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Die deutschen Heldensagen


von

Friedrich von der Leyen

Zweite, völlig neubearbeitete Auflage München 1923

C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung

Oskar Beck


3. Die Wölsungen. Ring und Schwert

Wir haben in unsrer Wiedergabe nur die hervorragenden Schätze der Nibelungensage gezeigt, und doch, wie groß, wie verwirrend und wie blendend liegen sie nun vor uns, wo wir den Weg durch sie finden und die Länder und Zeiten entdecken sollen, die sie schufen und die ihnen ihre Größe gaben!

Bei der Wöisungensaga erinnert uns die Form, in der wir sie besitzen, an die späten nordischen Heldensagen, und sie gehört auch wie sie wohl in das zwölfte Jahrhundert. Wir erinnern an die späte Wielandsage, an die Sage von den Halfdansöhnen und an die von Amleth. Gleich ihnen häuft die Wölsungensaga das Wunderbare und die Ereignisse, besonders die Kämpfe, und gleich ihnen erzählt sie dieselbe Erfindung in leiser Variation zweimal hintereinander.

Ein fruchtbringender Apfel, jahrelange Schwangerschaft, eine Hexe, die als Wölfin neun Brüder tötet und vom zehnten getötet wird, eine giftige Speise und giftgefeite Helden, Gestaltentausch, Helden als Wölfe, ein Kraut, das den Toten belebt, die Verkleidung



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der Herrin als Magd, das sind die Motive in der Wölsungensaga, die wir aus dem Märchen kennen. Von Kampf und wieder von Kampf hören wir bei Sigi, Reri, Wölsung, Siegmund , Sinfjötli und Helgi, an diesen Kämpfen nehmen ungezählte Mengen der Krieger und am letzten sogar ein Gott teil. Zweimal werden zwei Söhne von Signy getötet, das erstemal von Siegmund, das zweitemal von Sinfjötli. Einmal muß Siegmund im Stock, einmal unter einem Hügel von Gras und Steinen sitzen, qualvollem Tode ausgeliefert.

Die Wunderhäufungen lassen sich, wie auch in anderen Sagen, leicht als späte Anwüchse am Organismus der Dichtung erkennen und ablösen. —Sollte Signy in einer alten Dichtung wirklich ihre zehn geliebten Brüder, die sie eben noch gewarnt, einem solch schauerlichen Tode im Ward überantwortet haben? Die alte Dichtung erzählte statt dessen wohl, daß Signy ihren einzigen Bruder — denn immer nur ein Held pflanzt die stolze Heldenreihe der Wölsungen fort — in den Wald schickte unter dem Vorgeben , dort müsse er friedlos und elend sterben. So glaubte Siggeir sich von dem Wölsung befreit, Signy aber wußte, daß dieser Held am Leben bleiben werde. Das wäre eine genaue Entsprechung zur Saga von den Halfdansöhnen (S. 134); die Frau, die dort die Rächer verbirgt und die Rache vorbereitet, heißt auch Signy: ihr Name wird aus der Wölsungensaga geholt sein. Die neun Brüder scheinen in unsrer Saga eigens erfunden, damit auf sie das Märchen von ben Brüdern sich übertragen ließ, die eine Hexe umbringt bis auf den letzten, der sich befreit und sie tötet. Dies Märchen steigerte dann unser Erzähler nach isländischer in das Schauerliche und Gespenstische. —Recht unwahrscheinlich und wenig in seinem Wesen begründet ist auch, daß Siegmund als Wolf den eigenen Sohn aus so nichtigem Grunde tötet. Das berichtet der Erzähler anscheinend, damit er die, dem klassischen Altertum entstammende, im Mittelalter so gern gehörte Geschichte



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vom belebenden Kraut auch in die Wölsungensaga flechten konnte. Wie wenig geschickt aber flocht er sie hinein! Das Natürliche war doch, daß Siegmund wie in allen Märchen dieser Art, das Kraut, das ihm das Hermelin liegen ließ, selbst nahm und seinen Sohn damit belebte. Unser Erzähler bringt auch hier den Vogel Odhins, den Raben, an, der fliegt herbei mit dem Kraut. Odhin sollte eben bei jeder Gelegenheit in der Geschichte erscheinen. — Der gleiche Erzähler wird auch der Walküre ein Krähenhemd verliehen und sie zuerst zur Apfelüberbringerin und dann zur Gattin desselben Wölsung bestimmt haben, dem sie doch vor langen Jahren zur Geburt verhalf. — Die Geschichte von dem Leben des Siegmund und des Sinfiötli als Wölfe ist auch nicht klar vorgetragen. Die alte Vorstellung war wohl, daß die Heiden die übermäßige Kraft und die Wildheit des Wolfes besaßen und sich in Wölfe verwandeln konnten. Mit dieser Vorstellung vermischte unser Erzähler eine Sage von Männern, die sich in Wölfe verwandeln müssen, sei es, weil sie in Wolfshemden fahren, sei es, weil sie einen Ring mit dämonischen Kräften an ihre Hand stecken und die erst Erlösung finden, nachdem die Woifshemden verbrannt sind oder nachdem der Ring von ihren Fingern entfernt wurde. — Alsdann hat der Erzähler die Geschichte von der Giftspeise verworren dargestellt. Bei ihm ist sie eine Kraftprobe von der Art, wie der junge Herakles sie leistet, der ja in der Wiege Schlangen erwürgte. Zugleich sagt aber unser Erzähler, daß Sinfjötli das Speisemehl mit Schlangengift vermischte. Er hat wahrscheinlich vergessen, daß diese Speise den Helden gegen Gift feien sollte, wie ja auch der Gott Balder durch den Genuß von Schlangengift unverletzlich wurde. In der Snorra Edda nimmt Frigg dem Gift und den Schlangen den Eid ab, daß sie Balder nicht schaden. — Die andere Probe der Signysöhne, daß ihnen die Jacke ans Fleisch genäht und vom Fleisch gerissen wird, erscheint zu häuslich und zu absichtlich



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übertrieben für ein altes Heldengedicht. Die Kleidervertauschung zwischen Hjördis und ihrer Magd gehört ebenfalls in die häusliche, nicht in die heroische Sphäre. Wie wir erfuhren, ist nun gerade für die dänische heroische Dichtung des späteren Mittelalters der Sinn für das Haus und für häusliche Geschichten ein Kennzeichen. Daß diese Dichtung alte Heldenfabeln freigebig mit Märchenschmuck ausstattete, das verrieten uns die späte Wieland- und die späte Amlethdichtung. Für den Verlauf der Wölsungensaga hat ja außerdem der Kleidertausch keine Bedeutung.

Nun haben wir von der Geschichte der Ahnen Sigurds den lose umgehängten Märchenschmuck abgerissen. Die Begebnisse, die ihr noch bleiben, sind aber der Dichtung vom Untergang der Burgunden bei Atli auffallend ähnlich, besonders der Darstellung im ersten Atlilied. Hier wie dort erzählt uns der Dichter von einer verräterischen Einladung, von der vergeblichen Warnung der Schwester, die Helden möchten umkehren und mit einem starken Heere wiederkommen, von der überwältigung der Tapferen und von ihrem schrecklichen Tod. Die Darstellung in dem ersten Atliliede ist nun älter als die in der Wölsungensaga. Denn sie steht, wie wir noch sehen werden, der Geschichte näher, und der Grund Atlis für die verräterische Einladung, die Gier nach dem Schatz, ist überzeugender als der Grund Siggeirs, die verletzte Eitelkeit. Die Rache der Gudrun ist schnell, unbarmherzig und überwältigend wie in der alten Heldendichtung. Dagegen zieht sich die Rache Signys immer wieder hinaus und steht wie ein Ungewitter, das sich nicht entladen will, über dem Hause Siggeirs. Das ist aber der Geschmack der isländischen Saga. —Wir hörten von einer solchen sich lange hinausschiebenden Rache wiederum bei den späten Formen der Geschicht von den Halfdansöhnen und der von Amleth.

Auch sonst erkennen wir in der Wölsungensaga die Absicht, die Ereignisse aus der Dichtung von Sigurd und den Burgunden zu wiederholen und dadurch zu zeigen, daß in der Geschichte eines



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Geschlechtes immer wie ein unentrinnbarer Zwang des Schicksals das gleiche Erleben wiederkehrt und die Helden erhebt und zermalmt . Dabei sind aber die Ereignisse der alten Dichtung aus ihrem organischen Zusammenhang gerissen, über verschiedene Generationen verteilt und verdoppelt, oder auch auf einen Helden übertragen , während sie in der alten Dichtung verschiedenen Helden gelten. Sigi stirbt wie Sigurd durch die Untreue seiner nächsten Verwandten, Wölsung wiederum wächst einsam auf wie Sigurd und eine Walküre liebt auch ihn. Das ruhm- und unheilbringende Schwert der Wölsungen erinnert an den fluchbeladenen Ring des Andwari, der Gestaltentausch der Signy und der Zauberfrau erinnert an den zwischen Sigurd und Gunnar. Gudrun tötet Atlis Söhne, Signy läßt ihre beiden Söhne zuerst von Siegmund ermorden und ihre anderen beiden Söhne durch Sinfjötii dem Siggeir vor die Füße werfen. Dann stirbt Signy den Tod der Brünhild, sie folgt dem Mann in die Flammen, dessen Tod sie verschuldet. Sinfjötli aber stirbt wie Sigurd durch die Tücke eines Weibes.

Von diesen Nachbildungen ist die Geschichte oon Sigi gewiß die späte Zutat eines Erzählers des zwölften Jahrhunderts; der Neid auf den Knecht und dessen Mord und der mit dem Helden fliehende Gott gehören nicht in die Heldendichtung, sondern in die isländische Saga. Ebenso können wir den Reri als Geschöpf eines späten Dichters betrachten, was erlebt er auch außer der wunderbaren Geburt seines Sohnes? Die erste Ermordung der Söhne Signys, eine überflüssige Grausamkeit, ist ebenfalls ein spätes Beiwerk der Dichtung. Am liebsten möchten wir sie dem Erzähler zuschieben, dessen plumpes und aufdringliches Ungeschick uns schon bei dem fruchtbringenden Apfel und bei dem belebenden Kraut verdroß. Der gleiche Erzähler brachte den Odhin viel zu oft und viel zu aufdringlich in die Begebenheiten der Saga hinein; späte isländische Sagas mißbrauchten den Gott ebenso.



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Ohne diese Zutaten und ohne die Wunder haben wir in der Erzählung noch die Hochzeit von Signy, die Erscheinung Odhins, die Erwerbung des Schwertes durch Siegmund, die verräterische Einladung des Siggeir, den Tod Wölsungs, das Leben des Siegmund im Erdhaus, die Erzeugung des Sinfjötli, das Hausen von Vater und Sohn im Wald, die zuerst gestörte und dann nach Zersägung der Felsplatte ausgeführte Rache, den Tod der Signy, die Vergiftung des Sinfjötli, die letzte Vermählung des Siegmund und seinen Fall im Kampf. Diese ganze Nachbildung der Nibelungenlieder ist eine großartige Dichtung, wie die isländische Kunst des späten zehnten und des elften Jahrhunderts sie liebt. Ihre Form war ein Lied, einige Verse sind uns noch erhalten und andere schimmern aus der Prosa der Wölsungensaga noch heraus. Das Thema des Liedes war die Läuterung eines Geschlechtes , das im Leben wild und grausam war, zum Heldentum im Tod. Dies Thema ist dem des Liedes von Hamther nah verwandt. Es erhebt unser Lied auch über eine andre Dichtung, die man nicht ohne Grund an seine Seite stellte, über die Dichtung vom König Harald Kampfhahn, dessen Leben und Tod dem Odhin geweiht waren (Sagenbuch, Band I S. 180 f. j. — Wie groß stehen die Wölsungen, die Odhin liebt und schützt, in ihren letzten Stunden vor uns! Wölsung verschmäht die Flucht und will eher sich und alle die Seinen als sein Heldentum opfern, den Tod vor Augen kämpft er sich durch die feindlichen Reihen hindurch. Signy küßt Sohn und Bruder zum letztenmal, eilt in das brennende Haus und stirbt gern an der Seite dessen, den sie im Leben gehaßt. Siegmund hadert nicht wie Bjarki mit dem Gotte, sondern sieht, daß seine Stunde gekommen , versöhnt sein junges Weib mit ihrem Schicksal und geht gern nach Walhall, denn er weiß, daß Hjördis einen Sohn trägt, dessen Ruhm noch den seinen überstrahlen wird. Sinfjötli aber, den Bruder und Schwester gezeugt, darf nicht untergehen wie



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die anderen Helden. In tragischer Verwirrung und in der Trunkenheit verschuldet der Vater, der ihn über alles liebt, seinen Tod und der höchste Gott selbst bringt ihn en ein geheimnisvolles Jenseits. In den alten Heldendichtungen der Germanen verbirgt sich manche wunderbare und tröstliche prophetische Warnung . Wenn Siegmund dem Siggeir, der die Rache vollbringt, auf seine Frage, wer das Feuer anlege, erwidert: das sind wir, mein Schwestersohn und ich, und nun glauben wir, daß du erfahren mußt, daß noch nicht alle Wölsungen tot sind, — so atmen wir auf.

Auch heute sind alle Wölsungen noch nicht tot! —

Der Dichter des Wölsungenliedes erbaute seine Sage nun nicht aus den Vorgängen der Nibelungensage allein, einzelne seiner Erfindungen haben noch eine andere merkwürdige Herkunft und Geschichte.

Wenn wir uns die Erzählung ansehen, in der Odhin erscheint und das Schwert in den Baum stößt, das dann jeder Held herausziehen will, so haben wir wieder eine Szene vor uns, die an Lieblingsszenen der keltischen Dichtung erinnert und die gewiß von ihnen in die nordische Dichtung wanderte: Die Helden sind beim Gastmahl versammelt, rühmen sich in lauten Worten ihrer Kraft und versuchen, ein Schwert vergeblich zu heben, aber nur einem Erwählten gelingt es (S. 107). Diese Szene findet sich in der keltischen Artusdichtung: Artus hebt darin das Schwert nicht nur einmal, nein, immer von neuem, und zum Jubel und Erstaunen der Anwesenden. Wieviel dunkler, spannender und schicksalsschwerer erzählt aber der nordische Dichter diese Vorgänge! — Die Geschichte von Odhin, der als Todenferge den Sinfjötli ins Jenseits führt, die Geschichte vom vergifteten Trank beim Gastmahl haben wir als keltisches Gut schon erkannt (S. 68). —Diese keltischen Beiträge werden nicht in der Zeit um Christi Geburt oder gar früher, als Kelten und Germanen noch neben



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einander wohnten, sondern im neunten oder zehnten Jahrhundert in die nordische Dichtung aufgenommen sein. Das war die Zeit, als die nordischen Wikinger in Irland und England ihre Eroberungen machten und keltische Geschichten hörten.

Aus der Urzeit aber stammt in der Wölsungensaga die Vorstellung von der Wildheit des Siegmund und Sinfjötli, die denen der Wölfe glich. Eben diese empfand unser Dichter wie der des Helgiliedes als die furchtbare, rohe und zu überwindende Grausamkeit des ältesten Heldentums. Wir verstehen nun ganz, warum Hamther am Ende seines Lebens, als sein Heldentod ihn verklärt, noch einmal klagt, daß er und seine Brüder sich anfielen wie bissige Wölfe. Die Wildheit kommt von den Franken, von denen auch Odhin, der Beschützer der Wölsunge und die wolfsgleichen Helden kommen. Wären Siegmund und Sinfsötli nordische Helden, so erschienen sie wahrscheinlich als Berserker und nicht als Werwölfe vor uns. Die Geschichte von Sinfjötlis Vergiftung fanden wir schon bei Gregor von Tours.

Wir erkennen nun, daß die Sage von Sinfjötli und Siegmund fränkischer Herkunft ist und sich bei den Franken mit dem Lied von Sigirichs Tod verschmolz. Von den Franken wanderte sie vielleicht nach Deutschland, denn dort begegnen uns im neunten Jahrhundert die Namen Welisunc (Wölsung) und Sintarfizzilo (entsprechend Sinfjötli). Außerdem zog die Sage wie die von Wieland nach England herüber. Dort erweitert nun wiederum der Beowulf unsre Kenntnisse oon ihr. Er rühmt den Siegmund und seinen Neffen, den Fitela (das ist Sinfjötli). Den Siegmund nennt er den Sohn des Waise, das ist der alte echte Name: Wölsung heißt eigentlich Sohn und Nachfahr des Wölsi (Waise). Die Wölsungen sind, darauf deutet ihr Name, ein Geschlecht oon besonderer schöpferischer Kraft. Einsam durchstreiften nach dem Bericht des Beowulf Ohm und Neffe die Wälder, nur Fitela kannte die Fahrten, Taten und Frevel Siegmunds, beide erschlugen



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Riesen und Siegmund allein (aber diese Interpretation wird jetzt bezweifelt) tötete einen Drachen, indem er ihn mit dem Schwert an einen Felsen spießte, und er erwarb dessen Schatz und trug ihn in das Schiff. Siegmund also hätte ursprünglich die Tat vollbracht, die spätere Jahrhunderte auf seinen berühmteren Sohn übertrugen. — Im Norden des zehnten Jahrhunderts sind Siegmund und Sinfjötli bei den Skalden sehr berühmt, in den Eiriksmal sitzen sie in Walhall bei Odhin und erheben sich auf sein Geheiß, um den neu eintretenden König zu begrüßen.

Wie die Dichtung von den beiden Helden sich im Norden umbildete und erweiterte, haben wir nun erfahren. Ihr Vorbild war die nordische Dichtung von den Nibelungen, ihr schöner Schmuck keltische Geschichten von Heldentum und Heldentod, sie erfüllte sich im Norden mit den geläuterten Anschauungen von Heldentum und Schicksal, die sie dort im zehnten und elften Jahrhundert bildeten. Dann behing sie sich im Island und im Dänemark des Mittelalters mit märchenhaften Zutaten und häufte ihre Motive und verwirrte sie. Aber weil das gar so ungeschickt und äußerlich gemacht war, konnten wir es leicht abstreifen oder entwirren. Der mächtige Geist nordischen Heldentums atmet unter diesem Schmuck, noch uns adelt und erhebt der Hauch dieses Geistes und seiner unvergänglichen Kräfte.

Das Schwert in der Sage von den Wölsungen entfacht, sowie Siegmund sich seiner bemächtigt, unheilvollen und ruhmreichen Streit. Es verhilft dann dem Siegmund und dem Sinfjötli zur Rettung, und als Siegmund sein Ende finden soll, schlägt ihm Odhin die Waffe in Stücke, die er selbst dem Helden bestimmte. Für die Schicksale des Sigurd hat das Schwert dann keine Bedeutung, der Verfasser der Wölsungensaga sucht es noch einmal einzuführen, aber er vergißt das bald. — Geschichten von Schwertern dieser Art erzählt die nordische und isländische Dichtung



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gern. Wir kennen schon das Schwert Dainsleif, das Hagen im Kampf mit Hedin führte, und es wäre hier vor allem das Schwert Tyrfing in der Herwararsaga zu nennen, das gefangene Zwerge einem König widerwillig schmiedeten und auf das sie einen Fluch legten, der sich dann Geschlechter hindurch erfüllte. Die Geschichte dieses Schwertes leitet uns zu der Geschichte des Ringes Andwaranaut herüber. Gleich jener ist sie eine große Erfindung eines isländischen Poeten, ähnlich wie bei jener wird der Ring einem Zwerg gewaltsam entrissen und mit einem Fluch beladen. Der verfolgt und vernichtet die Riesen zuerst und dann die Menschen.

Die Götter müssen in der Geschichte vom Ringe einen Bauer begütigen und ihm Buße zahlen, und sie teilen ihm den Fluch des Ringes erst mit, als sie sich in Sicherheit glauben. Diese Rolle der Götter weilt unsre Geschichte in die Zeit des verfallenden Heidentums, vor dem Ende des zehnten Jahrhunderts ist sie nicht denkbar. Wie in anderen Göttersagen dieser Zeit auch, bringt Loki — man weiß nicht, ob aus Bosheit oder aus übermut — die Götter in Gefahr und Widerwärtigkeiten. Hier tötet er den Otr. Derselbe Loki muß dann in anderen Erzählungen und auch hier die Götter befreien.

In der Geschichte des Ringes ist nach isländischer Art der Geiz, das Mißtrauen und die Goldgier des Bauern unübertrefflich und mit wenigen sicheren Strichen gezeichnet. Wie anschaulich ist das Bild, daß er den Otr anfüllt mit Gold, so fest wie er nur kann, daß er dann die Hülle des Goldes gierig und mit schaden Augen lange betrachtet, bis er das Barthaar erspäht, das noch nicht bedeckt ist. — Es gibt auch ein Lied in der Edda, das uns die Geschichte des Ringes besingt, und dies nagt über die Gabe des Goldes, die mit feindlichem Herzen die Götter gaben, und zeigt, wie der Geiz und die Habgier des Vaters sich bei den Kindern steigern und vermehren. Schon Otr, heißt es an anderer Stelle, schloß die Augen, während er ass, weil er den Anblick der sich vermindernden



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Speise nicht ertrug. Hreidmars Töchter sehen dann im Liede ruhig zu, wie Fafni den schlafenden Vater durchbohrt, Fafni aber weigert mit höhnischen Worten dem Bruder Regin einen Anteil am Gold. Dieser wiederum ruht nicht, bis er den Sigurd gereizt, den Fafni zu ermorden, aber auch er selbst wird von dem gewarnten Sigurd erschlagen. — Der gleiche Ring verfeindet dann die Gudrun und die Brünhild und wird die Ursache zu Sigurds Tod. Danach verschwindet er aus der Nibelungensage, sein Fluch hat sich erschöpft, nachdem der herrlichste Held sein Opfer wurde.


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