Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



Schwab-Sagen-000.04 Flip arpa

König Ödipus zeigt sich seinem Volke


Var Rat des Argos

Jason und seine zwei Helden erhoben sich von ihren Sitzen; von den Söhnen des Phrixos folgte ihnen allein Argos, denn er hatte den Brüdern gewinkt, drinnen zu bleiben. Jene aber verließen den Palast. Äsons Sohn leuchtete von Schönheit und Anmut. Die Jungfrau Medea ließ ihre Augen durch den Schleier nach ihm schweifen, und ihr Sinn folgte seinen Fußtapfen wie ein Traum. Als sie wieder allein in ihrem Frauengemach war, fing sie an zu weinen, dann sprach sie zu sich selbst: "Was verzehre ich mich in Schmerz? Was geht mich jener Held an? Mag er der herrlichste von allen Halbgöttern sein oder der schlechteste, wenn er zugrunde gehen soll, so mag er's! Und doch — o möchte er dem Verderben entrinnen! Laß ihn, ehrwürdige Göttin Hekate, nach Hause zurückkehren! Soll er aber von den Stieren überwältigt werden, so wisse er vorher, daß ich wenigstens über sein trauriges Los mich nicht freue."



Schwab-Sagen-069 Flip arpa

Während Medea sich so härmte, waren die Helden unterwegs nach dem Schiffe, und Argos sagte zu Jason: "Du wirst meinen Rat vielleicht schelten, dennoch will ich ihn dir mitteilen. Ich kenne eine Jungfrau, die mit Zaubertränken umzugehen versteht, welche Hekate, die Göttin der Unterwelt, sie brauen lehrt. Können wir diese auf unsere Seite bringen, so bezweifle ich nicht, daß du siegreich aus dem Kampfe hervorgehen wirst. Willst du es, so gehe ich hin, sie für uns zu gewinnen." — "Wenn es dir so gefällt, mein Lieber," erwiderte Jason, "so widerstrebe ich nicht. Doch steht es schlecht um uns, wenn unsre Heimfahrt von den Weibern abhängt!" Unter solchen Reden langten sie beim Schiffe und den Genossen an. Jason berichtete, was von ihm begehrt worden sei, und was er dem König versprochen habe. Eine Zeitlang saßen die Genossen, stumm einander anblickend, endlich erhob sich Peleus und sprach: Held Jason, wenn du dein Versprechen erfüllen zu können glaubst, so rüste dich. Hast du aber nicht volle Zuversicht, so bleib fern und sieh dich auch nach keinem von diesen Männern hier um, denn was hätten sie anderes zu erwarten als den Tod?"

Bei diesem Wort sprang Telamon auf und vier andre Helden, alle voll kampflustigen Mutes. Aber Argos beruhigte sie und sprach: "Ich kenne eine Jungfrau, die weiß mit Zaubertränken umzugehen: sie ist eine Schwester unsrer Mutter. Nun laßt mich zu meiner Mutter gehen und sie überreden, daß sie die Jungfrau uns geneigt mache. Alsdann kann erst wieder von jenem Abenteuer, zu welchem sich Jason erboten hat, die Rede sein." Kaum hatte er ausgesprochen, so geschah ein Zeichen aus der Luft. Eine Taube, der ein Habicht nachjagte, flüchtete in Jasons Schoß, der nachstürzende Raubvögel aber fiel auf dem Boden des Hinterschiffes nieder. Jetzt erinnerte sie einer der Helden daran, daß auch der alte Phineus ihnen geweissagt, Aphrodite, die Göttin, würde ihnen zur Rückkehr verhelfen. Alle Helden stimmten darum dem Argos bei; nur Idas, der Sohn des Aphareus, erhob sich unwillig von seinem Sitz und sprach: "Bei den Göttern, sind wir als Weiberknechte hierher gekommen, und, anstatt uns an Ares zu wenden, rufen wir Aphrodite an? Soll der Anblick von Habichten und Tauben uns vom Kampfe abhalten? Wohl, so vergesset den Krieg und gehet hin, schwache Jungfrauen zu betrügen." So sprach er zornig, viele Helden murrten leise. Aber Jason entschied für Argos, das Schiff ward am Ufer angebunden, und die Helden harrten der Rückkehr ihres Boten.



Schwab-Sagen-070 Flip arpa

Äetes hatte unterdessen außerhalb seines Palastes eine Versammlung der Kolchier gehalten. Er erzählte ihnen von der Ankunft der Fremdlinge, ihrem Begehren und dem Untergang, den er ihnen bereitet hätte. Sobald die Stiere den Führer umgebracht hätten, wollte er einen ganzen Wald ausreißen und das Schiff mitsamt den Männern verbrennen. Auch seinen Enkeln, die diese Abenteurer herbeigeführt hätten, dachte er eine schreckliche Strafe zu.

Mittlerweile ging Argos seine Mutter mit bittenden Worten an, daß sie ihre Schwester Medea zur Beihilfe bereden möchte. Chalkiope selbst hatte Mitleid mit den Fremdlingen gefühlt, aber nicht gewagt, dem grimmigen Zorn ihres Vaters entgegenzutreten. So kam ihr die Bitte des Sohnes erwünscht, und sie versprach ihren Beistand.

Medea selbst lag in unruhigem Schlummer auf ihrem Lager und sah einen ängstigenden Traum. Ihr war, als hätte der Held sich schon zu dem Kampfe mit den Stieren angeschickt. Er hatte aber diesen Kampf nicht um des goldenen Vließes willen unternommen, sondern um sie als Gattin in die Heimat zu führen. Nun war es ihr im Traum, als ob sie selbst den Kampf mit den Stieren bestände, die Eltern aber wollten ihr Versprechen nicht halten und dem Jason den Kampfpreis nicht geben, weil nicht sie, sondern er geheißen war, die Stiere anzuschirren. Darüber war ein heftiger Streit zwischen ihrem Vater und den Fremdlingen entbrannt, und beide Teile machten sie zur Schiedsrichterin. Da wählte sie im Traume den Fremdling; bitterer Schmerz bemächtigte sich der Eltern, sie schrieen laut auf — und mit diesem Schrei erwachte Medea.

Der Traum trieb sie nach dem Gemach ihrer Schwester, aber lange hielt die Scham sie unschlüssig im Vorhofe. Viermal verließ sie ihn, und viermal kehrte sie wieder zurück, und endlich warf sie sich wieder weinend in ihrem eigenen Gemach nieder. So fand sie eine ihrer vertrauten jungen Dienerinnen. Diese hatte Mitleid mit der Herrin und meldete der Schwester Medeas, was sie gesehen hatte. Chalkiope empfing diese Botschaft im Kreise ihrer Söhne, als sie sich eben mit ihnen beriet, wie die Jungfrau zu gewinnen wäre. Sie eilte in das Gemach der Schwester und fand sie, die Wangen zerfleischend und in Tränen gebadet. "Was ist dir geschehen, arme Schwester," sprach sie mit innigem Mitleid, "welcher Schmerz peinigt deine Seele? Hat der Himmel dir eine plötzliche Krankheit gesendete



Schwab-Sagen-071 Flip arpa

Hat der Vater über mich und meine Söhne Grausames zu dir gesprochen? O daß ich fern wäre vom Elternhaus und da, wo man den Namen der Kolchier nicht hört!"


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt