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Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


Pelops

So schwer Tantalos an den Göttern sich versündigt hatte, so fromm ehrte sie sein Sohn Pelops. Er war nach der Verbannung seines Vaters in die Unterwelt in einem Kriege mit dem benachbarten König Trojas aus seinem phrygischen Reiche vertrieben worden und wanderte nach Griechenland aus. Eben erst bekleidete sich das Kinn des Jünglings mit schwärzlicher Wolle, aber schon hatte er sich im Herzen eine Gattin ausersehen. Es war dies die schöne Tochter des Königs Onomaos von Elis, mit Namen Hippodameia. Sie war ein Kampfpreis, der nicht leicht zu erringen war. Das Orakel hatte nämlich ihrem Vater vorhergesagt, er werde sterben, wenn seine Tochter einen Gatten erhielte. Deswegen wandte der erschrockene König alles an, um jeden Freier von ihr zu entfernen. Er ließ eine Verkündigung in alle Lande hinausgehen, daß derjenige seine Tochter zur Gemahlin erhalten sollte, der ihn selbst im Wagenrennen überwinden würde. Wen aber er, der König, besiegte, der sollte sein Leben lassen. Der Wettlauf geschah von Pisa aus nach dem Altar des Poseidon auf der Meerenge bei Korinth, und die Zeit zur Abfahrt der Wagen bestimmte er also: Er selbst wollte erst gemächlich dem Zeus einen Widder opfern, während der Freier mit dem vierspännigen Wagen ausführe; erst wenn er das Opfer beendigt hätte, sollte Onomaos den Lauf beginnen und auf seinem von dem Wagenlenker Myrtilos geleiteten Wagen, mit einem Spieß in der Hand, den Freier verfolgen. Gelänge es ihm, den vorauseilenden Wagen einzuholen, so sollte er das Recht haben, den Freier mit seinem Spieß zu durchbohren. Als die vielen Freier, welche Hippodameia wegen ihrer Schönheit zählte, dies vernahmen, waren sie alle getrosten Mutes. Sie hielten den König Önomars für einen altersschwachen Greis, der, im



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Bewußtsein, mit Jünglingen doch nicht um die Wette rennen zu können, ihnen absichtlich einen so großen Vorsprung bewilligte, um seine wahrscheinliche Niederlage aus dieser Großmut erklären zu können. Daher kam einer nach dem andern nach Elis gezogen, stellte sich dem Könige vor und begehrte seine Tochter zum Weibe. Dieser empfing sie jedesmal freundlich, überließ ihnen ein schönes Viergespann zur Fahrt und ging hin, dem Zeus seinen Widder zu opfern, wobei er sich gar nicht beeilte. Dann erst bestieg er einen leichten Wagen, vor welchen seine beiden Rosse Phylla und Harpinna gespannt waren, die geschwinder liefen als der Nordwind. Mit ihnen holte sein Wagenlenker die Freier jedesmal noch lange vor Ende der Bahn ein, und unversehens durchbohrte sie der Speer des grausamen Königs von hinten. Auf diese Art hatte er schon mehr denn zwölf Freier erlegt, denn immer holte er sie mit seinen schnellen Pferden ein.

Nun war Pelops auf seiner Fahrt nach der Geliebten an der Halbinsel, die später seinen Namen führen sollte, gelandet. Bald hörte er, was sich zu Elis mit den Freiern zutrage. Da trat er nächtlicherweile ans Meeresufer und rief seinen Schutzgott, den mächtigen Dreizackschwinger Poseidon, an, der ihm zu Füßen aus der Meeresflut emporrauschte. "Mächtiger Gott," rief Pelops ihn an, "wenn dir selbst die Geschenke der Liebesgöttin willkommen sind, so lenke den ehernen Speer des Onomaos von mir ab, entsende mich auf dem schnellsten Wagen gen Elis und führe mich zum Siege, denn schon hat, er dreizehn liebende Männer ins Verderben gestürzt, und noch schiebt er die Hochzeit der Tochter auf. Eine große Gefahr duldet keinen unkriegerischen Mann. Ich bin entschlossen, sie zu bestehen. Wer doch einmal sterben muß, was soll der ein namenloses Alter in Finsternis dasitzend erwarten, alles Edlen unteilhaftig? Darum will ich den Kampf bestehen: du gib mir erwünschten Erfolg!"

So betete Pelops, und sein Flehen war nicht vergebens. Denn abermals rauschte es in den Wassern, und ein schimmernder goldener Wagen mit vier pfeilschnellen Flügelrossen stieg aus den Wellen empor. Auf ihn schwang sich Pelops und flog, die Götterpferde nach Gefallen lenkend, mit dem Wind um die Wette nach Elis. Als Onomaos ihn kommen sah, erschrak er, denn auf den ersten Blick erkannte er das göttliche Gespann des Meergottes. Doch verweigerte er dem Fremdling den Wettkampf nach den gewohnten Bedingungen nicht; auch verließ er sich auf die Wunderkraft seiner eigenen Rosse,



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die es dem Winde zuvortaten. Nachdem die Rosse des Pelops von der Reise durch die Halbinsel gerastet, betrat er mit ihnen die Laufbahn. Schon war er dem Ziele ganz nahe, als der König, der das Widderopfer wie gewöhnlich verrichtet hatte, mit seinen lustigen Rossen ihm plötzlich auf den Nacken kam und schon den Speer schwang, dem kühnen Freier den tödlichen Stoß zu versetzen. Da fügte es Poseidon, der den Pelops beschirmte, daß mitten im Laufe die Räder des
königlichen Wagens aus den Fugen gingen und dieser zusammenbrach. Onomaos stürzte zu Boden und gab von dem Falle den Geist auf. In demselben Augenblick hielt Pelops mit seinem Viergespann am Ziele. Als er hinter sich blickte, sah er den Palast des Königs in Flammen stehen; ein Blitzstrahl hatte ihn angezündet und zerstörte ihn von Grund aus, daß nichts als eine Säule davon stehen blieb. Pelops aber eilte mit seinem Flügelgespann dem brennenden Hause zu und holte sich die Braut aus den Flammen.


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