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Kapitel 

Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


4. Der erymanthische Eber

Sofort ging es an die vierte Unternehmung. Sie bestand darin, den erymanthischen Eber, der, gleichfalls der Artemis geheiligt, die Gegend des Berges Erymanthos verwüstete, lebendig nach Mykene zu liefern. Auf seiner Wanderung nach diesem Abenteuer kehrte Herakles unterwegs bei Pholos, dem Sohne des Silenos, ein. Dieser, der wie alle Kentauren halb Mensch, halb Roß war, empfing seinen Gast sehr freundlich und setzte ihm das Fleisch gebraten vor, während er selbst es roh verzehrte. Aber Herakles begehrte zu der feinen Mahlzeit auch einen guten Trunk. "Lieber Gast,"sprach Pholos, "es liegt wohl ein Faß in meinem Keller, dieses aber gehört allen Kentauren gemeinschaftlich, und ich trage Bedenken, es öffnen zu lassen, weil ich weiß, wie wenig die Kentauren nach Gästen fragen." — ,Öffne es nur guten Mutes," erwiderte Herakles, "ich verspreche dir, dich gegen alle ihre Anfälle zu verteidigen; mich dürstet!" Es hatte aber dieses Faß Bacchos, der Gott des Weines, selbst einem Kentauren mit dem Befehl übergeben, dasselbe nicht eher zu eröffnen, als bis nach vier Menschenaltern Herakles in dieser Gegend einkehren würde. So ging denn Photos in den Keller; kaum aber hatte er das Faß eröffnet, so rochen die Kentauren den Duft des starken, alten Weines und umringten, haufenweise herbeiströmend,



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mit Felsstücken und Fichtenstämmen bewaffnet, die Höhle des Pholos. Die ersten, die es wagten einzudringen, jagte Herakles mit geschleuderten Feuerbränden zurück; die übrigen verfolgte er mit Pfeilschüssen bis nach Malea, wo der gute Kentaur Cheiron, des Herakles alter Freund, wohnte. Zu diesem flüchteten seine Stammesbrüder. Aber Herakles hatte, als sie eben mit ihm zusammentrafen, auf sie mit dem Bogen gezielt und schoß einen Pfeil ab, der, durch den Arm eines andern Kentauren dringend, unglücklicherweise in das Knie Cheirons fuhr und dort stecken blieb. Jetzt erst erkannte Herakles den Freund seiner früheren Tage, lief bekümmert hinzu, zog den Pfeil heraus und legte ein Heilmittel auf, das der arzneikundige Cheiron selbst hergegeben hatte. Aber die Wunde, vom Gifte der Hydra durchdrungen, war unheilbar; Cheiron ließ sich in seine Höhle bringen und wünschte hier in den Armen seines Freundes zu sterben. Vergeblicher Wunsch! Der Arme hatte nicht daran gedacht, daß er zu seiner Qual unsterblich sei. Herakles nahm von dem Gequälten unter vielen Tränen Abschied und versprach, ihm, es koste, was es wolle, den Tod, den Erlöser, zu senden. Wir wissen, daß er Wort gehalten hat. Als Herakles von der Verfolgung der übrigen Kentauren in seines Freundes Höhle zurückkehrte, fand er Pholos, seinen liebreichen Wirt, auch tot. Dieser hatte aus einem Kentaurenleichnam den Todespfeil gezogen; während er sich nun wunderte, wie ein so kleines Ding so große Geschöpfe hatte niederwerfen können, entglitt das vergiftete Geschoß seiner Hand, fuhr ihm in den Fuß und tötete ihn auf der Stelle. Herakles war sehr betrübt; er bestattete ihn ehrenvoll, indem er ihn unter den Berg legte, der seitdem Pholoe genannt ward. Dann ging er weiter, den Eber zu jagen. Er trieb denselben mit Geschrei aus dem Dickicht des Waldes heraus, verfolgte ihn ins tiefe Schneefeld, fing hier das erschöpfte Tier mit einem Strick und brachte es, wie ihm befohlen war, lebendig nach Mykene.


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