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Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


12. Kerberos, der Höllenhund

Statt den verhaßten Nebenbuhler zu vernichten, hatten die ihm bisher von Eurystheus aufgetragenen Arbeiten den Herakles nur in dem Berufe verherrlicht, der ihm vom Schicksal angewiesen war; sie hatten ihn als Vertilger jeder Unmenschlichkeit auf Erden, als den echt menschlichen Wohltäter der Sterblichen dargestellt. Das letzte Abenteuer aber sollte er in einer Region bestehen, wohin ihn — so hoffte der arglistige König —seine Heldenkraft nicht begleiten würde. Ein Kampf mit den finstern Mächten der Unterwelt stand ihm bevor: er sollte Kerberos, den Höllenhund, aus dem Hades heraufbringen. Das Untier hatte drei Hundsköpfe mit gräßlichen Rachen, aus denen unaufhörlich giftiger Geifer träufelte, ein Drachenschwanz hing ihm vom Leibe herunter, und das Haar der Köpfe und des Rückens bildeten zischende, geringelte Schlangen. Sich für diese grausenerregende Fahrt zu befähigen, ging Herakles in die Stadt Eleusis im attischen Gebiet; wo eine Geheimlehre über göttliche Dinge der Ober- und Unterwelt von kundigen Priestern gehegt wurde, und ließ sich von dem Priester Eumolpos in die dortigen Geheimnisse einweihen, nachdem er an heiliger Stätte vom Morde der Kentauren entsündigt worden war. So mit geheimer Kraft, den Schrecken der Unterwelt zu begegnen, ausgerüstet, wanderte er in den Peloponnes und nach der lakonischen Stadt Tänaros, wo sich die Mündung der Unterwelt befand. Hier stieg er, von Hermes, dem Begleiter der Seelen, geleitet, die tiefe Erdkluft hinab und kam zur Unterwelt vor die Stadt des Königs Hades. Die Schatten, die vor den Toren



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der Hadesstadt traurig lustwandelten, — denn in der Unterwelt ist kein heiteres Leben wie im Sonnenlicht — ergriffen die Flucht, als sie Fleisch und Blut in lebendiger Menschengestalt erblickten; nur die Gorgone Medusa und der Geist des Meleagros hielten stand. Nach jener wollte Herakles einen Schwertstreich führen, aber Hermes fiel ihm in den Arm und belehrte ihn, daß die Seelen der Abgeschiedenen leere Schattenbilder und vom Schwerte nicht verwundbar seien. Mit der Seele des Meleagros dagegen unterhielt sich der Halbgott freundlich und empfing von ihm sehnsüchtige Grüße für die Oberwelt an seine geliebte Schwester Deianira. Ganz nahe zu den Pforten des Hades gekommen, erblickte er seine Freunde Theseus und Pirithoos; der letztere hatte sich in der Unterwelt, vom andern begleitet, als Freier der Persephone eingefunden, und beide waren wegen dieses frechen Unterfangens von Hades an den Stein, auf den die Ermüdeten sich niedergelassen hatten, gefesselt worden. Als beide den befreundeten Halbgott erblickten, streckten sie flehend die Hände nach ihm aus und zitterten vor Hoffnung, durch seine Kraft die Oberwelt wieder erklimmen zu können. Den Theseus ergriff auch Herakles wirklich bei der Hand, befreite ihn von seinen Banden und richtete ihn vom Boden, an dem er gefesselt gelegen hatte, wieder auf. Ein zweiter Versuch, auch den Pirithoos zu befreien, mißlang, denn die Erde fing an, ihm unter den Füßen zu beben. Vorschreitend, erkannte Herakles auch den Askalaphos, der einst verraten hatte, daß Persephone von den die Rückkehr verwehrenden Granatäpfeln des Hades gegessen; er wälzte den Stein ab, den Demeter in Verzweiflung über den Verlust ihrer Tochter auf ihn gewälzt hatte. Dann fiel er unter die Herden des Hades und schlachtete eines der Rinder, um die Seelen mit Blut zu tränken; dies wollte der Hirt dieser Rinder. Menötios, nicht gestatten und forderte deswegen den Helden zum Ringkampf auf. Herakles aber faßte ihn mitten um den Leib, zerbrach ihm die Rippen und gab ihn nur auf Bitten der Unterweltsfürstin Persephone selbst wieder frei. Am Tore der Totenstadt stand der König Hades und verwehrte ihm den Eintritt. Aber das Pfeilgeschoß des Heroen durchbohrte den Gott an der Schulter, daß er Qualen der Sterblichen empfand und, als der Halbgott nun bescheiden um Entführung des Höllenhundes bat, sich nicht länger widersetzte. Doch forderte er als Bedingung, daß Herakles sich desselben bemächtigen sollte, ohne die Waffen zu gebrauchen, die er bei sich führe. So ging der Held, einzig mit



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seinem Brustharnisch bedeckt und mit der Löwenhaut umhangen, aus, das Untier zu fangen. Er fand ihn an der Mündung des Acheron hingekauert, und ohne auf das Bellen des Dreikopfes zu achten, das wie ein sich in Widerhallen vervielfältigender dumpfer Donner tönte, nahm er die Köpfe zwischen die Beine, umschlang den Hals mit den Armen und ließ ihn nicht los, obgleich der Schwanz des Tieres, der ein lebendiger Drache war, sich vorwärts bäumte und der Drache ihn in die Weiche biß. Er hielt den Nacken des Ungetüms fest und schnürte ihn so lange zu, bis er über das ungebärdige Tier Meister ward; dann hob er es auf und gelangte durch eine
andere Mündung des Hades bei Trözen im argolischen Lande glücklich wieder zur Oberwelt. Als der Höllenhund das Tageslicht erblickte, entsetzte er sich und fing an, den Geifer von sich zu speien; davon wuchs der giftige Eisenhut aus dem Boden hervor. Herakles brachte das Ungeheuer in Fesseln sofort nach Tiryns und hielt es dem staunenden Eurystheus, der seinen eigenen Augen nicht traute, entgegen. Jetzt verzweifelte der König daran, jemals den verhaßten Zeussohn los zu werden, ergab sich in sein Schicksal und entließ den Helden, der den Höllenhund seinem Eigentümer zurück in die Unterwelt brachte.


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