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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Gabuluku (Bena Lulua; Bena Koschil; Bena Lassasse?)

Nseffu (Elefant) Munene lud einmal alle Tiere zu sich zum Tanzen ein. Er machte ein großes, großes Haus und füllte viel Essen hinein. Die Tiere kamen (auch) alle und versammelten sich in Nseffu Munenes Dorfe. Gabuluku (Antilope) sagte: "Höre Nseffu! Wir werden abends und morgens tanzen. Inder Zwischenzeit werden wir nun schlafen. Da könntenun einer hingehen, in das Speisemagazin kriechen und stehlen. Ich mache also den Vorschlag, daß du allen befiehlst, abends die Beinfelle (wie Stiefel) auszuziehen und oben in das Haus zu hängen. So können sie nicht laufen." Nseffu Munene sagte: "Das ist sehr gut." Nseffu ernannte Kaschiama (Leopard) zur Wache.

Abends tanzte man. Als es Zeit war, blies Nseffu das Signal zum Schlafen. Alle zogen ihre Beinfelle aus und hingen sie oben in das Haus. Alle Tiere schliefen ein. Mukenge (Fuchs) rief den Regen. Es regnete. Gabuluku sah um sich. Alle schliefen. Kaschiama schlief, Mukenge schlief, alle schliefen. Gabuluku erhob sich, nahm aus dem Hause die Beinhäute Gulungwes (Antilope) und zog sie an. Er ging vor das



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Haus. Er lief immer hin und her, so daß es viele Spuren gab. Dann ging er in das Speisehaus und aß und aß und aß. Dann kehrte er zurück, hängte Gulungwes Stiefel an den Haken und schlief.

Am (andern) Morgen trat Kaschiama heraus. Er sah die vielen Spuren des Gulungwe. Kaschiama sagte: "Das ist etwas!" Er ging und sah, daß einer im Speisehause gegessen und geraubt hatte. Gabuluku zeigte die Spuren und sagte: "Das war Gulungwe." Die Tiere sagten: "Das war Gulungwe." Die Tiere riefen: "Oooo Gulungwe !" Gulungwe sagte: "Ich habe geschlafen, ich habe nicht gestohlen." Nseffu Munene, der Chef, kam. Er sah alles an. Er sah die Spuren. Er sagte: "Gulungwe muß sterben." Gulungwe wurde getötet.

Die Tiere tanzten, aßen, tranken, tanzten. Als es Zeit war, blies Nkuffu (Schildkröte) das Signal zum Schlafen. Alle zogen ihre Beinfelle aus und hingen sie im Haus oben auf. Alle Tiere schliefen ein. Mukenge rief den Regen. Es regnete. Gabuluku sah um sich; alle schliefen. Kaschiama schlief, Mukenge schlief, alle schliefen. Gabuluku erhob sich, nahm oben aus dem Hause die Beinhäute Ntundus (Antilope) und zog sie an. (Fortgesetzt wie oben.) Es wurden in gleicher Weise Bou (Büffel), Nseffu, Kakesse und endlich die Wache Kaschiama getötet.

Es waren (bis an diesen Morgen) getötet: Gulungwe, Ntundu, Bou, Nseffu, Kakesse und Kaschiama. Gabuluku ging spazieren. Kakaschi Kakullu (eine alte Frau) kam zu Nseffu Munene. Kakaschi Kakullu sagte: "Du tötest alle Tiere umsonst. Die Tiere haben nicht gestohlen. Gulungwe hat nicht gestohlen. Ntundu hat nicht gestohlen. Bou hat nicht gestohlen. Nseffu Kakesse hat nicht gestohlen. Kaschiama hat nicht gestohlen. Gabuluku ist der Schlauberger. Gabuluku hat dir den Rat gegeben, alle Tiere sollten nachts die Beinfelle oben ins Haus hängen. Gabuluku nimmt nachts die Beinfelle, läuft darin herum, stiehlt und hängt sie wieder hin. Stelle nun Kabundji (Marder) als Wache in das Magazin. Ich werde ein Buanga (Zaubermittel) machen. Wenn Kabundji einschläft, wird das Buanga ihn aufwecken." Nseffu Munene sagte: "Es ist gut."

Die Tiere tanzten, aßen, tranken, tranken. Als es Zeit war, blies Nseffu das Signal zum Schlafen. Kabundji ging als Wache in das Magazin. Alle zogen ihre Beinfelle aus und hingen sie oben ins Haus. Alle Tiere schliefen ein. Mukenge rief den Regen. Es regnete. Gabuluku sah um sich. Alle Tiere schliefen. Gabuluku erhob sich, nahm oben aus dem Hause die Beinhäute Ngombes (des Hausrindes) und zog sie an. Gabuluku ging vor das Haus. Er lief immer hin und her, so daß es viele Spuren gab. Dann ging er in das Speisehaus. Kabundji schlief.

Kabundji schlief. Neben Kabundji stand das Buanga. Das Buanga stieß Kabundji an und sagte (ganz leise): "Wach auf, wach auf,



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wach auf! Der Dieb kommt !" Kabundji sah ganz vorsichtig (mit wenig geöffneten Lidern) umher. Er sah jemand kommen und essen und essen und essen. Er sah, es war Gabuluku, der die Stiefel Ngombes anhatte. Gabuluku aß und aß und aß. Gabuluku ging wieder nach Hause, legte sich hin und schlief.

Am Morgen traten die Tiere vor die Haustür. Sie sahen die Spuren. Die Tiere riefen: "Oooooh, Ngombe !" Gabuluku kam heraus und rief: "Oooo, Ngombe hat gestohlen!"Ngombe rief: "Ich habe geschlafen und nicht gestohlen." Kabundji sagte zu Nseffu Munene: "Gabuluku hat gestohlen." Nseffu Munene sagte: "Gabuluku hat in den Beinhäuten Ngombes gestohlen !" Gabuluku rief: "Ich habe nicht gestohlen, ich habe nicht gestohlen, ich habe nicht gestohlen !" Die Tiere sagten: "Gabuluku ist ein großer Dieb. Gabuluku muß sterben." Sie banden Gabuluku.

Die Tiere wollten Gabuluku auf der Stelle totschlagen. Gabuluku sagte: "Schlagt mich hier nicht tot. Ihr verunreinigt euch den Platz, wenn ihr mich nachher zerlegen wollt, um mich zu essen. Bringt mich dort ans Holz." Die Tiere brachten Gabuluku an die Waldgrenze. Gabuluku sagte: "Nehmt mir die Stricke jetzt ab, ehe ich tot bin, dann habt ihr nicht nachher die Arbeit. Schlagt mich gegen den Boden, und ich bin tot." Die Tiere nahmen Gabuluku die Stricke ab und schlugen ihn gegen den Boden. Gabuluku entschlüpfte aber unter den Zweigen schnell in den Wald.

Der Sohn Kaschiamas rief: "Gabuluku ist schuld, daß viele Tiere schuldlos getötet worden sind. Er hat sehr viel geraubt und gefressen. Wir wollen ihn fangen." Alle Tiere sprangen hinter Gabuluku her. Gabuluku kam an einen Baum mit vielen Luftwurzeln, zwischen denen eine Höhle im Boden war. Er schlüpfte hinein. Die Tiere kamen an und begannen zu scharren und zu kratzen. Sie kratzten so lange, bis Kaschiama wirklich einen FußGabulukus erfaßte und daran ziehen konnte. Gabuluku rief: "Ich sitze auf dieser Seite, und du ziehst an einem Stück Holz auf der andern."Gabuluku lachte. Kaschiama ließ los. Gabuluku sprang auf, an den (verblüfften) Tieren vorbei und in den Wald. Die Tiere sagten: "Es war doch Gabulukus Fuß."

Der Sohn Kaschiamas rief: "Gabuluku ist schuld, daß viele Tiere getötet worden sind. Er hat sehr viel geraubt und gefressen. Wir wollen ihn fangen." Alle Tiere sprangen hinter Gabuluku her. Gabuluku sprang durch den Wald und kam an ein Dorf. Das war nur von Gabuluku bewohnt. Es waren viele Gabuluku. Sie schlugen die Trommel und tanzten. Gabuluku rief: "Schneidet euch schnell die Ohren und Schwänze ab." Gabuluku schnitt sich Ohren und Schwanz ab. Alle Gabuluku schnitten sich Ohren und Schwänze ab. Die Tiere kamen an. Sie sahen auf den Boden und sahen viele Gabulukuspuren. Die Tiere sagten: "Wo ist unser Gabuluku?" Die Gabuluku trommelten



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und sagten: "Wir alle sind Gabuluku."Die Tiere antworteten: "Unser Gabuluku hatte Ohren und Schwanz." Die Gabuluku sagten: "In diesem Dorfe sind nur Gabuluku ohne Ohren und Schwänze." Die Tiere kehrten unverrichteter Sache wieder zurück.

Die andern Tiere wollten nichts mehr mit Gabuluku zu tun haben, da er ein Räuber ist.


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