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Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


Jason erfüllt des Aetes Begehr

So schieden sie. Jason kehrte fröhlich zu seinen Genossen und dem Schiffe zurück. Die Jungfrau begab sich zu ihren Dienerinnen. Diese eilten ihr alle entgegen, — sie aber sah es nicht, denn ihre Seele schwebte hoch in den Wolken. Mit leichten Füßen bestieg sie den Wagen, trieb die Maultiere an, die von selbst nach Hause rannten, und kam zum Palast zurück. Hier hatte Chalkiope voll banger Sorge um ihre Söhne längst auf sie gewartet. Sie saß auf einem Schemel, das gebeugte Haupt mit der linken Hand gestützt; ihre Augen waren feucht unter den Augenlidern, denn sie dachte daran, in welches Übels Genossenschaft sie verstrickt wäre.

Jason erzählte unterdessen seinen Genossen, wie ihm die Jungfrau das herrliche Zaubermittel gereicht habe, zugleich hielt er ihnen die Salbe entgegen. Alle freuten sich; nur Idas, der Held, saß seitwärts und knirschte mit den Zähnen vor Zorn. Am andern Morgen sandten sie zwei Männer ab, den Drachensamen von Äetes zu erbitten, der sich nicht lange weigerte. Er gab ihnen von den Zähnen desselben Drachen, den Kadmos bei Theben umgebracht hatte. Er tat es ganz getrost, denn er hielt es gar nicht für möglich, daß Jason es nur bis zum Säen der Zähne bringen könnte. In der Nacht, die auf diesen Tag folgte, badete sich Jason und opferte der Hekate, ganz wie Medea ihn geheißen. Die Göttin selbst vernahm sein Gebet und kam aus ihren tiefen Höhlen hervor, die Entsetzliche, umringt von gräßlichen Drachen, die flammende Eichenäste im Rachen trugen. Hunde der Unterwelt schwärmten bellend um sie her. Der



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Anger zitterte unter ihrem Tritt, und die Nymphen des Flusses Phasis heulten. Selbst den Jason ergriff Entsetzen, als er heimkehrte, aber dem Gebote der Geliebten getreu, schaute er sich nicht um, bis er wieder bei seinen Genossen war; und schon schimmerte die Morgenröte über dem Schneegipfel des Kaukasos.

Jetzt warf Stetes seinen starken Panzer über, den er im Kampfe mit den Giganten getragen; auf sein Haupt setzte er den goldenen Helm mit vier Büschen und griff zu dem vierhäutigen Schilde, den außer Herakles kein anderer Held hätte aufheben können. Sein Sohn hielt ihm die schnellen Rosse am Wagen: diesen bestieg er und flog, die Zügel in der Hand, aus der Stadt, ihm nach unzähliges Volk. Wie selbst zum Kampfe gerüstet, wollte er dem Schauspiel beiwohnen. Jason aber hatte sich nach Medeas Anleitung mit dem Zauberöle Lanze, Schwert und Schild gesalbt. Rings um ihn her versuchten die Genossen ihre Waffen an der Lanze, aber sie hielt Stand, und jene vermochten es nicht, sie auch nur ein wenig zu krümmen; sie war an seiner festen Hand wie zu Stein geworden. Darüber ärgerte sich Idas, des Aphareus Sohn, und führte seinen Streich auf den Schaft unter der Spitze; aber der Stahl fuhr zurück wie der Hammer vom Amboß, und fröhlich schrieen die Helden auf in der frohen Aussicht auf den Sieg. Jetzt erst salbte sich Jason auch den Leib; da fühlte er entsetzliche Kraft in allen Gliedern, seine beiden Hände schwollen auf von Stärke und verlangten nach dem Kampf. Wie ein Kriegsroß vor der Schlacht wiehernd den Boden stampft, sich aufrichtet und mit gespitzten Ohren den Kopf erhebt, so streckte sich der Äsonide im Gefühl seiner Streitbarkeit, hob die Füße, schwang den Erzschild und die Lanze mit der Hand. Dann ruderten die Helden mit ihrem Führer bis zum Aregfelde, wo sie den König Stetes und die Menge der Kolchier schon antrafen, jenen am Ufer, diese auf den Klippenvorsprüngen des Kaukasos gelagert. Als das Schiff angebunden war, sprang Jason mit Lanze und Schild gerüstet aus ihm heraus und empfing sofort einen funkelnden Erzhelm voll spitzer Drachenzähne. Dann hing er das Schwert mit einem Riemen um die Schultern und schritt vor, herrlich wie Ares oder Apollon. Auf dem Blachfeld umherblickend, sah er bald die ehernen Joche der Stiere auf dem Boden liegen, dabei Pflug und Pflugschar, alles ganz aus Eisen gehämmert. Als er sich das Geräte näher betrachtete, schraubte er die Eisenspitze an den starken Schaft seiner Lanze und legte den Helm nieder. Hierauf schritt er, von seinem Schilde gedeckt, weiter,



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nach den Fußtapfen der Tiere forschend. Diese aber brachen von einer andern Seite unvermutet aus einem unterirdischen Gewölbe hervor, wo ihre festen Ställe waren, beide Flammen schnaubend und in dicken Rauch gehüllt. Jasons Freunde schraken zusammen, als ihr Blick auf die Ungeheuer fiel; er aber stand mit ausgespreizten Beinen, den Schild vorgehalten, und erwartete ihren Anlauf wie ein Meerfels die Flut. Sie kamen auch wirklich, mit den Hörnern stoßend, auf ihn angestürzt, und doch vermochte ihr Anlauf ihm nicht ein Glied zu verrücken. Wie in den Schmiedewerkstätten die Blasebälge murren und bald mächtige Feuer sprühen machen, bald mit ihrem Atem innehalten, so wiederholten sie brüllend und Flammen speiend ihre Stöße, daß den Helden die Glut wie lauter Blitzstrahlen umzuckte. Ihn aber schirmte das Zaubermittel der Jungfrau. Endlich ergriff er den Stier zur Rechten am äußersten Horn und zog ihn mit allen seinen Kräften, bis er ihn an die Stelle geschleppt, wo das eherne Joch lag. Hier gab er seinen ehernen Füßen einen Fußtritt und warf ihn mit gekrümmten Knien zu Boden. Auf dieselbe Weise zwang er auch den zweiten, der auf ihn losrannte, mit einem einzigen Streich auf die Erde nieder. Dann warf er seinen breiten Schild weg und hielt, von ihren Flammen bedeckt, die beiden niedergeworfenen Stiere mit beiden Händen fest. ' Äetes mußte die ungeheure Stärke des Mannes bewundern. Inzwischen reichten ihm Kastor und Pollux, wie es unter ihnen verabredet war, die Joche, die auf dem Boden lagen, und er befestigte sie mit Sicherheit an das Genick der Tiere. Dann erhob er die eherne Deichsel und fügte sie in den Ring des Joches. Die Zwillingsbrüder verließen nun schnell das Feuer, denn sie waren nicht gefeit wie Jason. Dieser aber nahm seinen Schild wieder auf und warf ihn am Riemen auf den Rücken; dann griff er auch wieder zu dem Helme voll Drachenzähne, faßte seine Lanze und zwang mit ihren Stichen die zornigen und Flammen sprühenden Stiere, den Pflug zu ziehen. Durch ihre Kraft und den mächtigen Pflüger wurde der Boden tief aufgerissen, und die gewaltigen Erdschollen krachten in den Furchen. Jason selbst folgte mit festem Tritt und säte die Zähne in den aufgepflügten Boden, vorsichtig rückwärts blickend, ob die aufkeimende Gigantensaat sich nicht gegen ihn erhebe; die Tiere aber arbeiteten sich mit ihren ehernen Hufen vorwärts. Als noch der dritte Teil des Tages übrig war, am hellen Nachmittag, war das ganze Blachfeld, obgleich es vier Jucherte faßte, von dem unermüdlichen Pflüger umgeackert, und nun wurden



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die Stiere vom Pflug erlöst; diese schreckte der Held mit seinen Waffen, daß sie über das offene Feld hin flohen, er selbst kehrte zum Schiffe zurück, solange er die Furchen noch leer von Erdgeborenen sah. Mit lautem Zuruf umringten ihn von allen Seiten die Genossen, er jedoch sprach nichts, sondern füllte seinen Helm mit Flußwasser und löschte seinen brennenden Durst. Dann prüfte er die Gelenke seiner Knie und erfüllte sein Herz mit neuer Streitlust, wie ein schäumender Eber seine Zähne gegen die Jäger wetzt. Denn schon waren das ganze Feld entlang die Giganten hervorgekeimt: der
ganze Areshain starrte von Schilden und spitzen Lanzen und erglänzte von Helmen, so daß der Schimmer durch die Luft bis zum Himmel emporblitzte. Da dachte Jason an das Wort der schlauen Medea: er faßte einen großen runden Stein auf dem Felde. Vier kräftige Männer hätten ihn nicht vom Boden heben können. er aber ergriff ihn leicht mit der Hand und warf ihn springend weithin mitten unter die bodenentsprossenen Krieger. Er selbst barg sich, ins Knie geworfen, kühn und vorsichtig unter seinem Schilde. Die Kolchier schrieen laut auf, wie das Meer braust, wenn es sich an spitzen Klippen bricht; Stetes selbst starrte voll Verwunderung dem Wurfe des un



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geheuren Steines nach. Die Erdgeborenen, wie schnelle Hunde, fingen auf einmal an herumzuhüpfen, gingen aufeinander los und brachten sich gegenseitig mit dumpfem Knirschen um; sie fielen auf ihre Mutter Erde unter ihren Lanzen nieder wie Tannenbaume oder Eichen, welche Windwirbel umgerissen haben. Als sie mitten im Gefechte begriffen waren, stürzte Jason unter sie wie ein fallender Stern, der als Wunderzeichen mitten durch die dunkle Nachtluft schießt. Jetzt zog er sein Schwert aus der Scheide, teilte hier und dort Wunden aus, hieb manche, die schon standen, nieder, mähte andere, die erst bis zu den Schultern hervorgewachsen waren, wie Gras ab; andern spaltete er das Haupt, als sie schon zum Kampfe rannten. Die Furchen strömten vom Blute wie ein Abzugsbach, die Verwundeten und Toten stürzten nach allen Seiten hin, und viele sanken mit blutigen Köpfen wieder so tief in den Boden, als sie hervorgetaucht waren. An der Seele des Königs Äetes nagte zehrender Ärger; ohne ein Wort zu sprechen, drehte er sich um und kehrte zur Stadt zurück, nur darauf sinnend, auf welche Weise er wirksamer gegen Jason verfahren könnte. Unter diesen Begebenheiten war der Tag zu Ende gegangen, und der Held ruhte unter den Glückwünschen seiner Freunde von der Arbeit.


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