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Die deutschen Heldensagen


von

Friedrich von der Leyen

Zweite, völlig neubearbeitete Auflage München 1923

C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung

Oskar Beck


1. Walther und Hildegund

Den Waltharius verfaßte im ersten Drittel des zehnten Jahrhunderts der Klosterschüler Eckehard in St. Gallen für seinen Lehrer Geraldus. Noch im elften Jahrhundert verbesserte der vierte Eckehard seinen Stil und sein Latein. Das Gedicht, ein Epos in Hexametern, wurde in den Klöstern gern gelesen und hat sich uns in vielen Handschriften erhalten.

Attila, der König der Hunnen, zog erobernd durch die germanischen Länder. Weil die Franken, die Burgunden und die Aquitanier zu schwach waren zum Widerstand, leisteten sie dem Eroberer hohe Tributzahlungen und gaben ihm Geiseln: Gibicho (Gibich) von Franken den Hagano (Hagen), Herrich von Burgund seine Tochter Hildgund (Hildegund), Alphere von Aquitanien seinen Sohn Walthari (Walther). Die drei Königskinder wurden am Hof der Hunnen sorgfältig und liebevoll erzogen . Attila war dem tapferen Jüngling geneigt und seine Gemahlin der Hildegund. Als Gibich starb, verweigerte sein Sohn Gunther die Tributzahlung und Hagen entfloh den Hunnen. Attila wollte den Walther nun dadurch für immer an seinen Hof binden, daß er ihn mit einer hunnischen Fürstentochter vermählte. Doch den Walther trieb es, wie seinen Freund, zur Heimat zurück; er wich dem König in geschickten Worten aus und verdoppelte dann sein Vertrauen durch einen glänzenden Sieg, den er für ihn gegen seine Widersacher erstritt. Als er müde vom Streite zurückkehrte, fand er Hildegund allein im Königsgemach. Sie reichte ihm einen Erquickungstrunk, er erinnerte sie daran, daß sie von Kind auf einander versprochen seien und fragte sie, ob sie nun ihm wieder indie Heimat folgen wolle. Hildegund wagte zuerst kaum den Ernst dieser Frage zu glauben, dann folgte sie gern seinen Vorschlägen. Walther veranstaltete nun zur Feier seines Sieges ein großes Gelage



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und berauschte dabei den Attila und sein Gefolge: als sie im tiefen Schlafe lagen, entrann er mit der Geliebten. Das Mädchen hatte — sie war die Schatzmeisterin — aus dem Schatz der Königin zwei große Truhen Goldes entwendet, damit beluden sie Walthers Roß. Hildegund führte es mit der einen Hand am Zaum, mit der andern trug sie eine Angelrute, damit beide sich durch Fischfang das Leben fristen könnten. Walther in schwerer Rüstung schritt voran.

Attila erwachte aus seinem Rausche erst den nächsten Mittag und rief umsonst nach Walther und die Königin ebenso umsonst nach Hildegund. Voller Grimm verbrachte der König eine schlaflose Nacht: am nächsten Morgen bot er dem ungeheuren Lohn, der ihm die Flüchtlinge finge und wiederbrächte. Doch von seinen Edlen wagte das keiner.

Nach vierzig Tagen und nach beschwerlicher Wanderung gelangten Walther und Hildegund an den Rhein; sie waren auf versteckten Wegen, mehr des Nachts als des Tages fortgeeilt und lebten unterwegs von Jagd und Fischfang. Bei Worms gab Walther dem Fährmann einen großen Fisch für die Überfahrt. Der Fährmann brachte diesen dem König und bei der Tafel bestaunten alle die Größe des Tieres. Der Fährmann schilderte den Helden, der ihn so reich belohnt, seine Begleiterin und das-mit Gold beladene Roß. Da sprang Hagen auf, denn er hatte erkannt, daß dieser Held kein anderer als Walther sein könne. Gunther aber triumphierte, daß er nun den Schatz zurückerhalte, den Attila seinem Vater einst genommen, und trotz der Vorstellungen Hagens machte er sich mit ihm und elf Helden auf den Weg, um dem Walther seinen Schatz zu nehmen.

Dieser war unterdessen vor eine enge Felshöhle gekommen, oon der aus er einen weiten Blick über die Landschaft hatte und die Selbst für ihn den besten Schutz bot. Nur ein schmaler Pfad führte zu ihr. Der Held ruhte von der Mühsal der Reise aus, Hildegund bewachte den Schlafenden. Als sie Reiter herankommen sah, weckte sie ihn sanft. Walther erkannte die Franken, von ihnen, sagte er, brauche ich nur den Hagen zu fürchten und der ist mein Freund. Gunther aber schickte an Walther einen Boten: gegen Schatz, Mädchen und Pferd solle er das Leben behalten. Walther wies diese unerhörte Anforderung zurück und bot dem Gunther hundert Armringe. Hagen beschwor seinen Herrn, dies Angebot anzunehmen, aber Gunther fertigte ihn mit solch höhnischen Vorwürfen ab, daß er sich zornig abwandte und von einem Hügel gleichmütig den Kämpfen zusah, die sich nun entwickelten. Walther erhöhte



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noch einmal sein Angebot; zweihundert Armringe soll Gunther von ihm nehmen, aber auch das wies der habgierige König zurück und schickte seine Helden gegen Walther vor. Der aber streckte die elf Mannen Gunthers einen nach dem andern nieder.

Der König flehte nun Hagen um Hilfe. Dieser im Widerstreit zwischen der Treue zum Freund und der zum Herrn, konnte doch die Erniedrigung seine Königs nicht verwinden. Deshalb schlug er ihm vor, den Walther nicht jetzt in seiner günstigen Stellung, sondern ihn am nächsten Tage auf freiem Felde zu überfallen. Gunther war das zufrieden und beide Helden ritten davon, damit Walther glaube, er sei nun ganz außer Gefahr.

Der Held von Aquitanien verschanzte sich in seiner Stellung, tröstete die Geliebte und erquickte sich durch Speise und Trank. Dann schlief er die erste, Hildegund die andere Hälfte der Nacht. Am andern Morgen belud er die Pferde der Erschlagenen mit ihren Waffen. Da er nirgends einen Feind sah, ritt er mit Hildegund davon. Diese aber, nach Frauenart , spähte ängstlich zurück und sah, wie zwei Reiter sie verfolgten. Walther schickte das Mädchen mit ihren Schätzen rasch in den Wald, er selbst stellte sich ban Feinden entgegen. Die heftigen Schmähungen Gunthers überhörte er, den Hagen erinnerte er an die alte Treue und wollte ihn durch einen mit Gold gefüllten Schild versöhnen. Doch Hagen erwiderte finster, der Tod so vieler junger Helden habe die Freundschaft zwischen ihnen zerrissen und er müsse auch seinen Neffen rächen, den Walther ihm erschlagen. Nun war also der Kampf unvermeidlich, es wurde für Walther der schwerste von allen. Gunther war ja schwächlich und ihn brauchte Walther nicht zu fürchten. Aber in Hagen hatte er einen zum mindesten ebenbürtigen Gegner. Zweimal wehrte dieser von seinem König den Todesstreich ab, aber das konnte er nicht verhindern, daß Walther dem Gunther sein Bein über dem Knie vom Leibe schlug. Dafür trennte er durch einen Schwertstreich Walthers Hand vom Arm, dieser aber stieß ihm mit seinem Dolch das rechte Auge aus und raubte ihm, Wange und Mund durchschneidend, sechs Zähne.

Hildegund, von Walther gerufen, reichte den nun kampfuntauglich gewordenen Helden den Becher und verband sanft ihre Wunden. Walther und Hagen spotteten in derben Reden über ihre und Gunthers Verstümmelung . Dann setzten sie den König auf sein Pferd und Hagen brachte ihn nach Worms, Walther aber zog nach der Heimat, führte dort die Geliebte heim und herrschte lange und glücklich über sein Volk. —



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Dies Epos, das Eckehard frisch und lebendig erzählt, ist ein schönes Zeugnis oon der Bildung und Frömmigkeit von St. Gallen. Der Einfluß der lateinischen Bibel, des im Mittelalter so gern studierten Prudentius und vor allem der des Vergil wird oft fühlbar. Man hat auf die Schilderung der Kämpfe verwiesen: Reiterschlachten beginnen mit Trompetenstößen, die geordneten Heere schleudern die Wurfspieße aufeinander, der Sieger krönt seine Schläfe mit Lorbeer. Bei der Darstellung der Einzelkämpfe bietet Eckehard seine ganze Kraft auf, das antike Vorbild zu erreichen, Belebung und Erregung zu schaffen, Waffen, Kampfreden, Witzworte der Krieger abwechselnd darzustellen; die Kämpfer fliegen heran, ihre Glieder zittern vor Kampflust, sie ergehen sich in langen Deklamationen. Die Menschen sind weicher als in den alten germanischen Liedern, Helden betteln um ihr Leben, Hagen vergießt Tränen aus Sorge um seinen Neffen.

Hildegund ist demütig und gehorsam, sie blickt ja vor letzten Kampf in ihrer Angst zurück und entdeckt, daß Gunther , und Hagen den Walther verfolgen. Walther bittet seinen Trotz, in dem er sich vermißt, alle Franken zu erschlagen, die ihm seinen Schatz rauben wollen, seinem Gott bald reumütig ab, als der Held wirklich elf seiner Feinde getötet, dankt er voller Demut dem Herrn für seine Gnade und seinen Schutz.

Häufung der Einzelkämpfe und in der Häufung wieder Abwechslung , das ist das eine Ziel von Eckehards Kunst. Charakterisierung, nicht Idealisierung, ist das andere Ziel, das geht aus der Schilderung von Hildegund, von Walther, von Attila, von Hagen und dem Gunther hervor. Der Dichter zeigt uns weniger Helden als Menschen.

Eckehards künstlerische Bestrebungen gehören ganz in seine Zeit und in deren künstlerische Art. Er folgt auch darin ihrer Liebhaberei, daß er in seine Darstellung Komik, Derbheit und übertreibung hinein mischt. Vier Recken ziehen an Walthers



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Schild, er steht wie eine Eiche. Daß er allein elf Helden überwindet, ist auch ein überstarkes Stück. Wenn Hagen ein Auge und einige Backenzähne, Gunther ein Bein und Walther seine Hand einbüßt, und wenn die Helden nachher in derben Spässen über ihre Verstümmelungen scherzen, so ist das als derbe übertreibung gemeint. Natürlich beruht sie nicht auf alter sagenhafter Überlieferung und weniger die Verletzung selbst als das sonderbare und etwas lächerliche Bild der grotesk verletzten Helden steht dem Dichter vor Augen.

In der Sage vom Riesen Einher, die wohl in unsre Zeit gehört, reitet der Held durch alle Wasser, zieht sein Pferd am Schwanz hinter sich, mäht die Hunnen und Wenden mit seinem Schwert nieder wie mit der Sense Gras, hängt sie an den Spieß und trägt sie über den Achseln wie Hasen oder Füchse. Nachher nennt er sie verächtlich guakende Fröschlein. — Der starke Adelgis, den wir schon kennen, bricht Hirsch- und Bären- und Ochsenknochen auf, als wären es Hanfstengel, und wirft sie in großen Haufen unter den Tisch, nachdem er ihr Mark verzehrt. Die Spange, die er am Arm trägt, fällt dem Kaiser karl bis auf seine Schulter. — Von unserm Walther aber ging die Sage, er habe sich am Abend seines Lebens in ein Kloster zurückgezogen und sei dort Gärtner geworden. Im Auftrag des Klosters habe er einmal gegen Räuber gekämpft, auf seinem alten Pferde sitzend, das nun dem Bäcker sein Korn in die Mühle trug. Nachdem er sich zuerst, den christlichen Lehren des Abtes widerwillig gehorchend, seine Rüstung bis auf die Hose ausziehen ließ, schlug er dann auf einen Räuber seinen Steigbügel, so daß dieser besinnungslos niederfiel. Darnach riß er einem Kalb das Schulterblatt aus und schlug damit weiter auf seine Angreifer ein, bis sie alle in voller Angst davonliefen. Einem versetzte er mit der Faust einen solchen Streich über dem Hals, daß ihm das zerbrochene Halsbein sogleich in den Schlund fiel.

Hier haben wir die Entsprechungen zu unsrem Waltharius, in der Thidreksaga verteidigt er sich wirklich mit einem Schinkenknochen. Erfindungen dieser Art liebte vor allem die französische Heldendichtung; der alternde Held im Kloster gehört zu ihren Lieblingsgeschichten. Von Frankreich her wanderten solche Fade



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leien in späteren Jahrhunderten noch einmal in die deutschen Heldenepen, z. B. in das vom Mönch Ilsan und von Wolfdietrich . Beide, französische Poeten und Eckehard, werden diese Vorliebe für das Groteske, Derbe und Anschauliche von den Spielleuten übernommen haben, in deren Kunst solche Würzen fast eine Notwendigkeit waren, da ja auf ihnen die Wirkung des mimischen Vortrags fast ganz beruhte. Einwirkungen von den Spielleuten her zeigt der Waltharius auch an anderen Stellen, etwa wie Attila, als er vom Rausch aufwacht, die beiden Hände ächzend an feinen Kopf preßt und nachher, wie er von Walthers Flucht hört, nur mit Gebärden seinen Grimm kundgibt, oder wie die Recken den großen Fisch bewundern, den Walther als Lohn gab, und wie der Fährmann lüstern erzählt, in den Truhen seiner Fahrgäste sei bei jeder Bewegung des Pferdes das Gold erklungen. Es ist auch eine Unart der Spielleute, Könige und hohe Herren zu verspotten und herabzusetzen: das erklärt uns zum Teil die unwürdige Rolle, mit der Gunther und Hagen im Waltharius bedacht sind. Wir dürfen also annehmen, daß dem Eckehart beim Waltharius die deutsche Dichtung eines Spielmanns vorlag und daß er sie in sein Latein und in die Bildung seines Klosters übertrug.

In diesem Spielmannsgedicht befremden uns nun Widersprüche. Derselbe Attila, dem drei germanische Fürsten Tribut zahlen und Geiseln stellen, damit er sie verschone, der soll, um zweier Flüchtlinge willen, einen ganzen Tag verdämmern, eine schlaflose Nacht verbringen und keine Krieger haben, die es wagen, den Entflohenen zu folgen? Und schließlich soll er sich bei der Flucht seiner Schützlinge beruhigen? Und ein König und Fürst, der Gunther doch ist, fällt feige wie ein Wegelagerer mit beschämend großer übermacht über den Walther her, der ihm nichts entwendete und auf dessen Schätze nur Attila ein Recht hätte?



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Solche Widersprüche in Handlungen und Menschen haben die alte reine Heldendichtung niemals entstellt, die Spielmannsdichtung schämte sich ihrer nicht. Fülle der Begebnisse, Abwechslung und Spannung waren ihr wichtiger als organischer Aufbau der Handlung und organische Entwicklung der Menschen. Bisweilen sind Widersprüche, wie wir sie im Waltharius aufdeckten, dadurch zu erklären, daß zwei verschiedene Dichtungen in eine verschmolzen wurden. Vielleicht geschah das auch hier; und zwar scheint der Waltharius aus einer Fluchtdichtung und einer Schatzdichtung zusammengesetzt. Der Inhalt der Fluchtdichtung war, daß Königskinder, die als Geiseln oder Gefangene am Hof eines fremden Königs weilen, sich durch List und Kühnheit befreien, ihren Verfolgern entrinnen und die Heimat erreichen . Das älteste Beispiel einer Fluchtdichtung erzählt uns Gregor von Tours in seinem Attalus und Leo, uns durch Grillparzers "Weh dem, der lügt" bekannt, behaglich und breit und legendenhaft, aber doch nicht ohne Szenen von dramatischer Spannung und rücksichtsloser Kühnheit.

Die nordische und die deutsche überlieferung besitzen Sagen, die der von Walther und Hildegund noch ähnlicher waren. In der Kormakssaga entführt Bersi die Steinwör, die mit ihm gefangen ist. Beide fliehen auf einem Pferd, er verbirgt sie und das Pferd im Wald und kämpft dann glücklich gegen eine Übermacht der Feinde. In der Gönguhrolfssaga flieht Gönguhrolf mit einer Königstochter und zwei Goldkisten auf einem Pferd und beide reisen mehr Nachts als Tags. In der Herbortsage , die wir aus dem mittelhochdeutschen Biterolf und der niederdeutschen Thidrekssaga kennen, entführt Herbort eine Jungfrau , rettet sich mit ihr und beschützt sie tapfer kämpfend vor den Verfolgern.

Die Schatzdichtung galt vielleicht ursprünglich dem Streit zweier Fürsten um einen Schatz, auf den beide ein Recht zu haben



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glaubten oder den einer dem andern geraubt hatte und nun wiedergeben sollte. Damit kann es zusammenhängen, daß Walther bei Eckehard dem Gunther so reichen Ersatz anbietet. In der alten Sage war die Situation etwa der verwandt, die uns das Lied von der Hunnenschlacht schilderte. Ähnlich wie in Waltharius bricht dort ein Kampf aus, nachdem unmäßige Forderungen eines Bruders und gerechte Anerbietungen des andern zurückgewiesen sind. Attila will den von Kopf zu Fuß mit einem Berg von Gold umgeben, der ihm den Walther zurückbringt, Anganty will den Hlöd mit Silber umhüllen, wenn er sitzt, mit Gold überschüssen, wenn er geht. Von Etzels Kriegern will keiner zu Walther, von Angantys Kriegern will keiner zu den Hunnen reiten. Auch in der Schilderung der kämpfenden Heere zeigen der Waltharius und das Lied von der Hunnenschlacht manche, vielleicht trügerische Ähnlichkeit (S. 60). —Hildegund ist eine burgundische Königstochter, Gunther und Hagen sind Franken, Habgier und Kämpfe aber um der Schätze willen sind bezeichnend auch für fränkische und burgundische Fürsten. Gregor von Tours weiß davon nur allzuviel. — Der schwächliche, feige, geldlüsterne Gunther hier, der tapfere, wortkarge Hagen dort, der den König verachtet und ihm doch in der Not die Treue hält, sind wiederum Männer, wie sie uns die Geschichtsschreiber der Franken oft schildern. Das für die fränkische Geschichte bezeichnende Verhältnis zwischen König und Hausmeister spiegelt sich in ihnen sehr lebendig wieder.

In der Fluchtdichtung stehlen Walther und Hildegund den Schatz, in der Kampfdichtung kämpfen Helden um einen Schatz, der Schatz also brachte beide Sagen zusammen. Wo und wann sie verschmolzen sind, wissen wir nicht. Die altenglischen Fragmente schildern den Kampf um den Schatz viel lebhafter und eindringlicher als Eckehard, sie standen der Schatzdichtung noch näher. Wenn wir Andeutungen des Eckehard bedenken, seine



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Verse mit denen des altenglischen Fragments und mit Anspielungen im späteren Nibelungenlied und in den mittelhochdeutschen Versen einer Waltherdichtung vergleichen, so beleben sich die Züge dieser alten Schatzdichtung (S. 64).

Darnach entfloh Hagen dem Etzel nicht, dieser schickte ihn selbst zurück. Die Kämpfe dauerten nur einen Tag. Hildegund war trotzig und trieb den Walther in den Kampf, wie es die Art der germanischen Heldinnen und wie es auch ihr Name fordert. Gunther stellte sich zum Einzelkampf, als tapferer Feind. Hagen riet von dem Kampf ab, als der Kampf trotzdem gekämpft wurde, saß er auf seinem Schild und sah untätig und trotzig zu: das ist ein Bild von echter und sinnbildhafter Anschaulichkeit. — Als aber Gunther in Lebensgefahr geriet, warf sich Hagen zwischen die Kämpfenden, fing Walthers Schwertschlag mit dem Helm auf: Walthers Schwert, Wielands Werk, zersprang, Walther fiel wie Siegfried um eines Schatzes willen. Bei Hagen hatte die Treue zum König über die Freundschaft zu Walther gesiegt.

Nun steht eine echte alte germanische Dichtung da, ein Meisterstück gotischer, heroischer Kunst, denn Walther wird genannt von Aquitanien oder von Spanien — das war die Heimat der Westgoten — und das Wasgenland, in dem die Kämpfe spielen, ist das Basconoland, die Gascogne. Etzel ist aufgefaßt, wie ihn die gotische Dichtung auffaßt; von Spanien kam das Lied nach Frankreich und zu den Franken und Burgunden. Gunther ist dahin, wie in andern alten germanischen Liedern der König der Franken und Burgunden.

Das Lied von Walther wurde gern gehört und hat eine lange Geschichte. Die älteste uns erhaltene Niederschrift ist das altenglische Fragment, im dreizehnten Jahrhundert gibt es hübsche Verse aus einem Walthergedicht, das den Empfang der Flüchtlinge in der Heimat schildert, noch ein andres Walthergedicht setzt das Nibelungenlied voraus, und wieder eine abweichende



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Version zeigt uns die Thidreksaga, diese wanderte nach Polen, griff unterwegs dies Märchen von der treulosen Frau auf und verwirrte sich damit und außerdem mit der Sage von Hilde. So stark und so vielfältig und wieder so durcheinander hallend waren die Nachwirkungen dieses Liedes, bei Eckehard ist es schon mehr Sport und Spiel und groteske übertreibung als altes Heldentum.


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