helenas. Als aber die Leute in der Stadt antworteten, daß sie weder die junge Fürstin bei sich hätten, noch wüßten, wo Theseus sie zurückgelassen, wurden sie zornig und schickten sich mit den sie begleitenden Scharen zum wirklichen Kriege an. Jetzt erschraken die Athener, und einer aus ihrer Mitte, mit Namen Akademos, der das Geheimnis des Theseus auf irgend eine Art erfahren hatte, entdeckte den Brüdern, daß der Ort, wo sie verborgen gehalten werde, Aphidna sei. Vor diese Stadt rückten nun Kastor und Polluce, siegten in einer Schlacht und eroberten den Platz mit Sturm.

Zu Athen hatte sich inzwischen auch anderes begeben, was für Theseus ungünstig war. Menestheus, ein Urenkel des Erechtheus, hatte sich als Volksführer und Schmeichler der Menge gegen den leerstehenden Thron aufgelehnt und auch die Vornehmen aufgewiegelt, indem er ihnen vorstellte, wie der König sie dadurch, daß er sie von ihren Landsitzen in die Stadt hereingezogen, zu Untertanen und Sklaven gemacht habe. Dem Volk aber hielt er vor, wie es, dem Traum der Freiheit zuliebe, seine ländlichen Heiligtümer und Götter habe verlassen müssen und, statt von vielen guten einheimischen Herren abhängig zu sein, einem Fremdling und Despoten diene. Als nun Aphidnäs Eroberung durch die Tyndariden Athen mit Schrecken erfüllte, da benutzte Menestheus auch diese Stimmung des Volkes. Er bewog die Bürger, den Söhnen des Tyndareos, welche die Jungfrau Helena, ihren Wächtern entrissen, mit sich führten, die Stadt zu öffnen und sie freundlich zu empfangen, da dieselben nur gegen Theseus, als den Räuber des Mädchens, Krieg führten. Ihr Betragen bewies, daß Menestheus diesmal wahr gesprochen hatte; denn obgleich sie durch offene Tore in Athen eingezogen und alles dort in ihrer Gewalt war, so taten sie doch niemand etwas zuleide, verlangten vielmehr nur wie andre vornehme Athener und Verwandte des Herakles, in den Geheimdienst der eleusinischen Mysterien aufgenommen zu werden, und zogen dann mit ihrer geretteten Helena, von den Bürgern, die sie liebten und ehrten, zur Stadt hinausgeleitet, wieder in ihre Heimat.


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