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J. P. Hebel und Basel


von Fritz Liebrich

Basel 1926

Verlag Helbing & Lichtenhahn


Z'Basel an mym Rhy.



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In Johann Peter Hebels Dichtungen sich vertiefen, heißt für den Basler eine Rückschau tun in die Zeit, da unsere Stadt von Mauern und Gräben umgeben war, da sich das Leben in engen, stillen Straßen abspielte und der Bürger den Feierabend auf der hölzernen Bank vor dem Hause genießen konnte. Es bedeutet auch einen Blick werfen über die engen, abgezirkelten Grenzen in das Land vor den Mauern draußen, wo die Natur noch das Recht hatte, farbige Sommervögel, Vogelsang und Blumen zu vergeuden. Und obwohl der Dichter kein Basler war, verspürt der Städter einen heimatlichen Hauch und kann die Namen Hebel und Basel nicht voneinander trennen.

Im Wiesental, jenseits der Grenze, wuchs die Poesie des alemannischen Sängers. Aber was bedeutet eine politische Scheide? Von jeher wurde sie übersprungen, und ein eigenartiges Spiel der Geschichte ließ immer das Leben von draußen in die Stadt herein und von drinnen hinaus wogen im ausgleichenden Wechsel. Schon die Namen der Ortschaften, die in Hebels Leben eine Rolle spielen, zeugen davon. In Lörrach hatte Alban seit 1103 den Pfarrsatz. Er war dem Kloster durch den Bischof von Hasenburg zugesprochen worden, und das Pfarrhaus in dem kleinen Städtchen zu unterhalten, war noch 1749 Pflicht des Stiftes. Hauingen gehörte ihm ebenfalls, und als



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dort 1767 die Kirche neu gebaut wurde, trug St. Alban ein Drittel der Kosten "ratione des Chores", wie eine Gedenktafel an der Kirchenmauer meldet, nachdem im Jahr vorher die Baufälligkeit des Gotteshauses durch Schaffnerei und Stadtingenieur war festgestellt worden. Schopfheims Kirchensatz hatte Markgraf Wilhelm 1440 an St. Alban verkauft. Dadurch war auch Hausen mit Basel verbunden; denn es war bis 1740 Filiale von Schopfheim. In Weil endlich hatte das Domkapitel zu Basel das Pfarrhaus zu bauen und bestimmte 1756 den ihm zugehörigen "Arlesheimerhof" in Weil zur Wohnung des Geistlichen.

Auch das Leben von draußen wirkte in die Stadt hinein. Bekannt sind ja die Festlichkeiten der Markgrafen bei den Einzügen in ihren Palast an der Hebelstraße. Doch ganz unscheinbare geschäftliche Beziehungen zeigen das Ineinandergreifen der Interessen. So richtete z. B. der Bürger zu Basel Johann Jakob Iselin, der Güterfuhrmann, an den "Durchlauchtigsten Fürst und gnädigsten Fürst und Herr" von Baden ein Gesuch, in dem er "unterthänigst"anfragte, "ob ihme gnädigst"gestattet werde, eine Stallung zu 30 Stück Pferden "in dem Burgvogtey Hof der Minderen Stadt erbauen zu dürfen." Und die an sich gewiß unwichtige Tatsache, daß 1777 die Abrechnung von Hebels Vormund aufführt "Vor ein Reißzeug zu Basel ausgelegt 3 Pfund 30 Batzen" und "vor Tuch zu einem Kleid nebst Futter Tuch zu Basel bezahlt 10 Pfund 7 Batzen" verrät, daß Handel und Wandel nach der Stadt hinstrebte. In die Hunderte und Tausende gehen derartige Beziehungen.



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Tiefer waren geistige Einflüsse. Als 1689 die Franzosen Durlach einäscherten, wurde das Baden-Durlachsche Archiv im markgräfischen Hof zu Basel untergebracht. Verwalter desselben war von 1703 an der Dichter Karl Friedrich Drollinger. Wie aus der Grabrede hervorgeht, die ihm 1742 sein Freund, der poeta laureatus Johann Jakob Spreng, hielt, hat dieser Mann bestimmenden Einfluß auf die Stadt ausgeübt. Während hier sonst die Fremden mit stolzen und scheelen Augen angesehen wurden, genoß Drollinger größtes Ansehen. Jedermann wollte ihn kennen, lesen und hören. Ganz Basel lernte durch ihn Interesse für die Literatur empfinden. "Sogar bey den Frauenzimmern begonnte man," sagt Spreng, "eine neue Lehrbegihrde und einen neuen und bessern Geschmack wahrzunehmen." Vorher mußte sich "dasselbige bald scheuen, belesen zu seyn und eine Erkänntniß von bündigen Schriften zu haben". Unter den Männern aber, die sich um Drollinger und Spreng sammelten, sind solche mit gut baslerischen Namen wie Buxtorf, Stähelin, Christ, Raillard, Burckhardt. Die damals entstandene Bewegung hatte weitgehende Folgen für das städtische Geistesleben. Die "Basler Deutsch Gesellschaft" wurde gegründet, Bruckners "Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landfest Basel" und Sprengs "Idioticon Rauracum oder baselisches Wörterbuch" entstanden. Das Interesse für die Heimat wurde geweckt, und die Stadt begann, sich nach einem eigenen Dichter zu sehnen.

In solcher Weise wurden die politischen Grenzen unsichtbar gemacht. Und als Hebel kam, war das Gefühl der Zusammengehörigkeit



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derart bei ihm mächtig, daß die Stadt ganz selbstverständlich in seine Dichtung eng verflochten war. Gewiß ist sein Basel nicht genau so, wie wir es sehen. Was wir bei ihm finden, ist das Erlebnis der Stadt mit dichterischen Augen geschaut. Wir dürfen dabei ruhig eingestehen, daß Hebel kein Großer der Literatur ist. Um so näher aber steht er uns. Denn er ist ein echter Dichter und lebt sich in unserer kleinen Welt aus. Deshalb ist jedes Ding seines Daseins bedeutsam, der Ausgangspunkt und das künstlerisch Erreichte erfüllen sich in unserem Gesichtskreis. Und so mögen wir denn diesem Dichterleben und Dichterwerk nachsinnen, wie es in unserer Stadt seinen Anfang nimmt und von hier aus gesehen seinen Weg geht.



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Wer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Blumenrain zu Basel hinanstieg, dem stellte sich oben beim Seidenhof massig und breit der St. Johannschwibbogen entgegen. Es mochte sonderbar genug sein für den Wanderer, der von der engen, finsteren Gasse her den Torbogen durchschritt, plötzlich Licht um sich zu fühlen. Unmittelbar vor dem Turme lag der Gottesacker der Predigerkirche hinter niederen Mauern. Es verbreitete sich dort eine ernste Stimmung. Auf der Innenseite der Friedhofmauern war der "Totentanz" gemalt, der sich unauslöschlich dem Gemüt einprägte. In vielen Drucken waren die Bilder verbreitet, kleine Plastiken wurden zum Kaufe ausgeboten, und noch heute, da die Begräbnisstätte längst verschwunden ist und die Bilder mit ihr, geistert der Tod von Basel im Volksliede, und der Name "Totentanz" haftet dem alten Platz unvergänglich an.

Zwischen dem Schwibbogen und dem weit draußen stehenden St. Johanntor lag die St. Johannvorstadt. Es schien, als wollte sich die Gräberstimmung gewaltsam in diesem Quartier festhalten. Denn noch einmal war in der Vorstadt ein Gotteshaus, die St. Johannsküche, im Basler Dialekt Sante Hans genannt, beim Johanniterhaus, und wiederum lag dort ein



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Friedhof, der St. Johanngottesacker, der noch am Ende des neunzehnten Jahrhunderts vorhanden war und wie eine Insel zwischen zerfallenden Mauern unermüdlich Veilchen, Rosen und Zypressen hegte. Wenige Schritte weit davon drängte sich die Straße unter dem St. Johanntor hindurch und zog als Elsässerstraße hinaus in den Sundgau. Ihr zur Seite standen, wie zufällig da und dort hingestellt, die Gütlein der Basler Bürger. An der Stelle des jetzigen Hauses Elsässerstraße 7 war ein Landhaus, "der Brunnenbeyfang" genannt, das dem Major und späteren Brigadier Johann Jakob Iselin gehörte. Innerhalb der Mauern zwischen der St. Johannvorstadt und dem Petersplatz breiteten sich wohlgepflegte Gärten aus. Dort zog sich auch am markgräfischen Hof vorbei, der heute zum Bürgerspital gehört, eine stille Straße, die Neue Vorstadt, bis zu den Mauern an der Schanzenstraße. Jetzt heißt diese einstige Vorstadt Hebelstraße . Beim Petersplatz aber erhob sich die Peterskirche mit Kreuzgang und Grabstätten. Es ist der Stadtteil Basels, der "alten Stadt am ältern Rhein", in dem Johann Peter Hebel geboren wurde, und von dem er zweimal sagte, er wolle im Alter dort wohnen.

Eng verwoben in dieses Stadtbild der Jugendzeit des Dichters sind auch freundliche Menschen, vor allem die Familie des Majors Iselin. Dieser stand von 1718 —1764 als Offizier in französischen Diensten. In seinen Freisemestern suchte er regelmäßig seine Vaterstadt auf und war 1748 Sechser der Zunft zu Gartnern und Mitglied des Großen Rats. Seine Frau, Susanna Ryhiner, lebte 1746 —1748 mit den



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beiden Kindern, einem Sohn und einer Tochter, bei ihrem Manne in Frankreich und wechselte verschiedene Male mit dem Regiment die Garnison. Später hat sie immer in Basel gewohnt und scheint mit ihren Dienstboten in gutem Einvernehmen gestanden zu haben. Ihr Lehensmann z. B. auf dem schon genannten Brunnenbeyfang, es war ein Jakob Blühler von Diegten, sollte 1757 sein Schirmgeld bezahlen. Da sagte er, "er habe keinen Burgen, er verstände nichts, was es sey, er wolle der Frau Majoren reden." Für ihn war demnach die Frau Majorin Ratgeberin und Beschützerin. Sie ist es wohl auch in erster Linie gewesen, die den Hebelleuten die vielen Freundlichkeiten erwies, welche der Dichter nie vergessen hat.

Major Iselin hatte einen Diener, der ihn auf allen Kriegszügen begleitete und mit ihm jeweilen auch nach Basel kam. Das war Johann Jakob Hebel aus dem damals kurpfälzischen, jetzt preußischen Dorfe Simmern am Hunsrück. Als Andenken an seine alte Heimat besaß dieser Herrendiener, wie er genannt wurde, ein Rechenbuch. Mit sorgfältig ausgeführter Zierschrift steht auf der ersten Seite: "Johann Jacob Hebell im alten Simmern den 25ten Mertz im jahr Anno 1743." Da hat er Gewinn- und Verlustrechnungen, geometrische Progressionen, seltsame Rechenexempel eingetragen. Besonders wert war ihm ein Gesangbuch, in das er auf der ersten Seite schrieb: "Dieses Gesangbuch gehört mein. Johann Jacob Hebel. Basel. d. 4ten May 1749." Aber das genügte noch nicht. Auf der zweiten Seite vermerkte er mit roter Tinte und zierlichen Buchstaben: "Dieses Gesangbuch ist mir von der frauen major Iselin von



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Basel verehret worden, und werde mich so offt ich darinnen lesen werde, ihrer frey-gebigkeit erinnern und wird mir zum lebenslänglichen angedenken dienen. geben in Basel im Anfang des 1747ten Jahres." Den Besitz solcher Andenken vergrößerte er, als er mit seinem Herrn nach Korsika zog. Er kaufte sich dort ein holländisches "Nieuw Verbetert Psalmen Gesang-Bok", in dem er anmerkte: "Joh. Jacob Hebel gekauft in ajaccio auf der Insel Corsica vor 10 Soldi macht 12 kr den 20 october 1758." Das wichtigste Eigentum aber war sein Notizbuch. Außer seinen Einnahmen und Ausgaben schrieb er da hinein alle Ortschaften, die er mit seinem Herrn besuchte. Ferner legte er ein Verzeichnis an von "verses allemandes"über Liebeslust und Liebesleid, dem er eine ähnliche Sammlung "vers français" anreihte. Zur Ausschmückung verwendete er oft rote und gelbe Tinte. Diesen Eintragungen ließ er eine sorgfältig geschriebene Liste von Anfangszeilen mehrerer hundert deutscher Volkslieder folgen, die er gehört und wohl auch selbst gesungen hatte. Eine unterhaltsame Ergänzung fanden die Lieder in Auszügen aus einem Briefsteller für Liebende. Daran reihten sich Notizen aus der alten und neuen Geschichte unter dem Titel "Histoires", sowie solche aus der Religions- und Kirchengeschichte. Hiezu bemerke er an einer Stelle: "Dieses ist aus den Historienbüchern gezogen worden in Basel 1749 im August und 1763 den 30ten Juni und 1ten Juli hierin eingeschrieben worden zu Valencienne." Der Diener besaß demnach einen lebhaften Bildungstrieb und mag darin von seinem Herrn angeregt und gefördert worden sein.



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Nun hatte aber die Frau Majorin eine Magd, Ursula Oertlin aus Hausen im Wiesental, und die beiden Dienstboten konnten sich wohl leiden. Als kleines Zeichen sandte Johann Jakob Hebel 1758 von Antibes aus "Vor die Ursula ein Kistchen mit coquilles". Und als er ein Jahr später von Korsika nach Basel reiste, schrieb er ihr unterwegs einen humorvollen Brief, in dem er sich das Herz der Jungfrau als Meßkrom ausbat. Dieses Herz erhielt er, und die beiden verheirateten sich. Doch wurde die Trauung nicht in Basel vollzogen, vielmehr in Hauingen im Wiesental. Das mag verschiedene Gründe haben. Sie hätte vermutlich in Basel gar nicht stattfinden können, denn Hebel war reformiert, seine Braut aber lutherisch. Leute verschiedener Konfession durften in der Stadt nicht getraut werden. Sagte doch die Basler Ehegerichtsordnung, daß man sich "allein an solche Personen, die Unserer reformierten Confession zugethan sind, verheirathen dürfe, anderst die, so hier wider handeln... ihres Burgerrechtes verlustig geachtet werden sollen, es wäre denn Sach, daß innert halben Jahresfrist nach bezogener Ehe der eine Theil sich zu Unserer Confession verstehen und noch vor bezogener Ehe dero öffentliche Bekanntniß zu thun sich entschließen wurde". Es kam daher oft vor, daß Ehepaare, denen dieser Artikel Schwierigkeiten machte, sich im Badischen, namentlich in Weil, trauen ließen. Dort durften solche Ehen geschlossen werden, wie später einmal der Dichter Hebel selbst von Karlsruhe aus an seinen Freund, Pfarrer Tobias Günttert in Weil, ausdrücklich schrieb: "Der Herr Geh. Rat Brauer sagt, daß Sie, mein teuerster Herr Pfarrer und Freund, Herr in



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ihrer Kirche seien und drin kopulieren lassen können, wen Sie wollen, ohne jemand zu fragen, wenn nur alles andere ordnungsmäßig und sicher sei." Daß aber gerade Hauingen als Ort der Trauung gewählt wurde, kann vielleicht seinen Grund darin haben, daß Hauingen ein Bad besitzt, das die Basler oft benützten und sich dort ländliche Vergnügungen machten. Frau Major Iselin mag daher dort, so lautet eine alte Vermutung, ihren Dienstleuten die Hochzeit gerichtet haben. Das Bad besaß nämlich seit 1742 Tavernenrecht. Früher durfte kein Wein ausgeschenkt werden, und das Gesuch um Wirtsrecht sagt, daß es "in der Sommerszeit mehrenteils von denen Basler, welche die Badkur gebrauchten und ihren eigenen Wein mitbringen, besucht wird". Von da an brauchten also die Basler keinen Wein mehr ins Bad mitzunehmen. Jedenfalls aber trug der Umstand wesentlich zur Trauung in Hauingen bei, daß der frühere Pfarrer von Hausen, Friesenegger, kurz vorher nach Hauingen versetzt worden war. Frau Ursula mochte daher gewünscht haben, von ihrem alten Seelsorger eingesegnet zu werden. Dies geschah denn auch am 30. Juli 1759.

Die Hebelleute ließen sich nach ihrer Verheiratung in Hausen nieder. Aber das Verhältnis zu Basel und der Familie Iselin wurde dadurch nicht unterbrochen. Iselins wohnten im Sommer auf dem Brunnenbeyfang, im Frühjahr kam Vater Hebel, der in Hausen durch Weberei während des Winters sein Brot verdiente, mit seiner Frau in die Stadt, um die alte Stelle als Dienstboten wieder einzunehmen. Da geschah es im Frühjahr 1760 bei einem solchen Aufenthalt in Basel, daß Frau Ursula



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am 10. Mai ihr erstes Kind bekam, welches am 13. Mai in der Peterskirche auf den Namen Johann Peter getauft wurde.

Da dieses Kind später der berühmte Dichter Johann Peter Hebel wurde, möchte man doch gerne wissen, in welchem Hause es geboren wurde. Es gibt aber keine Chronik, die dies meldet. Man dachte zuerst an das Haus des Majors Iselin, den "Brunnenbeyfang". Verschiedene Gründe aber sprechen dagegen. Da wurde 1860, am Tage nach dem Fest, das den 100. Geburtstag Hebels verherrlichen sollte, die Tradition der Familie Kraus bekannt, die besagte, der Großvater, Pfarrer Daniel Kraus-Brothag, habe vom Dichter selbst erfahren, daß dieser in der jetzigen Hebelstraße das Licht der Welt erblickt habe. An das alte, heimelige Gartenhäuschen der Faeschischen Liegenschaft gegenüber dem markgräfischen Palast wurde eine eherne Gedenktafel angebracht. Sie befindet sich heute an dem unschönen Gebäude, dem zuliebe das Hebelhause abgerissen wurde. Es wurden zwar über die Richtigkeit der Tradition Zweifel geäußert, schon darum, weil Iselin selbst nicht in dem Faeschischen Hause wohnte, doch es blieb dabei, da es doch niemand besser wissen konnte. Nun will aber das Geschick, daß sich in Karlsruhe ein bisher ungedruckter Brief Hebels an Pfarrer Hitzig in Rötteln befindet, in dem der Dichter sagt, er sei geboren "in der Santehans ni fallor (wenn ich mich nicht irre) Nr. 14, das zweite Haus vor dem Schwiebogen". An Gustave Fecht schreibt er auch einmal: "Ich bin bekanntlich in Basel daheim, vor dem Santehansemer Schwiebogen das zweite Haus." Ein andermal macht



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er Zukunftspläne für sein Alter. Er wolle im Winter in Basel wohnen, an dem Sanhans [?], "damit ich immer hinüber schauen könnte" [nach Weil, wo Gustave wohnte]. Hebel würde sagen; "Nun soll der geneigte Leser herausfinden, wo das Geburtshaus steht." Und der geneigte Leser würde nachsinnen: In der St. Johannvorstadt — das zweite Haus vor dem Schwibbogen —, Nr. 14 — von wo aus man nach Weil sehen kann. Das paßt wirklich nicht auf die Hebelstraße. Das Haus muß auf der Rheinseite der Vorstadt stehen. Sonst könnte man nicht nach Weil sehen. Das stimmt insofern, als schon Felix Platter, der Arzt, in seinem Verzeichnis der Häuser und Bewohner der Johannvorstadt in den kleinen Gebäuden der Rheinseite Rebleute, Fischer und Weber, also lauter einfache Leute, aufführt. Aber in der Hausnummer hat sich Hebel geirrt. Denn als er geboren wurde, gab es noch keine Hausnummern. Die Numerierung wurde erst 1798 vorgenommen, als der Dichter in Karlsruhe lebte und höchstens zu kurzen Besuchen hieher kam. Damals begann die Häuserzählung draußen beim St. Johanngtor. Nummer 14, heute 72, war auf der Rheinseite das fünfte Haus, eine Scheune. Aber in der gleichen Reihe das zweite Haus? Das könnte schließlich, da man doch dort draußen zu zählen begann, auch das zweite Haus vor dem Schwiebogen" sein. Aber dieses Gebäude, heute Nummer 78, war auch eine Scheune. Also wenden wir uns zum Schwibbogen und zählen von dort aus das zweite Haus ab. Dieses erhielt 1798 die Nummer St. Johannvorstadt 89, heute ist es Totentanz Nummer 2.



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Darauf passen, außer Nummer 14, alle Merkmale: Es ist wörtlich "das zweite Haus vor dem Schwiebogen", es gehörte zur Zeit Hebels zur St. Johannvorstadt, man hat von dort aus eine prächtige Aussicht gegen Weil hin. Aber gibt es denn irgendwelche Beziehungen des Dichters zu dieser Liegenschaft? Ja, es gibt welche. Als der Knabe getauft wurde, erhielt er zwei Paten. Der erste war Johann Peter Hebel aus Simmern, ein Onkel, der dem Kind den Namen gab. Der zweite Pate war ein Oheim mütterlicherseits, Georg Örtlin von Hausen. Die beiden Götti konnten nicht zur Taufe kommen und wurden vertreten durch Meister Nicolaus Riedmann, den Schneider, und Meister Friedrich Ludin, den Schuhmacher. Nicolaus Riedmann aber war Besitzer des Hauses St. Johann 89, heute Totentanz 2. Es ist daher sicher, daß die Hebelleute eben in diesem Haus eingemietet waren, und daß der Hausmeister den Eltern zuliebe gerne die Stellvertretung des ersten Paten übernahm. Das Geburtshaus Hebels, das von ihm genannte "zweite Haus vor dem Schwibbogen" ist also Totentanz 2. Von dort aus hatte der Vater keinen weiten Weg zum Brunnenbeyfang, wenn er zur Arbeit ging.

Nach der Geburt des Sohnes zog er wieder sein Notizbuch hervor und notierte: Johann Peter bekam mit 22 Wochen den ersten Zahn, mit 28 Wochen konnte er allein sitzen, mit dreiviertel Jahren sogar allein stehen, er konnte "in der Meß 1760 schon pfeifen auf einer hölzernen Pfeifen". Es hätte wenig gefehlt, so wären mehr Eintragungen dazu gekommen. Im Juni



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1761 nämlich bekamen die Hebelleute noch ein Mädchen. Sie wohnten damals wahrscheinlich in Kleinbasel; denn das Kind wurde in der St. Theodorskirche getauft, und da die Frau Majorin Susanna Iselin-Ryhiner Patin war, erhielt das Kind den Namen Susanna. Aber das Glück der Hebelfamilie kam nicht ins Blühen. Der Vater wurde krank. Er zog mit Frau und Kindern nach Hausen, lebte dort "etwa noch 8 Tag" und starb am 25. Juli 1761 "seines Alters 41 Jahr". Kurze Zeit darauf starb auch die kleine Susanna.

Die Witwe Hebel setzte den Aufenthaltswechsel zwischen Hausen und Basel fort, und so kam es, daß die Stadt Einfluß auf den Knaben ausübte. Er besuchte die Schule zu St. Peter. 1772 war er Schüler der dritten Klasse des Gymnasiums. Am 22. Juni desselben Jahres starb Major Iselin und vermachte der Frau Hebel ein Legat, das in der Vogtsrechnung von 1777 mit 103 Pfund 14 Batzen 2 Rappen aufgeführt ist.

Der Vater schwand also aus dem Leben des Sohnes, ohne daß er auf dessen Erziehung hätte einwirken können Aber später, als Johann Peter Hebel in Karlsruhe lebte und dort von der Heimat getrennt sein Land, seine Menschen und seine Welt dichterisch wieder erstehen ließ, lebte auch sein Vater wieder auf. In dem Gedicht "Der Bettler" läßt ihn der Sohn verkleidet aus fremden Kriegsdiensten heimkehren und die Treue seiner Geliebten prüfen. Mit falschem Bart und falschem Gewand tritt da der fahrende Diener auf, mit odysseischer Verstellungskunst Wahres mit Erdichtetem mischend erzählt er:



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J ha in schwarzer Wetternacht
vor Laudons Zelt und Fahne gwacht,
i bi bim Paschal Paoli
uf Corsica Draguner gsi,
und gfochte hani, wie ne Ma
und Bluet an Gurt und Sebel gha
J bi vor menger Batterie,
i bi in zwanzig Schlachte gsi
und ha mit Treu und Tapferkeit
dur Schwerdt und Chugle 's Lebe treit...
Hesch öbben au e Schatz im Zelt?
mit Schwerdt und Roß im wite Feld?
Biwahr di Gott vor Weh und Leid,
und geb dim Schatz e sicher Gleit,
und bring der bald e gsunde Ma!
's goht ziemli scharf vor Mantua.
's cha sy, i chönnt der Meldig ge.
Was luegsch mi a und wisch wie Schnee
und seisch nit: "Henk di Bettelgwand,
di falsche graue Bart an d'Wand?"
Jetz bschau mi recht und chennsch mi no?
Geb Gott, i sey Gottwilche do!

Trefflich erfaßt der Dichter auch das Verhältnis seiner Eltern zueinander, wie es sich durch die Gefahr der Kriegszüge entwickeln und wie die Braut in Angst und Sorgen um den Geliebten leben mußte. Denn das Mädchen ruft aus:

Herr Jesis, der Friedli, mi Friedli isch do,
Gottwilche, Gottwilche, wohl chenni di no!
Wohl het mi bigleitet di liebligi Gstalt



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uf duftige Matten, im schattige Wald.
Wohl het di bigleitet mi bchümmeret Herz
dur Schwerdter und Chugle mit Hoffnig und Schmerz,
und briegget und bettet. Gott het mer willfahrt,
und het mer mi Friedli und het mer en gspart.

Das Jugenderlebnis "Basel" aber prägt sich am schärfsten aus, und zwar bis in die Einzelheiten treu erfaßt, im Lied "Erinnerung an Basel", das Hebel der "Frau Meville" widmete. Sie war die Frau des Seidenfärbers, St. Johannvorstadt letztes Haus links beim Gottesacker — gegenüber konnte man an den Rhein hinunter in das Entenloch, die Seide auszuschwenken. Ihr Mann war Achilles Miville-Kolb, und die Frau wird geschildert als eine ihres Geschlechtes seltene, kluge, schöne und geschickte Frau.

Das Lied ist zum Volkslied geworden, doch in verkürzter Form. Ungekürzt lautet es so:

Z 'Basel an mym Rhi
jo dört möchti sy!
Weiht nit d 'Luft so mild und lau
und der Himmel isch so blau
an mym liebe Rhi.
In der Münsterschuel,
uf mim herte Stuehl,
magi zwor jetz nüt meh ha,
d'Töpli stöhn mer nümme a
in der Basler Schuel.
Aber uf der Pfalz
alle Lüte gfallt's.



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O wie wechsle Berg und Tal,
Land und Wasser überal
vor der Basler Pfalz.
Uf der breite Bruck,
für si hi und zruck,
nei, was sieht ine Here stoh,
nei, was sieht ine Jumpfere goh
uf der Basler Bruck.
Eis isch nümme do;
wo isch's ane cho?
's Scholers Nase, weie weh!
Git der Bruck kei Schatte meh.
Wo bisch ane cho?
Wie ne freie Spatz
uffem Petersplatz
fliegi um, und 's wird mer wohl
wie im Buebekamisol
uffem Petersplatz.
Uf der grüene Schanz,
in der Sunne Glanz,
woni Sinn und Auge ha,
lacht's mi nit so lieblig a
bis go Sante Hans.
's Seilers Rädli springt;
los, der Vogel singt.
Summervögeli jung und froh
ziehn de blaue Blueme no,
alles singt und springt.



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Und e bravi Frau
wohnt dört ußen au.
"Gunnich Gott e frohe Muet.
Nehmich Gott in treui Huet,
liebi Basler Frau!"

Mit diesem Liede macht Hebel einen Gang durch seine Basler Jugendzeit. Als erstes tritt die Münsterschule mit den Töpli vor Augen. Das ist vielleicht kein Zufall. Hebel besuchte, wie gesagt, im Sommersemester 1772 die dritte Klasse des Gymnasiums unter dem Kandidaten Eucharius Müller. Die Kollokationstabelle nennt ihn als den zwölften von fünfundzwanzig Schülern. In derselben Liste findet sich als achter ein J. Henr. Miville, Sohn des Seidenfärbers, und als fünfter ein J, Jac. Miville, Sohn des Gerichtsbeisitzers. Da mag der Name der Adressatin zuerst die Schule in Erinnerung gerufen haben. Dem Schülerverzeichnis hängte der Lehrer eine allgemeine lateinische Bemerkung an, nachdem schon die Tabelle Urteile wie "negligens", "minus diligens" bei einzelnen mitbekommen hatte. Diese Bemerkung lautet verdeutscht "Ich mag den Schülern, ausgenommen sind diejenigen, welche oben der Nachlässigkeit beschuldigt werden, das Lob des Fleißes nicht absprechen, obschon es scheint, daß sie fast keine Fortschritte gemacht haben. Ich kann sie auch nicht der Boshaftigkeit zeihen, obschon die meisten nicht zu wissen scheinen, was Bescheidenheit ist und was sich schickt. Gutgeartet sind ja die Buben, aber es ist schon viel, sie auch an milderes Benehmen zu gewöhnen."

Von dieser Anmerkung bis zu Töpli ist nicht mehr sehr weit, und der Dichter scheint solche reichlich mit ins Leben



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bekommen zu haben. Erzählt er doch auch von der Zeit, da er neben der Schule in Hausen jeden Morgen noch die Lateinschule in Schopfheim besuchte: "Wie man zum Kaffe Cichorie tut, also kam es ihm [dem Peter] nicht darauf an, wenn er vormittags die lateinischen Schläge eine Stunde weit heimgetragen hatte, nachmittags je einmal auch noch ein paar deutsche einzutun — aber niemals unverdiente." Es gehen viele Gerüchte um über Knabenstreiche Hebels, bei dem die "Bosget" oft überkochte, und es wird in Basel wohl nicht anders gewesen sein als im Wiesental. Mit der "Bosget" nicht, und nicht mit den Töplein. Denn wenn auch so ein Herr Kandidat im schwarzen, gefältelten Pfarrtalar mit mächtiger, mühlsteinartiger Halskrause ernst und würdig auf der Straße mochte ausgesehen haben, war er in der Schule doch anders. Die ehrwürdigen Kleidungsstücke wurden dort sofort mit dem bequemeren Nachtrock vertauscht, und an Stelle der weißen Perücke trat eine Zipfelkappe. Doch auch so machte der Schulherr Eindruck auf die Buben. Denn hinten beim Bücherschaft waren die Haselstecken aufgestappelt; an der Wand hing das Täfelchen mit dem Esel, das den schlechten Lateinern um den Hals gehängt wurde (sie mußten "den Esel hüten"); daneben baumelte ein Strick. Der war für die Schüler, die Unfug trieben. Ihnen wurden für zwei Stunden die Hände auf den Rücken gebunden. Ein Glück war's nur, daß die Töplein und selbst die "Hosenknöpflein" bloß schmerzhaft, aber nicht ehrenrührig waren, ein weiteres Glück, daß die Buben den Humor dabei nicht verloren; sie nannten einst mit guter Treffsicherheit einen Lehrer, der besonders



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viel "Tatzen"austeilte, den "Tacitus". Der "hert Stuehl" jedoch ist die Bezeichnung für die langen, unbequemen Bänke, welche von den Knaben gedrückt wurden und ihrerseits die Knaben drückten. Es ist begreiflich, wenn Hebel erklärt, er wolle nichts mehr damit zu tun haben. Vom harten Stuhl weg schwärmt dafür die Erinnerung des Dichters hinaus auf die Pfalz. Ob diese schon damals der beliebte Platz für Bubenkämpfe war, geht aus dem Lied nicht hervor. Denn darin leuchtet nur das Bild der herrlichen Landschaft, die sich vor den Augen ausbreitet. Es ist nicht ein leeres Wort, wenn gesagt wird "alle Lyte gfallt's" und wenn von "Land und Wasser" gesungen wird. Allen Leuten war von jeher der Blick von der Pfalz aus ein herrlicher Genuß. So schreibt der Sachse Küttner in seinen "Briefen eines Sachsen aus der Schweiz 1785": "Die Pfalz hinter der Hauptkirche ist ein Platz, den alle Reisenden besuchen. Er ist mit wilden Kastanienbäumen besetzt, deren dichte Gipfel kühlen Schatten geben. Längs der Mauer gegen den Rhein hin ist eine lange Bank, auf der ich manchmal sitze, wenn die Abendsonne die Gipfel des Schwarzwaldes vergoldet. Rechts und links ist ein Teil der großen Stadt im schönsten Amphitheater sichtbar. Da sehe ich, wie der schönste der Flüsse seine grünen Wellen hinabwälzt, höre das Getümmel auf der halb steinernen, halb hölzernen Brücke und überschaue alle die mannigfachen Figuren, die ohne Unterlaß sich darauf bewegen." Durch diese Worte wird bereits klar, weshalb die nächste Strophe des Liedes von der Rheinbrücke singt. Wer diese vom Großbasel her betreten wollte, kam durch die Eisengasse. Diese war zur



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Zeit Hebels an sich schon schmal und dunkel, noch mehr wurde sie verfinstert durch das klotzige Rheintor, dessen Bogen man durchschritt, um dann unmittelbar auf die Brücke zu gelangen. Die finstere Gasse und die helle Brücke waren wohl schärfste Gegensätze. Deshalb war die Brücke der Inbegriff eines Ortes voll Licht und Luft. Für den Basler war sie eine Promenade, wo man nach Schluß der Außentore noch plaudernd hin und her gehen und sich vollkommen im Freien fühlen konnte. Küttner erzählt davon: "Da diese Brücke sehr breit ist, so ist sie abends nach neun Uhr eine Art Spaziergang, wo ich manchmal über hundert Menschen gesehen habe. Es sind herrliche Augenblicke, die man auf der Rheinbrücke im Mondenschein verbringen kann. In der Mitte sind auf beiden Seiten Auswürfe, in die man sich setzen kann, ohne von den Gehenden beschwert zu werden. Vor etlichen Tagen saß ich ganz allein bis spät in die Nacht und konnte mich nicht satt sehen an den Türmen und seltsamen Formen alter Häuser im Mondenschein, oder wie sein sanftes Bild auf der unsteten Welle dahinglitzerte."

Vor dem Rheintor, auf der rechten Seite der Brücke, standen kleine Buden, etwa wie Meßhäuslein. In einer derselben arbeitete der Buchbinder Scholer, dessen riesige Nase allgemein bestaunt wurde und vom Maler Feyerabend in einer Karikatur verewigt worden ist. Hebels Lied besingt sie, und die Strophe hatte für den Dichter noch eine ganz besondere Bedeutung. Nicht nur Feyerabend hat diese Nase im Bilde festgehalten, sondern Hebel selber. In der Zeit, da er als junger Präzeptoratsvikar in Lörrach mit seinen Freunden den Bund der Proteuser gegründet



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hatte und mit ihnen in proteusischen Geheimnissen schwärmte, da hat er auch einen "Almanach des Proteus" geschrieben und darin in lustigem Ulk die "Proteologen" besprochen. Da taucht als Sohn des Diogenes Cynicus der Cyniculus Basiliensis in tonna quadrata auf und ist in einem Scherenschnitt verewigt: Das ist der Buchbinder Scholer, der bei den Proteusern eine nicht unwichtige Rolle spielte. Hebel sagt 1802 in einem Brief an Pfarrer Hitzig, damals in Rötteln, genannt Zenoides, er gedenke ins Oberland zu reisen (von Karlsruhe her), "dann nach Basel zu wallen, um mir als Reliquie einen Span von der äußersten Hülle des Cyniculuz herab zu schneiden". Die äußerste Hülle ist die hölzerne Bude. Im Kalendarium des Almanachs ist der 28. Oktober als Cyniculustag und als Beginn der Messe angegeben. An diesem "Cynikelstag" aber, heißt es, "wallfahrtet man nach Basel und wartet dem Cyniculus auf, doch wird nur die Schwelle der Tonne betreten". Übrigens nennt Hebel in "Ekstase", einem proteusischen Gedicht an Hitzig, den Namen Scholers selber. Da ziehen alle Proteologen auf,

der ewige Jude mit hohler
gefurchter Wange, der Scholer,

und andere. Hebel mag daher bei dieser Strophe in Erinnerung an den fröhlichen Jugendunsinn besonders geschmunzelt haben.

Von der Rheinbrücke weg fliegen seine Gedanken nach jener Gegend der Stadt, mit der er durch seine Geburt verknüpft war. Auf dem Petersplatz fühlte er sich wieder im "Buebe-Kamisol". Über diesen Platz rasselten so wenig wie heute Fuhrwerke.



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Beim Stachelschützenhaus schloß die Stadtmauer den Hintergrund, der Petersgraben war noch ein richtiger Stadtgraben, ein Brücklein überspannte ihn bei der Peterskirche, gerade da, wo jetzt das Hebeldenkmal steht. Eine Basler Familenüberlieferung besagt, Hanspeter habe häufig im kinderreichen Pfarrhaus St. Peter verkehrt. Da mag er denn mit den Pfarrkindern an freien Nachmittagen oder nach Schulschluß im "Buebekamisol" ausgezogen sein auf den großen, grünen Platz, auf dem sich Alt und Jung von jeher wohl fühlen konnte. Die Jugend "flog umher", die Alten ruhten auf den hölzernen Bänken. Ging man vom Petersplatz aus der Innenseite der Stadtmauer entlang, wo jetzt die Universitätsbibliothek steht, so kam man beim heutigen Bernoullianum auf die "grüne Schanze". Von dort aus schaute man in die schönen Gärten der Neuen Vorstadt (Hebelstraße). Man sah außerhalb der Stadtmauer, wo sich heute Mittlere Straße und Klingelberg hinziehen, Rebberge, Rebhäuslein, Wege, die zwischen Schlehen und Weißdorn liefen. Man erblickte über das jetzige Schellenmätteli hin den Turm von Santehans und konnte dort das Haus der Frau Miville, der "lieben Basler Frau", ahnen, vielleicht sogar sehen. Im Stadtgraben bei der grünen Schanze aber hatte ein Seiler seine Bahn eingerichtet, dort springt "'s Seilers Rädli". Die Schönheit der Aussicht von den Schanzen und Wällen aus begeisterte auch Küttner. "Das Schönste, was ich daran finde, ist, daß man fast rings herum auf den Wällen spazieren gehen kann, und daß man da eine viele Meilen weite Aussicht hat, die unbeschreiblich ist." Daß vor den Mauern alles singt und



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springt, bestätigt er ebenfalls. Er beschreibt eine Stelle irgendwo bei St. Margarethen: "Da liege ich im Grase und träume. . . Der Bach murmelt, die Obstbäume auf der Wiese ertönen vom Gesang der Vögel, und im Grase um mich her rührt sich eine halb unsichtbare Welt. Auf der einen Seite sehe ich einen Teil der Stadt, deren Wälle und Türme mit dem hohen, hervorragenden Münster einen romantischen Anblick geben."

Wir sehen, wie treu Hebels Erinnerungsbild ist. Er kennt sein Basel und teilt einmal seiner Freundin Gustave Fecht mit (Brief vom 16. Mai 1812): "Vor einigen Tagen lernte ich den H. Graveur Hueber von Basel hier kennen. So einer kommt mir recht. Er mußte durch alle Gassen und Gäßlein von Basel mit mir schlüpfen. Am Ende gestand er mir, daß ich Basel besser kenne als er." Denn so wie bei Hebel die Hausen-Schopfheimer Mundart neben andern Einflüssen durch den Basler Dialekt modifiziert worden ist, so ist auch ein Bruchteil seines Inneren eng mit Basel verknüpft gewesen. Und nicht vergebens erwachte in ihm mit dem Alter der Wunsch, "heim" zu kommen und da den Rest seiner Tage zu verbringen. Unter diesem "heim"kommen meinte Hebel aber nach Basel kommen. So ist auch die Einleitung zur "Erinnerung an Basel"nicht eine Schmeichelei an die Adresse der Frau Miville, das "jo dört möchti si" ist vielmehr, wie alles in diesem Gedicht, Wirklichkeit. Und wenn es nach Wunsch gegangen wäre, so hätte sich das Leben dieses Mannes zum Kreis geschlossen: Ausgang von Basel und nach langen Jahren Rückkehr zur Geburtsstätte. Aber es ist anders gekommen.


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