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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM GERECHTEN KÖNIG ANUSCHARWÂN

Eines Tages gab Anuscharwân, der gerechte König', sich den Anschein, daß er krank sei; da sandte er seine Vertrauensmänner und seine Verwalter aus mit dem Befehle, sie sollten in allen Gegenden seiner Herrschaft und allen Ländern seines Reiches umherziehen, um einen alten Lehmziegel aus einem verfallenen Dorfe für ihn zu suchen, damit er durch ihn Heilung fände; denn er sagte seinen Freunden, die Ärzte hätten ihm solches verordnet. Darauf zogen sie in allen Gegenden seiner Herrschaft und seines ganzen Reiches umher; doch dann kehrten sie zu ihm zurück und sprachen zu ihm: ,Wir haben in deinem ganzen Reiche keinen verlassenen Ort und keinen alten Lehmziegel gefunden.' Des freute sich Anuscharwân, und er dankte Gott und sprach: ,Ich wollte nur mein Reich auf die Probe stellen und das Land meiner Herrschaft prüfen, um zu erfahren, ob es in ihm eine verlassene Stätte gebe, damit ich sie wieder aufbauen könnte. Da aber jetzt ein jeder Ort bewohnt ist, so steht es gut um das Reich, die beste Ordnung herrscht in allen Dingen, und so konnte die Kultur es zur höchsten Vollkommenheit bringen.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 465. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir



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berichtet worden, o glücklicher König, daß der König, als die Großen seines Reiches zu ihm zurückkehrten und zu ihm sprachen: ,Wir haben im ganzen Reiche keinen verlassenen Ort gefunden', Gott dankte und sprach: ,Jetzt steht es gut um das Reich, die beste Ordnung herrscht in allen Dingen, und so konnte die Kultur es zur höchsten Vollkommenheit bringen.'

Wisse drum, o König - so fuhr Schehrezâd fort -, daß jene alten Könige nur deshalb sich so eifrig um die Wohlfahrt ihres Landes mühten, weil sie wußten, daß, je volkreicher ein Land ist, in desto reichlicherem Maße auch das vorhanden ist, was von den Menschen begehrt wird; und sie wußten auch, daß es unzweifelhaft wahr ist, was die Gelehrten verkünden und was wir in den Aussprüchen der Weisen finden, nämlich: die Religion hängt vom König ab, der König von den Truppen, die Truppen von dem Staatsschatze, der Staatsschatz von der Wohlfahrt des Landes, und die Wohlfahrt des Landes von der gerechten Behandlung des Untertanenstandes. Deshalb unterstützten sie niemanden in der Härte und Unterdrückung und duldeten nicht, daß ihre Diener ungerecht handelten, in der Erkenntnis, daß die Untertanen bei Tyrannei nicht gedeihen können, daß Land und Städte in fallen, wenn Tyrannen über sie herrschen, und daß die Bewohner sich dann zerstreuen und in anderer Herren Länder sich flüchten. Dadurch aber kommt Elend über das Reich, die Einnahmen werden geringer, die Schatzkammern werden leer, und das heitere Leben der Untertanen wird getrübt; denn sie lieben einen tyrannischen Herrscher nicht, vielmehr senden sie unablässig ihre Gebete wider ihn empor, so daß dem König seine Herrschaft nicht frommt und das unheilvolle Verhängnis bald über ihn kommt.



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Ferner erzählt man


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