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Kapitel 

DICHTKUNST DER KASSAIDEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1928

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT ZWEI KARTEN UND ZEHN ABBILDUNGEN

Gabuluku und Gulunßwe (Bena Lulua; Bena Kosch!)

Gabuluku (Antilope) hatte eine Frau und zwei Kinder. Gulungwe (andere Antilope) hatte eine Frau und zwei Kinder. Gabuluku ging mit einem Hund in die Dilenge (hohe Gräser) und band ihn da an. Darauf ging er zu Tambue und sagte: "Tambue (Löwe), ich binde in den Dilenge einen Hund an. Der ist ganz allein für dich. Gehe morgen früh hin und hole ihn. Ich sage es sonst niemand." Tambue sagte: "Das ist gut, ich werde ihn morgen früh holen." Gabuluku ging mit einem Umweg nach Hause. Er ging durch Kaschiamas (Leoparde) Dorf und sagte zu Kaschiama: "Kaschiama, ich binde in den Dilenge einen Hund an. Der ist ganz allein für dich. Geh morgen früh hin und hole ihn. Ich sage es sonst niemand." Kaschiama sagte: "Das ist gut, ich werde ihn morgen früh holen." Gabuluku ging nach Hause. Am (andern) Morgen kam Tambue zu dem Hunde in die Dilenge. Tambue wollte den Hund nehmen. Von der (andern) Seite kam Kaschiama. Er wollte den Hund nehmen. Tambue sagte: "Geh fort, Kaschiama, der Hund ist mir gegeben." Kaschiama sagte: "Du lügst, Tambue, der Hund ist für mich bestimmt." Tambue sagte: "Du lügst und stiehlst mir den Hund." Kaschiama sagte: "Du lügst und stiehlst." Tambue schlug Kaschiama. Kaschiama schlug Tambue. Sie schlugen sich, schlugen sich, schlugen sich. Es war keiner (kein dritter) da, der (etwa) sagte: "Geh du dahin, geh du dahin !"(der den Streit schlichtete). Es war in den Dilenge. Als die Sonne da stand (beim Untergang angelangt war), waren beide tot.

Gabuluku kam in die Dilenge. Er fand Kaschiama und Tambue tot. Er war sehr froh. Gabuluku nahm ein Messer und schnitt Tambue vorn auf. Er zog das Fell ab. Gabuluku nahm ein Messer und



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schnitt Kaschiama vorn auf. Er zog das Fell ab. Er nahm beide Felle, trug sie in sein Dorf, trocknete sie in der Sonne. Gabuluku und seine Frau und seine zwei Kinder schliefen auf den Fellen des Tambue und des Kaschiama. Die Frau von Gulungwe kam. Sie war sehr erstaunt (Geste!). Sie ging zu ihrem Manne und sagte: "Wir beide schlafen so einfach auf der Erde. Gabuluku und seine Frau und seine Kinder schlafen auf dem Felle des Tambue und des Kaschiama !"

Gabuluku ging abermals in den Wald. Er ging und ging und ging. Er kam an ein Dorf der Bakischi (Geister der Verstorbenen). Die Bakischi waren nicht zu Hause, sie waren fortgegangen. Alle Häuser waren geschlossen. Gabuluku ging an ein Haus und sagte: "Haus, tu dich auf, tu dich auf, tu dich auf !" Das Haus tat sich auf. Gabuluku fand darin viele Stoffe und viel Nahrung und viel Kanu !(Kupferkreuze)

Gabuluku nahm alles und trug es mit sich fort in sein Dorf. Er gab seiner Frau und seinen Kindern, und alle waren sehr schön gekleidet. Die Frau von Gulungwe kam und sah (wie schön die Familie Gabulukus gekleidet war). Die Frau sagte: "Aaaah, habt ihr schöne Sachen. Ich will nicht mehr mit Gulungwe verheiratet sein. Andere Männer besorgen mehr. Ich will meinen Mann verlassen." Die Frau sagte zu Gulungwe: "Sieh nur, wie schön die Frau und die Kinder Gabulukus gekleidet gehen! Du bringst mir nicht solche Sachen !"

Gulungwe nahm zwei Ziegen und ging zu Gabuluku. Gulungwe sagte: "Hier nimm die Ziegen als Geschenk und erzähle mir, wie du die schönen Sachen erhalten hast. Meine Frau und ich leben wie die Wilden !" Gabuluku sagte: "Es ist gut, ich werde es dir zeigen !" Nach einigen Tagen sagte Gabuluku: "Komm mit, wir wollen in das Dorf der Bakischi gehen." Sie gingen und gingen und gingen. Sie kamen in das Dorf der Bakischi. Die Bakischi waren nicht da. Alle Häuser waren geschlossen. Gabuluku sagte: "Haus, öffne dich !" Ein Haus öffnete sich; sie gingen hinein und fanden viele gute Sachen. Sie packten die Sachen in Säcke und gingen nach Hause.

Nach einigen Tagen gingen sie wieder in das Dorf der Bakischi. Sie gingen und gingen und gingen. Sie kamen in das Dorf der Bakischi. Die Bakischi waren nicht da. Alle Häuser waren geschlossen. Gabuluku sagte: "Haus, öffne dich !"Ein Haus öffnete sich, sie gingen hinein und fanden viele gute Sachen. Sie packten die Sachen in Säcke. Gabuluku trug seinen Sack heraus. Gulungwe fand einen großen Topf mit Bohnen. Gulungwe legte seinen Sack hin und aß und aß und aß. Er aß gleich soviel, daß ihm der Bauch anschwoll. Gulungwe warf seinen Sack heraus und sagte: "Nimm meinen Sack!"Gabuluku nahm den Sack und legte ihn zu dem seinen. Er sagte dann: "Haus schließe dich !"Das Haus schloß sich (soweit), daß nur noch ein ganz schmaler



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Schlitz blieb. Gulungwe wollte hinausgehen, konnte aber nicht (nach der Geste konnte er sich nicht hinauszwängen). Gabuluku half ihm und zog. Der Bauch Gulungwes wäre fast geplatzt. Gulungwe rief: "Laß mich, mein Bauch reißt; lieber bleib ich im Hause !" Gabuluku sagte: "Ich habe dir den Rat gegeben, alles herauszutragen und nicht drinnen zu essen. Weshalb folgst du nicht meinem Rate! Nun kannst du nicht heraus. Bleib in dem Haus und decke dich mit Holz zu. Bald werden die Bakischi kommen." Gulungwe blieb im Haus und deckte sich mit Holz zu.

Als die Sonne da stand (nachmittag), kamen die Bakischi nach Hause. Es kamen (erst) nicht viele. Es kamen ein Mann und eine Frau. Die Frau nahm Holz und legte es ins Feuer. Gulungwe blickte (nach der Geste "verstohlen") hin. Die Frau nahm einen Topf mit Wasser und setzte ihn ans Feuer. Gulungwe zog den Fuß aus dem Holz. Er stieß gegen den Topf. Der Topf mit dem Wasser fiel in das Feuer. Die Frau sagte zu ihrem Manne: "Du bist nicht geschickt. Du wirfst mir meinen Topf ins Feuer." Der Mann sagte: "Du hast es ja selbst gemacht." Die Frau sagte: "Du lügst!" Der Mann sagte: "Laß mich !" Die Frau setzte (von neuem) einen Topf mit Wasser ans Feuer. Gulungwe ließ (nach einiger Zeit) einen fahren (muschia!). Alle Baschiki horchten (nach der Geste höchst erstaunt) auf. Sie sagten: "Was war das? Was war das? Was war das?" — Das Wasser war (nach einiger Zeit) am Kochen. Gulungwe schob sein Bein heraus und stieß gegen den Topf mit Wasser. Ein Kind rief: "Das war das Bein eines Tieres!" Sie faßten hin und hielten Gulungwes Bein hoch.

Die Bakischi fragten Gulungwe: "Wie hast du den Ton gemacht." Gulungwe sagte: "Muschia!" Die Bakischi sagten: "Zeig uns, wie du Muschia machst!"Gulungwe sagte: "Unter dem Schwanze." Gulungwe machte es vor und ließ dabei etwas fallen. Die Bakischi sagten: "Aaaaah (Geste des allerhöchsten Erstaunens), Aaaaah. Wir Bakischi essen und geben es nach einiger Zeit (durch den Mund nach der Geste) wieder von uns. Kannst du es so machen, daß wir auch Muschia und Tuffi (Unrat) machen können?"Gulungwe sagte: "Ich muß einen Weg machen. Wenn der Weg da ist, müssen die Leute schlafen. Bringt mir einen im Feuer rotglühend gemachten Eisenstab !"Sie brachten den roten Eisenstab. Ein Mann sagte: "Mach es mir !"Gulungwe sagte: "Leg dich auf den Boden !" (nach der Geste auf den Magen). Gulungwe nahm das rote Eisen und stieß es von hinten in den Mukischi. (Einzahl von Bakischi.) Der Mukischi war tot. Gulungwe sagte: "Die Straße wird gut." Die Bakischi sagten: "Der schläft." So machte Gulungwe fünfzehn tot. Es waren noch viele.

Die Bakischi sagten: "Denen hast du die Straße gut gemacht. Mach es uns auch. Wenn wir dann aufwachen, können wir alle



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einen fahren lassen und uns entleeren."Gulungwe sagte: "Es ist gut. Erst (aber) will ich auf jenen Berg mit den großen Bäumen gehen. Gebt mir schöne Kleider. Kommt alle ins Freie und schlagt den Tamtam, bis ich zurückkomme." Die Bakischi sagten: "Es ist gut !" Sie gaben ihm Kleider. Sie gingen ins Feld und schlugen die Gomma (Trommel). Gulungwe ging (von dannen) auf den Berg. Er kam auf den Berg und rief: "Ich fliehe! O Bakischi, ich fliehe !" Die Bakischi liefen alle um Gulungwe zu fangen. Sie kamen an den Berg. Gulungwe war (schon) fort.

Gulungwe lief und kam an das Dorf der Kaschila (eine kleine Ratte). Gulungwe sagte zu Kaschila: "Gib mir schnell ein Haus. Die Bakischi kommen. Ich will mich verstecken." Kaschila zeigte Gulungwe ein Loch. Kaschila sagte: "Geh da hinein." Gulungwe legte sich in das Loch. Die Hörner sahen heraus. Kaschila nahm weiße Erde (Pemba) und rieb die Hörner der Gulungwe damit ein. Die Bakischi kamen. Die Bakischi sagten: "Kaschila, wo ist Gulungwe?" Kaschila sagte: "Gulungwe ist nicht hier. Fragt das Lubuku (Orakel), wo Gulungwe ist." Die Bakischi fragten: "Wo ist dein Lubuku?" Die Kaschila (zeigt auf die weißen Hörner der Gulungwe) sagte: "Hier. Fasse du an einem Horn und reibe; ich fasse am andern Horn und reibe." Ein Mukischi und Kaschila neben das (angebliche) Lubuku. Kaschila sang:

"halte, halte, der Muschiangi (Vampyr) sieht selbst den Kopf der
Gulungwe."

(Es wird angenommen, dass Gulungwe nun hustet!)

"Das Nkissi wird dich verraten!

Du hältst Gulungwe an den Hörnern."

Die Bakischi sagten: "Oh, das ist nicht Gulungwe. Das ist das Lubuku." Kaschila sagte: "Ihr seht also, daß Gulungwe hier nicht ist. Er ist wohl in der Matiti! (in der Steppe)." Die Bakischi kehrten nach Hause zurück.

Gulungwe kam aus dem Loche heraus. Kaschila sagte: "Bezahle mich !"Gulungwe sagte: "Du siehst, daß ich hier nichts bei mir habe! Komm mit in mein Dorf." Kaschila sagte: "Es ist gut." Sie gingen in Gulungwes Dorf. Die Frau Gulungwes sagte: "Du bist nicht gestorben? Die Leute sagten, du seist tot." Die Frau Gulungwes machte Essen. Kaschila und Gulungwe aßen. Gulungwe gab Kaschila fünf Kanu. Kaschila ging in sein Dorf zurück.

Gulungwe blieb fünf Tage in seinem Dorf. Am sechsten Tage kam er zu Gabuluku. Gulungwe sagte zu Gabuluku: "Wie hast du das Fell Tambues und Kaschiamas erhalten? Ich will auch Felle haben." Gabuluku sagte: "Koche ein Gericht von Bohnen und tue Maniok hinein. Das bringe als Geschenk zu Kaschiama. Wenn der ißt, schlage



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ihn mit einem trockenen Maniokholz tot."Gulungwe ging mit einer ganzen Schüssel voll Bohnen und Maniok zu Kaschiama und sagte: "Dies ist für dich." Kaschiama sagte: "Es ist gut." Er beugte sich nieder um zu essen. Gulungwe schlug mit einem trockenen Maniokholz. Das Holz zerbrach (natürlich!). Gulungwe wollte ausreißen. Kaschiama hieb zu und schnitt Gulungwes Schwanz ab. Gulungwe lief in sein Haus. Er sprang auf den Hängeboden. Das Blut tropfte herab.

Gulungwes Frau kam nach Hause. Sie sah das Blut vom Hängeboden herabtropfen. Sie sagte: "Aaaah, mein Mann hat Wildpret erlegt und auf den Boden gelegt." Sie nahm ein Messer und wollte ein Stück abschneiden. Sie griff hinauf. Gulungwe sagte: "Du willst mir wohl auch noch den Penis abschneiden ?"* Kuschika


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