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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VOM ENGEL DES TODES UND DEM KÖNIG DER KINDER ISRAEL

Eines Tages saß ein König der Kinder Israel, ein gewaltiger Tyrann, auf seinem Herrscherthrone: da sah er durch das Tor des Palastes einen Mann hereintreten, der eine widerwärtige Gestalt und ein furchterregendes Aussehen hatte. Der König erschrak ob seines plötzlichen Erscheinens, ihn grauste vor seinem Anblick, er sprang vor ihm auf und rief: ,Wer bist du, Mann? Wer hat dir erlaubt, zu mir einzutreten? Wer hat dir befohlen, zu meinem Hause zu kommen?' Der Fremde gab zur Antwort: ,Er, der des Hauses Herr ist, hat es mir befohlen! Mich hält kein Türhüter zurück, und wenn ich zu den Königen eintrete, bedarf ich keiner Erlaubnis. Eines Sultans Macht und eine Menge von Wachen können mir keine Sorge machen. Ich bin der Mann, vor dem kein Tyrann sicher sein kann; und keiner kann fliehn, ergreife ich ihn. Ich bin es, der die Freuden schweigen heißt, und der die Freundesbande zerreißt!' Wie der König diese Worte vernahm, stürzte er auf sein Angesicht, ein Grausen durchschauerte seinen Leib, und er blieb ohnmächtig liegen. Als er wieder zu sich kam, fragte er: ,Bist du der Engel des Todes?' ,Ich bin es', erwiderte jener. Da flehte der König: ,Ich beschwöre dich bei Gott, gewähre mir eines einzigen Tages Frist, damit ich um Vergebung für meine Sünden beten und meinen Herrn um Verzeihung bitten kann, und



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damit ich das Geld, das in meinen Schatzkammern ist, seinen rechtmäßigen Besitzern zurückgeben kann; dann wird die Qual der Abrechnung von mir genommen, und das Weh der Strafe wird nicht über mich kommen.' Doch der Engel entgegnete: ,'Weit gefehlt! Weit gefehlt! Das ist dir nicht mehr möglich!' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 464. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der Todesengel zu dem König sprach: ,Weit gefehlt! Weit gefehlt! Das ist dir nicht mehr möglich. Wie kann ich dir eine Frist gewähren, da doch die Tage deines Lebens gezählt und deine Atemzüge berechnet und deine Stunden festgesetzt und aufgeschrieben sind?' ,Gib mir eine Stunde Frist!' bat der König; doch der Engel entgegnete: ,Die Stunde ist eingerechnet, und sie ist bereits verstrichen, doch du hast nicht daran gedacht; sie verging, doch du gabst nicht darauf acht. Jetzt sind deine Atemzüge vollendet, und dir bleibt nur noch ein einziger Hauch.' Nun fragte der König: ,Wer ist denn bei mir, wenn ich zu meinem Grabe getragen werde?' Der Engel erwiderte: ,Nur allein deine Werke!' Und als der König darauf sagte: ,Ich habe keine Werke', fuhr der Engel fort: ,So ist es denn sicher: deine Stätte wird im höllischen Feuer sein, und du gehst zum Zorne des Allgewaltigen ein!' Alsbald ergriff er seine Seele, und der König stürzte von seinem Throne und sank tot auf den Boden. Da erhob sich ein Getöse unter dem Volk seines Reiches, die Stimmen erklangen, und Weinen und Schreien erschollen. Hätten sie aber gewußt, was ihm durch den Zorn seines Herrn bevorstand, so hätten sie noch bitterlicher um ihn geweint und sich zu noch lauterem und heftigerem Klagen vereint.



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Ferner erzählt man


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