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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Die totemistische Elefantenlegende (Bena Lulua; vom mittleren Lulua)

Der Vater eines Kindes war gestorben. Das Kind war ganz allein. Es gab ihm niemand zu essen. Das Kind suchte sich Eier. An einem Tage fand das Kind zehn Eier, an einem Tage fand es fünf Eier. Das Kind war einmal auf einem Baum und hatte einen Vogel mit der Hand ergriffen. Das Kind saß auf dem Baum und sah Kapumbu (Elefant). Das Kind sah vier Kapumbu. Es waren aber fünf Kapumbu. Ein Kapumbu kam hinterher. Die vier Kapumbu legten den Rüssel ab. Sie legten die Zähne ab. Sie legten die Haut ab. Die vier Kapumbu waren vier Menschen.

Es kam noch ein Kapumbu. Es war der fünfte. Der Kapumbu hob den Rüssel in die Höhe und witterte. Der fünfte Kapumbu, der ein Kapumbu war, sagte zu den andern vier Kapumbu, die Menschen waren: "Ich rieche einen Menschen." Die andern vier sagten: "Wir vier haben nichts gerochen, laß das, es ist kein Mensch da." Der



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fünfte Kapumbu legte seinen Rüssel ab, legte seine Zähne ab, legte seine Haut ab. Der fünfte Kapumbu war auch ein Mensch. Die fünf Kapumbumenschen machten Feuer (der Erzähler machte die Pantomime des Quirlens). Sie kochten, sie aßen. Sie hatten fertig gegessen. Die ersten vier legten ihre Haut an, sie legten ihre Zähne an, sie legten den Rüssel an. Es waren wieder vier Kapumbu. Die vier Kapumbu gingen in den Wald.

Der fünfte Kapumbumensch war noch da. Er war noch Mensch. Er sah in die Höhe, er sah das Kind. Er sagte zu dem Kind: "Ich bin dein Vater, gib acht: töte nie einen Kapumbu! Schieße nie nach einem Kapumbu mit einem Pfeil! Ich bin dein Vater, ich bin dein Kapumbu." Der fünfte Kapumbu legte die Haut an, er legte die Zähne an, er legte den Rüssel an. Der fünfte Kapumbu ging.

Das Kind nahm eine Pfeife und blies. Die vier ersten Kapumbu hörten das. Die vier Kapumbu sagten: "Es war doch ein Mensch dort. Er spottet über uns." Die vier Kapumbu kamen zurück und wollten das Kind töten. Der fünfte Kapumbu, der der Vater war, wollte das Kind retten. Das Kind floh auf sein Dorf zu. Die vier Kapumbu liefen hinterher. In dem Dorfe arbeiteten die Leute an dem Blasebalge. Die vier Kapumbu fragten: "Habt ihr nicht das Kind gesehen?" "Wir haben es gesehen, es ist in das Haus dort gegangen." Die vier Kapumbu gingen hin und zogen das Kind heraus. Der fünfte Kapumbu kam; er sagte: "Ich habe dich gewarnt, du hast nicht gehört, ich habe nichts mehr mit dir zu schaffen." Die vier Kapumbu töteten das Kind. Sie nahmen seine Mukischi (gleich Seele) und machten einen Kapumbu daraus.

(Die Geschichte ist erzählt von einem Mitgliede der Familie der Baschilakapumbu.)

Mukischi ist der nach dem Tode übrigbleibende Teil des Menschen, also so viel wie Seele. Man traut den Mukischi nicht viel Gutes zu.


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